| Titel: | Die Indigo-Cultur und -Fabrication in den russischen Besitzungen im Kaukasus. | 
| Fundstelle: | Band 126, Jahrgang 1852, Nr. LVII., S. 304 | 
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                        LVII.
                        Die Indigo-Cultur und -Fabrication
                           in den russischen Besitzungen im Kaukasus.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1852, Nr.
                              1672.
                        Die Indigo-Cultur und -Fabrication im
                           Kaukasus.
                        
                     
                        
                           Seit dem Jahr 1835 ist man in Rußland bemüht, in den Kaukasusländern die Cultur der
                              den Indigo liefernden Pflanze, des Polygonum tinctorium,
                              einzuführen. Die russische Regierung ließ zu diesem Behufe mehrere Jahre nach
                              einander beträchtliche Mengen des Samens dieser Pflanze kommen; im Jahr 1841 begann
                              der Bürger Pepinoff sich mit dieser Cultur zu
                              beschäftigen, und wurde in seinen Versuchen von, dem Grafen Kisselaff ermuntert. Man räumte ihm dazu 30 Desätinen (1 D. = 3,20 bayer.
                              Morgen) ein, welche erst im Jahr 1845 in sein wirkliches Eigenthum übergingen. Die Cultur
                              gelang ihm, die Bereitung der Farbe aber nicht. Er schickte daher Ivan Tumadoff, einen geschickten Kunstschreiner, nach Indien,
                              um den Anbau und die Bereitung des Indigo's dort zu studiren. Dieser blieb fünf
                              Jahre daselbst und kehrte erst im Jahr 1848 zurück; allein sein Principal war
                              gestorben, weßhalb er sich nach Elisabethpol begab, wo er die indische Indigopflanze
                              anbaute, von deren Samen er 1 1/2 Pud (30 Kilogr.) mitgebracht hatte. Er theilte
                              etwas von diesen Samen dem Bürger Antonoff mit, welcher
                              nun seit einigen Jahren sich mit der Cultur der chinesischen Indigopflanze
                              beschäftigt. Nachdem er einige wenige Mittheilungen gemacht hatte, starb Tumadoff, bevor noch die Cultur recht begonnen hatte. Im
                              selben Jahre (1847) brachte ein indischer Derwisch einige Wochen in Elisabethpol zu
                              und gab Antonoff auf sein dringendes Bitten einige
                              Rathschläge, welchen letzterer das vollkommene Gelingen seines Verfahrens zu
                              verdanken behauptet. Er gewann in den Jahren 1847 und 1848 17 bis 17 1/2 Pfd.
                              Indigo, welche er zu 1 1/2 bis 2 Silberrubel (3 fl. 45 kr.) das Pfund verkaufte.
                           Die indische Indigopflanze erreichte zu Elisabethpol nur eine Höhe von 1 Fuß bis 18
                              Zoll; die chinesische hingegen von 4 bis 4 1/2 Fuß.
                           
                        
                           Culturkosten und Erträgniß des Bodens.
                           Aus Obigem geht hervor, daß es die chinesische Pflanze ist, welche am Kaukasus gebaut
                              wird. Die Cultur war bis dahin nur eine Gartencultur in sehr kleinem Maaßstab und
                              ohne alle Bedeutung für den Handel. Im Jahr 1831 aber gaben die Moskauer Kaufleute
                              auf Verwendung des Hrn. v.
                                 Meyendorff 5000 Silberrubel her, um den Versuch zu ermöglichen, statt
                              dieser Cultur im Kleinen eine großartige einzuführen. Sie hoffen eine jährliche
                              Production von 60–80 Puds (1000–1306 2/3 Kilogr.).
                           Den Bodenertrag an Indigo schätzt man in der Umgegend von Elisabethpol zu 7 Puds (122
                              2/3 Kil.) per Hektare. Auf die Hektare werden ungefähr 8
                              Kilogr. Samen genommen.
                           Die Culturkosten betragen annäherungsweise 56 Silberrubel per Hektare; die Fabricationskosten 38 Silberrubel und 40 Kopeck per Hektare; Cultur und Fabricationskosten belaufen sich
                              also zusammen, wenn diese Angaben richtig sind, auf 94 Silberrubel 40 Kopeck.
                           Bei Elisabethpol und Pothi im Riowbecken sind nach Hrn. v. Meyendorff die zum Anbau des Indigo's
                              geeignetsten Gegenden; es vereinigen sich nämlich dort die meiste Feuchtigkeit und größte Wärme. Bisher
                              aber wurde der Anbau, wie gesagt, nur in Elisabethpol versucht.
                           Folgendes Verfahren zur Gewinnung des Indigo-Farbstoffs wird in den
                              kaukasischen Provinzen befolgt:
                           1ste Operation. – Gährung. – Das zur gehörigen Zeit, d.h. sobald sich die ersten
                              Blätter zeigen, geschnittene Kraut wird in steinerne Behälter gebracht, welche
                              Wasser enthalten, und 8–10 Tage darin aufgehäuft gelassen.
                           2te Operation. – Das Wasser, auf welchem sich
                              kupferige Bläschen absetzten, wird nun abgelassen und im zweiten niedrigem Bassin
                              drei Stunden lang stehen gelassen. Alsdann wird die Flüssigkeit mit großen,
                              hölzernen Schaufeln geschlagen, wodurch sie mit der Luft in Berührung gebracht wird,
                              um sie zu oxydiren. Dieß dauert 1 1/2 bis 2 Stunden. Hierauf fangt der Farbstoff an
                              sich niederzuschlagen. Man läßt die Flüssigkeit ruhig stehen und findet nach etwa
                              zwei Stunden allen in den Kufen enthaltenen Indigo in kleinen Körnchen auf dem Boden
                              abgelagert. Man schöpft das Wasser ab und sammelt sorgfältig die Farbe als flüssigen
                              Teig, welchen man an der Luft etwas trocknen läßt, worauf die letzte Operation
                              beginnt.
                           3te Operation. – Desoxydation. – Ueber der getrockneten Farbemasse wird ein grober
                              Baumwollenzeug ausgebreitet. Dieser Zeug wird mit einem Alkali bestreut, nämlich mit
                              Weidenasche oder der Asche eines anderen weichen Holzes, welche die Eigenschaft hat,
                              gewisse Theile des Indigoteigs zu absorbiren und ihn leicht zu machen. (Man nahm im
                              Kaukasus an, daß die Asche durch den Baumwollenzeug hindurch den überschüssigen
                              Sauerstoff absorbirt, welcher durch das Schlagen in den Teig eingeführt wurde, und
                              nannte daher diese dritte und Hauptoperation „Desoxydation“).
                              Man wiederholt diese Operation alle halbe Stunden mit jedesmaliger Erneuerung der
                              Asche. Diese Behandlung wird als beendigt betrachtet, wenn die Indigomasse ein
                              Zehntheil ihres Gewichtes verloren hat; je mehr sie übrigens an Gewicht abnimmt,
                              desto besser. Von dem Gelingen dieser Operation hängt der Erfolg der ganzen
                              Fabrication ab. Der Anwendung dieses Verfahrens im Kaukasus verdankt man den so
                              leichten und feinkörnigen Indigo, welcher den besten indischen Sorten nahe
                              kommt.