| Titel: | Ueber Bereitung des Gußstahls; vom Geh. Oberbergrath Dr. Karsten. | 
| Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. XLI., S. 188 | 
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                        XLI.
                        Ueber Bereitung des Gußstahls; vom Geh.
                           Oberbergrath Dr. Karsten.
                        Aus Karsten's und v. Dechen's Archiv Bd. XXV S.
                              218.
                        Karsten, über Bereitung des Gußstahls.
                        
                     
                        
                           Durch die Lehre von den bestimmten Mischungsverhältnissen hatte die Chemie schon ihre
                              wissenschaftliche Begründung erhalten, als man die früheren und als ungenügend
                              erkannten Untersuchungen über die für die Technik höchst wichtigen Verbindungen des
                              Eisens mit der Kohle wieder aufnahm. Es zeigten sich hier bestimmte
                              Mischungsverhältnisse nicht, sondern der Kohlegehalt des Eisens ward in demselben
                              Verhältniß zunehmend gefunden, in welchem das Stabeisen unmerklich in Stahl und
                              dieser allmählich in Roheisen übergeht. Um die wohl begründete Lehre von den
                              bestimmten Mischungsverhältnissen auch bei den Verbindungen des Eisens mit Kohle
                              aufrecht zu erhalten, blieb noch die Annahme übrig, daß ein Eisen-Carburet
                              von unveränderlicher Zusammensetzung vorhanden sey, welches die Eigenschaft besitze,
                              sich in bestimmten oder unbestimmten Verhältnissen mit dem Eisen zu verbinden und
                              daß das Verhältniß dieses Carburets zum Eisen über die Natur und die Eigenschaften
                              des Eisens entscheide. Das Vorhandenseyn eines solchen Carburets ist bis jetzt noch
                              nicht erwiesen. Bei meinen früheren Untersuchungen über die Kohleneisenverbindungen
                              glaubte ich es wirklich gefunden zu haben und bezeichnete es vorläufig mit dem
                              Namen: Polycarburet. Bei den seitdem über 25 Jahre lang fortgesetzten Analysen von
                              vielen und sehr verschiedenen Arten von Stahl und Roheisen hat es nie gelingen
                              wollen, ein Polycarburet, dessen bestimmte chemische Zersetzung als unzweifelhaft zu
                              betrachten wäre, für sich und abgesondert darzustellen. Für die Zurückführung der
                              Verbindung des
                              Eisens mit Kohle auf bestimmte und unabänderliche Mischungsgewichte würde aber auch
                              selbst durch das Vorhandenseyn eines Eisenpolycarburets nicht viel gewonnen seyn,
                              weil immer wieder die Nothwendigkeit eintritt, eine Verbindung dieses Polycarburets
                              mit Eisen in unbestimmten Verhältnissen anzuerkennen. Es scheint fast, daß die
                              Vereinigung des Eisens mit Kohle in unbestimmten Verhältnissen bis zum Maximum des
                              Kohlegehalts (etwa bis 5,93 Proc.) fortschreitet und daß über diese Sättigungsstufe
                              hinaus die Verbindungsfähigkeit beider Körper aufhört.
                           Die Classificirung der Eisencarburete in die drei Abtheilungen: Roheisen, Stahl und
                              Stabeisen, würde daher keine durch bestimmte Verbindungsverhältnisse gebotene,
                              sondern eine ganz willkürliche seyn, bei welcher die Eigenschaften des Productes den
                              Abtheilungsgrund darbieten. Das reine, von Kohle ganz befreite Eisen ist ein so
                              weiches Metall, daß es der Abnutzung durch Reibung nur einen geringen Widerstand
                              leistet und zu den mehrsten Anwendungen, die von dem Eisen gemacht werden,
                              unbrauchbar seyn würde. Durch die Verbindung mit Kohle, innerhalb gewisser Gränzen,
                              wird die Festigkeit, folglich auch die Elasticität, Geschmeidigkeit und Dehnbarkeit
                              des Eisens erhöht. Die Zunahme an Härte macht sich vorzüglich dann in einem
                              auffallenden Grade bemerklich, wenn das Metall nach vorangegangener starker
                              Erhitzung plötzlich abgekühlt wird. Dieß Verhalten des Kohle haltenden Eisens ist
                              es, von welchem man den Unterscheidungsgrund zwischen Stahl und Stabeisen entnommen
                              hat, indem man übereingekommen ist, alles Stabeisen, welches durch plötzliches
                              Ablöschen an Härte zunimmt, Stahl zu nennen. Aus den Analysen von vielen Eisenarten
                              hat sich das Resultat ergeben, daß der Kohlegehalt des Eisens bis 0,2, ja selbst bis
                              0,25 Proc. steigen kann, ehe dasselbe durch Ablöschen bedeutend härter wird. Je
                              reiner das Eisen ist und je weniger fremdartige Beimengungen, besonders von
                              Schwefel, Phosphor und Silicium dasselbe enthält, desto bedeutender kann der
                              Kohlegehalt seyn, ehe die Härtezunahme durch plötzliche
                              Temperatur-Erniedrigung bemerkbar wird. Bei dem besten schwedischen
                              Stabeisen, so wie bei dem Stabeisen, welches in Deutschland aus Spath- und
                              Brauneisenstein dargestellt wird, trägt ein Kohlegehalt von 0,35 Procent noch nicht
                              zur Erlangung einer bedeutend größeren Härte des Eisens nach dem Ablöschen bei,
                              indeß ist der Grad der Härte doch so beträchtlich, daß dem Metall der Name des
                              stahlartigen Eisens mit Recht zukommt. Von diesem harten und festen, oder
                              stahlartigen Eisen ist der Uebergang in Stahl so unmerklich, daß es nothwendig wird
                              irgend ein empirisches Merkmal anzunehmen, an welchem sich erkennen läßt ob das Metall
                              noch Stabeisen oder schon Stahl genannt werden soll. Erlangt das Eisen durch
                              Aufnahme von Kohle nach dem Ablöschen den Grad der Härte, daß es am Kiesel Funken
                              gibt, so kann es erst auf den Namen Stahl Anspruch machen und dieser Grad der Härte
                              wird erreicht bei einem Kohlegehalt von 0,5 Proc. bei den von fremden Beimischungen
                              weniger freien, und bei einem Kohlegehalt von 0,65 Proc. bei dem von fremden
                              Beimischungen fast völlig befreiten Stabeisen. Stahl, der so wenig Kohle enthält,
                              ist aber immer nur ein weicher Stahl, der durch Aufnahme von mehr Kohle eine größere
                              Härte und Festigkeit erlangen muß. Mit der Vergrößerung des Kohlegehalts erhöht sich
                              zwar die Härte, welche die Verbindung nach einer plötzlichen
                              Temperatur-Erniedrigung erlangt, aber die Festigkeit nimmt nicht in demselben
                              Verhältniß zu. Bei dem von fremden Beimischungen möglichst befreiten Eisen
                              entspricht ein Kohlegehalt von 1,4 bis 1,5 Procent demjenigen Verbindungsverhältniß,
                              bei welchem der Stahl nach dem Ablöschen die größte Härte und zugleich die größte
                              Festigkeit besitzt. Bei noch mehr erhöhetem Kohlegehalt erlangt der Stahl zwar eine
                              größere Härte, aber er verliert schon an Festigkeit und die Schweißbarkeit wird so
                              geringe, daß der Stahl, dessen Kohlegehalt bis 1,75 Proc. gestiegen ist, fast alle
                              Schweißbarkeit verloren hat. Steigt der Gehalt an Kohle bis 1,8 Procent, so läßt er
                              sich nur mit großer Schwierigkeit noch unter dem Hammer bearbeiten und ausstrecken,
                              obgleich er dann mit einer sehr großen Härte noch einen beträchtlichen Grad von
                              Festigkeit verbinden kann. Stahl, der 1,9 Procent Kohle und darüber aufgenommen hat,
                              ist kaum mehr schmiedbar in der Hitze, und mit einem Kohlegehalt von 2 Procenten
                              scheint die Gränze zwischen Stahl und Roheisen erreicht zu seyn, indem sich das
                              Product im weichen Zustande, nämlich vor dem Härten, in der Hitze nicht mehr
                              ausstrecken läßt, ohne rissig zu werden und unter dem Hammer zu zerfallen.
                           Der Stahl ist durch die merkwürdige Eigenschaft: im erhitzten und dann langsam
                              erkalteten Zustande sich wie weiches Eisen behandeln und bearbeiten zu lassen, bei
                              einer plötzlichen Erniedrigung der Temperatur aber außerordentlich an Härte
                              zuzunehmen, ohne an Festigkeit zu verlieren, ein durch keinen anderen Körper zu
                              ersehendes unschätzbares Werkzeug für alle Zweige der Gewerbsamkeit geworden. Es ist
                              aber bis jetzt noch nicht gelungen, in den veränderten Verbindungszuständen des
                              Eisens mit der Kohle im Stahl, den Grund für die ganz veränderten Härtezustände der
                              langsam und der plötzlich erkalteten Metallverbindung zu ermitteln. So große
                              Gegensätze von Weichheit und Härte, wie sie der nicht gehärtete und der gehärtete
                              Stahl darbieten, lassen sich nur durch eine gänzliche Veränderung seines Gefüges
                              erklären. Die Vermuthung, daß der Verbindungszustand der Bestandtheile in dem
                              gehärteten und in dem nicht gehärteten Stahl ein sehr verschiedener seyn müsse,
                              erhält dadurch eine große Wahrscheinlichkeit, daß sich eine solche
                              Verschiedenartigkeit des Verbindungszustandes des Eisens mit der Kohle bei dem
                              Eisencarburet mit größerem Kohlegehalt, bei dem Roheisen, mit aller Entschiedenheit
                              nachweisen läßt. So lange man Roheisen kennt, hat man die weiße und die dunkle Art
                              unterschieden. Beide Körper sind in ihren physikalischen Eigenschaften zu sehr
                              verschieden, als daß man den Unterschied in der Farbe, in der Härte, in der
                              Festigkeit und Sprödigkeit hätte übersehen können. Dazu kommt das sehr verschiedene
                              Verhalten in der Schmelzhitze, indem das graue Roheisen einen ungleich höheren Grad
                              der Temperatur zum Schmelzen erfordert, als das weiße, und fast plötzlich aus dem
                              starren in den dünnflüssigen Zustand übergeht, wogegen das weiße Roheisen bei
                              geringeren Graden der Temperatur zuerst eine weiche, dann eine breiartige Masse
                              bildet, ehe der Zustand der Flüssigkeit eintritt. Ehe man die zuverlässigeren
                              Methoden der Trennung der Kohle von dem Eisen kennen gelernt hatte, glaubte man den
                              Grund des ganz verschiedenen Verhaltens des weißen und des grauen Roheisens in dem
                              größeren Kohlegehalt des letzteren gefunden zu haben, denn beim Auflösen desselben
                              in Säuren blieb in der That ungleich mehr Kohle zurück als von dem weißen Roheisen
                              bei ganz gleicher Behandlung erhalten ward. Jetzt weiß man, daß jene Voraussetzung
                              unrichtig war, und daß die Eigenschaften des Roheisens nicht bloß von der Größe des
                              Kohlegehalts, sondern weit mehr noch von dem Verbindungszustande der Kohle mit dem
                              Eisen abhängig sind. Das graue Roheisen läßt sich durch plötzliches Erstarren nach
                              erfolgtem Schmelzen in weißes, das weiße durch hochgesteigerte Temperatur nach dem
                              Schmelzen und durch absichtlich verzögertes Erstarren in graues Roheisen umändern,
                              ohne daß das Mischungsverhältniß zwischen Eisen und Kohle verändert wird. Jedem
                              grauen Roheisen entspricht ein weißes mit ganz gleichem Kohlegehalt, und das ganz
                              verschiedene Verhalten des weißen und des grauen Products wird man nicht mehr in dem
                              geringeren Kohlegehalt des ersteren suchen, seitdem man weiß, daß das graue, weiche
                              und in der gewöhnlichen Temperatur sogar geschmeidige Roheisen ein Gemenge von Stahl
                              oder auch von stahlartigem Eisen mit Kohle, das weiße, harte und spröde Roheisen
                              aber eine wirkliche chemische Verbindung des Eisens mit der ganzen Menge der im
                              Roheisen befindlichen Kohle ist.
                           Die Analogie zwischen dem grauen und dem weißen Roheisen einerseits, und mit dem
                              nicht gehärteten und gehärteten Stahl andererseits ist ganz unverkennbar, aber
                              niemals hat man in dem langsam erkalteten, nicht gehärteten Stahl eine Spur von
                              ungebundener Kohle gefunden. Selbst in dem Gußstahl, der 1,9 bis 2 Procent Kohle
                              enthält und welcher sich wegen dieses großen Kohlegehaltes nicht mehr schmieden
                              läßt, wird nach dem möglichst verzögerten Erstarren ungebundene Kohle nicht
                              aufgefunden. Erst wenn der Kohlegehalt des Eisencarburets bis 2,25 oder bis 2,3
                              Procent gestiegen ist, sondert sich die Kohle in dem langsam erstarrten Gemenge ab
                              und gibt dadurch seine wahre Roheisennatur zu erkennen. Soll daher eine Gränze
                              zwischen Stahl und Roheisen, die auf einem durch die Mischungsverhältnisse bedingten
                              Fundament beruht, gezogen werden, so würde der Kohlegehalt der Mischung von 2,25 bis
                              2,3 Procent diese Gränze bezeichnen, weil sich bei diesem Kohlegehalt ein Theil der
                              Kohle durch das langsame Erstarren der Mischung aussondert. Je mehr der Kohlegehalt
                              des Roheisens von jenem Minimum bis zum Maximum von 5,93 Procent zunimmt, desto
                              lichter wird die Farbe und desto größer die Härte der weißen Varietät. Bei der
                              grauen Varietät ist dagegen die Menge der sich aussondernden Kohle, durch welche die
                              dunklere Farbe und die größere Weichheit des Gemisches bedingt wird, so wie der
                              größere oder geringere Gehalt an Kohle, welche in chemischer Vereinigung, oder als
                              gebundene Kohle mit dem Eisen zurückbleibt, von dem mehr oder weniger verzögerten
                              Erstarren der geschmolzenen Mischung abhängig. Es genügt daher nicht die Quantität
                              der Kohle zu kennen, welche durch die Analyse im Roheisen aufgefunden wird, um sich
                              von dem Verhalten des untersuchten Roheisens Rechenschaft zu geben, sondern es ist
                              zugleich nothwendig zu ermitteln, wieviel von der gefundenen Kohle chemisch mit dem
                              Eisen verbunden und wieviel mechanisch mit dem Eisen gemengt ist. Für die
                              metallurgischen Processe, welche auf die Absonderung der Kohle aus dem Roheisen, zur
                              Darstellung von Stahl oder von Stabeisen gerichtet sind, ist der Verbindungszustand
                              der Kohle mit dem Eisen von größerer Wichtigkeit als der Kohlegehalt des Roheisens
                              überhaupt. Das weiße Roheisen erfordert zu solchem Zweck andere Methoden und
                              Verfahrungsarten als das graue und es können Fälle eintreten die den Techniker
                              veranlassen, das graue Roheisen in weißes umzuändern, wenn es auch durch Aufnahme
                              von noch mehr Kohle geschehen sollte, obgleich deren Abscheidung doch der
                              eigentliche Zweck seiner Operation ist.
                           Wenn bei dem Eisencarburet mit großem Kohlegehalt, oder bei dem Roheisen, der Zustand
                              der Flüssigkeit erforderlich ist, um den Uebergang der grauen und weichen in die
                              weiße und harte Varietät, oder umgekehrt der letzteren in die erstere, durch schnelles oder durch
                              langsames Erstarren der flüssigen Mischung zu bewerkstelligen, so ist bei dem
                              Eisencarburet mit geringerem Kohlegehalt, oder bei dem Stahl, schon das schnelle
                              oder langsame Erkalten nach vorhergegangener Erhitzung, ohne alle Veränderung des
                              Cohäsionszustandes, zureichend, um den dunkelgefärbten und weichen in den heller
                              gefärbten und harten Stahl und umgekehrt diesen in jenen umzuändern. Es ist daher,
                              übereinstimmend mit den verschiedenen Verbindungszuständen der Kohle mit dem Eisen
                              in dem grauen und weißen Roheisen, in hohem Grade wahrscheinlich, daß ähnliche
                              Veränderungen des Verbindungszustandes auch bei dem Härten des Stahls und bei dem
                              Wiederweichmachen des gehärteten Stahls eintreten, obgleich diese Verschiedenheiten
                              des Verbindungszustandes in der Art wie es bei dem Roheisen geschehen ist, bei dem
                              Stahl durch chemische Reactionen noch nicht haben nachgewiesen werden können. So
                              wenig wie aber der weiche und der harte Stahl als besondere Varietäten des Stahls
                              jemals angesehen worden sind, eben so wenig können das graue und das weiße Roheisen
                              als besondere Varietäten des Roheisens betrachtet werden, weil die Veränderungen in
                              der Farbe, Härte und Festigkeit nur ganz allein durch die von der
                              Temperaturdifferenz bedingten Verbindungszustände, aber nicht durch veränderte
                              Verbindungsverhältnisse veranlaßt werden. Will man aber das graue und das weiße
                              Roheisen in derselben Art wie z.B. den Graphit und den Diamant, als besondere
                              Varietäten, dort des Roheisens wie hier der Kohle gelten lassen, so wird man
                              wenigstens das ganz analoge Verhältniß wie es bei dem weichen und dem harten Stahl
                              stattfindet, ohne diese als besondere Stahlvarietäten zu betrachten, auch bei dem
                              weichen und harten Roheisen nicht aus dem Auge zu verlieren haben.
                           Bei den Entkohlungsprocessen des Roheisens zur Darstellung von Stahl, sey es in
                              Herden oder in Frischöfen, reichen die Mittel nicht hin, ein Product von stets ganz
                              gleicher Beschaffenheit zu gewinnen. Immer ist man genöthigt ein Sortiren des
                              Fabricats vorzunehmen, um den härteren, mehr Kohle enthaltenden Stahl von dem
                              weicheren, und diesen von dem stahlartigen Stabeisen abzusondern. Diese, aus der
                              Unzuverlässigkeit der Operationen hervorgehende Ungleichartigkeit des Products hat
                              bekanntlich zuerst in England Veranlassung gegeben, dem Stahl durch Umschmelzen eine
                              größere Gleichartigkeit zu verschaffen. Der sogenannte Gußstahl ist daher wirklich
                              ein ungleich gleichartigeres und zuverlässigeres Product als der Roh- und
                              Cementstahl, indeß bleibt die Beschaffenheit desselben ebenfalls von der richtigen
                              und sorgfältigen Auswahl des Materials abhängig. Durch diese sorgfältige Auswahl und durch den
                              Umstand, daß sich durch das Umschmelzen Stahl darstellen läßt, der bei einem großen
                              Kohlegehalt, also bei großer Härte, stets eine gleichartige Beschaffenheit behält,
                              welchen Grad der Härte man auch für das Product verlangt, hat sich der Gußstahl bald
                              einen wohl verdienten guten Ruf erworben, so daß zu feineren Stahlarbeiten und zu
                              allen Werkzeugen, für welche große Härte und Festigkeit erforderlich sind, nur
                              Gußstahl mit Erfolg angewendet werden kann. So vollkommen der Proceß der
                              Gußstahlbereitung also auch zu seyn scheint, so besteht doch eine Mangelhaftigkeit
                              desselben darin, daß dem geübten Auge des Arbeiters die Auswahl des Materials
                              überlassen bleiben muß und daß sich daher bei aller Gleichartigkeit des Products,
                              die Größe des Kohlegehaltes, also die Härte und Festigkeit des Stahls, mit
                              Zuverlässigkeit im Voraus nicht bestimmen lassen. Solche Unvollkommenheiten bei der
                              Ausführung metallurgischer Operationen sind jederzeit dann unvermeidlich, wenn durch
                              das Auge des Arbeiters Waage und Gewicht ersetzt werden müssen. Der Kohlegehalt des
                              zum Gußstahl angewendeten Materials, des Cementstahls, ist in jedem Theil des
                              Querschnitts des Stabes ein anderer, so daß der Kohlegehalt der Gesammtmasse der
                              Tiegelbeschickung, also der des daraus hervorgehenden Gusses, mit Zuverlässigkeit
                              nicht bestimmt werden kann. Wenn gleichwohl der Grad der Härte des englischen und
                              des guten Gußstahls ziemlich genau mit dem beabsichtigten übereinstimmt, so ist
                              dieser Erfolg lediglich der genauen Bekanntschaft der Arbeiter mit ihrem Material
                              und der sorgfältigen Auswahl desselben für den bestimmten Zweck zuzuschreiben. Eine
                              Unzuverlässigkeit des Erfolges würde nicht vorhanden seyn, wenn für die
                              Gußstahlfabrication ein Material zu Gebote stände, dessen Kohlegehalt der Berechnung
                              unterworfen werden könnte. Ein solches Material ist das aus reinen (und von
                              eingesprengten Kupferkiesfunken möglichst freien) Spath- und
                              Brauneisensteinen dargestellte weiße Roheisen mit Spiegelflächen, dessen
                              Kohlegehalt, ohne einen erheblichen Irrthum, zu 5,6 Procent (Archiv Bd. XXI S. 501)
                              angenommen werden kann. Der Kohlegehalt der besten Sorten des schwedischen
                              Stabeisens und des Eisens, welches in Deutschland aus reinen Spath- und
                              Brauneisensteinen bereitet wird, läßt sich, mit der Wirklichkeit nahe genug
                              übereinstimmend, durchschnittlich zu 0,25 Procent in Rechnung bringen. Jenes
                              Roheisen und dieses Stabeisen sind als das reinste Eisen bekannt, welchem nur Spuren
                              von Silicium beigemischt sind, wovon auch der Cementstahl, das jetzige Material für
                              den Gußstahl, niemals befreit ist. Beide Eisensorten bieten folglich ein Material
                              dar, durch welches man
                              in den Stand gesetzt ist, den Kohlegehalt der in die Tiegel zu bringenden
                              Gußstahlbeschickung genau zu bestimmen und Gußstahl von jedem beliebigen Grade der
                              Harte durch das durch Berechnung leicht zu ermittelnde Verhältniß des einen
                              Materials zum anderen darzustellen. Wenn der Kohlegehalt des Schmelzproducts und die
                              davon abhängigen Eigenschaften desselben wirklich vollständig mit der Berechnung
                              übereinstimmen – welches durch Versuche im Großen zu entscheiden blieb
                              – so konnte man erwarten, daß durch die Gußstahlbereitung aus Spiegeleisen
                              und reinem Stabeisen eine neue Periode für diesen Zweig der Industrie in Deutschland
                              beginnen müsse, indem sich mit der Zuverlässigkeit der Operation, durch welche der
                              Gußstahl genau in den Graden der Härte und Schweißbarkeit dargestellt werden kann,
                              welche zu irgend einem Zweck verlangt werden, auch noch ökonomische Vortheile
                              verbinden, die in der Wohlfeilheit des Materials begründet sind. Diese Vortheile
                              erhalten für die deutsche Gußstahl-Industrie dadurch eine besondere
                              Wichtigkeit, daß in mehreren Provinzen Deutschlands das reine weiße Roheisen mit
                              Spiegelflächen in beträchtlichen Quantitäten gewonnen wird, während es andern
                              Ländern gänzlich abgeht.
                           Der Bereitung des Gußstahls durch das Zusammenschmelzen von Spiegeleisen mit reinem
                              Stabeisen stand aber noch ein anderes und weit erheblicheres als das aus dem Mangel
                              an Reinheit des Materials entnommene Bedenken entgegen, nämlich die Besorgniß ob das
                              Product der Schmelzung eine gleichartige und homogene Verbindung seyn werde. Schon
                              in meinem Handbuch der Eisenhüttenkunde (3. Aufl. Bd. IV S. 512) habe ich darüber
                              Zweifel erhoben und die Gründe angegeben, aus denen es rathsam sey, sich zur
                              Darstellung des Gußstahls des schon fertigen Stahls und nicht eines Gemenges von
                              Roheisen und Stabeisen, in zu berechnenden Verhältnissen beider Materialien, zu
                              bedienen. Die Frage konnte nur unmittelbar durch Versuche entschieden werden, und
                              die Beantwortung derselben war, aus dem vorhin angegebenen Grunde, wichtig genug, um
                              diese Entscheidung herbeizuführen. Auf der Gußstahl- und Feilenfabrik des
                              Hrn. Huth zu Geitebrück bei Hagen in der Grafschaft Mark
                              sind in den Jahren 1846 und 1847 solche Versuche unter Leitung des leider zu frühe
                              verstorbenen Ober-Hütteninspector Stengel
                              ausgeführt worden, indem Hr. Huth sehr bereitwillig sein
                              Gußstahl-Etablissement zu diesen Versuchen zur Disposition stellte.
                           Die angewendeten Schmelztiegel hatten den räumlichen Inhalt, daß daraus für jede
                              Schmelzung eine Gußstahlbarre von 30 bis 35 Pfunden erfolgen konnte. Das
                              geschmolzene Product ward, wie gewöhnlich, in gußeiserne Formen gegossen. Die Resultate, welche sich aus
                              einer großen Anzahl von Güssen und bei der weiteren Behandlung der erhaltenen
                              Gußstahlbarren ergaben, sollen hier kurz zusammengetragen werden.
                           1) Für die Auswahl des Roheisens ist es von großer Wichtigkeit, Roheisen anzuwenden
                              mit vollkommener Spiegelfläche, und kein Roheisen welches bereits in weißes
                              strahliges oder sogar in weißes dichtes Roheisen übergeht. Die Anwendung des
                              Spiegelroheisens ist nicht bloß schon aus dem Grunde nothwendig, um die Quantität
                              der Kohle in der Gußstahlbeschickung genau berechnen zu können, welches bei dem
                              veränderlichen Kohlegehalt des strahligen und des dichten weißen Roheisens nicht
                              ausführbar seyn würde, sondern besonders auch deßhalb, weil das Spiegelroheisen die
                              größte auflösende Kraft auf das Stabeisen äußert, so daß selbst eine verhältnißmäßig
                              weit größere Quantität des Roheisens ohne Spiegelflächen das Spiegelroheisen nur
                              sehr unvollständig ersetzt. Ganz gute Güsse sind daher ohne Anwendung von
                              Spiegelroheisen schwerlich zu erhalten.
                           2) Die außerordentlich hohe Temperatur, welche das Stabeisen zum Schmelzen erfordert,
                              schien es nothwendig zu machen, dasselbe nicht in zu starken Stücken in die
                              Beschickung zu geben. Die ersten Güsse wurden daher mit Stabeisen gemacht, welches
                              zu mittelmäßig starken Blechen ausgewalzt und dann zerschnitten worden war. Als man
                              aber die Erfahrung gemacht hatte, daß die Auflösung des Stabeisens in dem flüssigen
                              Roheisen bald und ohne alle Schwierigkeit erfolgte, und daß die Güsse durchaus
                              gleichartig ausfielen, wendete man das Stabeisen zuerst in der Gestalt von
                              zerstückten starken Blechen an und unterließ bald dieß Ausstrecken zu Blechen
                              gänzlich, indem sich ergab, daß die Schmelzung eben so schnell und eben so
                              vollständig erfolgte, wenn das Stabeisen in Stücken von 1 Kubikzoll Inhalt verwendet
                              ward. Dadurch konnten die Zerstückelungskosten für das Stabeisen bedeutend
                              vermindert, aber auch zugleich der noch größere Vortheil erreicht werden, das Eisen
                              oxydfreier in die Beschickung zu geben und den Inhalt der Tiegel besser zu benutzen,
                              indem die sperrigen Blechabschnittel die Benutzung des räumlichen Inhalts des
                              Tiegels beschränkten.
                           3) Die größtmögliche Schmelzhitze ist zur Erlangung vollkommener Güsse und zur
                              Darstellung homogener Gußstahlbarren durchaus erforderlich. Höchst feuerfeste und
                              haltbare, dem Springen nicht unterworfene Tiegel sind bei der Gußstahlbereitung aus
                              Roheisen und Stabeisen ein noch weit größeres Bedürfniß als bei dem Umschmelzen des
                              schon fertigen Stahls. Je mehr Schmelzungen in einem und demselben Tiegel gemacht
                              werden können, mit
                              desto größeren ökonomischen Vortheilen wird die Gußstahlbereitung ausgeübt
                              werden.
                           4) Das Ausgießen des geschmolzenen Inhalts des Tiegels in die gußeiserne Form muß
                              schnell erfolgen, damit die ganze Stahlmasse fast gleichzeitig erstarren kann. Dabei
                              ist aber zu berücksichtigen, daß keine Schlacke aus dem Tiegel mit in die Form
                              gelange, denn es fehlt an Zeit, damit sich die Schlacke von dem Gußstahl trenne; sie
                              erstarrt unmittelbar in der Stahlmasse und gibt dann einen fehlerhaften Guß, indem
                              sie bei dem Ausschmieden der Barre zum Aufreißen des Stabes und zu unganzen Stellen,
                              die sich nicht wieder zusammenschweißen lassen, Veranlassung gibt. Diesem Uebel
                              kommt man am besten dadurch zuvor, daß man den Deckel vom Tiegel noch im Ofen auf
                              die Seite schiebt und die Schlacke mit einem löffelartigen Eisen rein von der
                              Oberfläche abzieht. Der im Tiegel noch zurückbleibende kleine Rest kann dann bei dem
                              Guß in gewöhnlicher Art leicht zurückgehalten werden.
                           5) Gußstahl, der im Tiegel langsam erkaltet und nicht in
                              die Form gegossen wird, verliert allen Zusammenhalt und zerfällt schon in der
                              Rothglühhitze unter dem Hammer oder unter dem Walzwerk. Der Grund dieses Erfolges
                              scheint in der Ausbildung von Eisencarbureten zu liegen, welche mit der übrigen
                              Masse des nach dieser Ausbildung weniger Kohle enthaltenden Stahls nicht in
                              Vereinigung bleiben.
                           6) Die Güsse müssen, wenn sie erkaltet sind, von allen rundlichen Gußstahlkörnchen,
                              die an manchen Stellen wie Linsen an der Oberfläche der Gußbarren haften, durch
                              Abmeißeln befreit werden. Wird diese Säuberung des Gußstücks unterlassen, so werden
                              die Körnchen unter dem Hammer oder unter dem Walzwerk ausgedehnt und geben zu
                              größeren oder kleineren Kantenrissen Veranlassung.
                           7) Bei dem Anwärmen des gereinigten Gusses zur weiteren Bearbeitung desselben muß
                              eine hellrothe Glühhitze angewendet werden. Das Anwärmen kann nur sehr unvollständig
                              in einem Herde vor dem Gebläse geschehen, weil die Erhitzung nicht hinreichend
                              gleichmäßig erfolgt. Für den günstigen Erfolg des Ausschmiedens oder des Auswalzens
                              des Gußstücks ist ein gleichartiges Anwärmen der Barre durch die ganze Masse
                              hindurch eine höchst wesentliche Bedingung, welche sich nur durch die Anwendung
                              eines gut construirten Flammenofens erfüllen läßt. Am zweckmäßigsten wird diese
                              schwierige Operation in einem Flammenofen mit Gasfeuerung, bei einem geringen
                              Ueberschuß von brennbaren Gasen auszuführen seyn.
                           8) Zum Ausrecken der angewärmten Barren darf niemals ein zu leichter Wasserhammer
                              angewendet werden, weil derselbe eine zu schwache Wirkung auf das Gußstück äußert.
                              Nur in Ermangelung eines Dampfhammers, oder eines Walzwerks würde das Ausrecken
                              unter einem schweren Wasserhammer geschehen müssen. Immer ist die Walzarbeit dem
                              Schmieden unter dem Hammer vorzuziehen.
                           9) Die gegossenen Stahlbarren zeigten eine völlige Gleichartigkeit, die sich auch bei
                              allen Güssen durch das Ausstrecken der Barren bewährte. Die Barren wurden zuerst zu
                              einem etwa vier Fuß langen Quadratstabe ausgestreckt und dieser dann, nach
                              abermaligem Anwärmen, in die begehrte Façon gebracht. Der Stahl gestattete
                              das Ausstrecken zu den feinsten Stahlblechen, ohne Kantenrisse zu erhalten.
                           10) Selbst bei der Bereitung des weichen Stahls, bei welchem die Tiegel mit 25 Pfund
                              Stabeisen mit zwei Pfund Spiegelroheisen besetzt wurden, erfolgte bei starker
                              Schmelzhitze noch eine vollständige Auflösung des Stabeisens und ein gleichartiger
                              Guß, obleich der erhaltene Gußstahl nach der Berechnung kaum mehr als 0,6 Procent
                              Kohle enthalten konnte. Den vorzüglichsten, festesten und härtesten Stahl gaben die
                              Güsse, bei welchen der Kohlegehalt des Gußstahls zu 1,5 bis 1,6 Procent berechnet
                              ward. Dazu wurden 24 oder auch 25 Pfund Stabeisen mit 8 Pfund Spiegelroheisen in die
                              Tiegel eingetragen.
                           11) Wesentlich abweichend von dem raffinirten Roh- und Schmelzstahl, läßt sich
                              der Gußstahl, selbst der weiche, dessen Kohlegehalt nicht über 0,6 Procent beträgt,
                              nur sehr schwer schweißen. Bei einem etwas höheren Kohlegehalt kann die Schweißung
                              nur unter einer Decke von Borax erfolgen. Bei einem Kohlegehalt von 1,25 Procent
                              hörte die Schweißbarkeit ganz auf. Wenn dieß Verhalten auf der einen Seite die
                              Gleichartigkeit des durch die Schmelzung erhaltenen Gußstahls bestätigt, so ist
                              diese Eigenschaft des Gußstahls doch eine mangelhafte, welche er indeß mit dem
                              englischen Gußstahl theilt, obgleich dieser eine etwas größere Schweißbarkeit
                              besitzt.
                           12) Der Gußstahl verträgt nur eine geringe Härtehitze und erlangt beim Härten einen
                              sehr hohen Grad von Härte, aber auf Unkosten seiner Festigkeit. Die richtige
                              Behandlung desselben beim Härten würde noch erst ermittelt werden müssen.
                           13) Zu den feinsten schneidenden Werkzeugen, zu Feilen und zu Beuteln (Meißeln) läßt
                              sich der Stahl recht gut verwenden. Für alle Zwecke, welche durch plötzliche und
                              starke Stöße erreicht werden müssen, hat der Gußstuhl bisher noch nicht die gehörige
                              Festigkeit gezeigt. Mit großer Härte ist leider noch ein bedeutender Grad von
                              Sprödigkeit verbunden.
                           
                           14) Das eben (13) erwähnte Verhalten des Stahls, läßt, bei aller scheinbaren
                              Gleichartigkeit desselben, dennoch auf einen ungleichartigen Zustand der
                              Gußstahlmasse schließen. Bestätigt wird diese Vermuthung dadurch, daß der Gußstahl
                              nach dem Umschmelzen an Schweißbarkeit etwas gewinnt und an Festigkeit, neben großer
                              Härte, bedeutend zunimmt. Wenn es indeß nicht gelingen sollte einen guten Gußstahl
                              in allen Graden der Härte, durch das einmalige Zusammenschmelzen von Stabeisen und
                              Spiegelroheisen darzustellen, und wenn man genöthigt wäre die Mangelhaftigkeit des
                              Products erst durch das Umschmelzen zu beseitigen, so würden ökonomische Vortheile
                              bei diesem Verfahren schwerlich zu erlangen seyn.
                           Die Fortsetzung der Versuche ist leider durch eine langwierige und mit dem Tode
                              endende Krankheit des Ober-Hütten-Inspectors Stengel unterbrochen worden. Diesen Verlust habe ich ungemein zu beklagen,
                              denn Hr. Stengel ist schon seit einer Reihe von Jahren
                              der treue, einsichtsvolle und thätige Gehülfe bei der Ausführung von vielen
                              Versuchen gewesen, welche mir nothwendig geschienen haben, um über manche Probleme
                              der Metallurgie des Eisens einen Aufschluß zu erhalten.
                           Das Königliche Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten hat die
                              Versuche zur Darstellung des Gußstahls aus Stabeisen und Roheisen jetzt wieder
                              aufnehmen lassen. Indeß glaube ich auch die Bitte an alle Besitzer von
                              Gußstahlfabriken, welche sich reines Spiegelroheisen zu günstigen Preisen
                              verschaffen können, richten zu müssen, das mitgetheilte Fabricationsverfahren zu
                              versuchen, indem dasselbe, nach meiner Ueberzeugung, dahin führen wird, recht guten
                              und wohlfeilen Gußstahl zu allen solchen Stahlarbeiten darzustellen, welche den
                              höchsten Grad der Festigkeit nicht erfordern.