| Titel: | Ein Versuch zur Erforschung der Ursache der Kartoffelkrankheit. | 
| Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. XLVIII., S. 228 | 
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                        XLVIII.
                        Ein Versuch zur Erforschung der Ursache der
                           Kartoffelkrankheit.
                        Ein Versuch zur Erforschung der Ursache der
                           Kartoffelkrankheit.
                        
                     
                        
                           Mit einem luftdicht verschlossenen Glasballon ward ein mit Wasser und Oel gefüllter
                              ExspiratorZiehe die Abbildung hierzu am Schluß. in Verbindung gesetzt. In dem Glasballon war geglühte Erde, in diese wurde eine mit destillirtem Wasser gereinigte und
                              gebürstete Nieren-Kartoffel gelegt, mit destillirtem Wasser aus ständig
                              gefüllter Röhre begossen. Durch Oeffnung des Exspirators floß Wasser ab und entstand
                              im Ballon durch das entfernte Wasservolumen ein luftverdünnter Raum, in welchen
                              atmosphärische Luft nur durch einen doppelten Liebig'schen, sogenannten Kaliapparat, dessen Kugeln mit gekochter
                              Schwefelsäure gefüllt waren, also nur durch diese letztere eindringen konnte. Die
                              von der Pflanze zersetzte Luft wurde immer wieder durch zeitweiliges Wassereingießen
                              in den Exspirator auf demselben Wege entfernt. Die am 9ten Mai gelegte Kartoffel
                              keimte im Ballon nach drei Wochen, vor und mit ihr eine große Zahl von Kryptogamen.
                              Die neben dem Ballon im Freien gepflanzten Kartoffeln derselben Art keimten acht
                              Tage früher. Als im Anfang September alle übrigen im Freien stehenden, in wenigstens
                              vierzig verschiedene Versuchsfelder vertheilten Kartoffeln abgestorben waren, als
                              auch die zu gleicher Zeit mit der im Glasballon gelegten nebenan ins Freie
                              gebrachten Nieren-Kartoffeln längst abgestorben und an den Knollen theilweise
                              krank waren – da grünte der Kartoffelstock im Ballon noch lustig fort
                              – selbst bis zum 6ten October, wo ich den Verschluß abnahm und die keineswegs
                              kalte atmosphärische Luft auf ihn einwirken ließ.
                           Nach zwei Tagen aber war der nunmehr der freien Luft
                                 ausgesetzte Kartoffelstock mit den bekannten schwarzenFlecken, wie sie die gemeine Kartoffelkrankheit zeigt,
                                 bedeckt, und in acht Tagen war er völlig abgestorben.
                           Die unter dem Mikroskop vorgenommene Untersuchung zeigte in den ersten Tagen keine
                              Pilze. Erst am Ende der acht Tage, als Alles zu faulen begann, überzog auch diese
                              Zweige die Botrytis vulgaris. Bloß die Zellhäute waren
                              theilweise geplatzt, zerrissen, blauschwarz gefärbt, das Chlorophyll aber normal,
                              der Zellsaft kaum merklich dunkel gefärbt. Von den Saatknollen war in der Erde keine
                              Spur mehr zu finden. Die Pflanze hatte keine Knollen angesetzt.Obgleich ich nun Wohl in den kranken Kartoffelknollen Schimmelbildungen, penicillum-artige, um die Zellen herum
                                    fand, auch den die Zellen durchbohrenden, vielleicht mit dem Fusisporium Mart. ähnlichen, so konnte ich doch
                                    dergleichen nicht an den schwarzen Flecken des Kartoffelkrautes (der Blätter
                                    und Stengel) gleich im Anfang nicht einmal außen, nach einigen Tagen auch
                                    noch nicht im innern Gewebe finden. Daß von jenen Entophyten der Knollen
                                    nicht die Krankheit des Stengels erzeugt werden konnte, zeigt unsere
                                    Versuchspflanze, welche ohne alle Knollenbildung der Stengelkrankheit erlag,
                                    am deutlichsten.
                              
                           Aus diesem Versuche folgere ich:
                           1) daß Pilze nicht die schwarzen Flecken am Kraute verursachen.
                              Ihnen folgen erst die Zersetzung und Verwesung und sind dann keine in oder aus der
                              Cellulose entstehende Pilzformen. An den Knollen konnte ein fusisporium nicht gesucht werden, weil die Pflanze keine ansetzte.
                           2) Das allenthalben einfallende Licht konnte die
                              Luftwurzelbildung, durch große Feuchtigkeit der eingeschlossenen Luft erzeugt, nicht
                              hindern.
                           3) Der mangelhafte Zutritt von Kohlensäure und die zu geringe
                              Blattbildung nebst höherer Temperatur und großer Luftfeuchtigkeit waren wohl
                              Ursache, daß die Pflanze weder Blüthe noch Knollen ansetzte.
                           4) Die Krankheitsursache liegt in der atmosphärischen Luft, ist
                              noch im Spätherbst vorhanden, befällt aber, nach anderweitigen Versuchen, die
                              Kartoffelpflanzen nur in einem bestimmten Stadium ihres Wachsthums.
                           5) Der Versuch begünstigt die auf Schädlichkeit des
                              kohlensauren Ammoniaks als Krankheitsursache deutende Ansicht, da das kohlensaure
                              Ammoniak die Schwefelsäure nicht ohne fixirt zu werden Passiren konnte, also von
                              außen wenigstens nicht zur Pflanze konnte.
                           6) Die Entstehung folgender Kryptogamen: Lepra sp., Verrucaria gelatinosa, Hormidium murale,
                                 Myxonema stellare und selbst eines zur Bestimmung nicht hinlänglich
                              entwickelten Hypnum schreibe ich der generatio spontanea zu, so lange nicht erwiesen ist, daß ihre Sporen auch
                              in der Siedhitze wenigstens (die Erde war aber geglüht!) ihre Keimkraft
                              behalten.
                           Ich weiß sehr wohl, daß sich gegen diesen Versuch einwenden läßt, die geglühte Erde
                              einzufüllen, zu begießen, abzukühlen, die Kartoffel einzulegen, den Ballon, der doch
                              gewöhnliche Luft vor der beginnenden Exspiration enthielt, zu verschließen etc., sey
                              ohne offenen Zutritt atmosphärischer Luft gar nicht möglich – also hätten
                              auch die organischen Krankheitskeime, noch bevor der Apparat im Gang war, zutreten
                              können; es wird indessen doch immer schwer werden, die Bedingungen organischer
                              Entwicklung zu geben und doch alle Einwürfe zu beseitigen; auch sind in der Luft
                              ständig schwebende Pilzsporen, insbesondere im Frühlinge, wo nirgends Kartoffelkraut
                              erkrankt, und noch mehr solche, welche in der Glühhitze ihre Keimfähigkeit
                              bewahrten, noch nirgends erwiesen.
                           Wir werden den Versuch mit Verbesserungen fortsetzen.
                           Dr. Fraas in München.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 127, S. 230
                              
                           a ein Glasballon, in dem sich eine Kartoffelpflanze
                              befindet;
                           b destillirtes Wasser zum Begießen;
                           c Glasröhrenapparat, mit Schwefelsäure gefüllt;
                           d Exspirator mit Wasser, auf dem Oel schwimmt,
                              gefüllt;
                           e Einfüllungsröhre;
                           f ein Thermometer;
                           g, h und l Gestelle.