| Titel: | Einige Bemerkungen über Salpeter-Erzeugung; von Reinhold v. Reichenbach. | 
| Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. LXXV., S. 349 | 
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                        LXXV.
                        Einige Bemerkungen über
                           Salpeter-Erzeugung; von Reinhold v. Reichenbach.
                        Aus dem Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt,
                              Jahrg. I. Nr. 2.
                        v. Reichenbach, über Salpeter-Erzeugung.
                        
                     
                        
                           Der Salpeter ist bekanntlich ein Neutralsalz, das aus Salpetersäure und Kali
                              zusammengesetzt ist. Sein Vorkommen in der Natur ist im allgemeinen ebenso bekannt, wie
                              die Art und Weise seiner künstlichen Erzeugung; doch ist man erst in neuester Zeit
                              zu der bestimmten Ansicht gelangt, daß seine Entstehung auf einer Oxydation des
                              Ammoniaks zu Salpetersäure beruhe, welche wesentlich durch die Gegenwart von Alkali
                              oder Erdbasen befördert oder bedingt werde.
                           Das natürliche Vorkommen des Salpeters hängt, wie man weiß, zusammen mit der
                              Verwitterung kalihaltiger Gesteine, namentlich feldspathhaltiger Kalksteine, die
                              zugleich mehr oder weniger reich an organischen Ueberresten sind, und daher einen
                              gewissen Gehalt von stickstoffhaltiger Substanz besitzen. Diese
                              organisch-thierische Substanz ist es, die bei geeigneter Temperatur eine
                              chemische Entmischung erleidet, d.h. mehr oder weniger rasch in faule Gährung
                              übergeht, von welcher sodann kohlensaures Ammoniak dasjenige Product ist, welches
                              zumeist oder allein den Stickstoff mit sich fortführt. Dieses flüchtige Ammoniaksalz
                              entweicht unter gewöhnlichen Umständen allmählich in die äußere Luft; bei offenem
                              Zugang des Sauerstoffs der Atmosphäre in das Innere einer porösen Steinmasse aber
                              erfährt es eher noch eine theilweise Zersetzung und Oxydation zu salpetersaurem
                              Ammoniak, sowie zu salpetersaurem Kalk und salpetersaurem Kali.
                           Außerdem ist überall, wo zufällig thierische Substanzen in unmittelbarer Berührung
                              mit Kali, Kalk und Sand an freier ruhender Luft in Fäulniß übergehen, die reichliche
                              Bildung jener salpetersauren Salze beobachtet worden, und diese Beobachtung hat dann
                              auch den Weg gezeigt, den Salpeter willkürlich entstehen zu machen, also künstlich
                              zu erzeugen.
                           Es werden nämlich zu diesem Zwecke Gemenge von Dammerde, Kalk, Mergel, Holzasche,
                              Bauschutt u.s.w. mit thierischen Ueberresten aller Art in große Haufen
                              aufgeschichtet, ausgetrocknet, und von Zeit zu Zeit mit Lauge oder Jauche begossen,
                              um so im Innern der Masse jenen Fäulnißproceß herbeizuführen und zu unterhalten, der
                              zunächst Ammoniak zu liefern im Stande ist. Dabei hat man es weiter für eine
                              theilweise Umwandlung des Gemenges in Salpeter vorzüglich wichtig gefunden, daß
                              solche Haufen oder Wände nicht zu fest oder dicht gemacht werden, sondern eine
                              gewisse Lockerheit und große Oberfläche besitzen, um die äußere Luft möglichst
                              leicht ins Innere eindringen zu lassen.
                           Die Bekanntschaft mit diesen wenigen Grundregeln der künstlichen
                              Salpeter-Erzeugung wird hinreichen, um die Frage weiter erörtern zu können,
                              ob dieses Fabricationsverfahren allen Anforderungen der technischen Chemie
                              gegenwärtig noch entspreche oder ob dasselbe wohl bedeutender Verbesserungen fähig
                              seyn möchte.
                           
                           Prüfen wir nun dieses Verfahren in seinen Einzelnheiten strenger, so möchten sich uns
                              zunächst etwa folgende Bemerkungen oder Ausstellungen daran aufdringen lassen.
                           1) Die Mischung der aufeinander einwirken sollenden Materialien geschieht
                              meistentheils zu unregelmäßig und unsicher, so daß man nicht leicht überzeugt seyn
                              kann, dabei auch das für den eigentlichen Zweck vortheilhafteste Verhältniß von
                              organischen und von den verschiedenen mineralischen Substanzen angewendet zu
                              haben.
                           2) Die Anwesenheit oder sogar das Vorherrschen der unorganischen Stoffe in den
                              Haufen, obwohl in Einem Betracht unvermeidlich und nothwendig, verhindert doch
                              anderseits wieder selbst den rascheren Fortgang der faulen Gährung, also damit
                              gerade jene Ammoniakbildung, die doch die Salpetersäure allein liefern kann; ein
                              Umstand, dem insbesondere die ganz außerordentliche Langsamkeit des gesammten
                              Processes der Salpeter-Erzeugung im Großen zuzuschreiben seyn dürfte.
                           3) Die gleichmäßige Unterhaltung der angemessensten Temperatur wird in der Regel
                              nicht genug beachtet, noch gehörig bewerkstelligt, wodurch in der kälteren
                              Jahreszeit gänzliche Stockung des ganzen Processes eintreten, folglich abermals die
                              Production an Salpeter bedeutend beeinträchtigt werden muß. Endlich:
                           4) Nachdem sich entschieden herausgestellt hat, daß nur die Gegenwart von Ammoniak
                              zur Salpetersäurebildung als wesentliche Bedingung erfordert wird, so mag es nicht
                              gerade nothwendig seyn, dasselbe durch einen unmittelbaren Fäulnißproceß zu
                              erzeugen, sondern es wird auch aus anderen Quellen gewonnen, und im reinen Zustande
                              unter den geeigneten Verhältnissen mit gleichem Erfolg zur Salpetererzeugung dienen
                              und verwendet werden können, wodurch offenbar die ganze Fabrication von zufälligen
                              Umständen und Oertlichkeiten weit unabhängiger gemacht würde.
                           Wenn man, wie es wohl bisher an den meisten Orten der Fall seyn mag, die
                              Salpetergewinnung nur etwa als landwirthschaftliches Nebengeschäft betreibt, wo an
                              Raum und Zeit wenig gelegen ist, da kann auch jenes gewöhnliche Verfahren genügen.
                              Anders ist es jedoch, wenn die Aufgabe gestellt würde, eine gewisse sehr große Menge
                              Salpeter jährlich zu erzeugen, oder wenn es sich darum handelte, den Staat gänzlich
                              unabhängig von aller auswärtigen Zufuhr dieses wichtigen Materials zu machen. Für
                              solche Fälle wird es rathsam seyn, alle Hülfsmittel und Kräfte aufs vollkommenste
                              für den Zweck der eigenen Production zu benutzen und zu erschöpfen, weßhalb wir denn
                              die oben angeführten vier Fragepunkte noch im Einzelnen näher besprechen müssen.
                           
                           Was nun Erstens die Mischung der
                                 wechselwirkenden Materialien betrifft, so ist wohl im Auge zu behalten, daß
                              man vor jedem anderen Salze salpetersaures Kali zu erzeugen beabsichtigt. Kali soll
                              daher in ansehnlicher Menge in der Mischung zugegen seyn, und fast in ebenso großer
                              als der Kalk. Der Kalk aber wird am besten im caustischen Zustande oder als Hydrat
                              angewendet werden, wobei seine basische Wirkung offenbar weit größer seyn muß, als
                              wenn er an Kohlensäure gebunden ist. Seine nützlichste Wirksamkeit wird in diesem
                              Falle gerade durch seine Fähigkeit bedingt seyn, die Kohlensäure des Kali sowohl als
                              des Ammoniaks aufzunehmen, wodurch deren eigene basische Wechselwirkung und
                              Sauerstoffanziehung wesentlich erleichtert und verstärkt werden dürfte.
                           Man könnte zwar auch zunächst nur salpetersauren Kalk erzeugen und diesen nachher
                              durch kohlensaures Kali zu Salpeter zerlegen; es ist jedoch schon a priori nicht wahrscheinlich, daß die chemische
                              Thätigkeit des Kali als der stärksten Basis, in diesem Falle durch jene des Kalks
                              vollständig vertreten, oder mit andern Worten, daß die Salpetersäurebildung durch
                              Kalk allein in demselben Maaße befördert werde, wie durch die gleichzeitige
                              Gegenwart von Kali und Kalk. Zur genaueren Ausmittelung dieses Verhältnisses
                              verdienen übrigens besondere Versuche angestellt zu werden, wenn es daran fehlen
                              sollte.
                           Was nun das in dem Salpeter erzeugenden Gemenge nothwendige Kali im allgemeinen
                              betrifft, so läßt sich mit einigem Grund behaupten, daß die Holzasche, durch welche
                              dasselbe in der Regel geliefert werden muß, sich mit Erfolg werde ersetzen lassen
                              durch gewisse kalireiche Felsarten im pulverisirten Zustande, wozu vorzüglich
                              Granit, Syenit, Trachyt, Porphyre, Basalt und andere zu rechnen sind. Werden nämlich
                              dergleichen Plutonische oder vulcanische Gesteine zu einer sandähnlichen Masse
                              gepocht und mit einer entsprechenden Menge Kalkhydrat vermengt, so wird ihr
                              Kaligehalt allmählich abgeschieden und ihre Kieselsäure von Kalk aufgenommen werden.
                              Das so frei gewordene Kali wird aber sofort zur Salpeterbildung wirksam seyn können,
                              sowie es Ammoniak vorfindet. Solches Gesteinpulver wird zugleich dadurch sich
                              nützlich erweisen, daß es den sonst nöthigen Zusatz von gemeinem Sande oder von
                              Dammerde entbehrlich macht, deren Beimischung zu Asche und Kalk eben keinen andern
                              Zweck hat, als die ganze Masse locker und porös zu erhalten und so das Innere der
                              Luft zugänglich zu machen. Es scheint daher für den fraglichen Gegenstand zeitgemäß
                              und nicht unwichtig, die genannten verschiedenen Felsarten in dieser Beziehung einer
                              Reihe genauer Versuche zu unterziehen, um so auf unmittelbarem Wege zugleich deren
                              Kaligehalt gewinnen zu
                              lernen. Bekanntlich ist der Salpeter, welcher in großer Menge in Ostindien natürlich
                              gefunden wird, unter allen Sorten bei weitem der reinste; er bildet sich bei der
                              langsamen Verwitterung kalkhaltiger Kalksteine.
                           Besondere Aufmerksamkeit und Untersuchung möchte ferner die Holzkohle verdienen, bezüglich ihrer Fähigkeit, die Salpeterbildung
                              einzuleiten. Es ist nämlich wahrscheinlich, daß durch ein Gemenge von Kali und Kohle
                              (sogenannte alkalisirte Kohle) bei Zutritt von
                              Ammoniakgas mit atmosphärischem Sauerstoff und bei geeigneter Temperatur die
                              Erzeugung der Salpetersäure mehr begünstigt und beschleunigt werde, als durch jede
                              andere Mischung, da die große Anziehungskraft der Kohle für Gase aller Art längst
                              bekannt ist. In jedem Fall wird grobes Kohlenpulver, z.B. Kohlenlösche, die Erde
                              oder den Sand, soweit sie bloß zur Lockerhaltung der Masse dienen, mit Vortheil
                              ersetzen können.
                           Uebrigens mag nebenbei bemerkt werden, daß sich aus den angeführten Felsarten das
                              Kali auch unmittelbar als Potasche gewinnen lassen würde, wenn dieses einmal bei
                              mangelnder Holzasche nöthig werden sollte. Man würde durch Einwirkung von
                              kohlensaurem Gase unter gehöriger Pressung unschwer dieses Ziel erreichen können,
                              wenn auch bisher noch nicht versucht worden ist dieses Verfahren im Großen
                              anzuwenden. Unsere Mineralwässer zeigen hinlänglich die Möglichkeit solcher
                              Zersetzungsweise der Gesteine. Es gilt endlich für die Mischung der Materialien hier
                              noch der allgemeine Grundsatz, daß je reiner die Bestandtheile sind, die in
                              chemische Wechselwirkung treten, um so reiner auch deren Product ausfallen müsse.
                              Kommen also Kali, Kalk und Ammoniak schon in sehr gereinigtem Zustande in
                              gegenseitige Berührung, so muß ein sehr reiner Salpeter unmittelbar erhalten werden.
                              Dieser Umstand ist wohl nicht ganz gleichgültig, namentlich in Betreff des
                              kohlensauren Kalis, welches sich seiner außerordentlichen Löslichkeit wegen weit
                              leichter von allem fremdartigen Salze befreien läßt, als dieß nachher mit dem
                              fertigen Salpeter der Fall ist, dessen chemisch reine Darstellung durch
                              Krystallisiren u.s.w. viel mehr Mühe macht. So wird an Arbeit beim Raffiniren
                              erspart, was an größerer Sorgfalt für die Reinheit der Materialien aufgewendet
                              worden.
                           Der Zweite der oben berührten Punkte bezog sich auf die
                              unzweifelhafte Thatsache, daß der Fortschritt der faulen Gährung organischer Körper,
                              auf welcher bei der Salpeterbereitung die Ammoniakbildung in der Regel beruht, durch
                              die Gegenwart vieler mineralischer Stoffe im Innern der Massen stets mehr oder
                              weniger verlangsamt oder ganz aufgehoben werden müsse, indem nun andere
                              wechselseitige Verbindungen der Elemente entstehen, welche die weitere Zersetzung der
                              organischen Substanz theils verzögern, theils ganz verhindern. Hieraus ergibt sich
                              offenbar für die Beschleunigung des Processes der beabsichtigten Ammoniakerzeugung
                              die Zweckmäßigkeit oder Nothwendigkeit, die Masse der organischen Substanzen völlig
                              getrennt von den mineralischen Stoffen zu halten und
                              ihre Fäulniß neben ihnen, d.h. in ihrer möglich größten
                              Nähe, einzuleiten. Ferner folgt aus der flüchtigen Natur des dabei entwickelten
                              kohlensauren Ammoniaks, daß diese faule Gährung nicht an offener Luft, sondern in
                              einem abgeschlossenen Raume vor sich gehen soll, um dem
                              sonst unvermeidlich großen Verlust an sich bildendem Ammoniak zu begegnen.
                           In der That zeigt auch Beobachtung und Erfahrung, daß ganz besonders Höhlenräume der Salpeterbildung günstig sind. Da die
                              Atmosphäre stets mit Macht bestrebt ist ihr irgendwo gestörtes Gleichgewicht selbst
                              wieder herzustellen, so bedarf es eben keines lebhaften Luftwechsels, wie er häufig
                              für nöthig erachtet wird, um sich dennoch eines hinreichenden Zutritts von
                              Sauerstoff versichert halten zu können.
                           Aus dem Umstande, daß der allgemeine Fäulnißproceß der organischen Substanzen in der
                              gemengten Masse in lebhaftem Gange erhalten werden muß, wenn eine reichliche
                              Ammoniakbildung und somit rasche Salpetererzeugung stattfinden soll, folgt ferner
                              die Wichtigkeit des dritten der angeführten Hauptpunkte,
                              nämlich die der gleichmäßigen Erhaltung der gehörigen
                                 Temperatur. Es ist wohl bekannt, daß nur in den heißen Ländern (Ostindien,
                              Chile u.s.w.) der natürliche Salpeter in sehr großer Menge angetroffen wird, da nur
                              hier die Bedingungen einer rascheren Verwitterung und Zersetzung der in den
                              Steinmassen vorhandenen organischen Reste hinlänglich erfüllt sind, während in der
                              Kälte alle chemische Wechselwirkung der Stoffe abnimmt und endlich ganz aufhört.
                              Eine künstliche Salpeterbildung wird daher mit dem sichersten und schnellsten
                              Erfolge nur bei einer bestimmten höheren Temperatur der umgebenden Luftschichten
                              stattfinden, deren genauere Ausmittelung gleichfalls ein wichtiger Gegenstand
                              besonderer Versuche seyn wird. Der so ausfindig gemachte vortheilhafteste
                              Temperaturgrad wird dann durch alle zu Gebote stehenden Mittel in den der
                              Salpeterfabrication gewidmeten Räumlichkeiten gleichmäßig zu erhalten seyn, um in
                              gegebener Zeit ein Maximum der Production zu bewirken. – Der chemische Proceß
                              als solcher geht überall fast augenblicklich vor sich, sobald die Bedingungen alle
                              vollständig eintreten, auf denen er eben beruht. Es ist klar, daß die ganz
                              unverhältnißmäßige Langsamkeit der Salpeterbildung in den sogenannten Plantagen
                              ihren Grund nur darin
                              haben kann, daß diese Bedingungen in ihrer Gesammtheit nur sehr mangelhaft erfüllt
                              sind; anders wäre der große Zeitaufwand, den die chemische Action für ihre
                              Vollendung dort in Anspruch nimmt, kaum zu begreifen.
                           Und endlich zum Vierten, nachdem wir die Gewißheit
                              gewonnen haben, daß es im wesentlichen nur um Ammoniakerzeugung sich handelt, um
                              sofort zur Salpeterbildung zu gelangen, so ist es augenscheinlich, daß wir auch
                              alles andere, auf was immer für Weise erhaltene Ammoniak ebensowohl zur
                              Salpeterfabrication werden verwenden und somit dieses Geschäft gänzlich unabhängig
                              von der Gegenwart jedes Fäulnißprocesses werden betreiben können. Kali und Ammoniak sind also
                              die beiden chemischen Potenzen, deren allein man sich im gehörigen Umfange zu
                              versichern haben wird, um der künstlichen Salpetererzeugung jede beliebige
                              Ausdehnung und Beschleunigung geben zu können. Was aber die zweckmäßigste Art und
                              Weise der innigen Berührung dieser Hauptfactoren und ihre Vermischung mit Kalk, Sand
                              oder Kohle anbelangt, sowie endlich die günstigste Temperatur und den besten
                              Feuchtigkeitsgrad, bei welchem die allgemeine Wechselwirkung und die Oxydation des
                              Ammoniaks am leichtesten und energischesten vor sich gehen wird, so kann darüber
                              wohl allein eine planmäßig durchgeführte Reihe von
                                 Versuchen sicher entscheiden, welche anfänglich in kleinem Maaßstabe
                              unternommen, zunächst die Zahlenverhältnisse annähernd festzustellen hätte, mit
                              denen dann später im Großen operirt werden mag.
                           Es ist aber schon bemerkt worden, daß in den Plutonischen Massen der Erdoberfläche
                              ein reicher Vorrath von Kali abgelagert ist, den noch zu schöpfen die wohl nicht
                              unlösbare Aufgabe der technischen Chemie vorschreibt. Ammoniak wird zunächst durch
                              jeden Fäulnißproceß, aber schneller noch durch die trockene Destillation thierischer
                              Substanzen überhaupt gewonnen; nach neueren Erfahrungen kann auch die Verkohkung von
                              Steinkohlen, Braunkohlen, Torf u.s.w. eine bedeutende Menge Ammoniak liefern, wenn
                              deren Destillationsproducte aufgefangen und verdichtet werden. Wo demnach für den
                              Bedarf von Hüttenwerken u.s.w. große Massen von Kohks erzeugt werden müssen, dort
                              mag es auch rathsam werden, auf den Gewinn dieses werthvollen Nebenproductes künftig
                              noch größeres Gewicht zu legen.
                           Sollten, was gerade nicht wahrscheinlich, alle diese genannten Quellen von Ammoniak
                              zu irgend einer Periode nicht ausreichen, so kann man sich dasselbe auch noch auf
                              einem andern ungewöhnlichen Wege, bloß mittelst des atmosphärischen Stickstoffs und
                              ohne alle Beihülfe organischer Substanzen mit wenig Schwierigkeit verschaffen.
                              Ammoniakgas bildet sich nämlich in ziemlicher Menge, wenn Stickgas nebst Wasserdampf
                              über ein glühendes Gemenge von Kohle und Potasche (kohlensaures Kali) langsam
                              hingeleitet wird. Diese Entstehungsweise des Ammoniaks könnte also unter Umständen
                              für die Salpetererzeugung von einiger Bedeutung werden. Indessen bedarf das
                              Verhältniß des erforderlichen Brennmaterialaufwandes zur erzielten
                              Ammoniakproduction hiebei noch einer weiteren Prüfung und genauem Bestimmung, um
                              sich von der praktischen Anwendbarkeit dieses Verfahrens überzeugen zu können.
                           Im Vorangehenden sind nun die vornehmsten Bedingungen aufgesucht und bezeichnet
                              worden, welche zu erfüllen wären, um die bisher übliche Methode der künstlichen
                              Salpeterbildung auf die möglich höchste Stufe der Vervollkommnung zu bringen und die
                              Fabrication desselben von fremder Zufuhr an Rohstoffen des Auslandes unabhängig zu
                              machen. Nur der Vollständigkeit wegen mögen bei dieser Gelegenheit noch zwei andere
                              Wege kurz angedeutet werden, auf welchen gleichfalls Salpetersäure oder Salze
                              derselben sich erzeugen lassen, wenn dieselben auch vorläufig mehr bloß ein
                              theoretisches Interesse darbieten und es noch weiterer Forschungen bedarf, um zu
                              entscheiden, ob dasselbe mit der Zeit ein praktisches werden könne.
                           Wird Ammoniakgas, mit Sauerstoff gemengt, über glühenden Platinschwamm geleitet, so
                              entsteht (nach Kuhlmann) eine beträchtliche Menge
                              salpetersauren Ammoniaks, welches sich leicht in salpetersaures Kali umwandeln läßt.
                              In welchem Verhältniß diese Erzeugung aber zum Verbrauch an Brennstoff, zur Masse,
                              Form und Beschaffenheit des Platinschwamms und zur Dauer seiner Wirksamkeit stehe,
                              darüber fehlen zur Zeit noch specielle Angaben. Allein erst nach Untersuchung und
                              genauer Feststellung dieser verschiedenen Punkte wird es möglich seyn, ein sicheres
                              Urtheil zu gewinnen über die Ausführbarkeit dieser Methode im Großen, welche an
                              Einfachheit der Wirkung allerdings jede bekannte und gebräuchliche weit übertreffen
                              würde.
                           Eine dem Platinschwamm ganz ähnliche Einwirkung auf Ammoniakgas bei Gegenwart von
                              Sauerstoff hat glühendes Eisenoxyd gezeigt, welches daher seiner weit leichteren
                              Herbeischaffung wegen noch mehr Beachtung verdienen müßte, als jener. Inwieweit aber
                              dessen Wirksamkeit für Salpetersäurebildung eine anhaltende ist, oder ob es dabei
                              theilweise Reduction erleidet u.s.f., dieses und anderes Verhalten des Eisenoxyds in
                              vorliegendem Falle mag gleichfalls weiterer Untersuchung bedürfen.
                           
                           Es ist endlich eine ziemlich alte, von dem berühmten englischen Physiker Cavendish zuerst beobachtete und festgestellte Thatsache,
                              daß beim Durchschlagen sehr zahlreicher elektrischer Funken durch ein Gemenge von
                              Stickstoff- und Sauerstoffgas, sowie es die atmosphärische Luft darstellt,
                              immer eine geringe Menge von Salpetersäure oder salpetersaurem Ammoniak gebildet
                              werde. Ist auch Wasserstoff in dem Gasgemenge zugegen, so wird diese
                              Salpetersäurebildung bedeutend erleichtert und vermehrt, und man erinnert sich
                              dabei, daß bei Verbrennung von Wasserstoffgas in gewöhnlicher Luft ebenfalls immer
                              Spuren von Salpetersäure in dem gebildeten Wasser erscheinen. Diese Begünstigung der
                              Verbindung von Sauerstoff und Stickstoff durch Anwesenheit von Wasserstoff hat ihren
                              Grund vornehmlich in dem sehr bedeutenden Hydratwassergehalt der reinen
                              concentrirten Salpetersäure, welcher 14 Proc. ihres Gewichts beträgt und ohne den
                              sie, wie man weiß, im freien Zustande nicht bestehen, also auch nicht entstehen
                              kann. Soll demnach dieses Verfahren praktische Bedeutung versprechen dürfen, so muß
                              bei dießfälligen Versuchen vor allem darauf Bedacht genommen werden, daß der
                              Mischung von Stickstoff und Sauerstoff entweder Wasserstoffgas oder fertig
                              gebildetes Wasser in irgend einer Form in gehöriger Menge gleichzeitig dargeboten
                              werde.
                           Auch ein Kohlenwasserstoffgas würde dazu Wohl dienen können, da es ebenfalls mit
                              Sauerstoff Wasser liefert; noch einfacher aber scheint die Bedingung der Mitwirkung
                              von Wasser dadurch erfüllt werden zu können, daß ein sehr feiner dichter Regen
                              innerhalb des Gasgemenges gebildet würde, zwischen welchem der elektrische
                              Funkenstrom hindurch ginge. Hätte das Wasser dieses Regens etwa Kali in Auflösung,
                              so würde auf diesem Wege unmittelbar Salpeterlösung erhalten werden. – Die
                              vortheilhafteste Temperatur von Wasser und Luft, sowie die beste Wirkungsweise der
                              Funken selbst, je nach ihrer Zahl, Größe und Gestalt bleiben aber für jetzt durch
                              eigens aufzustellende Versuche noch auszumitteln. Erst wenn der Kraftaufwand zum
                              Betrieb einer Elektrisirmaschine oder die Kosten irgend einer andern
                              Elektricitätsquelle sich werden vergleichen lassen mit der Menge des in einem
                              gegebenen Zeitraum auf diese Weise gebildeten Salpeters, wird es erlaubt seyn, eine
                              bestimmte Ansicht auszusprechen, ob diesem bisher wenig beachteten Phänomene eine
                              wirklich praktische Nachahmung im großen Maaßstabe zur Gewinnung von Salpetersäure
                              in Zukunft bevorstehe. Ganz unmöglich oder unwahrscheinlich ist dieß keineswegs,
                              wenn man bedenkt, daß schon die schwache und auf weite Strecken zerstreute
                              Elektricität der Gewitter hinreicht, dem Regenwasser nachweisbare Spuren von freier
                              oder gebundener Salpetersäure mitzutheilen. Auch hier möchte es bloß darauf ankommen,
                              die Umstände und Bedingungen alle zu erforschen und
                              herbeizuführen, unter welchen eine bestimmte chemische Action jederzeit unfehlbar
                              eintreten muß.