| Titel: | Ueber eigenthümliche Metall-Reductionen auf nassem Wege; von Hrn. Professor Wöhler. | 
| Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. XCIV., S. 439 | 
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                        XCIV.
                        Ueber eigenthümliche Metall-Reductionen
                           auf nassem Wege; von Hrn. Professor Wöhler.
                        Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Februar 1853, S.
                              253.
                        Wöhler, über eigenthümliche Metall-Reductionen auf nassem
                           Wege.
                        
                     
                        
                           Stellt man in eine concentrirte Zinnchlorürlösung einen blanken Stab von Zinn und läßt auf die Lösung vorsichtig Wasser fließen,
                              so daß beide Flüssigkeiten möglichst unvermischt bleiben, so beginnt sogleich an der
                              Berührungsgränze derselben die Reduction von metallischem Zinn, welches in sehr
                              glänzenden Krystallen den Zinnstab umgibt. Sie erreichen in kurzer Zeit Zolllänge
                              und scheinen nicht zu dem regulären System zu gehören. Ihre Bildung geschieht so
                              rasch, daß sich die Erscheinung recht gut als Vorlesungsversuch zeigen läßt. Diese
                              Beobachtung ist zuerst von Buchholz
                              Gehlen's neues allgemeines Journal der Chemie Bd.
                                    III S. 324 u. 423. gemacht worden. Hr. Hiller hat auf meinen
                              Vorschlag in gleicher Weise auch das Verhalten anderer Metalle untersucht.
                           Bei dem Zinn zeigte es sich zunächst, daß zur Bildung größerer Krystalle die Lösung
                              des Zinnchlorürs sauer seyn muß. Die Krystalle bilden sich dann an der
                              Berührungsgränze beider Flüssigkeiten, während von dem in die Chlorürlösung
                              tauchenden Zinn eine gewisse Menge aufgelöst wird, jedoch ohne
                              Wasserstoffentwicklung. Stets wird mehr Zinn aufgelöst als reducirt. In zwei
                              Versuchen verhielt sich die Menge des aufgelösten Zinns zu der des reducirten
                              ungefähr wie 7 : 6. Ist dagegen die Lösung neutral, so bilden sich die Zinnkrystalle
                              nicht an der Berührungsgränze, sondern sie erscheinen auf dem in der Chlorürlösung
                              stehenden Theil des Zinnstabes, aber nur in Gestalt kleiner Blättchen und in viel
                              geringerer Menge.
                           Stellt man blankes Kupfer in eine concentrirte und
                              neutrale Lösung von salpetersaurem Kupferoxyd und läßt auf diese eine Schicht Wasser
                              fließen, so bedeckt sich nach einiger Zeit die ganze Oberfläche des Kupferstreifens
                              mit sehr kleinen braunrothen Krystallen von Kupferoxydul. Läßt man das Ganze noch
                              längere Zeit stehen, so beginnt die Reduction auch von metallischem Kupfer in
                              kleinen, aber sehr scharfen und glänzenden Krystallen. An der Berührungsgränze wird
                              von dem Kupferstreifen viel aufgelöst. Aehnlich, jedoch lange nicht so wirksam,
                              verhält sich eine Lösung von schwefelsaurem Kupferoxyd. In einer Kupferchloridlösung dagegen bedeckt sich
                              der Kupferstreifen mit kleinen farblosen Krystallen von Kupferchlorür, ohne
                              Reduction von Metall.
                           Zink, in eine concentrirte Lösung von Zinkchlorür
                              gestellt und eine Wasserschicht über letzteres gegossen, belegt sich, besonders am
                              untersten Ende des Stabes, mit grauen Warzen von metallischem Zink. Auch hier wurde
                              der Stab an der Berührungsgränze der Flüssigkeiten stark aufgelöst.
                           Cadmium verhält sich in salpetersaurer Oxydlösung ganz
                              ähnlich; das reducirte Metall ist aber mehr pulverförmig und darum auch an der Luft
                              viel leichter oxydirbar, wie das reducirte Zink.
                           Blei reducirt aus einer mit Wasser überlagerten Lösung
                              von neutralem salpetersaurem oder essigsaurem Bleioxyd Blei in kleinen glänzenden
                              Krystallen, deren Vermehrung jedoch bald aufhört.
                           Wismuth reducirt Wismuth in glänzenden Krystallblättchen
                              aus einer Lösung von Wismuthchlorür, auf die zuerst Salzsäure und hierauf Wasser
                              geschichtet wurde.
                           Auf Silber, welches in einer mit Wasser überlagerten
                              concentrirten Lösung von salpetersaurem Silberoxyd steht, wird metallisches Silber
                              in Gestalt feiner, aber oft ansehnlich hoher Verästelungen oder Dendriten reducirt,
                              die sonderbarerweise stets nur an einzelnen wenigen Punkten auf der Silberfläche
                              entstehen.
                           Gold, Platin, Eisen und Antimon zeigen dieses Verhalten nicht. Ein Zinnstab in einer
                              Lösung von Titanchlorid war ohne Wirkung.