| Titel: | Ueber den Einfluß des bewaldeten und des nicht bewaldeten Bodens auf das Klima; von Hrn. Becquerel. | 
| Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. CI., S. 459 | 
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                        CI.
                        Ueber den Einfluß des bewaldeten und des nicht
                           bewaldeten Bodens auf das Klima; von Hrn. Becquerel.
                        Nach den Comptes rendus, Januar 1853, Nr.
                              1.
                        Ueber den Einfluß des bewaldeten und des nicht bewaldeten Bodens
                           auf das Klima.
                        
                     
                        
                           Hr. Becquerel überreichte der französischen Akademie der
                              Wissenschaften sein Werk: Des climats et de l'influence
                                 qu'exercent les sols boisés et non boisés. Die Veranlassung
                              zu demselben gab die beabsichtigte Wiederherstellung der Sologne (ein unfruchtbarer
                              Strich Frankreichs voller Haiden und Sümpfe).
                           Becquerel erhielt im J. 1848 von dem Generalrath des
                              Loiret den Auftrag diesem großen Unternehmen seine Studien zu widmen; nachdem er
                              sich überzeugt hatte, daß diese Gegend früher beholzt war, erforschte er die
                              Hauptursache ihrer Entholzung und den Einfluß derselben auf ihr Klima. Bei dieser
                              Arbeit sammelte er ein sehr bedeutendes Material über diesen Gegenstand, aus welchem
                              er Schlüsse von allgemeinem Interesse zog.
                           Er beweist aus der historisch-geographischen Statistik aller Zeiten und Länder
                              durch zahlreiche Beispiele, daß der Mangel von Waldungen, in einer Gegend welche
                              früher mit Holz bedeckt war, das sicherste Zeichen der Durchzüge großer Eroberer,
                              einer vorgeschrittenen Civilisation, politischer Stürme oder fehlerhafter Verwaltung
                              ist.
                           Becquerel weist durch viele Belege nach, daß in
                              Frankreich seit Karl dem Großen bis auf unsere Zeit die Regierungen immer nur
                              Verordnungen ergehen ließen, welche die Zerstörung der Wälder verboten und deren
                              Erhaltung bezweckten, keineswegs aber die Urbarmachung und Wiederbeholzung der
                              Gebirge, kurz, das Wiedergutmachen dessen anordneten, was Kriege, die Fortschritte
                              der Civilisation und andere Ursachen zum Untergang der Wälder beigetragen hatten. Im
                              Jahr 1804 ließ Napoleon eine Statistik der Departements drucken, worin sich die
                              Klagen der Districtsräthe und Municipalitäten über die traurigen Folgen der
                              Abholzung befinden; diese Klagen waren damals in ganz Frankreich allgemein.
                           Die Hauptfolgerungen, zu welchen ich gelangte, sagt Becquerel, sind folgende:
                           
                              „Die Wälder wirken auf das Klima eines Landes als erkältende Ursachen, als
                                 Schutz gegen die Winde, sie dienen zur Unterhaltung der Quellwasser und
                                 widersetzen sich dem Verfall der Berge.
                              
                           
                           
                              Es ist noch nicht erwiesen, daß die Entholzung ausgedehnter Strecken die mittlere
                                 Temperatur verbessert, wie die Beobachtungen Jeffersons in Virginien und Pensylvanien darzuthun scheinen, denn v.
                                 Humboldt, welcher die an verschiedenen Punkten
                                 Nordamerika's gemachten Beobachtungen sammelte und erörterte, gelangte zu dem
                                 entgegengesetzten Schluß. Anderseits beweisen die Beobachtungen welche Boussingault, Hall, Rivero und Roulin in den Tropenländern machten, vom Meeresniveau an bis zu Höhen,
                                 wo man gemäßigte und kalte Klimate findet, daß ein Ueberfluß von Waldungen und
                                 die von solchen herrührende Feuchtigkeit das Klima kälter macht, und daß die
                                 Trockenheit und Dürre die entgegengesetzte Wirkung hervorbringen.
                              
                           
                              Um diesen Widerspruch zu erklären, müßte man annehmen, daß die von Hrn. v. Humboldt aufgeführten Beobachtungen erst nach den
                                 großen Entholzungen angefangen haben. Es wäre jedoch möglich daß, indem die
                                 mittlere Temperatur dieselbe bleibt, die Vertheilung der Wärme im Lauf des
                                 Jahres sich ändert, und in diesem Falle würde das Klima modificirt. Die
                                 historischen Aufzeichnungen hinsichtlich der Cultur-Veränderungen in den
                                 verflossenen Jahrhunderten reichen zur Lösung dieser Frage nicht hin.
                              
                           
                              Der Einfluß der Wälder als Schutzwände ist heutzutage erwiesen; dieser Schutz ist
                                 jedoch kein absoluter, sondern er hängt von der Höhe ab, in welcher der Wind
                                 zieht. Wenn diese Höhe unter derjenigen des Waldes bleibt, so wird der Wind
                                 jeden Augenblick von den Bäumen aufgehalten; er verliert immer mehr an
                                 Geschwindigkeit, so daß, wenn der Wald dicht genug ist, der Wind, bis er an
                                 dessen Gränze gelangt, ganz aufgehört hat. In dem Falle wo der Wind oberhalb der
                                 Bäume hinzieht, äußert der Wald nur auf den Strom der untern Luft einen Einfluß;
                                 über den Wald hin verfolgt die obere Luftmasse, welche keinem Hinderniß
                                 begegnet, ihren Lauf mit gleicher Geschwindigkeit, wobei sie jedoch die untere
                                 Luftschicht erschüttert. Oft wirkt schon ein einfacher Waldstreif als Schutz; so
                                 schützt im Rhonethale, wo der Mistral bläst, eine zwei Meter hohe Hecke die
                                 Culturen in einem Abstand von 22 Metern.
                              
                           
                              Ein Wald, welcher den Zug eines feuchten, mit verpesteten Miasmen beladenen
                                 Luftstroms unterbricht, schützt manchmal alles, was hinter ihm liegt, gegen die
                                 Wirkungen dieses Luftstroms, während die frei vor ihm liegenden Strecken
                                 Krankheiten ausgesetzt sind. Die Bäume sieben also die inficirte Luft und
                                 reinigen sie, indem sie ihr die Miasmen entziehen.
                              
                           
                           
                              Daß durch den Einfluß der Wälder die Quellwasser in einer Gegend conservirt
                                 werden, unterliegt keinem Zweifel; zahlreiche Thatsachen beweisen dieses.
                              
                           
                              Das Vorhandenseyn von Waldungen in Gebirgsgegenden verhindert das Kahlwerden der
                                 Gebirge, die Bildung von Strömen, die Verheerungen der Thäler durch Gußregen und
                                 deren Verschüttung durch Felsentrümmer, so wie auch die Ueberschwemmung von
                                 Gegenden durch welche Flüsse ziehen.
                              
                           
                              Endlich wird durch Urbarmachung der Haiden, Trockenlegen des Sumpflandes und
                                 Beholzung der Gebirge und des nicht cultivirten Bodens, das Klima eines Landes
                                 verbessert.“