| Titel: | Anleitung zum Besetzen der Wässer mit frischer Fischbrut; von Hrn. Coste. | 
| Fundstelle: | Band 128, Jahrgang 1853, Nr. XX., S. 65 | 
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                        XX.
                        Anleitung zum Besetzen der Wässer mit frischer
                           Fischbrut; von Hrn. Coste.
                        Aus den Comptes rendus, Februar 1853, Nr.
                              6.
                        Coste's Anleitung zum Besetzen der Wässer mit frischer
                           Fischbrut.
                        
                     
                        
                           Im vorigen Jahr wurde in Folge meines Berichtes und auf den Antrag des
                              Generaldirectors für Landwirthschaft und Handel den HHrn. Berthot und Detzem von dem (französischen)
                              Ministerium des Innern ein Credit von 30,000 Francs bewilligt, um bei Hüningen
                              (Elsaß) eine Anstalt für Fischzucht zu gründen, bei deren Einrichtung mir die
                              Oberaufsicht übertragen wurde. Dadurch in den Stand gesetzt, einen der größten
                              Versuche anzustellen, welchen die Naturgeschichte aufzuweisen hat, will ich nun der
                              Akademie der Wissenschaften berichten, wie dieser Versuch durchgeführt wurde und
                              welche Resultate er lieferte. Ich komme später auf die Documente zurück, welche ich
                              auf meiner Rundreise am mittelländischen und adriatischen Meer über
                              Verfahrungsweisen sammelte, deren Einführung zur Besetzung und Ausbeutung selbst des
                              Meeres beitragen kann.
                           Durch die Thätigkeit der HHrn. Berthot und Detzem wird die Anstalt bei Hüningen, zu welcher ich den
                              Plan mit den beiden Ingenieuren des Rhone-Rhein-Canals erst im October
                              v. J. entworfen habe, bald so ausgedehnt seyn, daß man sie als eine Musteranstalt
                              und als die Quelle eines unerschöpflichen Ertrages besuchen wird. Die
                              Terrassen- und Canalarbeiten sind schon so weit vorgerückt, daß man am Tage
                              meiner neuerlichen Ankunft den das Wasser noch einschließenden Damm durchbrechen
                              konnte, um mir die leichte Circulation des Wassers in den zahlreichen Abtheilungen
                              dieser ungeheuren hydraulischen Vorrichtung zu zeigen. Die Leitung ist so geschickt
                              geführt, daß jeder Theil nach Belieben beim Ganzen belassen oder unabhängig von
                              demselben gemacht werden kann, und daß jedes Becken sich besonders entleert, ohne
                              bei den übrigen eine Störung zu veranlassen.
                           
                           Alle Quellen, welche aus dem Fuße des Hügels kommen, der die eine Seite des Gebietes
                              der Anstalt wie ein Vorhang begränzt, wurden in einen gemeinschaftlichen, 1200 Meter
                              langen Canal geleitet, welcher ihr Wasser bis an die großartige Halle führt, unter
                              welcher sich der ungeheure Auskriechapparat, so zu sagen die Fischfabrik befindet. Diese Halle, über welcher sich drei Pavillons
                              befinden (diejenigen an beiden Enden zur Wohnung des Aufsehers und zu Laboratorien,
                              der mittlere zur Aufnahme einer Sammlung bestimmt) – empfängt das Wasser des
                              Canals durch einen Tunnel aus Backsteinen, dessen äußere Oeffnung mit einer Schütze
                              versehen ist, durch welche der Strom regulirt wird.
                           Kaum aus dem Tunnel in diese Fabrik eingetreten, wird die Flüssigkeitssäule durch
                              einen Querdamm aufgehalten, an dessen Wandung sieben bewegliche Schleußenthüren
                              angebracht sind, welche sieben parallelen Bachen von je 1 Meter Breite und 48 Meter
                              Länge entsprechen, die bis an das entgegengesetzte Ende der Halle laufen, aus
                              welcher sie durch besondere Bogen austreten, um sich außerhalb in die besonderen
                              Becken zu begeben, wohin sie die frisch ausgekrochenen Fische mitnehmen müssen.
                              Diese künstlichen Bäche, zwischen nur drei Zoll dicken Ufern laufend, sind auf ihrer
                              ganzen Ausdehnung unter der Halle durch tief liegende Wege von einander getrennt,
                              auf welchen die dem Betriebe vorgesetzten Aufseher frei umhergehen und ohne Mühe
                              alles wahrnehmen können, was im laufenden Wasser vorgeht, dessen Spiegel in ihrer
                              Brusthöhe ist.
                           Mittelst der gegliederten Schleußenthüren des erwähnten Querdammes kann man der
                              Strömung leicht diejenige Geschwindigkeit ertheilen, welche man zur Beförderung des
                              Auskriechens als geeignet erachtet und auch von dem Augenblick an, wo die künstliche
                              Befruchtung die Eier der Entwickelung fähig macht, bis zu jenem Zeitpunkt, wo die
                              ausgekrochenen jungen Fische in den Teich abgeführt werden, die Umstände in denen
                              sich die Eier befinden, stets nach Erforderniß modificiren. Die künstliche
                              Befruchtung wird auf folgende Weise bewerkstelligt.
                           Man wählt ein cylindrisches Gefäß von Glas, Fayence, Holz, oder selbst von Weißblech
                              mit flachem Boden, damit die Eier sich auf demselben gehörig ausbreiten können; in
                              dieses vorher gereinigte Gefäß schüttet man 1 bis 2 Pinten klaren Wassers, nimmt
                              dann ein Fischweibchen, welches man mit der linken Hand am Kopfe und an der Brust
                              hält, während die rechte Hand – mit dem Daumen auf der Bauchfläche und den
                              andern Fingern auf der Rückengegend – wie ein Ring von vorn nach hinten
                              gleitet und die Eier sanft gegen die, ihren Austritt gestattende Oeffnung schiebt.
                              Wenn diese Eier reif und von dem Gewebe des Eierstocks schon abgelöst sind, so
                              reicht der schwächste Druck hin, um sie auszutreiben, und der Bauch entleert sich, ohne daß
                              das Fischweibchen dadurch den geringsten Schaden leidet; denn es ist im nächsten
                              Jahr wieder so fruchtbar, wie diejenigen, welche ihre Eier natürlich legten. Wenn
                              hingegen, um diese Eier herauszubringen, einigermaßen Gewalt angewendet werden muß,
                              so kann man versichert seyn, daß sie noch in den Maschen des sie erzeugenden Organs
                              stecken und die Operation verfrüht ist. Man muß dann, so lange dieser Widerstand
                              dauert, unzeitige Versuche aufgeben, das Fischweibchen in den Teich zurückbringen
                              und die Reife abwarten.
                           Wenn die Fischweibchen zu groß sind, als daß sie eine Person halten und entleeren
                              könnte, so nimmt sie einen Gehülfen, welcher das Weibchen entweder mittelst seiner
                              Finger, die er in dessen Kiemenöffnungen steckt, oder mittelst einer durch dieselben
                              gezogenen Schnur über dem Behälter aufhängt. Der Operirende legt dann seine beiden
                              Hände an die Seiten des Thieres an und schiebt, die beiden Daumen an die Brust
                              ansetzend, durch einen abwärts geführten Druck die ganze Eiermasse heraus, welche
                              die Bauchwand ausdehnt. Die senkrechte Lage reicht gewöhnlich schon hin, damit die
                              der Afteröffnung zunächst befindlichen Eier vermöge ihres eigenen Gewichts
                              herausfallen, und ein wiederholter Druck bringt nach und nach alle andern
                              heraus.
                           Das leichte Austreiben der Eier ist, wie gesagt, das sichere Zeichen ihrer Reife; es
                              ist aber kein absoluter Beweis ihrer Tauglichkeit zur Befruchtung. Es gibt nämlich
                              Fälle, wo, obgleich diese Eier sich von den Eierstöcken losgelöst haben, die
                              Fischweibchen nicht im Stande sind sie selbst von sich zu geben. Ein zu langes
                              Verweilen ihrer Eier in der Bauchhöhle veranlaßt nämlich, daß sie sich verändern und
                              jene Eigenschaften verlieren, welche sie besessen hätten, wenn man sie etwas früher
                              ausgenommen hätte. Geübte Personen erkennen diese eingetretene Veränderung an zwei
                              bestimmten Merkmalen: erstens an dem Ausfließen einer eiterartigen Substanz, von
                              welcher im normalen Zustand keine Spur wahrzunehmen ist und welche das Wasser trübt,
                              sobald die ersten Eier hineinfallen, dann an der weißen Farbe, welche diese Eier bei
                              Berührung mit dem Wasser annehmen. Zeigt sich aber keines dieser beiden Merkmale, so
                              kann man versichert seyn, daß die Operation gelingt.
                           Man beeilt sich nun in dem Behälter das Wasser zu erneuern, um den Schleim zu
                              beseitigen, welcher durch das Reiben der Haut des Fischweibchens hineinkam, und
                              nimmt dann ein Fischmännchen, von welchem man die Milch auf gleiche Weise wie vorher
                              die Eier ausdrückt. Wenn diese Milch ganz reif ist, so fließt sie reichlich weiß und
                              dick wie Rahm aus, und
                              nachdem so viel ausgelaufen ist, daß das Gemenge das Aussehen der Molken erhält, so
                              betrachtet man die Sättigung als hinreichend. Damit aber die befruchtenden Theilchen
                              sich überall gleichförmig verbreiten, muß man das Gemenge umrühren und die Eier mit
                              den feinen Haaren eines langen Pinsels oder mit der Hand sanft in Bewegung setzen,
                              so daß jeder Punkt ihrer Oberfläche mit den Elementen, welche sie durchdringen
                              sollen, in Berührung kommt. Nun werden diese belebten Eier nach 2–3 Minuten
                              Ruhe in die zum Auskriechen bestimmten Bäche gesetzt.
                           Graf von Goldstein empfahl schon vor einem Jahrhundert sie
                              in lange hölzerne, an den Enden vergitterte Kästen auf ein Bett von Kieselsteinen zu
                              bringen, zwischen welchen er sie zerstreute, um so nachzuahmen was die Fischweibchen
                              zur Legezeit machen. Dieses Verfahren, welches ihm vollkommen gelang, wurde auch in
                              neuester Zeit von den Fischern Rémi und Gehin zu Bresse befolgt, nur daß diese statt langer, an
                              den Enden vergitterter Kästen, kreisrunde, siebartig durchlöcherte Gefäße anwandten.
                              Was aber für Versuche in kleinem Maaßstabe gut ist, kann beim Betrieb im Großen mit
                              großen Uebelständen verbunden seyn; diese sind hier so augenfällig, daß ich sie nur
                              anzudeuten brauche, um zu zeigen daß nothwendig ein besserer Weg eingeschlagen
                              werden muß.
                           Erstens wird durch die Zerstreuung der Eier in den Krümmungen zwischen den
                              Kieselsteinen, oder durch ihre Aufhäufung in engen, beständig geschlossenen Gefäßen,
                              die Ueberwachung derselben sehr schwierig und man kann sie nicht so pflegen, wie
                              wenn man sie immer zur Hand hat.
                           Ferner bildet der Niederschlag welchen selbst das reinste Quellwasser in Folge des
                              Verlustes der Kohlensäure absetzt, sowohl in den Zwischenräumen der Kieselsteine,
                              als auf den erwähnten Gefäßen und auf den Eiern selbst, bald eine dicke Schicht,
                              welche in gewissen Fällen eine Ursache der Zerstörung werden kann. Endlich ist die
                              Schwierigkeit die ausgekrochenen Fischchen aus ihren Schlupfwinkeln herauszubekommen
                              ohne sie zu verletzen, ein fast unüberwindliches Hinderniß für ihre Uebertragung in
                              die Teiche, wo sie als Setzlinge (Fischbrut) dienen sollen.
                           Diese Schwierigkeiten veranlaßten uns Mittel aufzusuchen, wodurch wir jederzeit, wann
                              wir es für nützlich erachten, im Stande sind die Producte unserer Anstalt in
                              Behandlung zu nehmen, sie von den Auskriechbächen in die Teiche übergehen zu lassen,
                              und sie so leicht zu waschen, wie einen leblosen Körper.
                           Wir bringen nämlich jetzt die befruchteten Eier auf Horden oder flachen Weidenkörben
                              in die Auskriechbäche. Die feinen Maschen von deren Wänden bilden ein Sieb, durch
                              welches die Trümmerchen hindurchgehen, da sie in dem Wasser schweben, an dessen Oberfläche diese
                              Horden oder Körbe eingetaucht sind. Das Anbringen der Körbe an der Oberfläche des
                              Wassers macht die Beobachtung so bequem, daß einem etwas aufmerksamen Aufseher
                              nichts entgeht. Wenn die Strömung die Eier aufeinander häuft, so bringt er sie
                              wieder an ihre Stelle und mäßigt den Strom; werden sie von Byssus überzogen, so
                              beseitigt er denselben mittelst eines Pinsels; wenn sich in Folge zu langen
                              Verweilens der Eier auf dem Weidengeflecht demselben ein schädlicher Bodensatz
                              anhängt, so gießt er den Inhalt eines beschmutzten Korbs in einen frischen, und
                              unterhält durch diese leichte Umsetzung, welche mit keiner Gefahr verbunden ist,
                              selbst wenn die jungen Fische ausgekrochen sind, die Reinlichkeit während der ganzen
                              Dauer der Entwickelung.
                           Die HHrn. Berthot und Detzem
                              werden schon in vier Monaten im Stande seyn, eine erste Lieferung von ihrer Zucht zu
                              machen; von den jungen Fischen werden sie schon 600000 Lachse oder Forellen
                              auswählen können, die dann hinlänglich entwickelt seyn werden, um unsere Flüsse
                              damit zu besetzen.
                           Bereits sind in den Bächen unserer Anstalt über eine Million Lachs- und
                              Forellen-Eier eingesetzt, wovon 120000 an den Ufern des Rheins unter meinen
                              Augen befruchtet wurden; dieselben werden in einigen Tagen alle ausgekrochen seyn.
                              Daraus läßt sich auf die ungeheure Production schließen, wenn die Anstalt ein ganzes
                              Jahr im Gang war, wenn der Donaulachs und die Alse (Else, Mutterhering, Clupea alosa
                              Linn.), welche nur im Frühjahr laichen, ihr
                              Product geliefert haben und die in unsern Teichen unterhaltenen Fischweibchen ihre
                              Eier jenen hinzugesellen werden, welche man bezieht.
                           Wir können den neuen Industriezweig bereits auf einem Communalboden von 12 Kilometer
                              Umfang betreiben, wo viererlei Wässer, das Wasser von 10 Quellen, welche per Secunde 500 Liter liefern, dasjenige eines durch die
                              Anstalt laufenden Flusses, Sumpfwasser und Rheinwasser, nebeneinander laufen, und in
                              der Folge im geeigneten Verhältniß miteinander gemischt werden können.
                           Wir glauben in der Folge um so mehr die Unterstützung des Staats zu verdienen, da
                              unsere Versuche nichts weniger bezwecken als die Ansäung
                              und Ausbeutung der Meere. Der Stör und der Sterlet (eine
                              Störart) sind zwei schätzbare Fischarten, welche an unseren Ufern selten geworden
                              sind und, wie die Alse und der Lachs, abwechselnd das Salzwasser und das süße
                              Wasser, das Meer und die großen Flüsse bewohnen. Sie erreichen eine riesige Größe
                              und liefern eine solche
                              Masse Eier, daß in gewissen Gegenden, in den Monaten März und April, wenn jene
                              Fische wieder flußaufwärts gehen, um ihren Laich abzusetzen, diese Eier einen
                              bedeutenden Handelsartikel unter dem Namen Caviar liefern. In Astrachan allein
                              werden jährlich über 100 Tonnen Caviar bereitet. In der Folge können diese Fische
                              dem mittelländischen Meere jährlich aus unserer Anstalt vermittelst der Rhone
                              zukommen. Die herangewachsenen Fische würden zur Legezeit wieder in den Fluß herauf
                              kommen, wie die Vögel im Frühling ihre Nester wieder aufsuchen.
                           Als Ergänzung der Anstalt bei Hüningen sollte in den Lagunen an der
                              Rhone-Mündung eine ähnliche Anstalt, aber nur für Seefische, errichtet
                              werden. Nach den Erfolgen welche in den vielen Salzteichen auf dem Littorale des
                              adriatischen Meers, in den pontinischen Sümpfen, im Golf von Neapel erzielt wurden,
                              muß das Unternehmen auch in den Lagunen des südlichen Frankreichs, wo die Umstände
                              dieselben sind, gelingen.