| Titel: | Ueber die ökonomische Erzeugung mechanischer Wirkungen durch chemische Kräfte; von Hrn. J. P. Joule. | 
| Fundstelle: | Band 128, Jahrgang 1853, Nr. XXI., S. 81 | 
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                        XXI.
                        Ueber die ökonomische Erzeugung mechanischer
                           Wirkungen durch chemische Kräfte; von Hrn. J. P. Joule.
                        Aus dem Philosophical Magazine, Januar 1853, S.
                              1.
                        Joule, über die ökonomische Erzeugung mechanischer Wirkungen durch
                           chemische Kräfte.
                        
                     
                        
                           Eine der wichtigsten Anwendungen welche man von der dynamischen Theorie machen kann,
                              betrifft die Erzeugung von Bewegungskraft durch chemische und andere Wirkungen. Die
                              Regeln zur Construction einer Kraftmaschine anzugeben, welche sich der
                              Vollkommenheit so viel als möglich nähert, und die Wirkungsgröße zu bestimmen,
                              welche eine vollkommene Kraftmaschine von einer gegebenen Classe hervorbringen
                              sollte, sind heutzutage Fragen von höchstem Interesse und dieselben wurden auch
                              schon großentheils durch die Arbeiten solcher Physiker gelöst, welche sich eine
                              richtige Ansicht über die Natur der Wärme gebildet haben. Ich will im Folgenden
                              einige von den Gesetzen mittheilen, auf welche ich neuerlich gemeinschaftlich mit
                              Professor William Thomson gekommen bin, und dabei Winke
                              geben, wie sich die Resultate der Theorie in der Praxis benutzen lassen.
                           Die Maschinen welche ihre Kraft durch chemische Wirkungen, also durch die Thätigkeit
                              chemischer Kräfte erhalten, kann man in drei Classen eintheilen. In die erste Classe
                              gehören diejenigen bewunderungswürdigen Maschinen, in welchen chemische Kräfte durch
                              die geheimnißvolle Vermittelung des Lebens, sey es im Thier- oder
                              Pflanzenreich, thätig sind. Die zweite Classe bilden diejenigen Maschinen, in
                              welchen chemische Kräfte durch Vermittelung elektrischer Ströme wirken, wie in den
                              gewöhnlichen elektromagnetischen Rotationsapparaten. In die dritte Classe gehören
                              diejenigen Maschinen, bei welchen die chemischen Kräfte durch Vermittelung der Wärme
                              wirken, die sie erzeugen; solche thermo-dynamische Maschinen, wie man sie
                              nennen könnte, sind die Dampfmaschinen, Luftmaschinen etc.
                           
                           Die Entwicklung der Muskelkraft in der lebenden Maschine ist natürlich in großes
                              Dunkel gehüllt. Professor Magnus bemühte sich zu
                              beweisen, daß der von einem Thier eingeathmete Sauerstoff sich nicht unmittelbar mit
                              dem Blut verbindet, sondern durch diese Flüssigkeit mechanisch den Capillargefäßen
                              in den Muskeln zugeführt wird, wo er sich mit gewissen Substanzen verbindet, die er
                              in Kohlensäure und Wasser verwandelt. Die Kohlensäure welche den Sauerstoff ersetzt
                              hat, wird alsdann vom Blut absorbirt, das sich derselben entledigt, wenn es die
                              Lungen erreicht. Nach dieser Ansicht können wir mit Liebig annehmen, daß bei jeder Anstrengung eines Thiers ein Antheil
                              Muskelfaser sich mit Sauerstoff verbindet, und daß die Verbindungskraft durch einen
                              geheimnißvollen Proceß vollständig in Muskelkraft umgewandelt wird, ohne daß von der
                              Verbindungskraft etwas in Form von Wärme verloren geht. Dieser Schluß, welcher durch
                              die von Dr. Scoresby und mir
                              in einer gemeinschaftlichen Abhandlung mitgetheilten Versuche bestätigt wird, zeigt,
                              daß der thierische Körper, obgleich zur Erfüllung zahlreicher anderer Zwecke
                              bestimmt, in Bezug auf Oekonomie an lebendiger Kraft eine vollkommenere Maschine ist
                              als alle menschlichen Erfindungen.
                           Die elektromagnetische Maschine hat einige Aehnlichkeit mit der lebenden Maschine,
                              und nähert sich ihr durch den verhältnißmäßig großen Theil der chemischen Wirkung,
                              welchen sie als mechanische Kraft zu entwickeln fähig ist. Bezeichnet man mit a die Intensität des elektrischen Stroms wenn die
                              Maschine in Ruhe ist, und mit b die Stromstärke wenn die
                              Maschine in Gang ist, so wird der in Triebkraft verwandelte Antheil chemischer Kraft
                              seyn:
                           (a – b)/a,
                           und die in Form von Wärme verlorene Menge
                           b/a.
                           Nun finde ich durch meine eigenen Versuche, daß ein Grain (Troy-Gewicht) Zink,
                              welcher in einer Daniell'schen Batterie verzehrt wird, die Temperatur von einem
                              Pfund Wasser um 0°,1886 F. erhöht, und daß die Wärme, welche die Temperatur
                              von einem Pfund Wasser um einen Fahrenheit'schen Grad erhöhen kann, gleich ist der
                              mechanischen Kraft, welche ein Gewicht von 772 Pfd. auf die Höhe von 1 Fuß heben
                              kann, oder wie man sich auszudrücken pflegt, gleich 772 Fußpfund. Folglich ist die Wirkungsgröße, welche
                              ein Grain in einer Daniell'schen Batterie verzehrten Zinks entwickelt, gegeben durch
                              die Gleichung:
                           W = (145,6 (a –
                                 b))/a.
                              
                           Wir kommen nun zu der dritten Classe von Maschinen, oder denjenigen wobei die
                              chemischen Kräfte durch Vermittelung von Wärme wirken. Bei den wichtigsten derselben
                              ist das unmittelbare Agens die Spannkraft des Wasserdampfs oder permanenter
                              Luftarten. In einer schätzbaren Abhandlung über die dynamische Theorie der Wärme hat
                              Prof. Thomson gezeigt, daß wenn die beim Comprimiren
                              einer elastischen Flüssigkeit entbundene Wärme der Kraft äquivalent ist, welche bei
                              der Compression absorbirt wurde, der Antheil von Wärme, welcher in mechanischen
                              Effect durch irgend eine vollkommene thermo-dynamische Maschine verwandelt
                              wird, gleich seyn wird dem Temperatur-Abstand, dividirt durch die höchste
                              Temperatur über dem absoluten Nullpunkt.Das heißt über dem schmelzenden Eis. Wenn daher bei einer vollkommenen Dampfmaschine a die Temperatur des Kessels über dem absoluten Nullpunkt, und b die absolute Temperatur des Condensators ist, so wird
                              der Antheil von der gesammten dem Kessel mitgetheilten Wärmemenge, welcher in
                              mechanische Kraft umgewandelt wird, ausgedrückt durch a
                                 – b/a, analog dem Bruch, welcher bei den elektromagnetischen
                              Maschinen den Antheil der chemischen Kraft bezeichnet, der in mechanischen Effect
                              umgewandelt wird.
                           Wenn man nun die Wärme, welche durch Verbrennung eines Grain Steinkohle erzeugt wird,
                              zu 1°,634 F. per Pfund Wasser annimmt, so wird
                              ihr absoluter mechanischer Werth 1261,45 Fußpfund betragen; daher wird nach Thomson's Formel die Wirkungsgröße irgend einer
                              vollkommenen thermo-dynamischen Maschine für jeden Grain verzehrter
                              Steinkohle ausgedrückt durch die Gleichung:
                           W = (1261,45 (a –
                                 b))/a,
                              
                           welche, wie erwähnt, nicht nur für die Luftmaschinen gilt,
                              sondern auch für diejenigen Dampfmaschinen, bei denen das Expansionsprincip bis zur
                              äußersten Gränze angewandt ist, vorausgesetzt jedoch, daß nichts von der Kraft durch
                              Reibung verloren geht, und daß die ganze Verbrennungswärme der Kohle auf den
                              Dampfkessel oder Luftbehälter übertragen wird.
                           
                           Professor Thomson hat zuerst die großen Vortheile
                              nachgewiesen, welche die Luftmaschinen darbieten, wegen des großen Abstandes der
                              Temperaturen, zwischen welchen man sie functioniren lassen könnte; in einer bald
                              darauf der k. Gesellschaft der Wissenschaften mitgetheilten Abhandlung beschrieb ich
                              eine sehr einfache Maschine, welche mir den Bedingungen der Vollkommenheit nach Thomson's Formel zu entsprechen schien. Diese Maschine
                              besteht aus drei Theilen, nämlich einer verdichtenden Luftpumpe, einem Recipient und
                              einem Expansionscylinder; die Pumpe treibt atmosphärische Luft in den Recipient, in
                              diesem wird ihre Spannkraft durch Anwendung der Wärme erhöht, und dann tritt die
                              Luft in den Expansionscylinder, dessen Volum (Inhalt) sich zu demjenigen der Pumpe
                              verhält wie die absolute Temperatur der Luft im Recipient zu derjenigen, welche sie
                              beim Eintreten in denselben hatte. Der Cylinder ist mit einer Expansionssteuerung
                              versehen um die Luft abzusperren, nachdem ebensoviel aus dem Recipient ausgetrieben
                              worden ist, als durch einen Pumpenschub in denselben hineingepreßt wurde. Mittelst
                              dieser Anordnung wird die Luft aus dem Expansionscylinder bei dem atmosphärischen
                              Druck ausgetrieben und mit der absoluten Temperatur, welche dem Ausdruck b in Thomson's Formel
                              entspricht.
                           Als Beispiel einer derartigen Luftmaschine will ich eine mit atmosphärischer Luft von
                              15 Pfd. Druck auf den Quadratzoll und 50° Fahr. Temperatur wählen. Ich will
                              annehmen, daß die Expansion im Cylinder durch drei Viertel seiner Länge stattfindet.
                              Alsdann muß, da die Wirkung der Compressionspumpe die umgekehrte von derjenigen des
                              Cylinders ist, der Kolben der Pumpe drei Viertel ihrer Länge durchlaufen, bevor die
                              Luft hinreichend comprimirt ist, um durch ihren eigenen Druck in den Recipient
                              einzutreten. Die Temperatur der in den Recipient tretenden Luft, durch Poisson's Gleichung
                           t'/t = (V/V')k – 1
                              
                           bestimmt, wird 439°,59 Fahr. seyn, und ihr Druck 105,92
                              Pfd. auf den Quadratzoll. Angenommen nun, das Volum des Cylinders sey zu demjenigen
                              der Pumpe wie 4 zu 3, so muß die Dichtigkeit der Luft im Recipient zu der durch die
                              Pumpe in ihn getriebenen wie 3 zu 4 seyn, um die Luftmenge im Recipient constant zu
                              erhalten. Die Temperatur der Luft im Recipient muß ebenfalls auf 739°,12
                              Fahr. erhalten werden, damit der Druck 105,92 Pfd. auf den Quadratzoll bleibt. Die
                              Luft, welche mit erwähntem Druck und Temperatur in den Cylinder tritt, wird am Ende des Hubes mit dem
                              atmosphärischen Druck und der Temperatur 219 2/3° Fahr. entweichen.
                           Man wird bemerken, daß bei der beschriebenen Maschine zwei Temperatur-Abstände
                              vorkommen, nämlich derjenige der Pumpe und derjenige des Cylinders. Wegen des
                              genauen Verhältnisses, welches zwischen beiden besteht, kommt man jedoch zu
                              demselben Resultat, wenn man Thomson's Formel auf den
                              einen oder andern anwendet. Wählen wir daher den Temperatur-Abstand des
                              Cylinders und verwandeln die Temperaturen der in den Cylinder eintretenden und aus
                              demselben entweichenden Luft in absolute Temperaturen (vom wirklichen Nullpunkt
                              ausgehend), indem wir zu denselben 459° addiren, so erhalten wir für die
                              Wirkungsgröße, welche durch Verbrennung eines Grain Steinkohle entwickelt wird:
                           W = (1261,45 (1198,12 – 678,66))/1198,12 = 546,92
                              Fußpfund.
                           Um das vorhergehende Resultat mit der Leistung einer Dampfmaschine zu vergleichen,
                              welche sich der Vollkommenheit so viel als möglich nähert, will ich annehmen, daß
                              letztere mit Sicherheit bei 14 Atmosphären Dampfdruck betrieben werden kann. Die
                              Temperatur des Kessels, welche diesem Druck entspricht, wird nach den Versuchen der
                              französischen Akademiker 387° Fahr. seyn. Die Temperatur des Condensators
                              kann auf 80° Fahr. unterhalten werden. Reduciren wir diese Temperaturen auf
                              solche, welche vom absoluten Nullpunkt ausgehend berechnet sind, so erhalten wir für
                              die Wirkungsgröße, welche durch Verbrennung jedes Grain Steinkohle entwickelt
                              wird:
                           W = (1261,45 (846 – 539))/846 = 457,76
                              Fußpfund.
                           Man sieht daher, daß selbst in dem angenommenen äußersten Fall die Leistung der
                              Dampfmaschine beträchtlich geringer als diejenige der Luftmaschine ist. Die
                              Ueberlegenheit der letztern hätte sich noch augenfälliger herausgestellt, wenn ich
                              für sie auch einen äußersten Fall angenommen hätte. Ich muß überdieß bemerken, daß
                              die mit einer Temperatur von 219 2/3° Fahr. aus der Maschine entweichende
                              heiße Luft auf verschiedene Weise benutzt werden kann, um das entwickelte
                              Arbeitsquantum noch zu vergrößern. Ein Theil dieser heißen Luft könnte auch statt
                              kalter atmosphärischer Luft in den Feuerherd geführt werden.
                           Ein großer Vortheil ließe sich bei den Luftmaschinen dadurch erzielen, daß man die
                              Luft auf ihrem Wege von der Pumpe zum Cylinder mit dem Brennmaterial in Berührung
                              bringt, durch dessen Verbrennung ihre Spannkraft erhöht werden soll. Nach meiner
                              Meinung könnte man die Luft durch eine Anzahl luftdichter Kammern leiten, von denen
                              jede entzündete Kohks enthält; wenn irgend eine der Kammern ein Nachfüllen
                              erfordert, so müßte man ihre Verbindung mit der Maschine mittelst geeigneter Ventile
                              absperren, bis die Kammer durch Abheben ihres luftdichten Deckels wieder mit Kohks
                              gefüllt werden könnte. Mittelst geeigneter Ventile wäre es leicht, die Menge der
                              durch jede Kammer ziehenden Luft so zu reguliren, daß diese Luft auf gleichförmiger
                              Temperatur bleibt; und durch eine besondere, ebenfalls mit Ventilen versehene Röhre
                              könnte die Luft von der Pumpe in den obern Theil der Kammern geleitet werden, ohne
                              durch die Kohks zu ziehen, wodurch der Maschinenwärter im Stande wäre sowohl die
                              Temperatur der Kammern als die Geschwindigkeit der Maschine in geeigneten Gränzen zu
                              erhalten.