| Titel: | Ueber die Locomotiven und Wagen der englischen Eisenbahnen bis zum Jahr 1851. | 
| Fundstelle: | Band 128, Jahrgang 1853, Nr. XXIV., S. 95 | 
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                        XXIV.
                        Ueber die Locomotiven und Wagen der englischen
                           Eisenbahnen bis zum Jahr 1851.
                        Nach dem Berichte des Ober-Ingenieurs
                           Lechatelier an den
                           französischen Minister der öffentlichen Arbeiten (Annales des mines, 1852, Tom. I, 3me
                              livraison) bearbeitet von dem Ingenieur-Assistenten H. Tellkampf in Rethen.
                        Aus dem Notizblatt des hannoverschen Architekten- und
                                 Ingenieur-Vereins, Bd. II S. 158.
                        Ueber die Locomotiven und Wagen der englischen
                           Eisenbahnen.
                        
                     
                        
                           Es handelt sich bei der Construction der Locomotiven schon seit längerer Zeit nicht
                              mehr um die Erfindung von ganz neuen Maschinentheilen, sondern nur um die
                              Verbesserung und Anordnung der gegebenen Theile, welche in einem ziemlich engen Raum
                              zusammengedrängt werden müssen, und dabei unter günstigen Bedingungen eine große
                              Geschwindigkeit in der Bewegung und den Transport bedeutender Massen möglich machen
                              sollen. Ganz ähnlich ist der Fall mit der Construction der Wagen, an die man jetzt
                              vorzüglich die Anforderungen einer großen Stabilität und eines leichten Ganges
                              stellen muß. Hinsichtlich der Lösung dieser Fragen Pflegen nun freilich die
                              englischen Ingenieure am liebsten nur ihren eigenen Erfahrungen zu vertrauen,
                              indessen findet man doch, daß von Zeit zu Zeit gewisse Ansichten allgemein
                              vorherrschen, welche aber später oft durch ein gerade entgegengesetztes System
                              wieder verdrängt werden.
                           
                        
                           I. Construction der
                                 Locomotiven.
                           Die große Mehrzahl der jetzigen englischen Locomotiven zeigt in der Construction
                              manche Uebereinstimmungen, wohin namentlich die Anwendung von inwendig liegenden
                              Cylindern und einer großen Heizfläche zu rechnen ist. Manche Verschiedenheiten
                              werden auch nicht sowohl durch verschiedene Systeme, als vielmehr durch die
                              verschiedenen Bestimmungen der Maschinen hervorgerufen, je nachdem dieselben zu
                              Personenzügen, zu Güterzügen, oder zu beiden Zwecken vereint dienen sollen. Die
                              Maschinen für Personenzüge sind durch die Unabhängigkeit und den großen Durchmesser
                              ihrer Treibräder ausgezeichnet, weil man große Geschwindigkeiten erlangen will, ohne
                              dabei doch die bewegenden Maschinentheile durch allzu schnelle Oscillirungen zu
                              ermüden und abzunutzen. Die Maschinen für Güterzüge haben sechs gekuppelte Räder von
                              etwa 5' Durchmesser, wobei die Kurbeln zur Kuppelung vor den Schmierbüchsen auf dem äußersten
                              Ende der Achsen sitzen. Der Maschinenrahmen wird dabei außerhalb der Räder gelegt,
                              damit der Feuerkasten möglichst erweitert und die Heizfläche demnach vergrößert
                              werden kann. Weil man ferner diesen Maschinen große Kessel und innere Cylinder von
                              großer Hubhöhe zu geben pflegt, so kommt der Schwerpunkt der ganzen Masse ziemlich
                              hoch zu liegen, und der Schornstein, dessen größte Höhe über den Schienen in der
                              Regel 14' nicht übersteigen darf, kann deßhalb nur kurz werden. Bei den Maschinen,
                              welche abwechselnd für Personen – und Güterzüge dienen sollen, liegt der
                              Rahmen ebenfalls außerhalb der Räder; die Treibräder haben 5–6' Durchmesser
                              und sind mit dem hintern Räderpaar, dessen Achse hinter dem Feuerkasten liegt,
                              zusammengekuppelt. Diejenigen Dimensionen, welche man gewöhnlich an den Haupttheilen
                              der englischen Locomotiven findet, sind in der folgenden Tabelle
                              zusammengestellt.
                           
                              
                                 Dimensionen.
                                  Maschine fürPersonenzüge.
                                 Maschinen für  Güterzüge.
                                   Maschinen fürgemischte
                                    Zwecke
                                 
                              
                                 Durchmesser des Kolbens
                                   15–18''
                                   15–18''
                                   14–16''
                                 
                              
                                 Hubhöhe desselben
                                   20–24''
                                   20–26''
                                   21–22''
                                 
                              
                                 Durchmesser der Treibräder
                                     6–8'
                                     4 1/2–5'
                                     5–6'
                                 
                              
                                 absoluter Dampfdruck
                                     7–9
                                    Atmos.
                                     7–9
                                    Atmos.
                                     9 Atmosphären
                                 
                              
                                 Abstand der äußeren Achsen
                                   15–18'
                                   14–15 1/2'
                                   15–16'
                                 
                              
                                 directe Heizfläche
                                   80–100 Qdrf.
                                   70–140 Qdrf.
                                   85–100 Qdrf.
                                 
                              
                                 indirecte Heizfläche
                                 900–1800 Qdrf.   
                                 800–1300 Qdrf.   
                                 800–1000 Qdrf.
                                 
                              
                                 Gewicht der Maschine
                                   24–28 Tonnen
                                   28–35 Tonnen
                                   26–30 Tonnen
                                 
                              
                           Einen vorzüglichen Anlaß zu Streitigkeiten zwischen den englischen Ingenieuren bildet
                              noch immer die Frage, welches Gewicht am zweckmäßigsten den Locomotiven zu geben
                              sey. Indessen fehlt es noch gänzlich an aufmerksamen Beobachtungen über die
                              Einwirkungen der verschiedenen Gewichte auf die Schienen, mit Berücksichtigung der
                              Form der Schienen, des Durchmessers der Räder und der Geschwindigkeit der Züge. Es
                              kann aber nur die Zusammenstellung von einer großen Menge solcher Erfahrungen zu
                              einer wirklich praktischen Lösung der Streitigkeiten führen. Die Maschinen, welche
                              jetzt in England erbaut werden, bekommen ein Gewicht von 25–30 Tonnen, auf
                              der Great-Western Bahn aber sogar bis zu 36 Tonnen. So weit sich die Sache bis jetzt beurtheilen
                              läßt, so würde im Allgemeinen die Regel aufzustellen seyn, bei Schienen von
                              70–80 Pfund pro Yard durch jedes Rad im
                              Durchschnitt ein Gewicht von höchstens 5 Tonnen auf die Schienen übertragen zu
                              lasen. Demnach würde man den Maschinen für Personenzüge ein Gewicht von 24–26
                              Tonnen, für Güterzüge von 28–30 Tonnen zu geben haben, wie es denn auch
                              wirklich meistens geschieht. Uebrigens Pflegen die englischen Ingenieure die
                              Treibräder, namentlich wenn sie in der Mitte liegen, bedeutend stärker als die
                              Laufräder zu belasten.
                           Die Dimensionen und die Anordnung der bewegenden Haupttheile einer Locomotive werden
                              sich immer zumeist nach der Art des Dienstes, welchen diese Theile zu verrichten
                              haben, und nach der Beschaffenheit der Bahn, die befahren werden soll, richten;
                              zugleich müssen sie aber auch unter einander in einem gewissen unveränderlichen
                              Zusammenhange stehen, wofür die Ausdrücke leicht aus der Natur der Bewegung
                              abgeleitet werden können.
                           Wenn man den Durchmesser der beiden Kolben durch d, deren
                              Hubhöhe durch l, den Dampfdruck im Cylinder pro Quadratzoll durch p, den
                              Durchmesser der Treibräder durch D und die auszuübende
                              Zugkraft durch T bezeichnet, so ist der Dampfdruck auf
                              die Oberfläche eines Kolbens = p . 1/4 π . d²
                              Leistung beider Kolben während ihres Auf- und Niederganges = 21 . 2p . 1/4 π . d² welche der entsprechenden Leistung des
                              Widerstandes I bei einer Umdrehung der Treibräder gleichzusetzen ist, nämlich
                           21 . 2p . 1/4 η. d² = η . D . T, oder
                           (I.)   p . l .
                              d² = D . T.
                           Die Gleichung drückt also das Verhältniß aus, welches bei gegebenem Dampfdruck und
                              gegebener Zugkraft, zwischen den Dimensionen der Kolben und Treibräder bei einer
                              jeden Locomotive stattfinden muß. Es wird indessen auch nicht schwer fallen, die
                              zweckmäßigsten Dimensionen eines jeden dieser einzelnen Theile aus der obigen
                              Gleichung zu entnehmen, wenn man nur berücksichtigt, daß die Treibräder nicht mehr
                              als 3 Umdrehungen in der Secunde machen dürfen, daß ferner die Kolben und Schieber,
                              ohne Gefahr für ihre Festigkeit und ohne Vermehrung der passiven Widerstände, nicht
                              zu schnell oscilliren dürfen, und daß endlich der nutzbare Dampfdruck p im Cylinder nicht gleich der absoluten Dampfspannung
                              im Kessel ist, weil davon
                              erst 1 Atmosphäre für den Gegendruck der äußeren Luft, und 1–1 1/2
                              Atmosphären für die Summe der passiven Widerstände, welche der Dampf auf seinem Wege
                              vom Kessel zum Cylinder zu überwinden hat, abgerechnet werden müssen.
                           Zur Bestimmung des Gewichtes, womit die Treibräder auf die Schienen drücken müssen,
                              dient die auszuübende Zugkraft als Maaß; wenn man nämlich den
                              Adhäsions-Coefficienten = 1/6 annimmt, so muß dieses Gewicht mindestens
                              gleich der sechsfachen Zugkraft seyn. Hierbei ist aber zu bemerken, daß ein einziges
                              Paar von großen Treibrädern höchstens mit 10–14 Tonnen belastet werden darf.
                              Man würde also in dem Fall, daß der Rechnung zufolge die Treibräder noch stärker
                              belastet werden müßten, dieselben lieber mit dem hinteren Räderpaar, oder
                              nöthigenfalls mit allen übrigen vier Rädern zusammenkuppeln, wie es auch bei den
                              Maschinen für Güterzüge wirklich geschieht.
                           Eines der wichtigsten Elemente bei der Construction einer jeden Locomotive ist die
                              Größe der Heizfläche, wovon die Verdampfungsfähigkeit des Kessels und folglich die
                              Leistungsfähigkeit der ganzen Maschine abhängt. Die gesammte Heizfläche setzt sich
                              aus der directen und indirecten zusammen, wovon die erstere, aus den inneren Wänden
                              des Feuerkastens bestehend, durch unmittelbare Berührung und Ausstrahlung vom Feuer
                              erhitzt wird, während die letztere aus den inneren Flächen der Heizröhren, wo die
                              brennenden Gase hindurchziehen, besteht. Das Verhältniß der directen Heizfläche zur
                              indirecten nimmt man in der Regel = 1/10 an. Es ist ein Hauptkennzeichen aller
                              englischen Locomotiven, daß sie verhältnißmäßig eine sehr große Heizfläche haben, da
                              der Maschinenrahmen in der Regel außerhalb der Räder angebracht wurde und folglich
                              der Feuerkasten bedeutend erbreitert werden konnte, während die französischen
                              Locomotiven, wobei der Rahmen zwischen den Rädern zu liegen pflegt, durchgängig eine
                              zu geringe Heizfläche besitzen. Der Unterschied in der Leistungsfähigkeit dieser
                              Maschinen wird dadurch noch größer, daß die englischen Kohks bedeutend besser als
                              die französischen sind. Uebrigens haben die englischen Constructeure auch sehr oft
                              das angemessene Verhältniß zwischen der Größe der Heizfläche und den Dimensionen der
                              bewegenden Maschinentheile überschritten, und zwar hauptsächlich deßhalb, weil sie
                              die nützliche Einrichtung eines veränderlichen Dampfausflusses, wodurch auch bei
                              schwacher Verdampfung der Zug des Feuers beliebig verstärkt werden kann, nicht
                              anwenden wollen, sondern darauf bestehen, eine für alle Fälle hinreichende
                              Verdampfung bei einer unveränderlichen und sehr weiten Ausflußöffnung des Blaserohrs
                              zu erlangen. Hierdurch ist aber ganz unnöthigerweise das Gewicht, der Ankaufspreis und
                              die Unterhaltungskosten der Maschinen vermehrt worden.
                           Um für eine gegebene Locomotive die nöthige Heizfläche berechnen zu können, muß man
                              berücksichtigen, daß die Verdampfungsfähigkeit des Kessels, oder vielmehr das in
                              einer Zeiteinheit entwickelte Dampfvolumen, in geradem Verhältniß zur Größe der
                              Heizfläche steht. Wenn nun d den Durchmesser und l die Hubhöhe der beiden Kolben bezeichnet, so wird von
                              einem Kolben während eines einzigen Auf- und Niederganges ein Dampfvolumen =
                              2l . 1/4 π . d² verbraucht, welches zur Größe der gesammten
                              Heizfläche S in einem bestimmten constanten Verhältniß
                              stehen muß. Als Resultat aus vielen Beobachtungen ergibt sich aber, daß der Werth
                              dieses Verhältnisses, wenn man S in Quadratfußen, d und l in Zollen ausdrückt,
                              durchschnittlich – 0,12 zu setzen ist, nämlich:
                           (II.) Textabbildung Bd. 128, S. 99
                              
                           Die Dampfspannung im Kessel ist seit längerer Zeit von den englischen Ingenieuren
                              immer mehr verstärkt worden; sie beträgt in den neueren Maschinen fast durchgängig
                              9,16 Atmosphären, während man sich früher noch meistens mit 7–8 Atmosphären
                              begnügte. Ebenso wurde auch der Durchmesser des Kessels nach und nach bis auf 4
                              1/2–5 1/3' erweitert, während man jedoch die Stärke des Kesselbleches, welche
                              3/8–7/16'' beträgt, und die Stärke der inneren ebenen Wände des Feuerkastens,
                              die gewöhnlich = 7/16'' ist, um Nichts vermehrte. Man beschränkte sich darauf, die
                              letzteren durch Verbindungsstangen in Abständen von 4'' abzusteifen. Es können aber
                              die Wanddicken der Kessel, wie sie jetzt in England gebräuchlich sind, nicht mehr
                              als genügend angesehen werden, und es ist daher vorzuziehen, sich nach den folgenden
                              Vorschriften der französischen Gesetze zu richten:
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 128, S. 100
                              Durchmesser des Kessels; Wanddicke
                                 bei einem Dampfdruck von; Fuß; Atm.; Zoll
                              
                           Diese vorgeschriebenen Wanddicken sind etwa um 1/3 stärker als die in England
                              gebräuchlichen, was bei einem vollständigen Kessel von etwa 270 Quadratfuß äußerer
                              Oberfläche einen Unterschied im Gewichte von 1/2 Tonne, oder von 2 Procent des
                              Gesammtgewichtes der Maschine ausmacht. Es sind über die Stärke der Kesselbleche
                              mannichfache Versuche durch Fairbairn in England und
                              durch Gouin in Frankreich angestellt worden, welche in
                              guter Uebereinstimmung zeigen, daß das zerreißende Gewicht für 1 Quadratzoll
                              Querschnitt des Bleches = 40000–50000 Pfund ist, aber daß schon bei 2/3
                              dieses Gewichtes eine bleibende Ausdehnung des Bleches stattfindet. Wenn man nun
                              erwägt, daß durch die Nietung die Blechstärke etwa um 1/3 geschwächt wird, daß
                              ferner das Blech immer sehr heiß, also nicht so fest als im kalten Zustande ist, daß
                              überdieß seine Festigkeit durch die fortwährenden Erschütterungen stark leidet, und
                              daß endlich bei irgend einer zufälligen Verstopfung der Sicherheitsventile der
                              Dampfdruck seine vorgeschriebene Gränze um ein Bedeutendes übersteigen kann, so wird
                              man die Gefährlichkeit des Weges, welchen die englischen Ingenieure eingeschlagen
                              haben, leicht einsehen und lieber die Wanddicke der Kessel etwas reichlich stark
                              machen, um dadurch hinreichende Sicherheit gegen Explosionen zu bekommen. Man würde
                              demnach etwa 14000 Pfund als Minimum der absoluten Festigkeit des Kesselbleches
                              anzusehen haben, aber der Sicherheit wegen in der Praxis nur bis zu 1/3 dieser
                              Gränze gehen dürfen, womit dann die Angaben der obigen Tabelle übereinstimmen.
                           Der hohe Dampfdruck von 8–9 Atmosphären ist nicht zweckmäßig, weil dabei die
                              passiven Widerstände in den Leitungsröhren, im Schieberkasten und beim Eintritt des Dampfes in
                              den Cylinder, ganz unverhältnißmäßig wachsen. Man wendet auch eigentlich nur deßhalb
                              diesen hohen Druck an, um die Unvollkommenheiten der Stephenson'schen Coulisse zu verbessern, weil nämlich, wenn man Expansion
                              anwenden will, die Einflußöffnungen des Dampfes in den Cylinder immer vom Schieber
                              noch theilweise bedeckt bleiben, so daß beim Eintritt des Dampfes ein erheblicher
                              Kraftverlust stattfindet. Bei allen gewöhnlichen Locomotiven würden auch die
                              bewegenden Maschinentheile, namentlich die Treibräder, Kolben und Schieber, es gar
                              nicht aushalten können, wenn die Maschine mit dem vollen Dampfdruck von 9
                              Atmosphären ohne Absperrung arbeiten sollte. Aus diesen Gründen möchte es wohl
                              anzurathen seyn, sich auf einen Dampfdruck von 6–7 Atmosphären, wie es in
                              Frankreich gebräuchlich ist, zu beschränken, und dagegen eine zweckmäßigere
                              Expansions-Vorrichtung am Schieber anzubringen. Der Druck von 9,16
                              Atmosphären könnte dann vielleicht als äußerste erlaubte Gränze angenommen werden,
                              wonach die Belastung der Sicherheitsventile zu berechnen wäre.
                           Bemerkenswerth ist ferner bei den jetzigen englischen Locomotiven der große Abstand
                              von 15–16', welchen man den äußeren Achsen zu geben pflegt, selbst bei
                              Maschinen mit sechs gekuppelten Rädern. Obgleich diese Maschinen mit großer
                              Geschwindigkeit in Curven von 1300–1600' Radius zu laufen Pflegen, so
                              scheinen doch die Radbänder und die Festigkeit der Achslager und des Rahmens keinen
                              erheblichen Schaden durch den Widerstand und das Gleiten in den Curven zu leiden. Es
                              ist überhaupt eine große Entfernung der drei Locomotivachsen von einander an und für
                              sich noch kein besonderes Hinderniß bei der Bewegung in starken Curven, wenn nur die
                              Uebergangsfläche zwischen Spurkranz und Radkranz ebenso wie der Rand der Schiene
                              nicht eckig, sondern mit einem hinreichend großen Halbmesser beschrieben ist, damit
                              der Spurkranz nicht etwa von seitwärts in die Schienen einschneiden und
                              hinaufsteigen kann. Die erforderliche Vergrößerung der Spurweite der Bahn ist selbst
                              in starken Curven nur unbedeutend; sie wird durch die Pfeilhöhe eines Segmentes der
                              Curve ausgedrückt, dessen Sehne gleich dem Abstand der beiden äußeren Achsen ist.
                              Die folgende Tabelle zeigt eine Berechnung dieser Art:
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 128, S. 102
                              Halbmesser der Curve; Fuß;
                                 Pfeilhöhe des Segmentes für; Sehne
                              
                           Es wird also für alle Fälle ausreichen, wenn man die Spurweite in den Curven so groß
                              macht, daß an jeder Seite zwischen Spurkranz und Schiene noch ein Spielraum von etwa
                              1/3'' verbleibt. Um dieses Maaß würde man auch in den Curven die Zwangsschienen der
                              Wegübergänge weiter abzulegen haben als in der geraden Linie. Im Erleichterung der
                              Bewegung in den sehr starken Curven der Ausweichungen gibt man auch wohl den Lagern
                              der beiden äußeren Achsen etwas Spielraum zwischen ihren Schutzblechen, damit sich
                              die ganze Achse nebst ihren Lagern etwas zur Seite verschieben kann. Es kann
                              indessen das Verfahren einiger Constructeure, welche glaubten den mittleren Rädern
                              gar keine Spurkränze geben zu dürfen, nicht als hinreichend motivirt erscheinen.
                           Der Unterschied in der Länge des äußeren und inneren Schienenstranges einer Curve
                              ruft ein gewisses Gleiten der Räder auf den Schienen hervor, welches sich bei den
                              Achsen, die unbeweglich und weit von einander entfernt sind, am schlimmsten kund
                              gibt, und einen, jedoch nur unbedeutenden Theil der bewegenden Kraft consumirt. Um
                              dieses Gleiten aber möglichst zu verhindern, ist auch aus diesem Grunde ein gewisser
                              Spielraum zwischen Spurkranz und Schienen erforderlich, der in gewöhnlichen Curven
                              ebenfalls nicht größer als 1/3'' an jeder Seite zu seyn braucht; er bezweckt
                              nämlich, daß die Räder, deren Kränze bekanntlich eine conische Form haben, sich von
                              selbst in die richtige Lage bringen, wobei kein Gleiten stattfindet. In den
                              Ausweichungen kann man sich aber nicht mehr auf diese Weise helfen, weil dort die
                              Vergrößerung der Spurweite allzu bedeutend werden müßte; es erklärt sich daraus also
                              das starke Gleiten der Räder in den Weichen, welches eine schnelle Abnutzung der
                              Radbänder und Schienen
                              zur Folge hat. Für eine Eisenbahn mit vielen starken Curven von 1600' Radius und
                              darunter, wie es namentlich wohl bei kleineren Zweigbahnen vorzukommen pflegt,
                              möchte es überhaupt anzurathen seyn, die conische Form der Radkränze noch zu
                              verstärken, vielleicht bis zur Neigung 1 : 10, und dabei Schienen mit stark
                              gewölbtem Kopfe anzuwenden, die man im Verhältniß 1 : 20 nach innen zu geneigt legen
                              würde.
                           Im Allgemeinen kann man wohl annehmen, daß der Schaden, welcher aus dem weiten
                              Abstande der Achsen erwächst, durch den Vortheil der größeren Stabilität bei einer
                              etwaigen schwankenden Bewegung wieder ausgeglichen wird. Der Widerstand, den das
                              Gleiten der Räder in den Curven erzeugt, bildet nur einen sehr unbedeutenden Theil
                              vom Gesammtwiderstande des Zuges, nämlich nur wenige Procente desselben in einer
                              Curve von 800' Halbmesser. Ungleich bedeutender ist aber die Wirkung, welche die
                              Centrifugalkraft durch einen seitlichen Druck des Spurkranzes gegen die Schiene
                              hervorbringen kann, wenn der äußere Schienenstrang in der Curve nicht hinreichend
                              über den inneren erhöht ist. Wenn man den Reibungscoefficienten = 1/6 annimmt, so
                              würde in einer Curve von 800' Halbmesser, worin beide Schienenstränge gleich hoch
                              liegen, der durch die Centrifugalkraft hervorgerufene Reibungswiderstand eben so
                              groß als die gesammte auszuübende Zugkraft in der geraden Linie seyn. Bei der
                              Bewegung eines Zuges vom Gewicht Q mit der
                              Geschwindigkeit V in einer Curve vom Halbmesser R würde bekanntlich die Centrifugalkraft = Q/g . V²/R – seyn, worin g die Acceleration der Schwerkraft bezeichnet. Wenn man
                              nun bei einer Spurweite = b dem äußeren Schienenstrange
                              eine Ueberhöhung = x über den inneren gibt, so daß die
                              Bahn eine schiefe Ebene von der Neigung x/b bildet, so ist die Kraft, womit das Gewicht des Zuges
                              der Centrifugalkraft gerade entgegengesetzt auf dieser schiefen Ebene abwärts wirkt
                              = Q . x/b, und man wird demnach zu setzen haben:
                           Q . x/b = Q/g . V²/R, oder
                           x = b . V²/(g.R)
                           Um nach dieser Formel die nöthige Ueberhöhung x berechnen
                              zu können, muß man für die Geschwindigkeit V nicht den
                              mittleren Werth, sondern den größten vorkommenden Werth, von 50 engl. Meilen pro Stunde etwa, substituiren; denn es ist keine Gefahr dabei, wenn auch
                              die Räder etwas gegen den inneren Schienenstrang drücken, wohl aber würde, wenn ein
                              solcher Druck gegen den äußeren Schienenstrang stattfände, ein Entgleisen des ganzen
                              Zuges zu befürchten seyn. In den Ausweichungen, wo keine solche Ueberhöhung
                              angebracht werden kann, muß deßhalb immer recht langsam gefahren werden.
                           Die Mehrzahl der englischen Constructeure zieht die inwendig liegenden Cylinder den
                              äußeren vor, theils weil sie dadurch eine zuverlässigere Bewegung der Treibachse zu
                              erhalten glauben, und theils weil sie sich nicht entschließen können, eine
                              vernünftige Anwendung von den Gegengewichten an den Treibrädern zu machen. Bei den
                              Maschinen für Güterzüge ist es freilich wohl zweckmäßiger, innere Cylinder
                              anzuwenden, weil man sonst die Lenkstangen der Kolben und die Kuppelstangen der
                              Räder neben einander an den äußersten Enden der Achsen anbringen müßte. Es sind auch
                              die inwendig liegenden Cylinder immer leichter zu befestigen als die äußeren. Sie
                              führen aber den Nachtheil mit sich, daß der Kessel, und mithin der Schwerpunkt der
                              ganzen Maschine, sehr hoch gelegt werden muß, damit die Krummzapfen der Treibachse
                              unter dem Kessel noch hinreichenden Raum zu ihrer Umdrehung behalten. Dieser Umstand
                              ist freilich nicht eben von großer Wichtigkeit bei den Maschinen für Güterzüge,
                              welche doch gewöhnlich nur langsam laufen, und deßhalb Unglücksfällen nicht so sehr
                              ausgesetzt sind. Um so mehr hat man aber bei den Maschinen für Personenzüge, deren
                              Bestimmung ja eigentlich möglichst große Geschwindigkeit ist, darauf zu sehen, daß
                              durch jedes erlaubte Mittel die Stabilität dieser Maschinen vergrößert werde, damit
                              sie bei einem etwaigen Entgleisen des Zuges nicht umstürzen. Zu dem Ende wird man
                              vor Allem die Cylinder außen anbringen, und den Maschinenrahmen so gestalten, daß er
                              inwendig neben den großen Treibrädern und außen neben den Laufrädern liegt, weil man
                              dadurch in den Stand gesetzt wird, die Lenkstange des Kolbens am äußeren Ende der
                              Treibachse angreifen zu lassen, sowie den Cylindern eine gute Befestigung und dem
                              Kessel und Feuerkasten eine hinreichende Breite zu geben. Unter den englischen
                              Maschinen sind die nach dem Systeme Crampton erbauten
                              hinsichtlich der Stabilität die besten.
                           Interessant ist die Construction der Maschinen zu Schnellzügen, welche kürzlich für
                              die Bahn von Paris nach Straßburg erbaut wurden. Dieselben haben Treibräder von 7
                              1/2' Durchmesser; die Cylinder liegen inwendig unter dem Kessel und bewegen eine
                              vermittelnde Kurbelachse, welche keine Räder trägt, sondern an jedem Ende mit noch
                              einer Kurbel versehen ist, wovon sich die Bewegung durch Lenkstangen auf die
                              Treibräder, deren Achse
                              hinter dem Feuerkasten liegt, überträgt. Auf jener vermittelnden Achse sitzen auch
                              die excentrischen Scheiben zur Schiebersteuerung. Die vier Laufräder sind vorn, wie
                              man es gewöhnlich an den amerikanischen Maschinen findet, durch ein besonderes
                              Gestell vereinigt, worauf der eigentliche Maschinenrahmen vermittelst einer
                              Tragfeder an jeder Seite sich stützt. Die Treibachse trägt nur eine einzige große
                              Tragfeder, die der Querrichtung nach gestellt ist, so daß auf diese Weise der ganze
                              Maschinenrahmen nur auf drei Stützpunkten ruht. Diese Einrichtung gewährt die großen
                              Vortheile, daß die Belastung sich gleichmäßig auf die einzelnen Räder vertheilt, und
                              daß man die Cylinder bequem im Innern anbringen kann, ohne dem Kessel den nöthigen
                              Raum wegzunehmen, und ohne daß die vermittelnde Achse Gefahr liefe, bei dem Gleiten
                              der Räder und den Erschütterungen des Zuges zu zerbrechen. Einige englische
                              Constructeure haben ein ähnliches System auch bei den Maschinen mit vier gekuppelten
                              Rädern angewandt, indem sie die vermittelnde Achse mitten zwischen jene Räder
                              legten, und an ihren äußeren Krummzapfen zu jeder Seite zwei Lenkstangen angreifen
                              ließen, welche in derselben Zeit zur Mittheilung der Bewegung und zur Kuppelung
                              dienen. Diese ganze Anordnung ist sehr zu empfehlen, namentlich für gemischte
                              Personen- und Güterzüge; indessen würden sich solche Maschinen auch
                              zweckmäßig zu allen den kleinern Güterzügen verwenden lassen. Nur zur Bewegung von
                              sehr schweren Güterzügen oder zur Ueberwindung von starken Neigungen bedarf man der
                              Maschinen mit sechs gekuppelten Rädern und etwa 30 Tonnen Gesammtgewicht, welches
                              sich möglichst gleichmäßig auf die einzelnen Räder vertheilen muß.
                           Um bei einem gegebenen Zuge die Zugkraft berechnen zu können, welche erforderlich ist
                              um eine Tonne des Gesammtgewichtes mit einer bestimmten Geschwindigkeit zu
                              transportiren, bedient man sich am besten der folgenden Formel nach Wyndham Harbing:
                           T = 5,99964 + 0,3335 V +
                              0,002567 (N . V²)/P,
                           worin V die Geschwindigkeit des
                              Zuges in englischen Meilen pro Stunde, N die der Luft dargebotene Vorderfläche der Maschine in
                              Quadratf., P das Totalgewicht des Zuges in Tonnen, und
                              T die pro Tonne
                              auszuübende Zugkraft in Pfunden bezeichnet. Wenn man nun N = 54 Quadratfuß annimmt, sowie es gewöhnlich vorkommt, so wird:
                           (III.)
                           T = 5,9964 + 0,3335 V +
                              0,13863 V²/P.
                           Mit Berücksichtigung der Regeln, welche aus den vorstehenden Betrachtungen sich
                              ergeben haben und zwar ganz allgemein ausgesprochen sind, aber doch für jeden
                              besonderen Fall etwas modificirt und den Umständen angepaßt werden dürfen, und
                              namentlich mit Hülfe der Formeln (I), (II) und (III), wird es jetzt nicht schwer
                              fallen, bei gegebenen Anforderungen, welche an eine Locomotive gestellt werden, die
                              zweckmäßigsten Dimensionen und die allgemeine Anordnung der Hauptmaschinentheile zu
                              bestimmen. Zur näheren Erläuterung dieses Verfahrens mögen die folgenden Beispiele
                              dienen, worin gerade die am gewöhnlichsten vorkommenden Fälle angenommen sind.
                           1. Beispiel. Es sind die Dimensionen der Haupttheile einer
                              Locomotive zu berechnen, welche einen Schnellzug von acht Personenwagen à 7 1/2 Tonnen Gewicht mit einer Geschwindigkeit
                              von 50 Meilen pro Stunde auf einer Steigung 1 : 200
                              hinauffahren soll. Das Gewicht der Maschine soll 25 Tonnen, des beladenen Tenders 12
                              Tonnen betragen.
                           Die Geschwindigkeit des Zuges per Secunde oder die
                              Umdrehungsgeschwindigkeit der Treibräder ist = (50 . 5280)/(60 . 60) = 73,3'. Wenn
                              man also den Durchmesser der Treibräder D = 8' annimmt,
                              so würden diese Räder in der Secunde 73,3/(8 . π)
                              = fast 3 Umdrehungen machen müssen, was noch erlaubt ist.
                           
                              
                                     Das
                                    Totalgewicht des ganzen Zuges beträgt 97 Tonnen; nach derFormel (III)
                                    ist der Widerstand auf der Horizontalen pro
                                    Tonne= 26 1/4 Pfd., mithin für den ganzen Zug = 97 . 26 1/4 =
                                 2546 Pfd.
                                 
                              
                                     Dazu ist
                                    der Sicherheit wegen für unvorhergesehene Fällenoch etwa 1/4 zu addiren
                                    =
                                   636  
                                    „
                                 
                              
                                     Der durch
                                    die Steigung hervorgerufene Widerstand beträgt1/200 . 97 . 2240
                                    =
                                 1086   „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                     Also ist
                                    der Gesammtwiderstand, welchen die Maschinemuß überwinden können, T =
                                 4268 Pfd.
                                 
                              
                           Wenn man nun die Dampfspannung im Kessel zu 7 Atmosphären annimmt, so würde man für
                              den Cylinder nur einen Dampfdruck von 4 1/2 Atmosphären in Rechnung bringen können,
                              weil 1 Atmosphäre für den Gegendruck der äußeren Luft, und 1 1/2 Atmosphären für die
                              passiven Widerstände in den Röhren, im Schieberkasten und in den Einflußöffnungen
                              des Cylinders, sowie für den Gegendruck des entweichenden Dampfes abgerechnet werden
                              müssen. Es repräsentiren aber 4 1/2 Atmosphären einen Druck p = 4 1/2 . 16 1/2 = 74,25 Pfd. pro
                              Quadratfuß. Es sind nun die Werthe von p, T und D, der letztere in Zollen ausgedrückt, in die Formel (I)
                              zu substituiren, dann wird
                           4268 = 74,25 . (d². l)/(8 . 12), oder
                           d². l = 5520
                              Kubikzoll.
                           Wenn man also den inneren Durchmesser d des Cylinders
                              etwa = 16'' annimmt, so müßte der Kolbenhub l =
                              21–22'' werden.
                           Um, bei Voraussetzung des Adhäsions-Coefficienten = 1/6, eine hinreichende
                              Adhäsion der Treibräder auf den Schienen zu bekommen, muß man denselben mit
                              Inbegriff ihres Eigengewichtes eine Belastung von mindestens (6 . 4268)/2240 = 11
                              1/2 Tonnen, oder für jedes Treibrad von 5 3/4 Tonnen geben, was noch wohl erlaubt
                              ist.
                           Die erforderliche Größe der gesammten Heizfläche S
                              bekommt man durch Anwendung der Formel (II), nämlich
                           S/(½ . 3,14 . 5520) = 0,12,
                              oder
                           S = 1040 Quadratfuß
                           Da aber bekanntlich die directe Heizfläche S₁ sich zur indirecten S₂ wie 1 : 10 zu verhalten pflegt, so würde man etwa S₁ = 95 Quadratfuß und S₂ = 945 Quadratfuß anzunehmen haben.
                           2. Beispiel. Eine Locomotive von 24 Tonnen Gewicht mit
                              einem Tender von 11 Tonnen soll einen gemischten Zug, der aus 16 Wagen, theils
                              Personen- und theils Güterwagen von 7 1/2 Tonnen Gewicht besteht, auf 1/200
                              Steigung mit 28 Meilen Geschwindigkeit pro Stunde
                              aufwärts, und mit 34 Meilen Geschwindigkeit abwärts fahren.
                           Der Durchmesser der Treibräder ist nach deren größter Geschwindigkeit von 34 Meilen
                              zu berechnen, woraus sich dann ergibt, daß er, bei 2 3/4 Umdrehungen der Räder in
                              der Secunde, etwa = 6' seyn muß. Deßgleichen findet man die übrigen Dimensionen der
                              Maschinentheile durch eine ganz ähnliche Rechnung wie bei dem vorigen Beispiele:
                           Durchmesser des Kolbens = 15°.
                           Hubhöhe des Kolbens = 22°.
                           Directe Heizfläche = 90 Quadratfuß.
                           Indirecte Heizfläche = 900 Quadratfuß.
                           Auszuübende Zugkraft = 5230 Pfd.
                           Dampfspannung im Kessel = 7 Atmosphären.
                           
                           Die erforderliche Belastung der Treibräder würde der Rechnung zufolge mindestens um
                              15 Tonnen, oder für jedes Rad = 7 1/2 Tonnen seyn, was aber nicht mehr zulässig ist.
                              Man würde also in diesem Falle vier gekuppelte Räder anzuwenden haben, deren
                              Gesammtbelastung von etwa 16–18 Tonnen vollkommen ausreichen würde.
                           Die obigen, durch die Rechnung erlangten Resultate dieses Beispiels stimmen
                              merkwürdig mit den Dimensionen überein, welche Gouin den
                              für die Bahn von Paris nach Lyon bestimmten Maschinen gab, die sich vortrefflich
                              bewährt haben.
                           3. Beispiel. Ein Güterzug aus 40 Wagen von 9 Tonnen
                              Gewicht bestehend, soll mit 18 Meilen Geschwindigkeit auf 1/200 Steigung aufwärts,
                              und mit 25 Meilen Geschwindigkeit daselbst abwärts, durch eine Locomotive von 28
                              Tonnen mit einem beladenen Tender von 12 Tonnen Gewicht gefahren werden.
                           Der Durchmesser der Treibräder, nach der größten Geschwindigkeit von 25 Meilen
                              berechnet, würde bei 2 3/4 Umdrehungen der Räder in der Minute etwa 4' 3'' betragen
                              müssen; ferner erhält man durch die Rechnung folgende Dimensionen:
                           Durchmesser des Kolbens = 18°.
                           Hubhöhe des Kolbens = 24°.
                           Directe Heizfläche = 120 Quadratfuß.
                           Indirecte Heizfläche = 1200 Quadratfuß.
                           Dampfspannung im Kessel = 7 Atmosphären.
                           Auszuübende Zugkraft = 10314 Pfd.
                           Die zur Adhäsion erforderliche Belastung der Treibräder würde mindestens 28 Tonnen
                              betragen, d.h. gleich dem Gewicht der ganzen Maschine seyn müssen; daraus folgt
                              also, daß man alle sechs Räder der Maschine zu kuppeln hat.
                           Um die directe Heizfläche zu vermehren, macht man in England öfters von einem
                              Siedekessel Gebrauch, welcher meistens der Quere nach in den Feuerkasten eingesetzt
                              ist und deßhalb beim Besorgen des Feuers sehr beschwerlich fällt. Weit zweckmäßiger
                              ist es aber, eine doppelte Scheidewand, welche inwendig vom Wasser ausgefüllt wird,
                              der Länge nach im Feuerkasten vom Boden bis zur Decke hin anzubringen, mit Ausnahme
                              eines runden Ausschnittes dicht vor der Hinterwand des Feuerkastens, um die Anzahl
                              der Heizröhren nicht zu vermindern und deren Einlegung und Reinigung nicht zu
                              erschweren. Es bekommt dann jede Hälfte des Feuerkastens ihre besondere Heizthür.
                              Diese ganze Einrichtung ist übrigens nur dann anwendbar, wenn der Maschinenrahmen von außen neben dem
                              hinteren Räderpaar liegt und der Feuerkasten deßhalb eine hinreichende Breite
                              bekommen kann.
                           Zur Regulirung der Schiebersteuerung findet man fast an allen englischen Locomotiven
                              die Stephenson'sche Coulisse, zuweilen freilich mit
                              einigen Modificationen angebracht; dieselbe dient ebensowohl dazu, um den Grad der
                              Expansion, womit die Maschine arbeiten soll, zu bestimmen, als auch um die Richtung
                              der Bewegung zu ändern. Der Hauptfehler dieser Einrichtung besteht, wie schon früher
                              bemerkt wurde, darin, daß bei der Anwendung einiger Expansion die beiden Oeffnungen,
                              welche vom Schieberkasten in den Cylinder führen, immer zum Theil vom Schieber
                              verdeckt bleiben, weßhalb beim Eintritt des Dampfes in diese schmalen Oeffnungen
                              immer ein bedeutender Kraftverlust stattfindet. Zur Abhülfe dieses Uebelstandes ist
                              bei der Castern-Counties-Bahn eine sinnreiche Verbesserung am Schieber
                              selbst eingeführt; derselbe hat nämlich die Form eines massiven vierseitigen
                              Prisma's und bewegt sich zwischen der Wand des Cylinders und einer festliegenden
                              gußeisernen Platte. Sowohl diese Platte als auch der Schieber sind an jedem Ende
                              durchbrochen, d.h. sie enthalten einen länglichen Schlitz von der Breite der
                              Dampfleitungsröhren in der Wand des Cylinders. Es muß dann die Schiebersteuerung so
                              eingerichtet seyn, daß bei Anwendung der größten vorkommenden Expansion die
                              Oeffnungen, wodurch der Dampf in den Cylinder einströmt, gerade einmal während jedes
                              Kolbenhubes vom Schieber ganz frei werden.
                           Die Räder der jetzigen englischen Locomotiven und Tender bestehen durchgängig aus
                              Schmiedeisen, und zwar bilden Nabe, Speichen und Radkranz ein einziges Stück. Die
                              Radbänder werden immer von ausgesuchtem Eisen und mit ganz besonderer Sorgfalt
                              verfertigt. Bei der Great-Western-Bahn verstahlt man sie auf ihrer
                              conischen Oberfläche; jedoch hat man in England noch nicht den Versuch gemacht, sie
                              ganz und gar aus Stahl herzustellen, wie es von einigen französischen Bahnen zu
                              geschehen pflegt. Man muß dazu recht weichen Gußstahl nehmen, der wenig Kohlenstoff
                              enthält, sich gut schweißen läßt und nicht so spröde ist als das gewöhnlich im
                              Handel vorkommende Material. Das Radband wird gleich im Ganzen gegossen, vorläufig
                              freilich nur ungefähr nach der richtigen Form und nach einem viel zu kleinen
                              Halbmesser; dann muß es aber durch Walzwerke gehen, worin es seine genaue Weite und
                              Form bekommt. Nun wird es auf den Radkranz aufgesteckt, auf seiner Oberfläche
                              gehärtet und dann genau rund abgedreht, was eine äußerst schwierige Arbeit ist und
                              bei der Great-Western-Bahn vermittelst förmlicher Schleifsteine geschieht. Viel
                              zweckmäßiger ist jedoch das Verfahren, welches bei der Bahn von Lyon nach St.
                              Etienne gebräuchlich ist, die Radbänder schon vor dem Aufstecken zu Härten und etwas
                              glatt abzudrehen, dann aber gleich beim Aufstecken dadurch zu centriren, daß man mit
                              großer Sorgfalt dünne Keile aus hartem Holz oder Eisen zwischen Radkranz und Radband
                              einschiebt. Hierdurch bekommen auch die Radbänder eine gewisse Elasticität, welche
                              bei den Erschütterungen in der Bewegung der Züge sehr wohlthätig auf die Erhaltung
                              der Schienen und Wagen einwirkt. Die schmiedeisernen Radbänder, die man überall in
                              England findet, werden erst nach einem kleinen Durchmesser ausgeschmiedet und
                              zusammengeschweißt, in einem Walzwerk von drei Walzen bis zum gehörigen Durchmesser
                              erweitert, dann aufgesteckt und ihre äußere Oberfläche durch Abdrehen genau
                              centrirt. Wenn man sie aber gleich beim Aufstecken durch Keile centriren wollte, so
                              könnte man sich die mühsame Arbeit des Abdrehens ganz ersparen, und das Metall würde
                              dann seine ursprüngliche äußere Oberfläche, wo es immer besonders fest ist, behalten
                              können.
                           Die Tragfedern findet man jetzt bei manchen englischen Maschinen, ebenso wie bei den
                              amerikanischen, mit kleinen Balanciers verbunden; zuweilen kommt es auch vor, daß
                              eine einzige sehr lange Tragfeder sich mit ihren Enden auf die Achslager von zwei
                              benachbarten Rädern stützt, so daß auf diese Weise der ganze Maschinenrahmen nur auf
                              drei oder vier Stützpunkten ruht. Alle diese Einrichtungen haben zum Zweck, die Last
                              recht gleichmäßig auf die einzelnen Räder zu vertheilen, und die Räder möglichst
                              unabhängig vom Rahmen zu machen, damit bei vorkommenden Erschütterungen der Räder
                              die schädliche Einwirkung auf die eigentliche Maschine geschwächt wird. Uebrigens
                              sind dennoch diese Federn vermöge ihrer Trägheit nicht im Stande, die Wirkung sehr
                              heftiger Erschütterungen im Augenblick hinreichend zu ermäßigen.
                           Die Anwendung von solchen Maschinen, welche selbst ihre Kohks und ihr Wasser auf
                              einer hinteren Verlängerung der Platform des Führers tragen, ist in England ziemlich
                              gebräuchlich, aber nur für leichte Züge und für sehr kurze Entfernungen, weil man
                              diesen Locomotiven unmöglich bedeutende Quantitäten von Wasser und Brennmaterial
                              mitgeben kann, ohne dabei ihre hintere Achse ganz, übermäßig zu belasten.
                           
                        
                           2. Construction der Wagen.
                           Die Personenwagen auf den englischen Eisenbahnen werden in drei Classen eingetheilt;
                              die Fahrpreise sind durchgängig sehr hoch. Trotzdem fehlt es aber den Wagen der
                              ersten Classe an jeder Eleganz und selbst an einer gewöhnlichen Bequemlichkeit;
                              obgleich jede Bank nur drei besondere Plätze enthält, so ist der Raum doch sehr
                              beschränkt, die Bänke sind zu hoch und die Erleuchtung mangelhaft. Ein ganz
                              besonderer Vorzug dieser Wagen ist dagegen ihr leichter Gang und ihre Stabilität,
                              was man theils der guten Construction der Tragfedern, theils auch der geringen
                              Breite des eigentlichen Wagenkastens, dem großen Abstande der Achsen von etwa
                              10–12', und dem straffen Anspannen der Stoß- und Zugfedern
                              zuzuschreiben hat. Zuweilen findet man auch die empfehlenswerthe Anordnung, daß das
                              Gestell des Wagens mit einer Art Tragriemen aus Kupferdraht in den Tragfedern
                              aufgehängt ist. Die Wagen der zweiten Classe werden trotz ihrer Unbequemlichkeit
                              ziemlich stark von den Reisenden frequentirt; sie haben sehr hohe, schmale und nahe
                              zusammengerückte hölzerne Bänke und sollen den neueren Bestimmungen zufolge mit
                              Glasfenstern versehen seyn. Noch viel unbequemer ist die dritte Classe, die aber nur
                              wenig gebraucht wird und deßhalb auch auf manchen englischen Bahnen gar nicht
                              vorkommt; dabei sind diese Wagen an den Seiten immer offen, zuweilen auch von oben.
                              Bei denjenigen Bahnen, die nur einen schwachen Personenverkehr zu vermitteln haben,
                              macht man häufig von den gemischten Personenwagen Gebrauch, wobei ein Coups der
                              ersten Classe zwischen zwei Coupés der zweiten Classe angebracht ist.
                           Die Personenwagen, welche man jetzt auf den englischen Eisenbahnen antrifft, sind
                              fast immer vierrädrig und enthalten drei Coupés, sie zeichnen sich durch eine
                              gute Stabilität und leichte Bewegung in den Curven aus, gewähren aber zu wenig
                              nutzbaren Raum. Aus diesem Grunde möchte deßhalb wohl im Allgemeinen die Anwendung
                              von sechsrädrigen Personenwagen vorzuziehen seyn, denen man einen breiteren
                              Wagenkasten geben würde, und die 5–6 Coupés enthalten könnten. Die
                              Construction dieser Wagen müßte sich namentlich nach der früher meistens
                              vernachlässigten wichtigen Regel richten, daß die mittlere Tragfeder an jeder Seite
                              biegsamer seyn muß und deßhalb nicht so stark angespannt und belastet werden darf
                              als die beiden äußeren. Man hat also in diesem Fall den äußeren Achsen eine
                              Belastung von etwa 4–5 Tonnen, der mittleren Achse aber nur von 2–3
                              Ton. zu geben, wenn übrigens die Bahn aus hinreichend starken Schienen besteht. Um
                              die Bewegung in den Curven zu erleichtern, würde es dann auch nicht unzweckmäßig
                              seyn, den Achslagern einigen Spielraum zwischen ihren Schutzblechen zu geben, damit
                              sich die ganzen Achsen nebst ihren Lagern nöthigenfalls etwas zur Seite verschieben
                              können. Für Bahnen mit sehr starken Curven werden freilich doch immer die
                              vierrädrigen Wagen den sechsrädrigen vorzuziehen seyn; auch ist es rathsam, in allen
                              Hauptstationen wenigstens einige kleinere vierrädrige Wagen vorräthig zu haben,
                              damit man nicht um weniger Personen willen einen großen Wagen mitzunehmen braucht.
                              Die sechsrädrigen Personenwagen, welche auf den meisten deutschen Eisenbahnen
                              laufen, haben zum größten Theil die oben beschriebene Einrichtung; sie haben
                              Räumlichkeit genug für 50 und mehr Personen, und ihre Achsen liegen in Abständen von
                              10–12' aus einander. Personenwagen mit acht Rädern findet man in England nur
                              sehr selten; auf der Eastern-Counties-Bahn hat man einige solche durch
                              Zusammensetzung von zwei vollständigen vierrädrigen Wagen mit Hülfe langer
                              Schraubbolzen hergestellt, um größere Stabilität zu bekommen; dieselben sind aber
                              sehr unbequem beim Hin- und Herschieben auf den Bahnhöfen, und geben großen
                              Widerstand in den Curven.
                           Man pflegt jetzt auf vielen englischen Eisenbahnen zu dem gesammten Holzwerk des
                              unteren Wagengestelles und des darauf stehenden Wagenkastens der Personenwagen nur
                              erotische Holzarten zu verwenden, welche durch die Schiffe aus Indien in großen
                              Massen in England eingeführt werden, und deßhalb dort noch billiger als gutes
                              Eichenholz zu kaufen sind. Dieses Holz wird dann auch gar nicht mit Oelfarbe
                              angestrichen, sondern nur einfach lackirt. Ein solches Verfahren würde freilich für
                              jedes andere Land, wo das Klima weniger feucht und die Sonnenhitze stärker als in
                              England ist, nicht zu empfehlen seyn. Bei den Personenwagen der ersten Classe findet
                              man meistens die zweckmäßige Einrichtung, daß sich die in den Wagenthüren
                              befindlichen Glasfenster beliebig weit herunterschieben lassen, und dabei immer
                              ruhig in ihrer jedesmaligen Lage verharren) zu dem Ende ist nämlich am oberen
                              Rahmenholz der Thür eine kleine Rolle angebracht, worüber eine Schnur geht, die an
                              einem Ende das Schiebfenster, am andern Ende das Gegengewicht trägt, welches sich
                              zwischen dem unteren doppelten Täfelwerk der Wagenthür befindet. Zur inneren
                              Verkleidung der Wagenkasten macht man häufig von Papiermache Gebrauch.
                           Wenn man eine Eisenbahn mit recht starken Schienen versieht, so wird man dadurch in
                              den Stand gesetzt, das erlaubte Gewicht, welches durch die einzelnen Räder der
                              Locomotiven und Wagen auf die Schienen übertragen werden darf, größer annehmen zu
                              können, und hierdurch am eigentlichen Nutzraum der Wagen im Vergleich gegen deren
                              Eigengewicht ganz bedeutend zu gewinnen. Die Ausführung dieses Verfahrens wird aber
                              durch die großen Fortschritte, welche namentlich während der letzten zehn Jahre in
                              der Fabrication der Schienen, Achsen, Tragfedern und Radbänder stattgefunden haben,
                              sehr wohl möglich gemacht. Auf den Bahnen, wo nur ein geringer Personenverkehr
                              vorkommt, würden allerdings wohl die kleineren Personenwagen vorzuziehen seyn; aber
                              im Allgemeinen muß man doch immer darauf ausgehen, die inneren Räumlichkeiten der
                              Wagen im Verhältniß zu deren Eigengewicht möglichst groß zu machen. Wenn man aber
                              größere Personenwagen anstatt der kleineren anwendet, so kann man die Zahl der Wagen
                              für jeden Zug verringern, wodurch dann auch der Luftwiderstand, der hauptsächlich
                              durch die vielen großen Zwischenräume zwischen den Wagen hervorgerufen wird,
                              bedeutend abnimmt. Um hinsichtlich des Luftwiderstandes noch mehr zu gewinnen, gab
                              man auf der Eisenbahn von London nach Blackwall den Personenwagen sehr kurze Buffer,
                              welche zum größten Theil noch unter den Wagenkasten liegen, so daß zwischen zwei
                              derartigen zusammengekuppelten Wagen nur ein Zwischenraum von 8'' Breite übrig
                              bleibt.
                           Die älteren Güterwagen, welche man jetzt noch zum Theil auf den englischen
                              Eisenbahnen findet, sind oben offen; sie haben die Form eines Erdkarrens, dessen
                              Seitenwände etwa 3' hoch sind und einen segmentförmigen oder dreieckigen Rand haben,
                              um die Ladung besser festzuhalten und die übergelegte Decke zum Schuh gegen die
                              Witterung gut befestigen zu können. Rings um den oberen Rand des ganzen Wagenkastens
                              ist ein flaches eisernes Band gelegt, welches der Construction eine große Festigkeit
                              gibt und einer kleinen seitlichen Wagenthür zum oberen Anschlag dient. Die neueren
                              Güterwagen haben große innere Räumlichkeiten; sie werden durch ein förmliches Dach
                              aus Zinkblech oder galvanisirtem gewelltem Eisenblech, welches sich schon durch
                              seine eigene Steifigkeit ohne jede innere Unterstützung hält, bedeckt. In den
                              Seitenwänden liegen eine oder zwei drehbare oder Schiebethüren; öfters ist auch das
                              Dach in der Mitte durchbrochen und daselbst mit einem verschiebbaren Täfelwerk oder
                              einer Decke versehen, damit man mit Hülfe der Krahne, womit alle Waarenlager und
                              Packhäuser reichlich versehen sind, die Waaren mit Leichtigkeit oben von den
                              Güterwagen herunterheben kann.
                           Zum Transport des Viehes dienen in England ganz besondere Wagen, die nur selten
                              gereinigt werden und deßhalb immer mit Schmutz bedeckt sind. Sie sind oben immer
                              offen und haben gewöhnlich niedrige Seitenwände; ihre Thüren werden durch ein
                              Täfelwerk gebildet, welches sich wie eine Zugbrücke nach außen hin niederschlagen
                              läßt, damit das Vieh darüber hinweggehen kann. Zuweilen findet man Wagen mit zwei
                              Etagen eigens für den Transport der Schafe erbaut. Im Allgemeinen möchte es aber
                              zweckmäßiger seyn, ebenso wie in Frankreich gewöhnliche Güterwagen zum Viehtransport
                              zu benutzen.
                           
                           Der Kohlentransport wird fast auf allen englischen Eisenbahnen vorzüglich lebhaft
                              betrieben, und es sind deßhalb überall besondere Wagen zu diesem Zweck bestimmt. In
                              der Grafschaft Durham hat der Wagenkasten die Form einer umgekehrten abgestumpften
                              vierseitigen Pyramide mit sehr hohen Seitenwänden und einen ebenen Boden mit einer
                              oder zwei Fallthüren darin. Auf allen den großen Bahnen, welche von London ausgehen,
                              findet man Kohlenwagen von ähnlicher Form, aber mit niedrigen Seitenwänden und vier
                              geneigten Flächen im Boden, die nach allen vier Seiten nach einer doppelten Fallthür
                              in der Mitte hin abfallen. Um diese Wagen entladen zu können, muß man sie immer erst
                              auf ein erhöhtes Pfahlwerk fahren lassen. Man strebt jetzt allgemein dahin, den
                              Kohlenwagen, welche doch nur sehr langsam laufen sollen, einen recht großen
                              Ladungsraum zu geben, wobei man dann auch freilich Räder von einem etwas größeren
                              Durchmesser wird anwenden müssen. Auf der französischen Nordbahn erhalten die
                              Kohlenwagen von 4 Tonnen Gewicht eine Ladung von 10 Tonnen, so daß also auf jede
                              Achse des beladenen Wagens ein Gewicht von 7 Tonnen kommt.
                           Die Güterwagen aller Arten werden in England fast durchgängig aus Holz erbaut, weil
                              das Eisen zu theuer kommt und zu viel Anlaß zu großen Reparaturen gibt. Nur für die
                              Kohkswagen, welche bei einigen Bahnen gleichsam als Magazine für längere Zeit dienen
                              müssen, und bei denen man daher vorzüglich auf große Festigkeit zu sehen hat, möchte
                              sich eine Eisenconstruction wohl empfehlen.
                           Mit ganz besonderer Sorgfalt suchen die englischen Ingenieure dem Gestell der
                              Güterwagen eine möglichst große Festigkeit zu verleihen, theils durch eine massive
                              Construction in Holz, theils aber auch durch die Anwendung von sehr starken eisernen
                              Beschlägen, mit langen Verbindungsstangen der Länge und der Quere nach, und
                              vorzüglich durch die Verstärkung der Langbäume mit Winkeleisen und eisernen Bändern.
                              Weil nämlich die Güterwagen immer aus einer Hand in die andere gehen, fortwährend
                              durch Maschinen, Pferde oder Menschen in Bewegung erhalten werden, und bald Auf
                              dieser, bald auf jener Bahn laufen, so ist es ganz unmöglich darauf zu achten, daß
                              dieselben immer mit der gehörigen Sorgfalt behandelt werden; sie müssen deßhalb
                              schon arge Stöße vertragen können, ohne an ihren Haupttheilen Schaden zu leiden.
                              Dieses ist namentlich der Fall in dem nördlich von London gelegenen Eisenbahnnetze,
                              dessen Fäden sich nach allen Richtungen hin durchkreuzen. Demselben Umstande muß man
                              auch die allgemeine Verbreitung der Zug- und Stoßfedern an den Güterwagen
                              zuschreiben – eine Einrichtung, welche sehr zu empfehlen ist, und sich auch
                              in Frankreich an allen den Bahnen findet, wo vermischte Güter- und Personenzüge gebräuchlich
                              sind. Sie ist namentlich ganz unentbehrlich an den großen bedeckten Wagen, welche
                              man in Frankreich sowohl zum Transport von Gütern jeder Art als auch zum
                              Viehtransport zu benutzen pflegt. Das Holzwerk der Güterwagen wird in England
                              meistentheils aus Eichenholz angefertigt, und auf seiner äußeren Oberfläche nur
                              einfach mit kochend heißem Leinöl angestrichen.
                           Die Räder der Personenwagen in England sind entweder ganz aus Schmiedeisen
                              hergestellt, oder sie bilden eine volle hölzerne Scheibe mit einer gußeisernen Nabe
                              in der Mitte und einem schmiedeisernen Radkranz auf dem Umfange. Diese letztere
                              Einrichtung gewährt namentlich eine mäßige Elasticität, welche zur Erhaltung der
                              Radbänder sehr dienlich ist. Recht zweckmäßig zur Herstellung solcher Räder ist das
                              von dem Ingenieur Beattie an der
                              South-Eastern-Bahn angewendete Verfahren. Es werden nämlich in eine
                              gußeiserne Nabe, welche mit den gehörigen Löchern versehen ist, die einzelnen
                              Bohlenstücke, woraus die Scheibe des Rades bestehen soll, eingesteckt und mit
                              hölzernen Keilen befestigt, dann von allen Seiten her durch Kolben, welche von einer
                              hydraulischen Presse regiert werden, concentrisch zusammengedrückt, und schließlich
                              ein eiserner Kranz mit zwei vorstehenden Rändern darum gelegt, auf welchen dann noch
                              das eigentliche Radband in warmem Zustande aufgezogen werden muß. Zu dieser
                              Fabrication muß man sehr hartes erotisches Holz, das dem Werfen wenig ausgesetzt
                              ist, nehmen. Diese Räder würden sich auch namentlich wohl zur Anwendung von
                              stählernen Radbändern eignen. An den Güterwagen findet man überall ganz gußeiserne
                              Räder angebracht.
                           Seit der Einführung der Schnellzüge hat sich in England deutlich die Nothwendigkeit
                              gezeigt, zur Vermeidung einer zu starken Erwärmung im Achslager sowie zur
                              Verminderung der Reibung den Zapfen der Achsen einen größeren Durchmesser und eine
                              größere Länge zu geben, was freilich mit der Theorie geradezu im Widerspruch steht,
                              aber dennoch eine unbestreitbare Thatsache ist. Man pflegt jetzt bei einer Mittlern
                              Belastung von 3 1/2–5 Tonnen pro Achse die
                              folgenden Dimensionen der Zapfen als Regel anzunehmen:
                           
                              
                                 Dimensionen der Zapfen.
                                 Für Personenwagen.   
                                            
                                    Zoll.
                                 Für Güterwagen.   
                                           Zoll.
                                 Für Kohlenwagen.
                                            Zoll.
                                 
                              
                                 Durchmesser   
                                       3–3 1/2
                                     3–3 1/2
                                     3–3 1/2
                                 
                              
                                 Länge.
                                       6–8
                                     5–6 1/2
                                     6–7
                                 
                              
                           
                           Mit Zapfen von diesen Dimensionen, verbunden mit Achslagern von einer
                              vervollkommneten Construction und bei Anwendung einer guten Schmiere hat man auf der
                              französischen Nordbahn sehr befriedigende Resultate erlangt. In der Construction der
                              Achslager nebst den Schmierbüchsen findet man in England freilich ungemein viel
                              Verschiedenheiten, aber ohne daß irgend ein System wirklich vollkommen zweckmäßig
                              genannt werden könnte. Um eine Erwärmung der Lager durch die Sonnenstrahlen zu
                              verhindern, ist es gut, dieselben von außen mit weißer Oelfarbe anzustreichen.
                           Die Bremsen, welche man auf den englischen Eisenbahnen findet, sind im Allgemeinen
                              gut eingerichtet und recht wirksam; sie befinden sich immer nur an einigen
                              besonderen Wagen jedes Zuges, wozu man bei Personenzügen vorzüglich die Packwagen
                              nimmt, und welche ein Bruttogewicht von mindestens 6–7 Tonnen haben müssen.
                              Es sind entweder zwei Bremsen an beiden Räderpaaren, oder nur eine einzige an den
                              Hinterrädern angebracht. In der Regel reichen für einen gewöhnlichen Zug, der die
                              Gränze von 24 Wagen nicht überschreitet, zwei gute Bremswagen vollkommen aus.
                              Eigenthümlich und recht zweckmäßig ist eine Art von Bremsen, die man in der neuesten
                              Zeit an manchen Orten angewandt hat und wobei ein Bremskeil am Wagen hängt, der
                              unten eine ebene und oben eine concave, nach der Radform ausgehöhlte Fläche hat.
                              Wenn man damit bremsen will, so läßt man den Bremskeil so weit hinunter, bis er sich
                              vor das Rad auf die Schiene legt, mit dem dicken Ende nach vorn und mit dem spitzen
                              Ende dem Rade zugekehrt; es muß also das Rad auf den Klotz laufen, denselben mit
                              seinem ganzen Gewicht auf die Schienen niederdrücken und fortschleifen, weil es
                              nicht darüber hinweg kommen kann. Hierdurch wird eine starke gleitende Reibung an
                              der unteren Fläche des Bremskeiles hervorgebracht, und nicht wie gewöhnlich am
                              äußeren Umfange der Räder, wodurch dieselben sehr abgenutzt zu werden pflegen. Der
                              Bremskeil ist übrigens so schmal, daß der Spurkranz des Rades dadurch nicht ganz bis
                              über die Schiene emporgehoben wird, sondern noch fernerhin zur Leitung der Bewegung
                              dienen kann. Um diese Bremsen wieder auszulösen, braucht man den Zug nur ein wenig
                              zurückgehen zu lassen.
                           
                        
                           3. Unterhaltungskosten.
                           Nach den Jahresberichten der englischen Eisenbahn-Gesellschaften stellen sich
                              die durchschnittlichen Ausgaben für die Heizung, Führung und Unterhaltung der
                              Locomotiven, für jeden Zug und für eine englische Meile Weges berechnet,
                              folgendermaßen heraus:
                           
                           
                              
                                 Für den Führer und Heizer
                                 0,043
                                 Shilling
                                 
                              
                                 Für Reinigen, Putzen, Aufladen der
                                    Kohks
                                 0,015
                                     „
                                 
                              
                                 Für Einnahme des Wassers
                                 0,007
                                     „
                                 
                              
                                 Für Oel, Talg, Baumwolle, Erleuchtung und
                                    verschiedene Materialien
                                 0,013
                                     „
                                 
                              
                                 Für Kohks, Steinkohlen und Holz zum
                                    Anzünden
                                 0,100
                                     „
                                 
                              
                                 Für Unterhaltung und Reparatur der
                                    Maschinen und Tender
                                 0,090
                                     „
                                 
                              
                                 Allgemeine Unkosten
                                 0,008
                                     „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 Summa pro Zug
                                    und Meile
                                 0,276
                                 Shilling.
                                 
                              
                           Dabei würden etwa 14 Pfd. Kohks verbrannt werden, wovon die Tonne im südlichen
                              England etwa 20 Shilling, im nördlichen dagegen nur 8–10 Shilling kostet. Die
                              Kosten für die Unterhaltung der Locomotiven auf den englischen Bahnen sind, im
                              Vergleich zu anderen Ländern, sehr niedrig; der Grund davon ist theils in dem
                              billigen Preise der Metalle und der Kohks sowie in der Güte der letzteren, theils in
                              der Geschicklichkeit des dabei angestellten Personals, und vor Allem in den
                              langjährigen Erfahrungen und den daraus entsprungenen Verbesserungen in der
                              Construction zu suchen. Wie sehr namentlich dieser letztere Umstand zu einer
                              Verminderung der Unterhaltungskosten beigetragen hat, kann man aus einer
                              Zusammenstellung dieser Kosten nach den verschiedenen Jahresberichten der
                              Great-Western-Bahn sehen:
                           
                              
                                 Im Jahre  
                                 Unterhaltungskosten pro
                                    Zugmeile.
                                 
                              
                                   1841
                                               
                                    0,54 Shilling
                                 
                              
                                   1845
                                               
                                    0,40     „
                                 
                              
                                   1850
                                               
                                    0,30     „
                                 
                              
                                   1851
                                               
                                    0,26     „
                                 
                              
                           Es ist übrigens nicht anzunehmen, daß diese Kosten auch in der Zukunft noch immer
                              mehr abnehmen werden, sondern man muß den Preis von 0,25 Shilling als die
                              durchschnittliche Gränze ansehen, welche sie unter günstigen Umständen überhaupt
                              erreichen können. Um für jedes andere Land, wie z.B. Frankreich oder das nördliche
                              Deutschland, die muthmaßlichen Unterhaltungskosten für Locomotiven und Tender
                              berechnen zu können, hat man anzunehmen, daß pro Zug und
                              eine englische Meile Weges 14 Pfd. Kohks verbrannt werden, und daß die Kosten für
                              sonstiges Material und für Arbeitslohn um 50 Proc. höher als in England ausfallen
                              werden. Demnach würden die Unterhaltungskosten P pro Zug
                              und Meile, wenn der Preis von einer Tonne Kohks incl.
                              Anfuhr durch F bezeichnet wird, aus der folgenden Formel
                              zu entnehmen seyn:
                           P = 0,24 Sh. + (14 . F)/2240.
                           Die Unterhaltungskosten für die Wagen sind in England ebenfalls sehr billig, nämlich
                              etwa = 0,083 Shilling pro Zugmeile, weil die Wagen durchgängig sehr einfach
                              und solide eingerichtet sind. Man pflegt anzunehmen, daß im Durchschnitt ein Wagen,
                              bei Anwendung der nöthigen Umsicht, etwa 20–25 Jahre ohne allzu bedeutende
                              Reparaturen im Gebrauch erhalten werden kann. Von der Gesammtzahl der durchlaufenen
                              Zugmeilen sind ungefähr 2/3 auf den Personentransport, und 1/3 auf den
                              Gütertransport zu rechnen.