| Titel: | Ueber photographischen Stahlstich; von H. F. Talbot, Mitglied der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu London. | 
| Fundstelle: | Band 128, Jahrgang 1853, Nr. LXX., S. 297 | 
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                        LXX.
                        Ueber photographischen Stahlstich; von H. F. Talbot, Mitglied der
                           königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu London.
                        Aus den Comptes rendus, Mai 1853, Nr.
                              18.
                        Talbot, über photographischen Stahlstich.
                        
                     
                        
                           Das interessante Problem, Stiche auf Metallplatten, durch den bloßen Einfluß der
                              Sonnenstrahlen in Verbindung mit chemischen Verfahrungsarten, hervorzubringen, hat
                              schon mehrere ausgezeichnete Physiker beschäftigt. Der erste, welcher es zu lösen
                              suchte, war Dr. Donné
                              in Paris; ihm folgten Dr. Berres in Wien, und später Hr. Fizeau in Paris.
                              Dieselben benutzten sämmtlich als Ausgangspunkt eine versilberte Kupferplatte, auf
                              welcher nach Daguerre's Methode ein Lichtbild
                              hervorgebracht worden ist. Es scheint, daß man bisweilen sehr glückliche Resultate
                              erhielt, daß aber dessenungeachtet diese Methoden nicht viel angewendet wurden,
                              wegen der Schwierigkeiten und Unsicherheiten auf welche man in der Praxis immer
                              stieß. Dazu kommt noch daß die erhaltenen Stiche sehr wenig Tiefe hatten, so daß man
                              davon nur eine kleine Anzahl guter Abdrücke machen konnte.
                           Aus diesen Gründen glaubte ich, als ich im verflossenen Jahr diesen Gegenstand wieder
                              aufnahm, das bisher eingeschlagene Aetzen Daguerre'scher Platten aufgeben und andere
                              Wege einschlagen zu müssen, um photographische Stiche zu erhalten. Bei dieser
                              Untersuchung stieß ich auf zahlreiche Schwierigkeiten, was ich wohl voraussah, ich
                              hoffe aber endlich eine sichere und gute Methode gefunden zu haben, welche nicht zu
                              mühsam ist, und die stets gelingt, wenn man sie mit Sorgfalt ausführt.
                           Ich bemühte mich hauptsächlich ein Mittel zu finden um den Stahl zu graviren, da eine
                              Stahlplatte, wenn es auch nur gelingt sie schwach zu ätzen, wegen ihrer Härte
                              jedenfalls eine bedeutende Anzahl von Abdrücken liefern kann.
                           Die Bilder welche ich der (französischen) Akademie der Wissenschaften mit dieser
                              Abhandlung übersende, sind Abdrücke von Stahlplatten die nach meiner Methode gravirt
                              wurden, und zwar lediglich durch das Licht, weil ich sie in keiner Weise mit dem
                              Grabstichel retouchiren wollte. Die Unvollkommenheiten, welche man an diesen ersten
                              Proben eines neuen Verfahrens bemerkt, können in der Folge leicht verbessert
                              werden.
                           Meine Methode ist folgende:
                           Ich tauche die Stahlplatte zuerst in Essig, welcher mit ein wenig Schwefelsäure
                              geschärft werden muß, weil sonst die photographische Schicht auf der zu glatten
                              Oberfläche der Platte nicht gut haften, sondern sich bald davon ablösen würde. Die
                              Substanz, welche ich anwende, um auf der Oberfläche eine für das Licht empfindliche
                              Schicht hervorzubringen, ist ein Gemisch von Knochenleim mit
                              zweifach-chromsaurem Kali. Nachdem ich die Platte getrocknet und schwach
                              erwärmt habe, überziehe ich ihre ganze Oberfläche gleichförmig mit diesem Leim;
                              hierauf bringe ich die Platte auf einen ganz horizontalen Träger, und erwärme sie
                              gelinde mittelst
                              einer darunter gehaltenen Lampe, bis sie gänzlich getrocknet ist. Alsdann muß die
                              Oberfläche der Platte eine schön gelbe Farbe zeigen, welche ganz gleichförmig ist.
                              Wenn man auf ihr wolkige Stellen bemerkt, welche durch eine Art mikroskopischer
                              Krystallisation hervorgebracht wurden, so ist dieß ein Zeichen daß das Verhältniß
                              des zweifach-chromsauren Kalis zu groß ist, und man muß also eine neue
                              Schicht herstellen, bei welcher dieser Fehler verbessert ist.
                           Nachdem man so eine gleichförmige Schicht von trockenem Leim erhalten hat, legt man
                              den platten Gegenstand (z.B. ein Spitzenmuster oder das Blatt einer Pflanze) auf die
                              Platte und fetzt sie eine bis zwei Minuten lang dem starken Sonnenlicht aus; alsdann
                              nimmt man den Gegenstand von der Platte weg, und untersucht das entstandene Bild, um
                              zu sehen ob es vollkommen ist. Falls der abzubildende Gegenstand von der Art ist,
                              daß er nicht direct auf die Platte gebracht werden kann, so muß man von ihm zuerst
                              ein negatives Bild mittelst der gewöhnlichen photographischen Verfahrungsarten
                              machen, dann von diesem ein positives Bild auf Papier oder auf Glas darstellen,
                              worauf man letzteres Bild auf die Stahlplatte legt, um sie dem Licht auszusetzen.
                              Ich nehme also an, daß man auf diese Weise ein fehlerfreies Bild des Gegenstandes
                              erhalten hat; es ist von gelber Farbe auf einem braunen Grund, weil die
                              Sonnenstrahlen der Leimschicht eine dunklere Farbe ertheilen. Man legt nun die
                              Platte eine oder zwei Minuten lang in ein Becken mit kaltem Wasser. Man sieht
                              sogleich daß das Wasser das Bild weiß macht; man nimmt es aus dem Wasser und bringt
                              es kurze Zeit in Alkohol, zieht es wieder aus demselben und läßt den Alkohol
                              ablaufen. Hierauf läßt man die Platte bei mäßiger Wärme von selbst trocknen. Das
                              Lichtbild auf der Platte ist nun fertig.
                           Dieses Bild ist weiß, auf einem gelblichbraunen Grunde; es ist oft merkwürdig schön,
                              hauptsächlich weil es ein wenig über die Oberfläche der Platte vorzustehen scheint;
                              so hat z.B. das Bild eines schwarzen Spitzenmusters das Ansehen eines weißen
                              Spitzenmusters welches auf die bräunlich gefärbte Oberfläche der Platte geleimt
                              wurde. Das Bild ist weiß, weil das Wasser alles Chromsalz aufgelöst hat, und auch
                              viel von dem Leim welcher dasselbe enthielt. Während dieses Auflösens hat das Wasser
                              die Theile, auf welche es wirkte, gehoben, und sie bleiben noch gehoben, nachdem sie
                              getrocknet worden sind, so daß also das Bild über die Oberfläche der Platte
                              vorsteht, was den erwähnten angenehmen Effect hervorbringt. Die Aufgabe ist nun,
                              eine Flüssigkeit zu finden, welche dieses Bild graviren (ätzen) kann. Die
                              Beobachtung welche wir so eben gemacht haben, daß das Wasser die auf Leim erzeugten
                              Lichtbilder angreift, indem es das Chromsalz mit einem großen Theil des Leims selbst wegnimmt, zeigt uns
                              schon die Möglichkeit einer solchen Gravirung. Denn wenn man auf die Platte eine
                              ätzende Flüssigkeit gießt, so muß diese zuerst da eindringen, wo sie den geringsten
                              Widerstand findet, also an den Stellen wo die Dicke der Leimschicht durch die
                              auflösende Wirkung des Wassers vermindert worden ist. Dieß ist auch der Vorgang in
                              den ersten Augenblicken, wenn man auf die Platte ein wenig verdünnte Salpetersäure
                              gießt; sogleich darauf durchdringt jedoch die Säure überall die Leimschicht und
                              zerstört folglich das Resultat, indem sie alle Theile der Platte angreift.
                           Die meisten andern Flüssigkeiten welche die Eigenschaft haben den Stahl zu graviren,
                              wirken eben so ätzend wie die Salpetersäure, und man kann sie daher nicht
                              anwenden.
                           Damit der fragliche Versuch gelingt, muß man eine Flüssigkeit finden, welche hinreich
                              ätzend ist, um den Stahl graviren zu können, jedoch keine chemische Wirkung auf den
                              Leim ausübt, und nur in schwachem Grad einzudringen vermag. Ich war so glücklich
                              eine Flüssigkeit zu ermitteln, welche diese Bedingungen erfüllt; es ist das
                              Platinchlorid (Zweifach-Chlorplatin). Für einen guten Erfolg ist es jedoch
                              nöthig, den geeigneten Wasserzusatz genau zu ermitteln. Das beste Verfahren hiezu
                              ist, zuerst eine sehr gesättigte Auflösung von Platinchlorid zu machen, hernach
                              soviel Wasser zuzusehen als dem vierten Theil ihres Volums entspricht, dann den noch
                              erforderlichen Wasserzusatz durch Probeversuche zu ermitteln, bis man mit der
                              Flüssigkeit ein gutes Resultat erhält. Angenommen nun, daß man die Mischung von
                              Platinchlorid und Wasser gut bereitet hat, so verfährt man folgendermaßen, um das
                              auf der Stahlplatte erhaltene Lichtbild zu graviren. Man legt die Platte auf einen
                              Horizontalen Tisch, und ohne daß man sie (nach der gewöhnlichen Praxis) mit Wachs zu
                              umgeben braucht, gießt man ein wenig Flüssigkeit darauf; wenn man zuviel davon
                              aufgösse, so könnte man wegen ihrer Undurchsichtigkeit den Effect nicht erkennen,
                              welchen sie auf der Platte hervorbringt.
                           Die Platinauflösung verursacht auf der Platte gar keine Gasentwickelung; nach einer
                              oder zwei Minuten sieht man aber, daß das weiße Lichtbild sich schwärzt, ein Zeichen
                              daß die Auflösung anfing den Stahl anzugreifen. Man wartet noch eine oder zwei
                              Minuten; dann gießt man durch Neigen der Platte den Ueberfluß der Auflösung in eine
                              dazu bestimmte Flasche. Hierauf trocknet man die Platte mit Löschpapier; dann wäscht
                              man sie mit Wasser welches viel Kochsalz enthält; indem man hernach die Platte mit
                              einem nassen Schwamm etwas stark reibt, gelingt es in kurzer Zeit die Leimschicht,
                              welche sie bedeckte, abzulösen und zu beseitigen, worauf man die hervorgebrachte
                              Gravirung sehen kann.
                           Ich habe zahlreiche Versuche gemacht, den Knochenleim durch Gummi oder Eiweiß, oder
                              ein Gemisch derselben zu ersetzen, welche jedoch ergaben, daß der Leim, für sich
                              allein angewandt, das beste Resultat liefert. Man kann das beschriebene Verfahren
                              auf verschiedene Weise modificiren, und so den Effect der entstehenden Gravirung
                              verändern. Eine der wichtigsten dieser Modificationen besteht darin, eine
                              Stahlplatte welche mit einer für das Licht empfindlichen Leimschicht versehen ist,
                              mit einem schwarzen Krep- oder Gazeschleier zu bedecken und dann dem starken
                              Sonnenlicht auszusetzen. Die weggenommene Platte ist mit einer großen Anzahl durch
                              den Krep hervorgebrachter Linien versehen. Dann ersetzt man den Krep durch einen
                              andern Gegenstand, z.B. das undurchsichtige Blatt einer Pflanze und setzt die Platte
                              wieder einige Minuten lang der Sonne aus. Wenn man sie nun wieder wegnimmt, findet
                              man daß die Sonne die ganze Oberfläche derselben außerhalb des Blattes gedunkelt
                              hat, indem sie die durch den Krep hervorgebrachten Linien gänzlich zerstörte, aber
                              daß diese Linien auf dem Bild des Blattes, welches sie schützte, stets verbleiben.
                              Wenn man nun die Platte auf beschriebene Weise ätzt, so erhält man endlich einen
                              Stich, welcher ein mit inneren Linien bedecktes Blatt darstellt. Diese Linien hören
                              an den Rändern des Blattes auf, und fehlen auf der ganzen übrigen Platte
                              vollständig. Macht man von diesem Stich einen Abdruck, so hat er, in einiger
                              Entfernung betrachtet, das Ansehen eines gleichförmig beschatteten Blattes.
                           Man begreift leicht, daß wenn man statt eines Schleiers von gewöhnlichem Krep, einen
                              solchen von außerordentlich zartem Fabricat anwenden und davon fünf bis sechs
                              Schichten über einander auf der Platte anbringen würde, deren Lichtbild aus so
                              feinen und so zahlreichen sich durchkreuzenden Linien bestünde, daß sie den Effect
                              eines gleichförmigen Schattens auf dem Stich hervorbringen müßten, selbst wenn man
                              diesen ganz in der Nähe betrachtet. Ich glaube, daß die Anwendung dieser Methode
                              vortheilhaft seyn wird, weil die engen und zarten auf den Stahl gravirten Linien die
                              Schwärze stark zurückhalten.