| Titel: | Ueber die Traubenkrankheit und die Gontier'sche Pumpe für Weingärten; Bericht einer Commission der k. französischen Central-Gartenbaugesellschaft vom 17. Februar 1853. | 
| Fundstelle: | Band 128, Jahrgang 1853, Nr. XCIV., S. 384 | 
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                        XCIV.
                        Ueber die Traubenkrankheit und die Gontier'sche Pumpe für
                           Weingärten; Bericht einer Commission der k. französischen
                              Central-Gartenbaugesellschaft vom 17. Februar 1853.
                        Aus dem Agriculteur-practicien, März und Mai
                              1853.
                        Ueber die Traubenkrankheit.
                        
                     
                        
                           Die Krankheit des Weinstocks wird bekanntlich allgemein dem darauf schmarotzenden
                              Schimmelpilze Oïdium Tuckeri zugeschrieben. Von
                              den vielen dagegen empfohlenen Mitteln hat sich das zuerst von Hrn. Gontier vorgeschlagene Besprengen mit Schwefel am besten
                              bewährt.
                           Andere Mittel, die ebenfalls zum Besprengen des von der Krankheit befallenen
                              Weinstocks dienen und auf mechanische Weise wirken sollten, haben sich erfolglos
                              gezeigt; dahin gehören gestoßener Gyps, Straßenstaub, Sand, Asche und andere
                              staubartige Körper. Auch die Besprengung mit Laugenwasser, Seifenwasser, gesättigten
                              Lösungen von Eisenvitriol, Potasche, Kochsalz u. wurde angerathen; diese Mittel
                              gaben jedoch kein ganz befriedigendes Resultat.
                           Einige Physiologen, welche die Schmarotzerpflanze einem Ueberfluß an Saft
                              zuschreiben, empfahlen den Weinstock erst spät, oder gar nicht zu beschneiden, oder einen
                              Einschnitt am Fuße der Rebe zu machen, um einen Verlust an Saft hervorzurufen;
                              andere wieder beschnitten ihn im Winter oder gruben ihre Reben vom Herbst bis zum
                              Frühjahr ein.
                           Von allen zur Kenntniß der Commission gekommenen Verfahrungsarten haben nur jene, bei
                              welchen Schwefel allein oder in Verbindung mit andern Körpern angewandt wird, sich
                              als fähig bewährt die Krankheit zu bekämpfen, ihr Einhalt zu thun oder sie
                              augenblicklich zu zerstören. Bei dieser Gelegenheit empfehlen wir auch den Schwefel
                              in Pulverform zum Aufstreuen auf die Heizröhren in den Traubentreibhäusern. Das
                              Hauptaugenmerk möchten wir aber auf Gontiers Verfahren
                              lenken, welches darin besteht, Schwefelblüthe mittelst eines Blasebalgs auf die,
                              vorher durch starken Morgenthau, durch Regen oder mittelst einer Spritze benetzten
                              Weinstöcke zu blasen.
                           Hr. Gontier hat aber nicht nur dieses antiseptische
                              Mittel, sondern auch die wohlfeilsten und wirksamsten Instrumente zur Anwendung
                              desselben erfunden, nämlich einen vortrefflichen Blasebalg nebst einer Saug-
                              und Druckpumpe.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 128, S. 384
                              
                           Der tragbare Apparat enthält:
                           1) das Wasserreservoir, 35–40 Liter fassend, welche hinreichen um
                              150–160 Quadratmeter Weingärten genugsam zu befeuchten;
                           2) die Pumpe, im Innern des Reservoirs befindlich, welche der Arbeiter mit der linken
                              Hand in Gang setzt, während er mit der rechten die Röhre hält, womit er den
                              Wasserstrahl auf alle zu befeuchtenden Theile richtet;
                           
                           3) die Büchse, welche die Schwefelblüthe (das Schwefelpulver) enthält, das man in
                              sehr kleiner Menge und gleichförmig auf allen vorher befeuchteten Flächen verbreiten
                              muß;
                           4) den Ventilator oder eigentlichen Blasebalg, mittelst dessen man das Schwefelpulver
                              austreibt, indem man es ebenfalls durch ein biegsames Rohr auf die damit zu
                              bedeckenden Theile richtet.
                           Der hydraulische Apparat besteht aus einer mit Tragriemen versehenen Butte von
                              Zinkblech, welche ein Mann auf den Rücken nimmt. Im Innern dieses Kastens oder
                              dieser Butte, die mit Wasser gefüllt wird, befindet sich eine Pumpe von sehr
                              einfacher Construction. Diese Pumpe kann natürlich eine einfach- oder
                              doppeltwirkende, mit abwechselnder geradliniger oder ununterbrochener rotirender
                              Bewegung seyn; in letzterem Fall wird sie mittelst einer Kurbel in Bewegung gesetzt,
                              in den andern Fällen bewegt man ihren Kolben durch einen Hebel mit Handgriff,
                              welcher sich auf der linken Seite des Arbeiters befindet.
                           Das aus der Butte von dem Pumpenkolben nach und nach aufgesaugte und in das Reservoir
                              gepreßte Wasser fließt aus letzterm durch das biegsame Rohr aus, welches der Mann in
                              seiner Rechten hält und dessen Ende er gegen die Blätter, Stengel und Trauben
                              richtet, die er benetzen will; dieses Rohr kann von Kautschuk, Gutta-percha
                              oder einer sonstigen biegsamen Substanz angefertigt werden; es endigt natürlich in
                              ein Mundstück, welches dem Wasserstrahl die erforderliche Verbreitung ertheilt.
                           Die Commission hat bei Hrn. Gontier (Kunstgärtner an der
                              Landstraße nach Orleans Nr. 175, am großen Montrouge, unweit Paris) von dieser Pumpe
                              genaue Einsicht genommen und sich dabei überzeugt, daß eine vollkommene,
                              gleichförmige und regelmäßige Waschung von 150 Meter Thomery'-scher Spaliere mit 35 Liter Brunnenwasser in 8 Minuten
                              bewerkstelligt wurde, das Hin- und Hergehen eingerechnet; um den Weinstock
                              gehörig zu benetzen, muß nämlich die Pumpe den Weg zweimal machen. – Die Gontier'sche Pumpe, welche das Wasser 12–15 Meter
                              weit treibt, gestattet die höchsten Rebenspaliere zu benetzen.
                           Dieser tragbare Springbrunnen kann im Sommer auch zum Waschen der grünen Hecken, dem
                              Straßenstaub ausgesetzter Pfirsich- und Birnspaliere, der Obstbäume, der
                              Pflanzen- und Sträuchergruppen und Rasenstreifen etc. angewandt werden,
                              ferner um in warmen und kalten Gewächshäusern auf Pflanzen, welche einer feuchten
                              Temperatur bedürfen, einen feinen Regen in Form von Thau zu träufeln. Was die Kosten der Befreiung des
                              Weinstocks vom Oïdium Tuckeri mittelst des
                              Schwefelns betrifft, so hat man sie bisher viel zu sehr übertrieben und dadurch die
                              Weinbauer von dieser Arbeit abgeschreckt. Ein Mann mit einer Pumpe kann im Tage
                              leicht eine Hektare Weingärten waschen, auf welcher gewöhnlich 30,000 Stöcke stehen,
                              die wir hier, was jedoch kaum je der Fall seyn wird, alle schon von der Krankheit
                              ergriffen voraussetzen; derselbe würde schnell genug gehen, um vier andere Männer,
                              deren jeder mit einem Blasebalg versehen ist, womit sie auf die benetzten Theile
                              Schwefel blasen, beständig zu beschäftigen. Um das Wasser, welches wir vier
                              Kilometer vom Weingarten entfernt annehmen, hinzuschaffen, ist ein Mann und ein
                              Pferd erforderlich, die in einem Faß 2009 Liter Wasser führen und den Weg im Tag
                              viermal machen können. An Schwefel sind, ohne zu sparen, für die Hektare 30
                              Kilogramme erforderlich.
                           Der Preis der Geräthschaften ist folgender:
                           1) Blasebalg zum Schwefeln, das Stück 5 Franken;
                           2) Spritzpumpe mit Stiefel von Messing, 9, 10, 11, 12 und 13 Franken;
                           3) Spritzpumpe mit Stiefel von Zink, 4 1/2, 5 und 6 Franken.
                           4) Gontier'sche tragbare Saug- und Druckpumpe, 60
                              Franken.
                           Der Preis dieser letztem wird später gewiß reducirt.
                           Es wäre sehr zu wünschen, daß hinsichtlich des Oïdium
                                 Tuckeri ein ebenso strenges Gesetz wie in Betreff des Abraupens eingeführt
                              und gehandhabt würde, um der Traubenkrankheit gleich bei ihrem Auftreten
                              entgegenzutreten.
                           
                        
                           Zusatz.
                           Praktische Details. – Am Anfang der Krankheit,
                              welche niemals eine ganze Hektare von Weinstöcken oder einen ganzen Weingarten
                              angreift, kann die Operation des Schwefelns durch einen einzigen Arbeiter mit der
                              Pumpe und dem unter ihr angebrachten Blasebalg ausgeführt werden; der mit seinem
                              Apparat versehene Arbeiter kann leicht in allen Richtungen um diejenigen Weinstöcke
                              herumgehen, welche er angegriffen findet; er richtet den Strahl der Pumpe, wie es
                              die Abbildung zeigt, auf die kranken Reben, und zwar von unten
                                 nach oben, so daß die untere Seite der Blätter wie die obere befeuchtet
                              wird. Dieser Punkt ist sehr zu beachten, denn von ihm hängt der Erfolg der Operation
                              ab, weil der Schwefel welcher sich an der untern Seite der Blätter anhängt, durch
                              einen schwachen Regen nicht verschwinden kann wie derjenige welcher sich oberhalb ansetzt.
                              Nachdem der Arbeiter die Reben befeuchtet hat, operirt er mit der Schwefelbüchse,
                              indem er beiläufig dieselbe Bewegung wie zum Betrieb der Pumpe macht, und jedesmal
                              die Schwefelbüchse so stößt, daß der kleine Hammer aufschlagen muß, der sich unter
                              dem Apparat befindet und welcher in Folge der Erschütterung die sein Schlag
                              hervorbringt, bewirkt daß jedesmal eine kleine Menge Schwefel in den Canal fällt,
                              woraus denselben ein Zug des Blasebalgs in Staubform auf die befeuchteten Theile der
                              Weinstöcke treibt, wo er sich anhängt.
                           Sollte man es versäumt haben die Krankheit im Beginn anzugreifen, was immer
                              vorzuziehen und viel weniger kostspielig ist, und ist man deßhalb genöthigt auf
                              einer großen Fläche zu operiren, so ist es viel vortheilhafter fünf oder sieben
                              Arbeiter zugleich anzuwenden; ein einziger verständiger Arbeiter kann mit der Pumpe
                              so viele Reben befeuchten, daß er sechs Männer beschäftigt, von denen jeder mit
                              einem Blasebalg für das Schwefeln versehen ist. Am besten wird das Schwefeln auf die
                              Art ausgeführt, daß zwei Arbeiter zugleich ihren Blasebalg auf denselben Weinstock
                              richten, aber in entgegengesetzter Richtung, wodurch ein Staubwirbel entsteht,
                              welcher sich an allen befeuchteten Theilen des Weinstocks anhängt. Wenn diese
                              Operation auf angegebene Weise ausgeführt wird, ist es sehr selten daß man sie ein
                              zweitesmal wiederholen muß, es müßte denn ein von heftigem Wind begleiteter
                              Gewitterregen die Blätter, die Trauben und die jungen Knospen der Weinstöcke in
                              allen Richtungen abwaschen. Der Schwefel kann sonach als Heilmittel betrachtet
                              werden, denn er äußert seine Wirkung auf das Oïdium in sehr kurzer Zeit und als Schutzmittel; seine Gegenwart,
                              welche dem Weinstock keineswegs schadet, verhindert nämlich das Oïdium sich neuerdings auf den Knospen
                              anzusetzen.
                           Wegen dieses letzten Umstandes habe ich den Schwefel allen anderen Mitteln
                              vorgezogen. Derselbe wirkt an jedem Tage durch die schweflige Säure welche er
                              mittelst der Sonnenwärme entwickelt, während die anderen in Wasser zertheilten
                              Mittel bloß einen Augenblick wirken und deßwegen dem Oïdium das Feld frei lassen, welches mit seinen Fasern wieder alle
                              Theile der jungen Knospen des Weinstocks überzieht.
                           Gontier.