| Titel: | Die Anwendung des Würfelsalpeters oder salpetersauren Natrons als Düngungsmittel. | 
| Fundstelle: | Band 130, Jahrgang 1853, Nr. XIV., S. 68 | 
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                        XIV.
                        Die Anwendung des Würfelsalpeters oder
                           salpetersauren Natrons als Düngungsmittel.Aus einer Abhandlung von dem berühmten Agronomen Pusey in dem Journal of the royal agricultural
                                       Society of England.
                           
                        Ueber die Anwendung des Würfelsalpeters als
                           Düngungsmittel.
                        
                     
                        
                           Ueber die ausgedehnten, oft mehrere Fuß dicken Lager des Würfelsalpeters in Peru haben wir kürzlich durch einen Augenzeugen, Hrn. Bollaert, der mehrere Jahre lang an Ort und Stelle war,
                              völlig sichere Nachrichten erhalten. Peru bildet bekanntlich einen schmalen
                              Landstrich, der westlich vom stillen Meere, östlich von der Andeskette begränzt
                              wird. Der Süden dieses Landstrichs ist mehrere hundert (englische) Meilen lang
                              völlig dürr und bildet die Provinz Taragala, deren
                              wichtigster Hafen Iquique heißt. In diesem Landstrich
                              findet man weder Holz, noch Wasser, noch irgend eine Pflanze, und es herrscht hier
                              eine erstaunliche Dürre. Wenn man von Iquique landeinwärts geht, so muß man zunächst
                              einen sanft abfallenden, aus losem Sande bestehenden, 1000 Fuß hohen Hügel
                              hinaufsteigen. Oben findet man viel Salz von derjenigen Beschaffenheit, welches man
                              klingend nennt. Es herrscht hier eine gänzliche Oede und die umherliegenden
                              Salzstücke geben der Gegend das Ansehen eines Schneegefildes, bevor die letzten
                              schmutzigen Stellen desselben wegthauen.
                           Hat man diesen Kamm, der etwa 10 (engl.) Meilen breit ist, zurückgelegt, so gelangt
                              man zu einer ausgedehnten, 3000 Fuß über der Meeresfläche liegenden Ebene, der von
                              Tamarugal,Die Ebene von Tamarugal liegt zwischen dem 18. und 22.° südlicher
                                    Breite und 307–309° westlich von Ferro. die am Fuße der Anden 80 Meilen lang von Norden nach Süden streicht. Diese
                              Ebene wird an ihrer westlichen Seite, also an der nach der Seeküste hin, von den in
                              Rede stehenden Salzlagern begränzt. Da, wo die Ebene in das Küstengebirge übergeht,
                              sowie an den Seiten einiger hohen Bachufer und endlich auch in einigen Gebirgshöhlen
                              findet man die Ablagerungen des Würfelsalpeters; mindestens jedoch 18 (engl.) Meilen
                              weit von der Küste entfernt. Gereiniget wird dieß Salz in etwa 100 Werkstätten,
                              welche in Alt- und in Neu-La-Noria liegen, von welchen jenes
                              nördlich, dieß südlich liegt. Durchschnittlich sind die Salzlager 500 Yards (Ellen)
                              breit, an manchen Stellen 7 bis 8 Fuß mächtig und mitunter völlig rein.  Die Höhlen gleichen
                              ausgetrockneten Teichen und sind 2 bis 3 Fuß stark mit Salz bedeckt. Es zeigen sich
                              sehr verschiedene Arten des Salzes von 20 bis 85 Procent Gehalt an Würfelsalpeter,
                              zum Theil mit Eisen und Jod, auch wohl mit Glaubersalz, kohlensaurem Natron,
                              salzsaurem Kalk, gelegentlich auch mit borsaurem Kalk verbunden. Die Ebene von
                              Tamarugal enthält eine solche Menge von Würfelsalpeter, daß dadurch dessen Verbrauch
                              von ganz Europa für eine lange Reihe von Jahren gesichert ist; auch findet sich
                              dieses Salz in der Wüste von Atacama, sowie auch in den
                              Anden.
                           Das Vorhandenseyn des Würfelsalpeters in Tamarugal ist etwa seit 100 Jahren in Europa
                              bekannt, aber der erste wurde 1820 von dort her nach England gesendet. Ebenso wußte
                              man seit etwa 200 Jahren, daß der Guano ganz in der Nähe
                              jener verbrannten Gegend aufgehäuft liege, und dennoch kam er erst einige Jahre
                              später nach Europa. Hr. Bollaert erzählt uns, daß, als
                              1820 einiger Würfelsalpeter nach England geschickt wurde, er daselbst über Bord ins
                              Meer geworfen wurde, weil er einen zu hohen Eingangszoll zahlen sollte. Zehn Jahre
                              später, also 1830, wurde eine Ladung nach den nordamerikanischen Freistaaten
                              gesendet; da er aber dort unverkäuflich war, so sandte man einen Theil der Labung
                              nach Liverpool, wo er indeß gleichfalls unverkäuflich blieb. In den nächsten Jahren
                              wurde indeß eine spätere Ladung in England, die Tonne (= 20 Centner) zu 35 Pfund
                              Sterling, verkauft, und bis zum Jahre 1850 wurden allein aus dem Hafen von Iquique
                              239860 Tonnen ausgeführt und dafür gegen 5 Millionen Pfund Sterling vereinnahmt.
                              Seitdem hat sich der Marktpreis auf 16 bis 17 Pfd. Sterl. für die Tonne
                              festgestellt, aber dieser Preis ist noch viel zu hoch. Denn nach Hrn. Darwin werden die Hauptkosten durch den Transport des
                              Würfelsalpeters aus den Salinen bis zur Seeküste verursacht. Diese Strecke beträgt
                              aber in gerader Linie nicht mehr als 10 (engl.) Meilen, die man bei den vielen
                              Windungen und Krümmungen, welche man, da ein Weg nicht vorhanden ist, auf einem
                              Maulesel zurücklegen muß, vom Hafen aus in einem Tage macht. Ebenso wird auch der
                              Würfelsalpeter aus den Salinen auf Mauleseln bis zur See gebracht.
                           Wenn aber der Würfelsalpeter, der bisher nur von den chemischen Fabriken, nicht aber
                              von den Landwirthen gekauft wurde, als Düngungsmittel in den Handel kommt, so wird
                              sich sein Preis sehr ermäßigen. Denn bisher kam nur gereinigter Würfelsalpeter nach England; die Reinigung dort an Ort und
                              Stelle ist aber sehr umständlich und kostbar, da es dort an Wasser und Feuermaterial
                              fehlt und letzteres in englischen Steinkohlen besteht, die von England aus um das Cap Horn
                              herum in den Hafen von Iquique gesendet werden, von da aus aber auf Mauleseln nach
                              La-Noria gehen. Für den landwirthschaftlichen Verbrauch ist aber eine
                              Reinigung des Würfelsalpeters nicht nöthig. Oben wurde angegeben, daß im
                              ungereinigten Salze der Gehalt an Würfelsalpeter bis zu 85 Procent beträgt und nur
                              andere Salze denselben verunreinigen. Eine solche Verunreinigung ist aber für
                              landwirthschaftliche Zwecke sogar nützlich, mindestens unschädlich. Das Rohmaterial
                              liegt an der Oberfläche, wenige Meilen von der Seeküste, nicht bloß nahe bei
                              Iquique, sondern auf einer weiten Strecke des Küstenstriches. Es läßt sich wie Kies
                              graben, und es läßt sich daher nicht absehen, warum wir es in England nicht mit 6
                              statt mit 16 Pfund Sterling die Tonne sollten kaufen können, da die Düngungskraft
                              dieses salpetersauren Salzes auch in seinem ungereinigten Zustande vorhanden ist.
                              Denn dazu fehlt nichts, als wenige Meilen Chaussee, und wäre dieser Landstrich im
                              Besitze einiger Männer aus den nordamerikanischen Freistaaten, so würde bereits eine
                              Eisenbahn zwischen Iquique und La-Noria bestehen. Wir wollen hoffen, daß
                              einige Kaufleute oder eine Actien-Gesellschaft ein solches Unternehmen
                              ausführen werden, das, wenn es glückt, zugleich den Preis des Guano sehr
                              herabstellen wird; denn glücklicherweise läßt sich der große Landstrich, auf welchem
                              man den Würfelsalpeter findet, nicht durch ein Monopol ausbeuten, wie es mit den
                              Guanoinseln durch die peruanische Regierung geschieht. Denn wenn diese Regierung
                              sich bewogen fühlen sollte den Handel mit Würfelsalpeter zu monopolisiren, so würde
                              man dieß Salz aus der angränzenden Wüste von Atacama beziehen, welche zu Bolivien
                              gehört.
                           Indem ich behaupte, daß der Würfelsalpeter als Düngungsmittel mit dem Guano in
                              Concurrenz treten wird, beziehe ich mich auf die Versuche, welche Hr. Lawes mit seinem Gehülfen Dr.
                              Gilbert, auf seinem Landgut Rothamstead ausgeführt
                              hat, und ich freue mich, daß diese Versuche auch in Deutschland vollständig bekannt
                              wurden. Denn Dr. Strumpf sagt
                              in seinem zu Berlin erschienenen Werke über die landwirthschaftliche ChemieDr. F. L. Strumpf:
                                    Die Fortschritte der Chemie, in ihrer Anwendung auf Agricultur und
                                    Physiologie. Berlin, 1853. mit der seinen Landsleuten eigenthümlichen Bereitwilligkeit, das
                              wissenschaftliche Verdienst auch bei Fremden anzuerkennen: „Hr. Lawes hat für den Fortschritt der Landwirthschaft
                                 mehr gethan, als je irgend eine Regierung, indem er die Frage über die Theorie
                                 des Düngers auf
                                 praktischem Wege zur Entscheidung brachte und dadurch einerseits den Landwirth
                                 vor unnützen Ausgaben und kostbaren Enttäuschungen bewahrte, andererseits
                                 wirklich nützliche Entdeckungen gegen das aus Unwissenheit entspringende
                                 Mißtrauen schützte.“ Diese Lawes'schen
                              Versuche sind auch in der That nicht bloß die besten, sondern die einzig zuverlässigen; und sie haben das überaus wichtige
                              Resultat gehabt, den einzigen Fundamental-Grundsatz, den wir in der
                              Ackerbauchemie besitzen, festzustellen, nämlich: „daß bei gewöhnlichem Boden für unsere Halmfrüchte nur der Stickstoff
                                    derjenige Körper ist, dessen sie als Dünger bedürfen,“
                              obgleich die mineralischen Stoffe zuweilen nützlich sind; aber selbst da, wo dieß
                              der Fall ist, gewähren die Bestandtheile der Pflanzenasche keine sichere Anzeige von
                              dem Dünger, welcher anzuwenden ist. Wer mit der Theorie des Ackerbaues bekannt ist,
                              weiß, wenn er nur zehn Jahre zurückblickt, welch ein großer Fortschritt durch die
                              Aufstellung dieses Grundsatzes gewonnen ist, der nicht etwa auf Meinung beruht,
                              sondern der ein unläugbares Gesetz bildet. Unsere ausgezeichneten Chemiker haben bei
                              den meisten wissenschaftlichen Entdeckungen den wahren Zusammenhang der Dinge mehr
                              oder minder vorausgesagt, aber das Entdeckungsrecht muß demjenigen zuerkannt werden,
                              der zuerst den Beweis der Richtigkeit lieferte; und
                              deßhalb kommt Hrn. Lawes die hohe Ehre zu, in die
                              Wissenschaft des Landbaues einen Grundsatz von derselben Wichtigkeit eingeführt zu
                              haben, welche die Schwerkraft für die Astronomie oder die Lehre vom Blutlauf für die
                              Heilkunde hat.
                           Wenn man die stickstoffhaltigen Körper in drei Classen eintheilt, nämlich:
                           1) solche, welche Ammoniak (oder Urin, weil sich derselbe leicht in Ammoniak
                              umwandelt), wie z.B. Mist, Ruß, schwefelsaures Ammoniak enthalten,
                           2) solche, welche aus organischen Pflanzen- oder Thierstoffen bestehen, wie
                              z.B. Seekräuter oder Wolle, und
                           3) solche, welche aus mineralischen Verbindungen mit Salpetersäure bestehen,
                           so gehört der Würfelsalpeter in die letzte dieser Classen. Es ließ sich aber nicht
                              mit Sicherheit voraussehen, ob die Verbindungen der Salpetersäure mit Mineralstoffen
                              ebenso auf die Pflanzen einwirken würden, als die zwei zuerst genannten Classen,
                              welche entweder Ammoniak enthalten, oder doch solche organische Stoffe, aus denen
                              sich leicht Ammoniak bildet. Thatsachen lehren aber, daß auch diejenigen
                              salpetersauren Salze, welche den Stickstoff nur in der Form der Salpetersäure enthalten, von dem durchgreifenden Gesetze
                              keine Ausnahme machen. Denn wir haben nicht weniger als drei salpetersaure Salze,
                              welche befruchtend auf das Pflanzenwachsthum einwirken; zuerst den gewöhnlichen,
                              ursprünglichen Salpeter, oder das salpetersaure Kali; dann den salpetersauren Kalk
                              und die salpetersaure Magnesia, die man namentlich in alten Lehmwänden findet,
                              wodurch letztere eine Düngungskraft erhalten, welche über den Kalkgehalt dieser
                              Wände weit hinausgeht; endlich den Würfelsalpeter.
                           Wie befruchtend der gewöhnliche Salpeter wirke, lehrt Professor Johnston an den Gärtnern von Bengalen, indem er sagt: „In der
                                 Nähe von Patua, wo eine sehr bedeutende Menge desjenigen Salpeters, der von
                                 Bengalen aus versendet wird, gewonnen wird, findet sich das fruchtbarste Land in
                                 Bengalen, welches jährlich zwei, auch wohl drei Ernten liefert. Diejenigen
                                 Eingebornen, welche dieß Land bebauen und die besten Früchte auf demselben
                                 erzeugen, Pflegen ihre Felder mit Brunnenwasser zu bewässern, welches so stark
                                 mit Salpeter und andern Salzen geschwängert ist, daß es salzig schmeckt.
                                 Körnerfrüchte wachsen auf Salpeterboden höchst üppig, wenn innerhalb 8 bis 14
                                 Tagen nach ihrer Aussaat Regen genug fällt; folgt aber Dürre auf die Saatzeit,
                                 und hält dieselbe länger als drei bis vier Wochen lang an, so werden die Blätter
                                 gelb und es tritt eine Mißernte ein.“ Man darf daher annehmen, daß
                              alle salpetersauren Salze, ungeachtet ihrer verschiedenen Form, dem allgemeinen
                              Gesetze folgen und als stickstoffhaltige Dünger anzusehen sind. Man darf daher den
                              Würfelsalpeter mit dem Guano vergleichen.
                           (Agron. Zeitg.)