| Titel: | Ueber erdige Streu für Viehställe; von Professor Payen. | 
| Fundstelle: | Band 130, Jahrgang 1853, Nr. XXXV., S. 148 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XXXV.
                        Ueber erdige Streu für Viehställe; von Professor
                           Payen.
                        Aus den Comptes rendus, Juni 1853, Nr.
                              24.
                        Payen, über erdige Streu für Viehställe.
                        
                     
                        
                           In einer dem landwirthschaftlichen Centralverein im J. 1829 überreichten Abhandlung,
                              welche im J. 1830 den ersten Preis erhielt, empfahl ich die Anwendung von im Ofen
                              getrockneter Erde, um das Blut und die Excremente, deren man sich als Dünger
                              bedienen will, aufzusaugen und sich so gegen Verlust an denselben zu sichern.
                           Dieses einfache Verfahren fand zahlreiche nützliche Anwendungen.
                           Seit einigen Jahren bedient man sich auf mehreren landwirtschaftlichen Gütern mit
                              gutem Erfolg trockener Erde als Mischungsgrundlage der flüssigen und festen
                              Excremente, und ersetzt auf diese Weise ganz oder theilweise das Stroh, welches man
                              früher ausschließlich als Viehstreu anwandte. Diese Neuerung verursacht dem
                              Landwirth keine größeren Transportkosten, denn ich habe mich mit Hrn. v. Gasparin überzeugt, daß solcher Dünger einen eben so
                              großen Stickstoffgehalt hat, als der gewöhnliche Stallmist.
                           Man könnte sogar gewisse natürliche Austrocknungsmittel benutzen, um diese erdige
                              Streu noch anzureichern, indem man sie nochmals Harn verschlucken läßt.
                           Auf einigen Gütern suchte man dieses Verfahren dadurch ökonomischer zu machen, daß
                              man als erdiges Absorptionsmittel Kalkmergel anwandte, um an Transportkosten zu
                              ersparen. Auf diese Weise wurden nämlich der zur Verbesserung des Bodens
                              unentbehrliche Mergel und der um das ganze Volum und Gewicht des Strohes verminderte
                              Dünger zugleich verführt; überdieß scheint auf einem an Pflanzenüberresten reichen
                              Boden das Stroh von gar keinem Nutzen zu seyn und daher als Viehfutter eine viel
                              vortheilhaftere Verwendung zu finden.
                           Diese Neuerung veranlaßt sehr interessante Erörterungen unter den Landwirthen. Es
                              wurden positive Thatsachen angeführt, welche den sehr günstigen Einfluß des
                              Einbringens von Stalldünger in bis dahin unfruchtbaren Kreideboden darthaten, sowie
                              anderseits die gute Wirkung des Kalkmergels, welcher, nachdem er dem Vieh als Streu
                              gedient, auf Kieselthonboden verbreitet wurde. Während der Anwendung von Erde als
                              Streu hatte man in den Ställen keine lästige Entwickelung ammoniakalischer Dünste
                              bemerkt.
                           
                           Der kohlensaure Kalk, sagte man, wirkt jedoch zersetzend auf die Ammoniaksalze und
                              veranlaßt eine Entwickelung von kohlensaurem Ammoniak, welches, wenn es schon im
                              Stall in die Atmosphäre verdunstet, dem Landwirth keinen Nutzen bringt. Diesem
                              Einwand wurde entgegnet, daß der frische Harn sehr wenig Ammoniaksalze fertig
                              gebildet enthalte; so wenige, fetzte man hinzu, daß es geschickten Landwirthen
                              gelang, ihre Schafställe dadurch gesund zu erhalten, daß sie eine dicke Schicht
                              gebrannten Kalks unter dem Boden anbrachten, der später
                              einen guten Dünger bildete.
                           Mehrere meinten, daß der Harn in diesem Fall nicht unmittelbar an den Kalk gelangen
                              könne; daß die Wirkung des letztern sich darauf beschränke, die ihn bedeckende Erde
                              auszutrocknen und absorptionsfähiger zu machen. Bezüglich der thonhaltigen Erde
                              wurde deren günstige Wirkung allgemein der Conservirung des Harns zugeschrieben,
                              dessen freiwillige Zersetzung sie sehr zu verzögern vermag. Einige beharrten jedoch
                              auf der Meinung, daß dieses Verfahren wegen der Transportkosten in der Regel
                              kostspielig sey.
                           Dieß ist im Wesentlichen das Resultat der vielen Erörterungen, welche im Schooße des
                              Central-Ackerbauvereins stattfanden.
                           Ohne vergleichende Analysen schien mir die Frage keine weitern Fortschritte machen zu
                              können, weßhalb ich solche mit Beihülfe der HHrn. Poinsot
                              und Wood anstellte.
                           Bei den zwei ersten Reihen specieller Versuche wurde der Menschenharn für die ersten
                              freiwilligen Reactionen vier Stunden lang stehen gelassen, ehe man ihn in Behandlung
                              nahm, sowohl bevor man ihn im normalen Zustande analysirte, als bevor man ihn mit
                              feuchter Kreide oder gelöschtem Kalk (Kalkhydrat) vermengte, welche Gemenge dann in
                              einer 5 Millimeter dicken Schicht theils 24, theils 48, theils 144 Stunden lang der
                              Luft ausgesetzt blieben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 130, S. 149
                              Erste Reihe; Zweite Reihe; Harn;
                                 Kalkhydrat; Zeit; Stickstoff; Harn; Kreide; Kub. Cent.; Gramme; Stunden.
                              
                           
                           Aus diesen Tabellen ersieht man, daß der gelöschte Kalk, im Verhältniß von 100
                              Grammen auf 100 Kubikcentimeter Harn, 24 Stunden lang 90 Procent vom Stickstoff
                              dieser Flüssigkeit conservirt hat, während in derselben Zeit 150 feuchter Kreide nur
                              12 1/2 Procent davon conservirten.
                           Nach Verlauf von 6 Tagen hatte der gelöschte Kalk, im Verhältniß von 140 auf 100
                              Harn, 80 Proc. des Stickstoffs conservirt; die Kreide aber nach derselben Zeit nur
                              noch 6 Proc.
                           Eine dritte Reihe von Analysen wurde mit einem Harn gleichen Ursprungs vorgenommen,
                              der aber ganz frisch in Behandlung kam, um entweder in normalem Zustand analysirt,
                              oder mit pulverigem Kalthydrat (trockenem gelöschtem Kalk) oder trockener Kreide
                              oder grobgepulvertem Thon vermengt zu werden, welcher letztere vorher an der Luft,
                              jedoch nur bis auf den Punkt ausgetrocknet wurde, wo die oberflächlichen Theile mit
                              Wasser keinen bindenden Teig mehr bilden können (er war also in dem Zustande wie man
                              ihn leicht durch ein unvollkommenes Brennen auf den Feldern erhält).
                           
                              
                                 100
                                 Kubikcent.
                                 Harn,
                                 im Normalzustand analysirt
                                 =
                                 1,180
                                 Gr.
                                 Stickstoff
                                 
                              
                                 100
                                       
                                    „
                                     „
                                 nach Mündigem Abdampfen analysirt
                                 =
                                 0,992
                                   „
                                       „
                                 
                              
                                 100
                                       
                                    „
                                     „
                                 mit 140 Gram. Kalkhydrat
                                    vermengt,    6 Tage der Luft
                                    ausgesetzt
                                 =
                                 0,956
                                   „
                                       „
                                 
                              
                                 100
                                       
                                    „
                                     „
                                 mit 340 Gr. trockener Kreide
                                    vermengt,    6 Tage der Luft
                                    ausgesetzt
                                 =
                                 0,648
                                   „
                                       „
                                 
                              
                                 100
                                       
                                    „
                                     „
                                 mit 280 Gr. trockenem Thon
                                    vermengt,    6 Tage der Luft
                                    ausgesetzt
                                 =
                                 1,176
                                   „
                                       „
                                 
                              
                           Wie man sieht, hatte die größere Menge trockener Kreide bei dem frischeren Harn die
                              Wirkung, 58 Proc. des Stickstoffs 6 Tage lang zu conserviren.
                           Unter gleichen Umständen conservirte der Kalk, in geringerm Verhältniß angewandt, 81
                              Proc. des Stickstoffs, also sehr nahe eben so viel als nach einer 4 Stunden
                              dauernden Abdampfung im Wasserbad von demselben zurückblieb.Um diesen beträchtlichen Stickstoff-Verlust bei einer bloßen
                                    Abdampfung des Harns genau zu ermitteln und die Ursache desselben zu
                                    entdecken, wurden drei Analysen Vergleichungsweise angestellt: 1) mit 2
                                    Kubikcent. Harn, welcher im Normalzustand unmittelbar analysirt wurde; 2)
                                    mit 2 Kubikcent., welche unmittelbar in 15 Minuten im Wasserbad abgedampft
                                    wurden, und 3) mit 50 Kubikcent. desselben Harns, welcher zwei Stunden an
                                    der Luft stehen gelassen und dann in drei Stunden im Wasserbade abgedampft
                                    wurde. Wir erhielten so folgende Resultate:1)Analysedes normalen Harns0,89Stickstoffin 100 Th.2)    „des in 15 Minuten abgedampften Harns0,72      „      „3)    „des 2 Stunden lang stehengelassenen und
                                          in    drei Stunden abgedampften
                                          Harns0,662      „      „Der größere Stickstoff-Verlust in diesem Falle rührte offenbar von den
                                    längern, freiwilligen Reactionen auf eine größere Masse, namentlich während
                                    der Abdampfung, her. Der getrocknete Thon endlich schützte den Harn sechs Tage lang vor Verlust an
                              Stickstoff, obwohl das Gemenge in dünner Schicht der Luft ausgesetzt blieb.
                           Die vierte Versuchsreihe wurde mit Kuhharn gemacht, welcher zwei Stunden, nachdem er
                              gelassen war, in Behandlung genommen wurde und folgende, den vorhergehenden sich
                              sehr nähernde Resultate gab:
                           
                              
                                 Normaler Harn, 100 Kubikcentimeter
                                 =
                                 1,326
                                 Gr. Stickstoff
                                 
                              
                                 Normaler Harn, 100 Kubikcent., nach 4
                                    Stunden dauernder    Abdampfung
                                    analysirt
                                 =
                                 0,992
                                         „
                                 
                              
                                 Normaler Harn, 100 Kubikcent., + Kalkhydrat
                                    155 Gram.,    6 Tage lang der Luft
                                    ausgesetzt Mittel zweier Analysen)
                                 =
                                 1,300
                                         „
                                 
                              
                                 Normaler Harn, 100 Kubikcent., + trockene
                                    Kreide 260 Gr.,    6 Tage lang der Luft
                                    ausgesetzt
                                 =
                                 0,664
                                         „
                                 
                              
                                 Normaler Harn, 100 Kubikcent., + trockener
                                    Thon 255 Gr.,    6 Tage lang der Luft
                                    ausgesetzt
                                 =
                                 1,326
                                         „
                                 
                              
                           Die Kreide conservirte sonach während 6 Tagen 50 Proc. des ursprünglichen
                              Stickstoffs; der gelöschte Kalk unter gleichen Umständen 98 Procent, während der
                              Thon den Harn vor jeder Veränderung beschützte.
                           Bei vorstehenden Versuchen über die Gemenge von Harn mit Kreide, Kalk und Thon,
                              wurden vorsätzlich alle Umstände der Zerstreuung der ammoniakalischen Dünste günstig
                              gemacht; um nun die Wirkungen derselben Mineralsubstanzen unter andern, leicht im
                              Großen realisirbaren Umständen kennen zu lernen, machte ich die Mischungen in
                              offenen Gefäßen, ließ sie aber als eine 6 Centimeter dicke Schicht aufgehäuft.Streifen von geröthetem Lackmuspapier zeigten über der
                                    Kalkhydrat-Mischung sogleich eine Entwickelung von Ammoniakdunst an;
                                    über der Kreide-Mischung war diese Entwickelung träger und sehr
                                    schwach; über der Thonmischung fand vier Tage lang gar keine statt und die
                                    zwei folgenden Tage eine schwache; dann aber zeigte sich bei den
                                    Thon- und Kreidemischungen ein deutlicher, an das Thier erinnernder
                                    Geruch, während die Kalkmischung nur mehr einen sehr schwachen, etwas
                                    aromatischen Geruch von sich gab.
                              
                           Die Mittelzahlen der zwei, mit jeder Probe angestellten Analysen sind folgende:
                           
                              
                                 100
                                 Kubikcent.
                                 normalen Harns (von Kühen)
                                 =
                                 1,510
                                 Gr. Stickstoff
                                 
                              
                                 100
                                       
                                    „
                                 normalen Harns, nach 4stündigem
                                    Abdampfen    im Wasserbad
                                 =
                                 1,023
                                         
                                    „
                                 
                              
                                 100
                                       
                                    „
                                 normalen Harns, der 24 Stunden lang in
                                    einem    halbangefüllten, verschlossenen
                                    Gefäß    aufbewahrt wurde
                                 =
                                 1,442
                                         
                                    „
                                 
                              
                                 100
                                       
                                    „
                                 normalen Harns, mit 300 Gram. trockener
                                    Kreide    gemischt, nach 24 Stunden
                                 =
                                 1,442
                                         
                                    „
                                 
                              
                                 100
                                       
                                    „
                                 normalen Harns, mit 300 Gram. trockener
                                    Kreide    gemischt, nach 72 Stunden
                                 =
                                 1,384
                                         
                                    „
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 100
                                 Kubikcent.
                                 normalen Harns, mit 300 Gram. trockener
                                    Kreide    gemischt, nach 5 Tagen
                                 =
                                 1,108
                                 Gr. Stickstoff
                                 
                              
                                 100
                                       
                                    „
                                 normalen Harns vermengt mit 50 Grammen
                                    Kalkhydrat,    nach 48 Stunden
                                 =
                                 1,504
                                         
                                    „
                                 
                              
                                 100
                                       
                                    „
                                 normalen Harns, mit 50 Gram. Kalkhydrat
                                    gemischt,    nach 72 Stunden
                                 =
                                 1,396
                                         
                                    „
                                 
                              
                                 100
                                       
                                    „
                                 normalen Harns, mit 50 Gram. Kalkhydrat
                                    gemischt,    nach 5 Tagen
                                 =
                                 1,396
                                         
                                    „
                                 
                              
                                 100
                                       
                                    „
                                 normalen Harns, mit 250 Gram. Thon gemischt,
                                    nach    6 Tagen
                                 =
                                 1,360
                                         
                                    „
                                 
                              
                           Wie man sieht, bewirkte die bloße Abdampfung im Wasserbad einen Verlust von 30 Proc.
                              des im Harn enthaltenen Stickstoffs; die trockene Kreide conservirte:
                           
                              
                                 nach Verlauf von 24 Stunden
                                 95 Proc.
                                 des
                                 anfänglichen
                                 Stickstoffgehalts
                                 
                              
                                 nach 72 Stunden
                                 91 Proc.
                                   „
                                         
                                    „
                                           „
                                 
                              
                                 und nach 5 Tagen
                                 73 Proc.
                                   „
                                         
                                    „
                                           „
                                 
                              
                           Das Kalkhydrat conservirte:
                           
                              
                                 nach Verlauf von 48 Stunden
                                 99 Proc.
                                 des
                                 Stickstoffgehalts
                                 
                              
                                 und nach 72 Stunden
                                 92 Proc.
                                   „
                                           „
                                 
                              
                           wie nach fünf Tagen.
                           Der Thon hatte nach sechs Tagen 90 Proc. des anfänglichen Stickstoffgehalts
                              conservirt.
                           Diese Thatsachen führen zu folgenden Schlüssen:
                           1) Gelöschter Kalk, in einem Verhältniß welches das Gemenge teigig macht, kann sechs
                              Tage lang den größten Theil der stickstoffhaltigen Substanzen des Harns, und wenn
                              das Gemenge eine dicke Schicht bildet, fast den ganzen Stickstoffgehalt desselben
                              (sogar mehr als der Thon) conserviren.
                           2) Kreide, feucht und in einem Verhältniß angewandt, wobei das Gemenge wenig
                              consistent bleibt, in dünner Schichte der freien Luft ausgesetzt, beschleunigt die
                              Zersetzung des Harns und seinen Verlust an Stickstoff bedeutend im Vergleich mit dem
                              Kalkhydrat und dem Thon; in diesem Zustand, welcher im Stall offenbar nachtheilig
                              ist, könnte sie jedoch auf den Feldern die Fortschritte der Vegetation
                              beschleunigen.
                           3) Trockne Kreide, in dem Verhältniß welches eine feste Mischung gibt, und wenn man
                              der Masse eine gewisse Dicke läßt, kann die stickstoffhaltigen Bestandtheile des
                              Harns conserviren, jedoch nicht so gut wie das Kalkhydrat.
                           
                           4) Von diesen drei Mineralsubstanzen vermag, wenn das Gemenge in dünner Schicht der
                              Luft ausgesetzt wird, nur der Thon den Verlust des größten Theils der im Harn
                              enthaltenen stickstoffhaltigen Substanzen zu verhindern.