| Titel: | Ueber das Stärkmehl der Kaiserkrone, als theilweises Ersatzmittel der Kartoffeln; von Hrn. Basset. | 
| Fundstelle: | Band 130, Jahrgang 1853, Nr. LV., S. 231 | 
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                        LV.
                        Ueber das Stärkmehl der Kaiserkrone, als
                           theilweises Ersatzmittel der Kartoffeln; von Hrn. Basset.
                        Aus den Comptes rendus, August 1853, Nr.
                              8.
                        Basset, über das Stärkmehl der Kaiserkrone.
                        
                     
                        
                           Die bisher nur in Gärten gezogene Kaiserkrone (Fritillaria
                                 imperialis) hat sich (in Frankreich) so acclimatisirt, daß sie als
                              einheimisch zu betrachten ist. Seit 1847 beschäftigt, eine stärkmehlhaltige Pflanze
                              zu finden, deren Product in Qualität und Quantität, hauptsächlich in der Industrie
                              die wahrscheinlich bald nicht mehr ausreichende Kartoffel zu ersetzen vermag, habe
                              ich dieselbe endlich in der Kaiserkrone gesunden.
                           Die Zwiebeln dieser Pflanze erreichen manchmal ein bedeutendes Gewicht (850 bis 900
                              Gramme); sie besitzen einen starken, eigenthümlichen Geruch und bestehen fast ganz
                              aus einem sehr weißen Stärkmehl, in regelmäßigen eiförmigen Körnern, welches ganz
                              auf dieselbe Weise gewonnen werden kann, wie die Kartoffelstärke. Der Durchmesser
                              dieser Stärkmehlkörnchen beträgt nach Hrn. Robin's
                              mikroskopischen Beobachtungen bei den kleinsten und seltensten 7, bei den Mittlern
                              und zahlreichsten 30, bis 37 und 42, und bei den größten 50 bis 57 Tausendtel eines
                              Millimeters.
                           Die Zellenwände sind außerordentlich dünn, das Epidermishäutchen der Schuppen ist
                              sehr zart und man entdeckt kaum einige Gefäßbündel welche sich durch die
                              Stärkmehlmassen ziehen. Daher der wirkliche Rückstand kaum 2 Proc. beträgt.
                           Vergleichende Analysen.
                           
                              
                                 
                                 Kartoffel.
                                 Kaiserkrone.
                                 
                              
                                 Wasser
                                     70
                                       68
                                 
                              
                                 Stärkmehl
                                     20
                                       23
                                 
                              
                                 auflösliche Substanzen
                                       4
                                         5
                                 
                              
                                 trockener Rückstand
                                       6
                                         4
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                   100
                                     100
                                 
                              
                           Die Kartoffel liefert bekanntlich bei der Verarbeitung im Großen nur 15 bis 18
                              Procent Stärkmehl.
                           Cultur. – Man pflanzt die Steckzwiebel der
                              Kaiserkrone im Monat October in Abständen von 6 Zoll, und in 1 Fuß von einander
                              abstehenden Linien mittelst des Pflugs. Das Erdreich soll sandig-thonig,
                              durch zweimaliges tüchtiges Umackern wohl zubereitet und nicht gedüngt seyn; wenn
                              man die Pflanze nur ein Jahr im Boden lassen will, so genügt ein zweites Hacken im
                              Frühjahr, und im Julius oder besser Ende Augusts werden dann die Zwiebel (von
                              durchschnittlich 90 Grammen Gewicht) geerntet, und außerdem die für den nächsten
                              Anbau erforderlichen Steckzwiebeln.
                           Da es aber vortheilhafter ist, erst nach dem zweiten Jahr zu ernten, so hackt man in
                              diesem Fall im Herbst ein zweites und im zweiten Frühjahr ein drittesmal. Bei dieser
                              zweijährigen Cultur erlangen die Zwiebeln ein mittleres Gewicht von 250 Grammen, und
                              liefern außerdem Steckzwiebeln.
                           Der einjährige Bau gibt per Hektare ungefähr 19800
                              Kilogr. Zwiebeln oder 4500 Kilogr. Stärkmehl.
                           Der zweijährige Bau liefert per Hektare ungefähr 55000
                              Kilogr. Zwiebeln oder 12650 Kilogr. Stärkmehl; also für ein Jahr die Hälfte davon,
                              6325 Kilogr. Stärkmehl.
                           Ich habe die Hektare zu 220000 Steckzwiebeln angeschlagen.
                           Ich schließe mit einigen allgemeinen Bemerkungen:
                           1) Die Kaiserkrone kann bei unserm Fruchtwechsel zwischen einem Anbau mit Düngung und
                              einer halben Düngung eintreten) wie alle Zwiebelgewächse, liebt sie die frischen
                              Dünger nicht.
                           2) Die Zwiebeln der Kaiserkrone lassen sich im Keller, im Glashaus, oder im Silo sehr
                              gut bis zum Frühjahr aufbewahren. Dieß gewährt den sehr großen Vortheil, die
                              Verarbeitung auf Stärkmehl für eine freie Zeit aufsparen zu können.
                           3) Die Kartoffelstärke kommt den Fabrikanten auf 22 bis 28 Franken per 100 Kilogr. zu stehen, diejenige der Kaiserkrone
                              aber nur auf 8 bis 12 Franken.
                           4) Das Stärkmehl der Kaiserkrone kann als Nahrungsmittel benutzt werden; um ihm den
                              fremdartigen Geruch und Geschmack gänzlich zu benehmen, braucht man dasselbe nur
                              nach den ersten Waschungen, mit frischem Wasser welches mit dem fünfzigsten Theil
                              seines Gewichts Essig oder mit einigen Tausendtheilen kohlensauren Natrons versetzt
                              wurde, 24 bis 48 Stunden lang maceriren zu lassen; ein nochmaliges Auswaschen mit
                              reinem Wasser vollendet seine Reinigung.
                           5) Ungeachtet des Nutzens, welchen das Stärkmehl der Kaiserkrone als Nahrungsmittel,
                              durch seine Anwendung in der Pastetenbäckerei, als Beimengung zu den Getreidemehlen
                              in Jahren des Mangels und zur Bereitung wohlfeiler Suppen gewahren könnte, und
                              obgleich sein Geschmack mit demjenigen des Arrowroot, der Tapioca, des Saleps etc.
                              übereinstimmt – war mein Hauptzweck doch nur der Industrie ein Stärkmehl in
                              Menge zu liefern, welches sie in den Stand setzt die Kartoffel ihrem ursprünglichen Zweck, als
                              Nahrungsmittel für Menschen und Thiere, wieder ganz anheim zu geben.
                           6) Während die Rückstände des Kartoffelstärkmehls zum Mästen des Viehs Verwendung
                              finden, können jene der Kaiserkrone, welche eine beträchtliche Menge Stärkmehl (50
                              bis 60 Proc.) enthalten, nach den bekannten Verfahrungsweisen leicht in Alkohol
                              verwandelt werden.