| Titel: | Universal-Weingeistfirniß; von J. Miller. | 
| Fundstelle: | Band 130, Jahrgang 1853, Nr. LXXXVII., S. 359 | 
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                        LXXXVII.
                        Universal-Weingeistfirniß; von J. Miller.
                        Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1853, Nr.
                              46.
                        Miller's Universal-Weingeistfirniß.
                        
                     
                        
                           Die Weingeistfirnisse sind die hellsten und trockenbarsten Firnisse, welche einen
                              glasartigen Ueberzug bilden. Freilich kann sich ihre Dauerhaftigkeit nicht mit den
                              andern Lackfirnissen messen, welche ätherisches oder fettes Oel zum Bindemittel
                              haben; allein für Gegenstände, welche weder der Witterung noch besonderen Reibungen
                              ausgesetzt und namentlich verschiedenen Graden der Temperatur, wie z.B.
                              Kaffeebretter u. dgl. unterworfen sind, hauptsächlich aber für solche, welche lichte
                              Farben haben, sind sie dem Copal- und Dammarfirniß vorzuziehen, indem
                              ersterer, wenn er auch mit aller Vorsicht bereitet und abgelagert ist, doch den
                              hellen Farben einen mehr oder weniger gelblichen Ton beibringt, und letzterer sich
                              bei weitem nicht so gut Poliren läßt als die Weingeistfirnisse.
                           Ich kann nicht unterlassen, hiebei zu bemerken, daß der in verschiedenen technischen
                              Schriften empfohlene „farblose Copalfirniß“ aufgelöst in
                              Aether, Weingeist und Rosmarinöl, seiner Kostspieligkeit wegen nicht praktisch ist,
                              auch selten das angepriesene Resultat damit erreicht wird.
                           Man verwendete die Weingeistfirnisse in der Regel nur auf Wasser-,
                              Leim- und Gummifarben, auf Lack- oder Oelfarben sehr wenig, weil man
                              dabei dem Risse-bekommen zu sehr ausgesetzt war. Ich habe namentlich in
                              neuerer Zeit zu erfahren Gelegenheit gehabt, daß der gewöhnliche Weingeistfirniß,
                              aus Sandarack und venetianischem Terpenthin bereitet, auf jeder fetten Lackfarbe reißt, und deßwegen mir Mühe gegeben, eine
                              Composition zu erhalten, welche auch auf der fettesten Lackfarbe, ja sogar auf einer
                              wohl ausgetrockneten Oelfarbe, nicht reißen soll.
                           Es wird jedem Manne vom Fache bekannt seyn, daß sowohl bei Leim- wie bei
                              Lack- und Oelfarben ein fetter Anstrich auf einen magern, oder umgekehrt,
                              nicht haftet, sondern Risse bekömmt und mit der Zeit abspringt. Nur durch das
                              Austrocknen (Ausbacken) in den Backöfen der Blechlackirer konnte man es so weit
                              bringen, auf einen fetten Oelgrund, der aber beinahe zu Stein getrocknet, eine
                              Lackfarbe dauerhaft aufzutragen und damit zu verbinden. Aber diese Art zu trocknen
                              kann nicht überall und für alle Gegenstände angewendet werden.
                           Wenn man nun auf eine, auf die gewöhnliche Weise mit fetter Lackfarbe lackirte Waare, und wäre sie auch im Ofen getrocknet,
                              einen gewöhnlichen oben angegebenen Weingeistfirniß aufträgt, so wird er in Bälde
                              Risse bekommen. Dieß führte zu dem Verfahren, nur mit Farben zu lackiren, welche mit
                              Firnissen versetzt waren, die kein fettes, sondern nur
                              Terpenthinöl enthalten, Terpenthinöllackfirnisse. Allein diese Lackirung besitzt zu
                              wenig Dauerhaftigkeit, namentlich auf Blech- und Metallwaaren, es springt oft
                              bei der geringsten Reibung die ganze Arbeit ab. Dieß veranlaßte mich, insbesondere
                              da ich in einer solchen Angelegenheit um Rath angegangen wurde, aus den
                              verschiedenen Ingredienzien, welche gewöhnlich zu Weingeistfirnissen verwendet
                              werden, diejenigen, welche am nächsten mit denen der Terpenthinöl- und fetten Oellackfirnisse
                              verwandt sind, herauszufinden, und namentlich das Verhältniß auszumitteln, in
                              welchem sie zusammengesetzt werden müssen, denn das richtige
                                 Verhältnis ist hiebei eine Hauptsache.
                           Die gewöhnlichsten Ingredienzien zu Weingeistfirnissen sind: Schellack, Sandarack, Mastix, Elemiharz, Kampher, Terpenthin. Auch findet
                              man in einigen Receptformeln geschmolzenen und wieder erstarrten Copal oder
                              Bernstein, als Mittel die Härte und Dauer zu befördern.
                           Schellack gibt dem Firniß eine ungemeine Härte, so daß er
                              hierin dem Copal wenig nachsteht. Allein seiner dunkeln Farbe wegen eignet er sich
                              nicht zu hellen Firnissen, das Bleichen ist mit Mühe und Kosten verbunden, und der
                              im Handel vorkommende gebleichte Schellack löst sich äußerst schwer und jedenfalls
                              nur unvollkommen auf.
                           Sandarack ist der Hauptbestandtheil der meisten
                              Weingeistfirnisse, er gibt ihnen die Härte und durch diese auch die Dauerhaftigkeit,
                              ist aber für sich allein zu spröde und läßt wenig Glanz zurück.
                           Mastix ertheilt dem Firniß Glanz und Geschmeidigkeit, für
                              sich allein aber kann er dem Firniß keine Dauer geben.
                           Diesen harten Ingredienzien stehen zu größerer Geschmeidigkeit und zur Beförderung
                              des Glanzes zur Seite der Kampher, von den Chemikern zu
                              den festen ätherischen Oelen gerechnet; er besitzt die Eigenschaft, die Auflösung
                              der Ingredienzien zu befördern, die Elasticität zu vermehren und ihnen somit die
                              möglichste Geschmeidigkeit zu geben, ohne Risse zu verursachen. Aber zu viel
                              zugesetzt, zerstört er die Dauerhaftigkeit, macht mehlig.
                           Elemiharz, vorzüglich das äthiopische, gibt dem Firniß
                              Glanz und Geschmeidigkeit, aber es theilt ihm auch mehr oder weniger eine dunkle
                              Farbe mit, hat jedoch vor dem Terpenthin den Vorzug,
                              indem dieser sehr geneigt ist Risse zu erzeugen, und schon durch die Wärme der Hand
                              wieder weich wird, somit nie vollkommen austrocknet.
                           Ich habe nun mit eben beschriebenen Ingredienzien in Betreff des Verhältnisses zu
                              einander verschiedene Proben gemacht, welche anzuführen ich hier nicht für nöthig
                              halte, und gefunden, daß gleiche Theile Sandarack und Mastix mit einem Achtel ihres
                              Gesammtgewichtes Kampher (4 Loth Sandarack, 4 Loth Mastix, 1 Loth Kampher) versetzt,
                              einen ziemlich farblosen schön glänzenden Firniß gaben, welcher sehr hart wurde,
                              sich äußerst schön poliren ließ, und auch auf die fetteste Lackfarbe 3–4mal
                              aufgetragen nach einem halben Jahre noch ebenso schön war, während andere, mit Terpenthin versetzt, nach 3–4 Tagen schon Risse
                              zeigten.
                           
                           Nach meiner Ueberzeugung ist also zu Weingeistfirnissen für lackirte, namentlich
                              Blechwaaren der Terpenthin als Zusatz ganz zu
                                 vermeiden.
                           Weil aber der Mastix ein sehr theurer Artikel ist (das Pfund kostet gegenwärtig über
                              6 fl.), so suchte ich durch irgend ein anderes Harz, wo nicht gerade ihn zu
                              ersetzen, doch wenigstens die Kostspieligkeit durch Verminderung seiner Quantität
                              aufzuheben.
                           Das weiße Colophon (Colophonium album) hatte mir zu
                              Weingeistfirnissen schon mehreremale gute Dienste geleistet, weßhalb ich es zu
                              benützen mich entschloß und folgende Mischung zusammensetzte:
                           
                              
                                 4
                                 Loth
                                 ausgelesenen 
                                 Sandarack,
                                 
                              
                                 2
                                    „
                                         
                                    „
                                 Mastix.
                                 
                              
                                 2
                                    „
                                          „ 
                                 weißes Colophon,
                                 
                              
                                 1
                                    „
                                         
                                    „
                                 Kampher.
                                 
                              
                           Diese Ingredienzien fein zerrieben, wegen des Zusammenballens
                              mit gestoßenem Glase vermischt, löste ich in 24 Loth Weingeist von 90 Procent nach
                              Richter, nach 1/4stündigem Schütteln im Sandbade (heißem Sande) auf, wobei ich die
                              Mischung etlichemale aufwallen ließ; filtrirte noch heiß durch dicke Watte im
                              verschlossenen Filtrirtrichter und verwendete den Firniß den andern Tag zum
                              Gebrauch. Das Resultat war wie obiges, es zeigten sich keine Risse, die Politur war
                              schön und glänzend. Auf weiße Zifferblätter angewendet, glänzten diese wie Email.
                              Die Hälfte Mastix war erspart.
                           Wenn nun dieses Verhältniß genau eingehalten, auf reine schöne Materialien und die
                              vorgeschriebene Stärke des Weingeistes genau reflectirt wird, so garantire ich für
                              einen Firniß, welcher sich auf jeder Art von Anstrich als
                                 vorzüglich erweisen wird, und somit alle andern Receptformeln entbehrlich
                              macht.
                           Wollte man diesem Firniß noch mehr Härte geben, so muß der Schellack die Hälfte des
                              Sandaracks vertreten, z.B.:
                           
                              
                                   2
                                 Loth
                                 gebleichten Schellack,
                                 
                              
                                   2
                                    „
                                 Sandarack,
                                 
                              
                                   2
                                    „
                                 Mastix,
                                 
                              
                                   2
                                    „
                                 weißes Colophon,
                                 
                              
                                   2
                                    „
                                 Kampher,
                                 
                              
                                 24 
                                    „
                                 Weingeist von 90 Procent.
                                 
                              
                           Die Menge des Kamphers darf hier zu leichterer Auflösung des
                              Schellacks vermehrt werden.
                           Der käufliche weiße Schellack ist, wie schon gesagt, zu Weingeistfirnissen nicht
                              brauchbar, und man thut besser, wenn man ihn selbst bleicht.
                           
                           Diese Bleiche darf aber nicht durch alkalische Lösung, sondern soll auf folgende, mir
                              immer am besten zusagende Weise geschehen.
                           Man löst in 24 Loth Weingeist 8 Loth hellgelben Schellack vollständig auf. Nebenbei
                              bereitet man sich Chlorwasser auf folgende Art:
                           
                              
                                 5
                                 Loth
                                 Mennige (rothes Bleioxyd) und
                                 
                              
                                 2
                                    „
                                 Kochsalz reibt man in einer Porzellan- oder
                                    Steingutschale
                                 
                              
                           recht innig zusammen, setzt nach und nach reines Brunnenwasser
                              zu, und bringt das Ganze in eine gläserne Flasche, welche etwa 4 Pfd. Wasser faßt.
                              Man spült nämlich hiebei das rothe Pulver aus der Reibschale mit Wasser in die
                              Flasche hinüber, jedoch darf man nicht zu viel Wasser nehmen. Dieser roth gefärbten
                              trüben Flüssigkeit setzt man tropfenweise 3 Loth concentrirte Schwefelsäure
                              (Vitriolöl) zu, setzt mehreremale ab und schüttelt nach aufgesetztem Stöpsel den
                              Inhalt der Flasche gut durcheinander, was auch noch öfters geschehen muß, nachdem
                              alle Säure zugesetzt ist. Nach wenigen Stunden wird man finden, daß der schnell sich
                              niedersetzende Bodensatz nach und nach weiß wird. Wenn man fleißig mit Umschütteln
                              war, so ist nach 24 Stunden das Chlorwasser fertig, welches man nun vom Bodensatze
                              abgießt, und in einer wohlverstopften Flasche aufbewahrt, oder auch sogleich damit
                              zum Bleichen obiger Schellacklösung schreitet. Diese Schellacklösung erwärmt man nun
                              im heißen Sand oder kochenden Wasser bis auf 40 Grad R., daß man die Hand kaum mehr
                              an der Flasche leiden kann; sodann gießt man das Chlorwasser in einen Topf und in
                              dieses die Schellacklösung langsam in dünnem Strahle unter beständigem schnellem
                              Umrühren mit einem Glas- oder Holzstabe, bis die ganze Auflösung eingetragen
                              ist. Den Topf deckt man zu und läßt das Ganze drei Stunden ruhig stehen, wobei sich
                              der gebleichte Schellack in Gestalt eines gröblichen Pulvers absetzt. Hierauf gießt
                              man das Ganze auf ein über einen Topf gespanntes Leinentuch, und wascht den
                              Schellack, der auf dem Seihtuche liegen bleibt, mehreremale durch erneutes Aufgießen
                              von frischem Wasser ab, bis er von allem Chlor befreit ist, worauf man ihn an der
                              Luft oder Sonne trocknen läßt. Auch die Tischler können zur Politur den Schellack
                              auf diese Weise bleichen.
                           Dr. L. Elsner hat schon 1845
                              in den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen
                              (polytechn. Journal Bd. XCVII S. 440) eine
                              Methode angegeben, wodurch der aus hellgelbem Schellack schon bereitete Firniß
                              mittelst Zusatzes von frisch ausgeglühtem Beinschwarz gebleicht werden kann, was
                              wohl weniger kostspielig und nicht zeitraubend ist; allein es ist eine unumgehbare
                              Regel, den Weingeistfirniß so frisch als möglich zu gebrauchen, und da diese
                              Bleichmethode einige Zeit in Anspruch nimmt, so wird der Firniß während derselben schon etwas zähe, was
                              an einem schönen gleichförmigen Auftragen hindert.
                           Ich habe diesen beschriebenen Firniß Universalfirniß genannt, weil ich ihn auf alle
                              Gründe, seyen es Leim-, Lack- oder Oelgründe, mit gleichem Erfolge
                              angewendet habe; nur muß er auf Leim- oder Gummifarben 1–2mal mehr
                              aufgetragen werden. Zur Politur schleift man ihn mit feingeschlämmtem Trippel in
                              Wasser, trocknet ihn ab, polirt ihn mit einem weichen in etwas Oel oder Butter
                              getauchten leinenen Lappen und entfernt das Fett wieder mit etwas sehr feinem Mehl
                              oder Puder, worauf der schönste Glanz zum Vorschein kommen wird.
                           Einen wohlfeilen sehr hellen und startglänzenden
                              Weingeistfirniß für geringere Gegenstände, z.B. Kinderspielwaaren von Holz und
                              Papiermaché, erhält man aus dem genannten weißen Colophon (1 Thl. Coloph., 2
                              Thl. Weingeist).