| Titel: | Ueber das Schwarzbeizen des Hornes, namentlich der Kämme; von Professor Dr. Rudolph Wagner in Nürnberg. | 
| Autor: | Johannes Rudolph Wagner [GND] | 
| Fundstelle: | Band 130, Jahrgang 1853, Nr. CIV., S. 420 | 
| Download: | XML | 
                     
                        CIV.
                        Ueber das Schwarzbeizen des Hornes, namentlich
                           der Kämme; von Professor Dr. Rudolph
                              Wagner in Nürnberg.
                        Wagner, über das Schwarzbeizen des Hornes.
                        
                     
                        
                           Es ist bekanntlich bei den Kammmachern gebräuchlich, die helleren oder gefleckten
                              Kämme schwarz zu färben und sie dadurch den Kämmen aus Büffelhorn ähnlich zu
                              machen.
                           Man wendete bisher zu diesem Zwecke die sogenannte „Kalkbeize“
                              an, worunter man einen feuchten Brei aus Mennige, gelöschtem Kalk und Wasser
                              versteht. Die zu beizenden Kämme werden in diesen Brei gelegt, so daß sie vollkommen
                              damit bedeckt sind; nach 12 bis 24stündigem Verweilen werden die Kämme aus dem Brei
                              entfernt, mit Wasser, zu dem man häufig etwas Essig setzt, abgewaschen, getrocknet
                              und zuletzt polirt. Die Kämme nehmen durch diese Behandlung eine schöne schwarze
                              Farbe an.
                           Die Theorie der Methode ist einfach. Das Horn ist eine schwefelhaltige Substanz,
                              welche den Schwefel gewissermaßen in latenter Form enthält. Durch die Einwirkung des
                              Kalkhydrates und des Wassers auf die Hornsubstanz wird der Schwefel activ und es
                              bildet sich Schwefelcalcium, das sich in Wasser löst und als Calciumsulfhydrat die
                              oberen Schichten des Hornes tränkt. Durch die Einwirkung der Mennige
                              (Bleisuperoxyd), welche wie es scheint als Bleioxyd-Kalk (PbO, CaO + n Aq.) wirksam ist, bildet sich durch doppelte
                              Zersetzung mit dem Calciumsulfhydrat schwarzes Schwefelblei, wodurch das Horn bis zu einer
                              gewissen Dicke schwarz gefärbt wird.Warum man die Mennige als Bestandtheil dieser Beize vor anderen
                                    Bleipräparaten gewählt hat, ist nicht wohl abzusehen; mit fein gepulverter
                                    Bleiglätte, mit Bleioxydhydrat, mit Bleizucker, nicht aber mit kohlensaurem
                                    und schwefelsaurem Bleioxyd erhielt ich dieselben Resultate wie mit Mennige.
                                    Da die Bleiglätte des Handels als grobes Pulver, die Mennige dagegen als
                                    feines Pulver vorkommt, so ist letztere allerdings vorzuziehen. Diese Methode liefert im Allgemeinen gute Resultate und empfiehlt sich durch
                              große Wohlfeilheit. Sie hat aber den Nachtheil, daß durch die Wirkung des Kalkes die
                              Zähne der feineren Kämme aus gewissen Hornsorten ihre parallele Lage verlieren und
                              dünnere Kämme selbst häufig eine Krümmung annehmen, wodurch dem Kammfabrikanten
                              Schaden erwächst. Ein bei weitem größerer Nachtheil der Methode besteht aber darin,
                              daß die nach derselben gefärbten Kämme, wenn sie in einem feuchten Locale aufbewahrt
                              werden, sich oft schon nach einigen Monaten mit einem weißen Körper überziehen, der
                              durch nochmaliges Poliren nur temporär zu entfernen ist und die Kämme fleckig und
                              unscheinbar macht. Die Bildung dieser weißen Substanz, schwefelsaures Bleioxyd,
                              durch Oxydation aus dem Schwefelblei entstanden, ist besonders bei dem Transport der
                              Kämme zur See wahrgenommen worden.
                           In der Absicht, eine Schwarzbeize ausfindig zu machen, welch die angeführten
                              Uebelstände nicht besitzt, stellte ich auf Veranlassung des hiesigen Gewerbevereins
                              im verwichenen Sommer eine Reihe von Versuchen an, deren Resultate ich in der Kürze
                              mittheile.
                           Blauholz- oder Galläpfelbeizen zu benutzen ist nicht rathsam, da beide nur
                              schwierig kalt anzuwenden sind und eine höhere Temperatur die Kämme verdirbt.
                           Die bekannte Mischung von Blauholzabkochung mit chromsaurem Kali in geeigneter Weise
                              angewendet, gibt zwar auch schon bei einer Temperatur, bei welcher die Kämme nicht
                              leiden, eine genügende schwarze Färbung; die dadurch erzeugte Farbe widersteht aber
                              der Einwirkung verdünnter Alkalien nur unvollkommen.
                           Es mußten deßhalb Versuche angestellt werden, eine mineralische Schwarzbeize
                              ausfindig zu machen, welche die nachtheiligen Eigenschaften der Kalkbeize nicht
                              besitzt. Unter den schwarzen Schwefelmetallen, die hierzu Anwendung finden konnten,
                              waren das Schwefelsilber, das schwarze Quecksilbersulfid und das Schwefelwismuth die
                              einzigen, die den Einfluß feuchter Luft ohne Oxydation vertragen können.
                           
                           Die Anwendung des Silbers war schon des hohen Preises wegen von vornherein
                              ausgeschlossen. Wismuth auf die verschiedenste Weise (Wismuthoxyd und
                              Wismuthsuperoxyd mit Kalk; Wismuthoxydlösung und Schwefelleber u.s.w.) angewendet,
                              gab ungenügende Resultate.
                           Das Quecksilber, als Oxyd mit gelöschtem Kalk und Wasser zu einem Brei angerührt, hat
                              nicht die Eigenschaft, das Horn schwarz zu färben, vermuthlich aus dem Grunde, weil
                              das Quecksilberoxyd sich mit dem Kalkhydrat nicht chemisch verbindet.
                           Ich zog es daher vor, von dem Schwefelgehalt des Hornes gänzlich abzusehen, die Kämme
                              mit einer Quecksilberlösung zu beizen und sodann das Quecksilber durch Behandeln des
                              Hornes mit einer Schwefelleberlösung in schwarzes Schwefelquecksilber
                              umzuwandeln.
                           Unter den Quecksilberlösungen, mit denen ich Versuche anstellte, fand ich eine
                              Auflösung von Quecksilber in salpetriger Salpetersäure am geeignetsten und zwar
                              dieselbe Auflösung, die in der neueren Zeit von Millon
                              Annal. der Chem. und Pharm. Bd. LXXII S. 349; Journ. f. prakt. Chem. Bd.
                                    XLVII S. 350 und Pharm. Centralblatt, 1849, S. 185. als Reagens auf die sogenannten Proteïnsubstanzen vorgeschlagen
                              worden ist.
                           Zur Bereitung der Quecksilberlösung löst man in der Kälte 8 Loth Quecksilber in 8
                              Loth concentrirter Salpetersäure und verdünnt die Lösung mit 1/2 Maaß (1 Pfd.)
                              Wasser.
                           In die Lösung legt man die zu beizenden Kämme und läßt sie eine Nacht darin liegen;
                              sodann entfernt man sie aus der Flüssigkeit, spült sie mit etwas Wasser ab, welches
                              zur Quecksilberlösung zurück gegossen wird, und wäscht sie von neuem mit Wasser, bis
                              das ablaufende Wasser nicht mehr sauer reagirt.
                           Die Kämme haben durch diese Behandlung eine rothe Färbung angenommen, die, wenn die
                              Quecksilberlösung concentrirter angewendet wurde, ins Braune geht, so daß diese
                              Farbe, wenn sie bloß örtlich hervorgebracht wird, wohl zur Herstellung von
                              Schildkrot dienen könnte.
                           Diese roth gebeizten Kämme bringt man in verdünnte Schwefelleberlösung (1 Th.
                              Kalischwefelleber der Apotheker in 1 Maaß Wasser gelöst) und läßt sie höchstens 1
                              bis 2 Stunden lang darin.
                           Die nun schwarz gefärbten Kämme werden zuerst mit reinem, dann mit essighaltigem und
                              zuletzt wieder mit reinem Wasser gewaschen, getrocknet, polirt. Die so behandelten
                              Kämme haben nach dem Urtheile von Kennern ganz das Ansehen von Büffelhorn. In Bezug
                              auf das Poliren ist zu
                              bemerken, daß diese Schwarzbeize, obgleich außerordentlich fest und haltbar, doch
                              nicht sehr tief geht, weßhalb vorsichtig polirt werden muß.
                           Da mir zahlreiche Versuche gelehrt haben, daß eine außerordentlich geringe Quantität
                              der Quecksilberlösung genügt um das Horn roth zu färben, so ist die von mir
                              vorgeschlagene Methode auch bezüglich des Kostenpunktes anderen vorzuziehen.