| Titel: | Ueber das Rösten und Brechen des Flachses und Hanfes, nach dem Verfahren des Hrn. Terwangne zu Lille. | 
| Fundstelle: | Band 130, Jahrgang 1853, Nr. CX., S. 431 | 
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                        CX.
                        Ueber das Rösten und Brechen des Flachses und
                           Hanfes, nach dem Verfahren des Hrn. Terwangne zu
                           Lille.
                        Aus Armengaud's Génie industriel, Septbr. 1853,
                              S. 154.
                        Terwangne's Verfahren beim Rösten und Brechen des Flachses
                           etc.
                        
                     
                        
                           Das Röstverfahren des Hrn. Terwangne soll nach den von Hrn. Mareau darüber angestellten Versuchen dem
                              sogenannten amerikanischen oder Schenck'schen Verfahren
                              vorzuziehen seyn, indem es einen bessern Faden als letzteres liefert, das einen
                              spröden, harten Faden gibt, dem es an Festigkeit und Geschmeidigkeit fehlt (?). Das
                              neue Verfahren besteht in Folgendem:
                           In eine Kufe oder in von Backsteinen gemauerte Behälter werden 300 Kilogr. Flachs in
                              Bündeln von höchstens 2 Kilogr. Gewicht, die in der Mitte mit einem einfachen
                              Bindfaden umschnürt sind, vertical eingesetzt; das Wasser muß die holzigen Röhren
                              leicht durchdringen können, sowohl während des Röstens als nachher während des
                              Ausschwemmens (Spülens), einer unerläßlichen Operation, die in
                                 der Kufe vorgenommen wird, nachdem das Röstwasser abgelaufen und behufs der
                              Verwendung als Dünger aufgesammelt worden ist.
                           Das Wasser muß kalt in die Kufen gebracht und der Flachs ganz unter dasselbe getaucht
                              werden.
                           Um die Temperatur des Röstwassers auf 20° R., aber nicht höher, zu steigern
                              und sie während der Dauer des Röstens zwischen 16 bis 20° R. zu erhalten,
                              wird durch eine, unter dem durchlöcherten Boden der Kufe angebrachte kleine mit
                              Löchern versehene Röhre Dampf eingeleitet.
                           Nach dem Rösten, wobei Hr. Terwangne, um die Operation für den Flachs unschädlich und geruchlos
                              zu machen, Kreide, Kohlenstaub und Holzkohle anwendet, kömmt das Ausschwemmen,
                              wodurch aller verflüssigte Schleim den gerösteten Stengeln entzogen und ihnen die
                              Reinheit ertheilt wird, welche beim Flachsbrechen eine gute Ausbeute sichert und
                              auch das Hecheln erleichtert.
                           Hierauf wird zum Trocknen an der Luft geschritten. Diese Arbeit können Frauen oder
                              Kinder verrichten, und man benutzt dazu aus einigen Stäben verfertigte Hürden. Der
                              Flachs wird in sehr dünnen Schichten darauf gelegt und trocknet daher sehr schnell,
                              ohne daß man ihn zu wenden braucht. Ein über diese Lagen gezogener Bindfaden schützt
                              gegen die Windstöße beim Trocknen an der Luft.
                           
                           Obwohl dieses gestanklose Röstverfahren flämischer Art ein
                              Auslegen auf die Wiesen keineswegs erfordert, so kann man doch durch 8 bis 10tägiges
                              Auslegen bei geeigneter Jahreszeit leicht einen Flachs von schön gelblicher Farbe,
                              nach Art des Courtrai'schen, erhalten, indem dieses Röstverfahren den Flachs zur
                              leichten Entfärbung vorbereitet, wobei er seine Festigkeit und sein Gewicht behält,
                              weil ihm der ölige Bestandtheil, in Flandern das Leinfett
                              (graisse du lin) genannt, durch dieses Rösten nicht
                              entzogen wird. Dieses Resultat kann durch andere Verfahrungsweisen, wobei das Rösten
                              leicht mehr beschleunigt wird als zulässig ist, nicht erreicht werden.
                           Zum Rösten sind, je nach der Beschaffenheit des Flachses, 70 bis 90 Stunden
                              hinreichend.
                           Wir beschreiben nun die Terwangne'sche halbhechelnde
                              Flachs- und Hanfbreche:
                           Auf einem cannelirten Tisch von 2 bis 5 Meter (6 bis 15 Fuß) Länge (je nachdem diese
                              Breche von Hand oder durch einen leblosen Motor betrieben werden soll), 90
                              Centimeter (2 3/4 Fuß) äußerer und 75 Centim. (2 1/4 Fuß) innerer Breite, welcher
                              Tisch für den Flachs von Holz, für den Hanf von Eisen ist, rollt eine Art Wagen;
                              letzterer besteht aus einem Kasten, welcher durch Platten von Gußeisen gebildet
                              wird, so daß man einen gehörigen Druck erhält, welcher je nach der Länge des Tisches
                              zwischen 200 und 1000 Kilogr beträgt. Dieser Kasten ruht auf zwei, vier oder sechs
                              Walzen, welche mit den Cannelirungen des Tisches genau in Eingriff kommen. Der
                              Flachs wird in regelmäßigen, 2 Centimeter dicken Schichten auf der ganzen Länge des
                              Tisches angeordnet. Er wird durch Bindfaden gehalten, welche über die Flachslagen in
                              gleichen Entfernungen gespannt sind; am Ende eines jeden solchen Bindfadens hängt
                              nämlich ein Gewicht von 1 Kilogramm. Diese, die Flachsstengel parallel erhaltenden
                              Bindfäden sind an Stäben befestigt, und es können immer zehn mit einander
                              weggenommen oder übergelegt werden; die Bindfäden gleiten in kleinen Rollen und die
                              Stäbe werden bei jedesmaligem Wegnehmen des Flachses von Gabeln aufgenommen. An
                              dieser landwirthschaftlichen Flachsbreche sind behufs der Hin- und
                              Herbewegung zwei Zahnräder mit einem Schwungrad angebracht.
                           Die gewöhnlichen Brechmaschinen, selbst die irischen, liefern einen bloß gebrochenen
                              aber nicht zerquetschten (gespaltenen) Flachs, der nur 10 Procent Schäbe von den 75
                              Proc. verloren hat, welche in den gerösteten und gedörrten Stengeln enthalten sind,
                              während gegenwärtiges Verfahren leicht 50 Proc. Schäbe beseitigt.
                           
                           Außer der durch diese wiederholten Reibungen bewerkstelligten vollkommeneren
                              Degummirung des Flachses und Hanfes hat man noch den Vortheil, daß die Fasern
                              parallel bleiben, die Ausbeute beim Hecheln größer ist, und überdieß die Spitzen des
                              Flachses in ihrem natürlichen Zustande erhalten bleiben, während man nach einem
                              schlechten oder unvollkommenen Brechen dieselben beim Hecheln leicht verlieren
                              kann.
                           Nachträglich ist noch der Analysen zu erwähnen, welche Hr. Verdeil mit dem Röstwasser vom Terwangne'schen Verfahren im Vergleich mit dem
                              sogenannten amerikanischen gemacht hat. Die Gase, welche sich beim Erhitzen des
                              Röstwassers (unter dem Siedepunkt) entwickelten, ergaben im Durchschnitt von vier
                              Analysen folgende Zusammensetzung in 100 Raumtheilen:
                           
                              
                                       Amerikanisches
                                    Verfahren
                                   Terwangne'sches Verf.
                                 
                              
                                 Schwefelwasserstoffgas
                                     2,2
                                                 
                                    0,28
                                 
                              
                                 Stickgas
                                     8,5
                                                 
                                    6,50
                                 
                              
                                 kohlensaures Gas
                                   52,75
                                               
                                    57,25
                                 
                              
                                 atmosphärische Luft
                                   36,25
                                               
                                    35,25
                                 
                              
                           Das Röstwasser vom amerikanischen Verfahren enthält also viel mehr der Gesundheit
                              nachtheilige und stinkende Gase, als dasjenige vom Terwangne'schen Verfahren; namentlich verhält sich der Schwefelwasserstoff
                              des erstern zu dem des letztern ziemlich wie 4 : 1.
                           Es ergab sich ferner bei dieser Untersuchung, daß das Röstwasser vom Terwangne'schen Verfahren mehr kohlensauren Kalk enthält,
                              was aber von den angewandten Zuthaten herrührt.