| Titel: | Zur Erkennung des Phosphors bei Vergiftungen; von A. Lipowitz in Posen. | 
| Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. XXVIII., S. 117 | 
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                        XXVIII.
                        Zur Erkennung des Phosphors bei Vergiftungen; von
                           									A. Lipowitz in
                           								Posen.
                        Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie,
                              								1853, Nr. 12.
                        Lipowitz, über Erkennung des Phosphors bei
                           								Vergiftungen.
                        
                     
                        
                           Die Anwendung des Phosphors, zum Vertilgen von Ratten, Mäusen und anderen
                              									Nagethieren, hat die des Arseniks für denselben Zweck fast vollständig verdrängt.
                              									Dem Verbrechen ist dadurch ein anderes, ich möchte fast sagen, schlimmeres Mittel
                              									als Arsenik zum Vergiften von Menschen an die Hand gegeben. Es ist daher Aufgabe der
                              									Chemie geworden, zur Auffindung des Phosphors eben so sichere Mittel anzugeben,
                              									welche die kleinsten Mengen unzweifelhaft nachweisen, als wir solche für Arsenik
                              									gefunden haben.
                           In den letzten Jahren sind mir nur Vergiftungen mit Phosphorteig und keine mit
                              									Arsenik vorgekommen, wobei es mir stets gelungen ist, nach den bekannten Methoden,
                              									den Phosphor aufzufinden, und in Substanz ausgeschieden dem Untersuchungsbericht
                              									beizulegen. In jüngster Zeit erhielt ich jedoch einen Magen, dessen Villosa stark
                              									corrodirt war, und die Darmcontenta zur gerichtlich-chemischen Untersuchung;
                              									darin fand sich bei der sorgsamsten Untersuchung mit der Loupe nur ein Nadelspitz
                              									großes Krümchen einer verdächtigen Substanz. Dieses wurde in einem
                              									Porzellanschälchen auf einem Wasserbade im Dunklen erwärmt. Beim Rühren mit einem
                              									Glasstabe traten leuchtende Punkte auf, welche sich nach und nach mehrten, und
                              									zuletzt die ganze innere Fläche des Schälchens mit gelbem Lichte erhellten und
                              									deutlich weißen Rauch gaben. Vergebens versuchte ich aber aus dem flüssig
                              									schleimigen Magen- und Darminhalt eine weitere Spur von Phosphor
                              									abzuscheiden. Fast ebenso vergeblich wurde eine Destillation in der Art vorgenommen,
                              									wie sie J. E. Schacht in Berlin im Archiv der Pharmacie
                              									Bd. LXVI S. 165 mit richtiger Würdigung der bereits vorhandenen Literatur
                              									beschreibt, an welchem Orte er auch sehr zweckmäßig die Oxydation des erhaltenen
                              									Destillats mit rauchender Salpetersäure empfiehlt, um die dadurch gebildete
                              									Phosphorsäure nachzuweisen. Ich erhielt bei dieser Destillation zwar eine faulig,
                              									leichenartig riechende Flüssigkeit, jedoch waren keine Dämpfe bemerkbar; auch konnte
                              									ich nach vorangegangener Behandlung des Destillats mit rauchender Salpetersäure wohl
                              									eine Reaction mit Silbernitratsolution auf gewöhnliche Phosphorsäure und nach dem
                              									Abdampfen und Glühen auf Pyrophosphorsäure wahrnehmen, so wie eine Reaction mit
                              									molybdänsaurem Ammoniak, jedoch so unbedeutender Art, daß
                              									ich mit Bestimmtheit, wie es bei einer gerichtlich-chemischen Untersuchung,
                              									wobei es sich um Menschenleben handelt, verlangt wird, mich nicht für die unbedingte
                              									Anwesenheit von Phosphor aussprechen konnte. Hätte mir nicht der Zufall das im
                              									Eingange erwähnte Phosphorpartikelchen in die Pincette geführt, so wäre in diesem
                              									Falle, da alle anderen Methoden den Phosphor nicht genügend nachwiesen, der Beweis
                              									von der Anwesenheit des Phosphors zweifelhaft geblieben.
                           Dieser Fall veranlaßte mich aber bereits früher von mir gemachte Beobachtungen und
                              									Versuche aufzunehmen und näher zu prüfen. Es ist bekannt, daß Phosphor und
                              									Schwefel, unter kochendem Wasser zusammengebracht, sich verbinden, und daß, wenn der
                              									Phosphor in Ueberschuß vorhanden ist, wozu nach meiner Beobachtung nur die kleinere
                              									Hälfte davon nöthig ist, die entstandene Verbindung von Schwefel und Phosphor auch
                              									nach dem Erkalten bei gewöhnlicher Temperatur sich flüssig erhält. Ist jedoch der
                              									Schwefel überwiegend, ist er mindestens in dem Verhältniß von zwei Theilen zu einem
                              									Theile Phosphor vorhanden, so wird die erhaltene Verbindung nach dem Erkalten
                              									krystallinisch fest, jedoch leicht knetbar, ungefähr wie ein Quecksilberamalgam.
                              									Sechs Theile Schwefel auf einen Theil Phosphor geben nach längerem Kochen eine
                              									Verbindung, welche ebenfalls krystallinisch ist; diese Masse kann jedoch außerhalb
                              									des Wassers gehandhabt werden, ohne sich beim geringsten Druck leicht selbst zu
                              									entzünden. Um die Gränzen zu bestimmen, bei denen der Schwefel seine Form verändert,
                              									wurden Versuche mit stufenweise gesteigerten Schwefelquantitäten gemacht. Es stellte
                              									sich heraus, daß 2 Proc. Phosphor den Schwefel beim anhaltenden Kochen unter Wasser
                              									noch in kleine krystallinische Theile vertheilen können, und daß diese, auf Papier
                              									abgetrocknet, an der Luft Dämpfe von sich geben. Erst bei einem Procent
                              									Phosphorzusatz verändert sich der Schwefel in seiner Form nicht mehr, hat aber den
                              									ganzen Phosphor gebunden. Dieser erhaltene Schwefelphosphor – und ich spreche
                              									nur von diesem – welcher Ueberschuß an Schwefel enthält und fest ist, hat die
                              									Eigenschaft, selbst wenn er auch nur 1 Proc. Phosphor enthält, abgetrocknet an der
                              									Luft Dämpfe zu geben und mit Silbernitratsolution übergossen sich grünlichschwarz zu
                              									färben. Enthält der Schwefel auch noch weniger Phosphor, so wird er bei + 50 bis
                              									60° C. erwärmt im Dunkeln leuchten, und deutlich alle Erscheinungen des
                              									Phosphors zeigen. Mit Salpetersäure von 1,20 spec. Gewicht gekocht, wird der
                              									Phosphor leicht Oxydirt und gibt sich nebst Schwefelsäure in der Auflösung durch die
                              									bekannten Reagentien zu erkennen.
                           Hierauf gestützt, basirte ich meine Versuche, den Phosphor in organischen Gemengen,
                              									wo er sich in Substanz vorfindet, mit Sicherheit abzuscheiden, und theile im Auszuge
                              									das Wesentlichste davon mit.
                           Das schwierige Abwägen sehr kleiner Mengen Phosphor veranlaßte mich gleichzeitig,
                              									auch um denselben stets aufs feinste vertheilt zu erhalten, einen Phosphorteig zu
                              									bereiten, in welchem der Phosphor sehr sorgfältig durch Schmelzung unter heißem
                              									Wasser und Zurühren von Mehl vertheilt war. Dieser Phosphorteig enthielt pro Unze 24 Gran Phosphor, also genau 5 Proc., es
                              									entsprach somit ein Scrupel dieses Teigs 1 Gran Phosphor. Mit dem Mikroskop
                              									untersucht, zeigten sich in dem Phosphorteig nur wenige Phosphorstückchen, welche
                              									größer waren als die Stärkmehlkrümchen, die meisten waren kleiner; dieselben konnten besonders gut
                              									durch ihre schwarze Färbung erkannt werden, wenn man zu der beobachteten Menge auf
                              									der Glasplatte einen Tropfen Silbernitratsolution brachte.
                           Wurde 1 Gran dieses Teigs, also 1/20 Gran Phosphor, mit 8 Unzen Wasser im Glaskolben
                              									gekocht, wozu einige linsengroße Stückchen Schwefel gesetzt waren, so erhielt man
                              									nach viertelstündigem Kochen den Schwefel scheinbar unverändert wieder. Dieser
                              									Schwefel wurde abgespült und gab nach dem Zerreiben im Schälchen und Erwärmen im
                              									Wasserbade ein lebhaftes Leuchten, und mit Salpetersäure behandelt (deutliche) unverkennbare Reaction auf Phosphorsäure. Es wurden
                              									darauf organische Gemenge aus Mehl, Kuchenabfällen und dergl. und Wasser gemacht. Zu
                              									zwei Quart eines solchen Gemenges, welches in einer Porzellanschale zum Sieden
                              									erhitzt war, wurden 10 Gran Phosphorteig (1/2 Gran Phosphor enthaltend) und
                              									gleichzeitig fünf linsengroße Stückchen Schwefel zugesetzt. Nach fast halbstündigem
                              									Kochen und Erkalten wurde die breiartige Masse abgegossen. Die theilweise durchs
                              									Rühren zerdrückten Schwefelstückchen lagen unverändert auf dem Boden der Schale und
                              									konnten leicht herausgefunden und abgespült werden. Sie zeigten bei der Prüfung ganz
                              									eclatant die beschriebene Reaction. Dieser Versuch wurde nochmals mit einem anderen
                              									Gemenge von zwei Quart mit der Aenderung wiederholt, daß statt 10 Gran nur 5 Gran
                              									Phosphorteig zugesetzt wurden, in denen mithin nur 1/4 Gran Phosphor enthalten war.
                              									Die Reactionserscheinungen traten auch hier mit fast gleicher Stärke auf.
                           Berücksichtigt man, daß in dem letzteren Versuch der Phosphor in einer mehr als
                              									140,000fachen Vermischung sich befand, so wird man die Gränze dieser Reaction als
                              									eine sehr ausgedehnte ansehen müssen, und ich halte diese Reaction für die
                              									geeignetste, Phosphor in organischen Gemengen oder überhaupt
                                 										überall, wo derselbe in Substanz vorkommt, aufzufinden.
                           Ein reservirtes Drittel des am Anfange genannten Darm- und Mageninhalts wurde
                              									mit einigen Schwefelstückchen in einer Glasretorte 1/2 Stunde gekocht und der
                              									Schwefel nach dem Erkalten herausgespült und durch Erwärmen im Dunklen und Kochen
                              									mit Salpetersäure geprüft. Das im Wasserbade erwärmte Schälchen mit einem Theil der
                              									zerriebenen Schwefelstückchen leuchtete mit einzelnen hellen Punkten und erfüllte
                              									den ganzen Boden des Schälchens mit Hellem Lichte, welches nach und nach aufhörte;
                              									ebenso lieferte ein anderer Theil der Schwefelstückchen mit Salpetersäure behandelt
                              									unverkennbare Spuren von Phosphorsäure.
                           
                           Weitere Versuche mit ähnlichen Mischungen angestellt, wobei die Destillation keine
                              									Spur von gebildeter phosphoriger Säure zeigte, gaben mit Schwefel behandelt stets
                              									unverkennbare Spuren von Phosphor.
                           Es dürften jedoch noch einige Nebenumstände zu berücksichtigen seyn. Wurden frisch
                              									bereitete Phosphormischungen erwärmt, so gab sich meist
                              									ein starker phosphoriger Geruch zu erkennen, selbst wenn der Phosphor sich in der
                              									140,000fachsten Vermischung befand; wurden sie im Dunkeln geschüttelt, so war bei
                              									vielen ein Leuchten zu erkennen. setzt man solchen Vermischungen, welche im Dunkeln
                              									beim Schütteln leuchten, Ammoniak oder Chlorwasser hinzu, so hört das Leuchten auf
                              									und der Phosphorgeruch ist verschwunden. Ein Zusatz von Ammoniak verhindert das
                              									Leuchten nicht so schnell, Chlorzusatz hingegen augenblicklich. Eine Mischung mit
                              									Ammoniakzusatz kann wieder zum Leuchten belebt werden, wenn mineralische Säuren bis
                              									zur Sättigung zugesetzt werden. Aus allen Gemengen, welche noch 1/70,000 Phosphor
                              									enthielten, konnte auch nach dem Zusatz von Ammoniak und Chlorwasser durch Kochen
                              									mit Schwefelstückchen der Phosphor nachgewiesen werden. Hierdurch erklärt sich die
                              									Erscheinung, daß bereits im hohen Grade zersetzte thierische Gemenge bei der
                              									Destillation weder Dämpfe noch phosphorige Säure in die Vorlage liefern, indem der
                              									Phosphor unter dem Einfluß der ammoniakalischen und anderer
                              									Zersetzungs-Gebilde entweder von diesen theilweise verändert oder umhüllt
                              									ist. Es scheint mir daher geeignet zu seyn, bei jeder Untersuchung, besonders wo man
                              									Phosphor vermuthet und man sich vorher von der Abwesenheit einer freien Säure
                              									überzeugt hat, absichtlich etwas reine Schwefelsäure zuzusetzen, welche den
                              									Verwesungsproceß hindert und freies Ammoniak bindet. Ferner hat man sich von der
                              									Reinheit des verwendeten Stangenschwefels durch Kochen mit reiner Salpetersäure zu
                              									überzeugen. Ebenso darf die Erwärmung des Schwefels natürlich nie anders als im
                              									Wasserbade vorgenommen worden, da derselbe bei mehr als + 100° C. an sich
                              									schon im Dunkeln leuchtet. Da übrigens das Leuchten des Phosphors von seiner
                              									Oxydation herrührt, so ist es natürlich, daß er auch nur so lange leuchtet, als
                              									diese noch nicht vollständig beendet ist; ist dieß geschehen, so verbleibt der
                              									Schwefel im Schälchen ohne zu leuchten.
                           Bei der Untersuchung eines Gemenges auf Phosphor hat man, wie nachstehend
                              									recapitulirend angegeben ist, zu verfahren. Man prüfe zuerst, ob wahrnehmbare und
                              									isolirbare Phosphorstückchen vorhanden sind. Ist dieses nicht der Fall, so versehe
                              									man das Gemenge, wenn die Abwesenheit von freier Schwefelsäure nachgewiesen ist, bis
                              									zur schwachen Säurereaction mit derselben. Darauf thue man das Gemenge mit mehreren
                              										Schwefelstückchen in
                              									eine tubulirte Retorte mit leicht angelegter Vorlage und beginne die Destillation.
                              									Nach etwa einem halbstündigen Kochen ist die übergegangene Flüssigkeit nach der von
                              									J. E. Schacht angegebenen Methode zu behandeln und auf
                              									Phosphor zu prüfen. Die Schwefelstückchen aus der Retorte werden nach dem Erkalten
                              									herausgenommen, abgespült und durch Erwärmen im Wasserbade, so wie durch Oxydation
                              									mit reiner Salpetersäure geprüft. Ein Theil dieser Schwefelstückchen kann auch dem
                              									chemischen Gutachten in einem Cylinderglase unter Wasser beigelegt werden, wobei
                              									jedoch beachtet werden muß, daß, wenn nur wenig Phosphor mit dem Schwefel verbunden
                              									war, die Leuchtkraft nach längerer Aufbewahrung zwar verloren geht, daß dessen
                              									ungeachtet aber immer noch der Phosphor als Phosphorsäure daraus mit Salpetersäure
                              									nachgewiesen werden kann.