| Titel: | Ueber die Eigenschaft der Holzkohle, das Keimen der Kartoffeln zu begünstigen; von Hrn. Violette. | 
| Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. XXXVII., S. 143 | 
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                        XXXVII.
                        Ueber die Eigenschaft der Holzkohle, das Keimen
                           								der Kartoffeln zu begünstigen; von Hrn. Violette.
                        Aus den Comptes rendus, Decbr. 1853, Nr.
                              								24.
                        Violette, über die Eigenschaft der Holzkohle, das Keimen der
                           								Kartoffeln zu begünstigen.
                        
                     
                        
                           Am 10. April 1849 trennte ich mittelst eines Ausschneideisens cylindrische Keime von
                              									etwa 5 Linien Durchmesser und 10 Linien Höhe von Kartoffeln los. Hundert solche,
                              									noch ganz feuchte Keime brachte ich sogleich in eine weiße Glasflasche von 1/2 Liter
                              									Inhalt, welche zur Hälfte mit feingepulverter Holzkohle gefüllt war, rührte und
                              									schüttelte stark um, damit die Keime sich ganz mit Kohlenstaub überzogen. Hierauf
                              									füllte ich die Flasche ganz mit Kohlenstaub an und rührte dabei beständig um, damit
                              									sich die gewissermaßen gekörnten Keime durch die ganze Masse vertheilten, worauf ich
                              									die Flasche mit einem guten Korkstöpsel vollkommen verschloß. Eine ähnliche Flasche
                              									wurde mit einem Gemenge von 100 Kartoffelkeimen mit trockener Torfasche ganz
                              									angefüllt; eine dritte Flasche mit 100 Keimen und Holzasche; eine vierte mit 100
                              									Keimen und Gypsmehl; eine fünfte mit 100 Keimen und gelöschtem Kalk; eine sechste
                              									mit 100 Keimen und trockenem Sand. Diese sechs Flaschen mit Korkstöpseln verstopft,
                              									verschloß ich in einen dunkeln Schrank, durch welchen sich die Röhre eines Kamins
                              									zog, der während des ganzen Winters geheizt wurde und die innere Temperatur auf
                              									12° R. erhielt.
                           Am 10. Febr. 1850, nachdem der Schrank die ganze Zeit über nicht geöffnet worden war,
                              									wurden diese Flaschen nach einander untersucht. Die fünf letzten stießen einen
                              									ekelhaften Geruch aus und die Keime waren darin ganz verfault. Nur die Flasche mit
                              										Holzkohle machte eine Ausnahme; die Kohle, welche
                              									sich etwas gesetzt hatte, ließ im Hals unter dem Stöpsel einen 3 Centimeter hohen,
                              									leeren Raum, in welchem eine Menge kleiner, dünner, weißer und in Berührung mit dem
                              									Stöpsel umgebogener Stängelchen haufenweise emporstiegen; auch die Wände der Flasche
                              									waren innen mit einem Netze weißer, feiner und sich durchschlingender Würzelchen
                              									bekleidet, welche sie ganz bedeckten.
                           Vergebens versuchte ich die Flasche auszuleeren; Kohle und Keime bildeten eine
                              									zusammenhängende feste Masse, welche zu voluminös war, um durch den Hals zu gehen,
                              									der wenigstens 3 Centimet. Durchmesser hatte. Die Flasche wurde nun vorsichtig
                              									zerbrochen und dadurch die Masse in ihrer anfänglichen Gestalt frei gemacht; sie
                              									mußte lang geschüttelt werden, um den Kohlenstaub abzusondern, und mit Sorgfalt und Geduld gelang es mir
                              									endlich, die 100 Keime zu isoliren, welche sich alle, keinen einzigen ausgenommen,
                              									auf folgende Weise entwickelt hatten: Vom Keim geht ein sehr zarter, weißer, 20 bis
                              									25 Centimet. langer Stengel aus, welcher seitlich mit einer Reihe Zäserchen von
                              									Roßhaardicke versehen ist, an denen die Rudimente von Kartoffeln in Form weißer
                              									Kügelchen von 2–3 Millimeter Durchmesser hangen; an einigen Stengeln befinden
                              									sich 6–8 solcher kleinen Kartoffeln. Das obere Ende des Stengels bildet eine
                              									kugelförmige Anschwellung – das Rudiment des in der Luft befindlichen, gegen
                              									den Stöpsel gerichteten Theils; das andere Ende besteht aus wurzelähnlichen, gegen
                              									den Boden der Flasche gerichteten Zäserchen. Diese Stengel wurden sogleich mittelst
                              									eines Pflanzstocks in gute Erde gelegt und gaben, nach schönem Wachsthum,
                              									gewöhnliche Kartoffelknollen.
                           Diese Versuche werden die Physiologen sehr interessiren, aber leider weniger die
                              									Landwirthe, denn einige Tausend solcher Sprößlinge oder Keime, welche mittelst des
                              									beschriebenen Verfahrens im Winter 1850/51 vollkommen conservirt und im März 1851 zu
                              									je fünfen in ein Loch gepflanzt wurden, zeigten zwar eine reichliche Vegetation,
                              									lieferten aber an Kartoffeln nur die Hälfte des gewöhnlichen Gewichtes. Vielleicht
                              									könnte man den Keimen durch ein vorausgehendes Körnen mit nahrhaften Substanzen ihre
                              									Fruchtbarkeit wiedergeben, und so den markigen Theil der für die Fortpflanzung
                              									aufbewahrten Kartoffeln, welcher etwa 8/10 ihres Gewichts beträgt, der Konsumtion
                              									zurückerstatten. Es ließen sich nämlich sehr leicht von den Kartoffeln, nach
                              									Maaßgabe ihres Verbrauchs für Menschen und Thiere, Schößlinge oder Keime ablösen,
                              									und in einem mit Holzkohlenpulver gefüllten Fasse aufbewahren.