| Titel: | Ueber den Klebergehalt des Weizens; von Hrn. E. Millon. | 
| Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. LXIII., S. 216 | 
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                        LXIII.
                        Ueber den Klebergehalt des Weizens; von Hrn.
                           									E. Millon.
                        Aus den Comptes rendus, Januar 1854, Nr.
                              								1.
                        Millon, über den Klebergehalt des Weizens.
                        
                     
                        
                           Bei Versuchen welche ich im Jahre 1848 und 1849 mit verschiedenen Weizensorten des
                              									Bezirks von Lille anstellte, überzeugte ich mich daß der Klebergehalt ihrer Mehle
                              									ein sehr verschiedener ist. Diese Weizensorten hatten alle das beste Aussehen und
                              									waren auf das Sorgfältigste geerntet und aufbewahrt worden.
                           Unter denselben war ein englischer rother Weizen, welcher nur 5,7 bis 6,3 Procent
                              									trocknen Klebers lieferte; dieser Kleber verband sich etwas schwierig zu einem
                              									Ganzen. Der Stickstoffgehalt war nicht in demselben Verhältniß geringer, denn er
                              									entsprach 10,3 Procent Kleber, oder vielmehr eiweißartiger Substanz.
                           Ein anderes Muster englischen rothen Weizens von gleichem Aussehen enthielt die
                              									normale Menge Klebers, 10 Procent.
                           Im Jahr 1852 erhielt ich von Hrn. Roy,
                              									Colonisations-Inspector, mehrere Weizenmuster als die Hauptsorten der Cultur
                              									in der Gegend von Algier. Die eine Sorte, von Guyotville, war merkwürdig wegen der
                              									Größe der Körner; es war ein sehr schöner, weicher Weizen; ich konnte aber keinen
                              									Kleber aus seinem Mehle ziehen; ich erhielt immer nur einen spröden Teig, der bald
                              									kleine Risse bekam und ausgetrocknet eine zerreibliche Substanz hinterließ, welche
                              									vom Kleber sehr verschieden war und 4,8 Proc. vom Gewicht des Mehls betrug. Der
                              									Stickstoffgehalt dieses Weizens war hingegen sehr groß und entsprach 11,5 Proc.
                              									Kleber.
                           Dieser Weizen, von welchem ich im Jahr 1853 eine größere Menge, fast 10 Kilogr.
                              									erhielt, ist auf dem afrikanischen Markt sehr gesucht; ich bekam wieder nur
                              									obenerwähnte zerreibliche Substanz aus demselben und zwar 3,5 Proc. Bei näherer
                              									Untersuchung dieses Weizens fand ich, daß die auf den ersten Anblick ganz gleich
                              									aussehenden Körner zweierlei Art waren. Man findet nämlich unter der Masse eine
                              									kleine Anzahl Körner, welche von ganz gleicher Gestalt wie die übrigen sind, aber
                              									eine sehr glatte Oberfläche haben und auf dem Bruch fast hornartig sind. Ich
                              									sammelte diese glatten Körner besonders; ihr Klebergehalt betrug 11,8 Proc. vom
                              									Gewicht des Mehls.
                           Zur Gegenprobe sammelte ich die weißesten, innerlich mehlreichsten Körner, und
                              									erhielt aus ihrem Mehle nicht die geringste Spur Klebers.
                           
                           Demnach bestund dieser Weizen zu einem sehr kleinen Theile aus kleberreichen Körnern,
                              									und zum größten Theil aus Körnern welche gar keinen Kleber enthalten.
                           Nicht selten findet sich sogar ein Korn, welches zur Hälfte hornartig ist, zur Hälfte
                              									nicht, das heißt, zur Hälfte reich, zur Hälfte arm an Kleber ist.
                           Ich kam nun auf den Gedanken, daß diese Zusammensetzung alle weichen Weizensorten
                              									gemeinschaftlich haben dürften. Ich untersuchte deßhalb mehrere Sorten und fand in
                              									einem weichen Weizen von ganz entgegengesetzter Beschaffenheit, der größtentheils
                              									aus glatten Körnern bestund, 14,9 Proc. Kleber; in den davon ausgesuchten, minder
                              									glatten, minder hornartigen Körnern hingegen, von innerlich mehligem Aussehen, nur
                              									9,5 Proc. Kleber. Dasselbe Resultat ergaben auch andere weiche Weizensorten.
                           Es folgt daraus, daß Weizensorten in den Haudel kommen können, welche, wie das Mehl
                              									derselben, einen sehr geringen Klebergehalt haben. Solche Fälle, daß der Weizen nur
                              									6–9 Procent Kleber enthält, wurden bisher für Ausnahmen angesehen, sind aber
                              									vielleicht sehr häufig; die Kenntniß dieser Thatsache ist für die Untersuchung
                              									angeblich verfälschten Mehls von großer Wichtigkeit.
                           Zwischen kleberreichem und kleberarmem Weizen sollte auch deßhalb unterschieden
                              									werden, weil ersterer den Zusatz von Türkischkorn- und Kartoffelmehl,
                              									überhaupt stärkmehlhaltiger Substanzen besser verträgt, ohne daß die Brodbildung
                              									gestört wird; in letzterer Hinsicht ist der harte Weizen, worin aller Stickstoff in
                              									Form kräftigen Klebers enthalten ist, besser als aller weiche Weizen.
                           Ich muß jedoch bemerken, daß der Kleber zur Brodbildung nicht unerläßlich ist; der
                              									Teig von einem kleberfreien Mehl ist aber schwieriger zu bearbeiten und geht nicht
                              									so schnell auf.