| Titel: | Ueber die Anwendung des elektromagnetischen Chronoskops zur Ermittelung der Geschwindigkeit von Geschossen, und über den Einfluß des Trägheitsmomentes der Fangscheibe sowie der Lage des Stoßpunktes auf die Genauigkeit der Resultate; von Dr. Adolph Poppe. | 
| Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. LXXVII., S. 259 | 
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                        LXXVII.
                        Ueber die Anwendung des elektromagnetischen
                           								Chronoskops zur Ermittelung der Geschwindigkeit von Geschossen, und über den Einfluß des
                           								Trägheitsmomentes der Fangscheibe sowie der Lage des Stoßpunktes auf die Genauigkeit der
                           								Resultate; von Dr. Adolph Poppe.Aus dem Jahresbericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. für
                                    										1852–1853.
                           							
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									IV.
                        Poppe, über die Anwendung des elektromagnetischen Chronoskops zur
                           								Ermittelung der Geschwindigkeit von Geschossen.
                        
                     
                        
                           Unter den zur Messung sehr kleiner Zeittheilchen dienlichen Vorrichtungen hat in
                              									neuerer Zeit das zuerst von Wheatstone angegebene und von
                              									dem Mechanicus Hipp verbesserte elektromagnetische
                              										ChronoskopBeschrieben im polytechn. Journal, 1849, Bd. CXIV S. 255; man sehe auch Bd.
                                    											CXXV S. 12. A. d. Red. von Seiten der Physiker allgemeine Anerkennung gefunden. Dasselbe eignet
                              									sich besonders zur Messung der Geschwindigkeit der Geschosse, sowie zur directen
                              									Bestätigung des Gesetzes der Bewegung frei fallender Körper. Soll mit dem
                              									Instrumente die Zeit gemessen werden, welche eine Flintenkugel zur Zurücklegung
                              									einer gemessenen kurzen Strecke braucht, um daraus ihre Anfangsgeschwindigkeit
                              									abzuleiten, so pflegt man die Einrichtung so zu treffen, daß die Kugel bei ihrem
                              									Austritt aus der Mündung des Gewehrs einen quer über dieselbe gespannten, in die
                              									galvanische Kette eingeschalteten Draht zerreißt und dadurch den Strom unterbricht.
                              									In diesem Momente beginnen die Zeiger eines Zifferblattes mit einer bekannten
                              									gleichförmigen Geschwindigkeit umzulaufen. An ihrem Ziel angekommen, prallt die
                              									Kugel gegen eine bewegliche Fläche, die wir Fangplatte
                              									oder Fangscheibe nennen wollen, drängt diese eine kleine
                              									Strecke zurück und bewirkt dadurch den Schluß der galvanischen Kette. In dem
                              									nämlichen Augenblicke steht das Zeigerwerk still. Man kann daher an dem Zifferblatt
                              									die Zeit ablesen, welche während der Unterbrechung der Kette, d.h. während der
                              									Bewegung der Kugel, verflossen ist. Aehnlich verhält es sich bei den Fallversuchen,
                              									wo die Kette geschlossen ist, so lange die Metallkugel an der Stelle von welcher sie
                              									herabfallen soll, durch eine Zange festgehalten wird, mit dem Beginn des Falles aber
                              									geöffnet und in dem Momente wieder geschlossen wird, wo die Kugel durch ihren Stoß
                              									eine bewegliche Platte um eine kleine Strecke zurückgedrängt hat.
                           Im Laufe des verflossenen Jahres wurde in einer der gewöhnlichen Versammlungen des
                              									physikalischen Vereins zu Frankfurt a. Main von Hrn.
                              									Professor Dr. Böttger vor
                              									einem zahlreichen Auditorium eine Reihe ballistischer Versuche mit dem Hipp'schen
                              									Chronoskop angestellt, denen auch der Verfasser dieser Abhandlung beiwohnte. An ein
                              									starkes hölzernes Gestell war ein kleiner Lauf von 4 Par. Linien innerem Durchmesser
                              									befestigt, welcher mittelst eines Percussionsschlosses abgefeuert wurde. Die
                              									bleierne Kugel wog 1/4 Loth. Bei der ersten Versuchsreihe betrug die Entfernung der
                              									Scheibe von der Mündung des Laufs 5 Fuß 10 Linien Par. M.; bei der zweiten 42 Fuß 2
                              									Zoll 5 Linien. Folgende Tabelle enthält die durch das Chronoskop angegebene Zeit, in
                              									welcher die Kugel bei 9 hintereinander angestellten Versuchen jene Strecke von 5 Fuß
                              									10 Linien zurücklegte, und die hieraus berechnete Geschwindigkeit, wobei die
                              									zwischen dem jedesmaligen Oeffnen und Schließen der Kette verflossene Zeit als die
                              									Zeit betrachtet wurde, welche die Kugel brauchte, um die erwähnte Strecke
                              									zurückzulegen.
                           Distanz = 5 Fuß 10 Linien.
                           
                              
                                 Nr.
                                       
                                    											Zeit.
                                     Geschwindigkeit.
                                 
                              
                                  1
                                 0,018 Secund.
                                 281 Fuß per Secunde
                                 
                              
                                  2
                                 0,026     „
                                 195  
                                    											„        
                                    											„
                                 
                              
                                  3
                                 0,029     „
                                 174  
                                    											„        
                                    											„
                                 
                              
                                  4
                                 0,030     „
                                 169  
                                    											„        
                                    											„
                                 
                              
                                  5
                                 0,031     „
                                 163  
                                    											„        
                                    											„
                                 
                              
                                  6
                                 0,032     „
                                 158  
                                    											„        
                                    											„
                                 
                              
                                  7
                                 0,032     „
                                 158  
                                    											„        
                                    											„
                                 
                              
                                  8
                                 0,040     „
                                 126  
                                    											„        
                                    											„
                                 
                              
                                  9
                                       
                                    											1     „
                                 123  
                                    											„        
                                    											„
                                 
                              
                           Was bei dem ersten Blick auf diese Tabelle auffällt, sind nicht nur die
                              									unverhältnißmäßig großen Unterschiede in den Ergebnissen der einzelnen Versuche,
                              									sondern auch Geschwindigkeiten überhaupt, wie sie der Erfahrung gemäß bei derartigen
                              									Geschossen in der Wirklichkeit nicht stattfinden können. Daß die Resultate
                              									wiederholter ballistischer Versuche, selbst bei vollkommen gleicher Quantität und
                              									Qualität des Pulvers, und Beobachtung aller möglichen Vorsicht, mehr oder weniger von einander
                              									abweichen werden, ist vorauszusehen; denn schon ein mehr oder weniger festes
                              									Aufstoßen der Ladung kann unter gleichen übrigen Umständen einen Einfluß auf die
                              									Geschwindigkeit der Kugel ausüben. Aber eben so begreiflich ist es, daß die
                              									Geschwindigkeit nie zwischen solchen Gränzen, wie sie obige Tabelle darlegt,
                              									schwanken kann. Außerdem unterliegt es keinem Zweifel, daß eine Pistolenkugel,
                              									welche ein Brett durchbohrt, eine weit größere Geschwindigkeit als 281 Fuß per Secunde (die höchste Geschwindigkeit in obiger
                              									Versuchsreihe) hat.
                           Da diese von der einfachen bis zur doppelten Zeit und darüber schwankenden und
                              									hinsichtlich ihrer Richtigkeit aller Wahrscheinlichkeit entbehrenden Resultate bei
                              									manchem der Anwesenden Zweifel an den Leistungen des Chronoskops und seiner
                              									Brauchbarkeit für derartige Zwecke zu erregen schienen, so fand ich mich veranlaßt,
                              									der Sache näher auf den Grund zu gehen. Ich kam bald zu dem Schlusse, daß die Quelle
                              									jener unregelmäßigen und offenbar fehlerhaften Resultate nicht im Chronoskop selbst
                              									zu suchen sey, sondern einerseits in der Construction des Apparates, welcher die
                              									Kugel auffängt und in Folge ihres Stoßes den Schluß der Kette bewerkstelligt,
                              									andererseits in dem Umstande, daß man den Zeitintervall zwischen Oeffnung und
                              									Schließung der galvanischen Kette gewöhnlich als die Zeit betrachten zu können
                              									glaubt, welche die Kugel zum Zurücklegen der gemessenen Distanz braucht. Diese
                              									letztere Annahme würde aber nur dann richtig seyn, wenn die Ankunft der Kugel an
                              									ihrem Ziel und die Schließung der Kette in einen und denselben Moment zusammenfiele.
                              									Würde die von der Kugel getroffene Scheibe ihren zur Herstellung des galvanischen
                              									Contactes erforderlichen Spielraum mit der Geschwindigkeit der Kugel zurücklegen, so
                              									wäre das Aufprallen der Kugel und die Schließung der Kette ohne wahrnehmbaren Fehler
                              									als coincidirend zu betrachten. Nun kommt aber die träge Masse der Fangscheibe mit
                              									ins Spiel, und dieses ist ein Umstand, welcher die Geschwindigkeit nach dem Stoß
                              									dergestalt vermindern kann, daß, so klein auch die Rückbewegung der Scheibe seyn
                              									mag, die Coincidenz jener beiden Momente, ohne bemerkbaren Fehler, nicht mehr
                              									angenommen, und die am Chronoskop beobachtete Zeit nicht mehr als Maaßstab zur
                              									Beurtheilung der Geschwindigkeit betrachtet werden darf. So wog z.B. die eiserne
                              									Fangscheibe bei der obigen Versuchsreihe 181 Loth, die bleierne Kugel 1/4 Loth.
                              									Demnach bewegte sich, den Gesetzen des Stoßes unelastischer Körper gemäß, die
                              									Scheibe nach erfolgtem Stoße mit einer 725mal kleineren Geschwindigkeit als die
                              									Kugel vor dem Stoß. Hieraus geht hervor, daß die beobachteten Zeiträume zu groß,
                              									mithin die daraus
                              									abgeleiteten Geschwindigkeiten zu klein sind und einer Correction bedürfen, welche
                              									sich theoretisch bestimmen läßt.
                           Da die Art der Bewegung der Fangscheibe innerhalb des ihr angewiesenen Spielraums
                              									entweder eine parallele, wie bei der den obigen Versuchen
                              									zu Grunde liegenden Einrichtung, oder eine drehende seyn
                              									kann, wie bei der zweiten Versuchsreihe, auf die ich unten zurückkommen werde, so
                              									sollen bei der folgenden Untersuchung diese beiden Fälle berücksichtigt werden.
                           I. Fangapparat mit Parallelbewegung. Es bezeichne s die gemessene Distanz von der Mündung des Laufs bis
                              									zur Oberfläche der Fangscheibe; δ den zur
                              									Herstellung des Contactes erforderlichen Spielraum der letzteren; p das Gewicht der Kugel; P
                              									das Gewicht der Scheibe; V die zu ermittelnde
                              									Geschwindigkeit vor dem Stoß; v die Geschwindigkeit der
                              									Masse nach dem Stoß; t die am Chronoskop beobachtete
                              									Zeit. Die letztere besteht aus zwei Abschnitten, nämlich aus der Zeit, in welcher
                              									die Kugel die Strecke s, und aus der Zeit, in welcher
                              									die Fangplatte nach erfolgtem Stoße die kleine Strecke δ zurücklegt. Bezeichnet man den ersten Zeitabschnitt mit x, so ist der letztere = t
                              									– x. Es ist demnach die Geschwindigkeit vor dem Stoß
                           V = s/x
                              								
                           und die Geschwindigkeit nach dem
                              									Stoß
                           1)    v =
                              										δ/(t – x) = δV/(Vt – s).
                           Aber nach dem Gesetze des Stoßes unelastischer Körper ist
                           2)    v =
                              										pV/(P + p),
                              								
                           also durch Gleichsetzung beider Werthe 1 und 2, indem man
                              									gleichzeitig durch V dividirt:
                           δ/(Vt – s) = p/(P + p), woraus
                           3)    V =
                              										(s + δ)/t + Pδ/pt.
                           Nach dieser Formel läßt sich die Geschwindigkeit der Kugel vor dem Stoße aus der
                              									beobachteten Zeit, dem Gewichte und Spielraum der Fangplatte, dem Gewichte der Kugel
                              									und dem Abstande der Fangplatte von der Mündung des Laufs bestimmen, Reibung und
                              									andere Nebenhindernisse bei Seite gesetzt. Das erste Glied dieses Ausdruckes repräsentirt die
                              									Geschwindigkeit der Kugel für die wiewohl unrichtige Annahme, daß die beobachtete
                              									Zeit mit derjenigen, in welcher sie die Strecke s + δ zurücklegt, identisch sey, während das zweite
                              									Glied der gesuchte Werth der additiven Correction ist; und dieser fällt um so größer
                              									aus, je größer das Gewicht P der Scheibe so wie ihr
                              									Spielraum δ, und je kleiner das Gewicht p der Kugel ist. Der Fangapparat bestand bei den oben
                              									erwähnten Versuchen aus einer 11 Par. Zoll im Durchmesser haltenden und, wie bereits
                              									bemerkt, 5 Pfund 21 Loth oder 181 Loth schweren kreisrunden eisernen Scheibe, welche
                              									im Centrum an eine 1/2 Zoll dicke Achse befestigt war, die sich zur Herstellung des
                              									galvanischen Contactes in geeigneten Lagern ungefähr um 1/2 Linie zurückschieben
                              									ließ. Mit Bezug auf die Formel (3) ist daher, wenn man die Gewichte auf Lothe und
                              									die Dimensionen auf Linien reducirt: P = 181; p = 0,25; s = 730; δ = 0,5. Hieraus folgt mit Zugrundelegung der
                              									ersten Beobachtung d.h. für t = 0,018 Sec.
                           V = 730,5/0,018 + (181 . 0,5)/(0,25 . 0,018) = 281 +
                              									139,6 = 420,6 Par. Fuß.
                           Die Geschwindigkeit der Kugel würde demnach unter alleiniger Berücksichtigung der in
                              									Rede stehenden Verhältnisse 420,6 anstatt 281 Fuß betragen – ein Unterschied,
                              									welcher in der Wirklichkeit noch größer ausfällt, da bei obiger Berechnung
                              									Reibungswiderstand und andere Nebenhindernisse nicht in Betracht gezogen sind.
                           Was endlich jene auffallende Verschiedenheit der Resultate unter sich anbelangt, so läßt sich diese leicht aus einem unter den
                              									obwaltenden Umständen unvermeidlich veränderlichen Widerstande der Scheibe
                              									erklären.
                           Eine normale Wirkung konnte nämlich nur dann stattfinden, wenn die Kugel das Centrum
                              									der Scheibe traf. War dagegen der Stoß der Kugel kein centraler, so erfolgte jene
                              									kleine Rückbewegung der Scheibe unter einer um so größeren Klemmung, mithin um so
                              									langsamer, je näher der Stoßpunkt an ihrem Rande lag. Und in der That entging der
                              									Zusammenhang, in welchem die jedesmalige Beobachtung einer größeren Zeitdauer mit
                              									der Annäherung des Stoßpunktes gegen den Rand der Scheibe stand, den Anwesenden
                              									nicht.
                           II. Fangapparat mit drehender Bewegung. Diese Vorrichtung
                              									besteht gewöhnlich aus einer hinreichend starken viereckigen Platte, welche wie ein
                              									Fensterflügel um eine ihrer Kanten drehbar ist. Der galvanische Contact wird in der
                              									Mitte der äußersten Kante, welche der Drehungsachse parallel läuft, bewerkstelligt.
                              									Daß auch bei dieser Anordnung die am Chronoskop abgelesene Zeit, und die gemessene
                              									Distanz der Fangplatte von der Mündung des Laufs, als Elemente zur Bestimmung der
                              									Geschwindigkeit des Geschosses nicht genügen, folgt schon aus dem die Herstellung
                              									des Contactes verzögernden Trägheitsmomente der Platte.
                              									Außerdem werden aber auch die beobachteten Zeiten verschieden
                                 										unter sich ausfallen müssen, weil die Geschwindigkeit der Rückbewegung nach
                              									dem Stoße nicht allein von der trägen Masse der Fangplatte, sondern auch von der
                              									voraussichtlich bei jedem Schusse sich ändernden Entfernung des Stoßpunktes von der
                              									Drehungsachse abhängt. Es würde demnach jeder einzelne Versuch seine besondere
                              									Correction erfordern.
                           Um nun aus der am Chronoskop beobachteten Zeit und dem gegebenen Abstande der
                              									Fangplatte von der Mündung des Laufs, unter Berücksichtigung des Gewichtes der
                              									Platte, ihres Spielraums und der Lage des Stoßpunktes, die effective Geschwindigkeit
                              									des Geschosses zu ermitteln, stelle Fig. 22 die viereckig
                              									prismatische Fangplatte in perspectivischer Ansicht dar. XY sey ihre Drehungsachse, AD die zur Platte senkrechte Schußlinie, D der Stoßpunkt, CD =
                              										r der Hebelarm der Stoßkraft. P bezeichne die Masse der Fangplatte; p die
                              									Masse der Kugel; M das Trägheitsmoment der Fangplatte in
                              									Beziehung auf die Achse XY; P¹ ihre auf den Punkt D reducirte Masse; b ihre
                              									Dicke; l ihre Länge BC, welche im vorliegenden Falle zugleich dem Halbmesser der Contactstelle
                              									entspricht; endlich V die Geschwindigkeit vor und v die Geschwindigkeit
                              										nach dem Stoß.
                           Man findet sofort die auf den Stoßpunkt D reducirte Masse
                              									der Platte, indem man ihr Trägheitsmoment durch das Quadrat des Hebelarms des
                              									Stoßpunktes dividirt, d.h.
                           I.)    P¹ = M/r².
                           Nun ist die Geschwindigkeit der Platte nach dem Stoß im Punkte
                              										D
                              								
                           v = pV/(P¹ + p)
                           oder, indem man den Werth für P¹ aus I substituirt,
                           II.)    v =
                                 										pr²V/(M +
                              										pr²).
                           Für das Trägheitsmoment M ergibt
                              									sich, nach bekannten Principien der höheren Mechanik, der Werth
                           M = P (1/3 l² + 1/12 b²).
                           
                           Substituirt man diesen Werth in II, so folgt
                           III.) Textabbildung Bd. 132, S. 265
                              								
                           Ist nun, was bei Voraussetzung einer eisernen Fangplatte wohl
                              									angenommen werden darf, die Dimension b gegen die
                              									Dimension l sehr klein, so kann ohne bemerkbaren Einfluß
                              									auf das Resultat, 1/12 b² gegen 1/3 l² vernachlässigt werden. Es ist daher
                           v = pr²V/(⅓ Pl² + pr²);
                           und hieraus folgt
                           IV.) Textabbildung Bd. 132, S. 265
                              								
                           Bezeichnet nun wieder s den
                              									Abstand des Stoßpunktes von der Mündung des Laufes, δ den kleinen als gerade Linie zu betrachtenden Bogen, welchen der
                              									Punkt B zur Herstellung des Contactes durchlaufen muß,
                              										v¹ seine Geschwindigkeit und t die am Chronoskop beobachtete Zeit, so ist zunächst,
                              									ganz analog dem zuerst behandelten Fall,
                           v¹ = δV/(tV – s);
                           mithin, wegen v = r/l v¹,
                           v = r/l
                              									δV/(tV – s).
                           Indem man diesen Werth für v in
                              									den Ausdruck IV substituirt, ergibt sich nach gehöriger Reduction:
                           V.)     V =
                              										(δPl)/(3tpr) + (s + δr)/lt
                           als gesuchte Geschwindigkeit des Geschosses, ohne Rücksicht
                              									auf Reibung und Widerstand der Luft an der Platte.
                           Um mittelst dieser Formel durch ein praktisches Beispiel anschaulich darzulegen,
                              									welch bedeutenden Einfluß Masse und Spielraum der Fangplatte, so wie die Lage des
                              									Stoßpunktes auf das Resultat haben kann, will ich annehmen, die Entfernung s sey = 6 Fuß, der Spielraum δ = 1/2 Linie = 1/288 Fuß und die beobachtete Zeit t = 0,012 Sec. Alsdann würde sich, ohne Berücksichtigung
                              									der obigen Verhältnisse, für die Geschwindigkeit des Geschosses einfach der
                              									Werth
                           V = (s +
                              										δ)/t = (6 +
                              									¹/₂₈₈)/0,012 = 500,2 Fuß
                           
                           herausstellen. Berücksichtigt man aber Lage des Stoßpunktes,
                              									Masse und Spielraum, nimmt z.B. an, die Kugel treffe die Mitte der Platte, deren
                              									Länge l = 1 Fuß seyn soll, wodurch r = 1/2 Fuß wird, behält für das Gewicht der Platte und
                              									der Kugel die im vorhergehenden Fall gegebenen Werthe, nämlich P = 181 Loth und p = 1/4
                              									Loth bei, und setzt endlich diese in die Formel V, so
                              									ergibt sich als corrigirte Geschwindigkeit
                           V = 639,7 Fuß,
                           welche um 139,5 Fuß größer ist als die obige. Dieser
                              									Geschwindigkeitsunterschied ändert sich aber mit der Lage des Stoßpunktes und steht
                              									im umgekehrten Verhältniß zum Hebelarm r desselben, so
                              									daß er für r = 1/4 Fuß doppelt so groß, mithin die
                              									Geschwindigkeit V = 779,4 Fuß ausfallen würde.
                           Die Wahrnehmung des ungünstigen Erfolges, welcher in der ersten Versuchsreihe zum
                              									Vorschein kam, veranlaßte Hrn. Professor Böttger, mit dem
                              									Fangapparat eine Veränderung vorzunehmen, nämlich die Parallelbewegung der Scheibe
                              									in eine drehende zu verwandeln und zugleich das Gewicht der Fangscheibe zu
                              									vermindern. Fig.
                                 										23 stellt eine Skizze dieser Vorrichtung in der Seitenansicht dar. A ist die kreisrunde Fangscheibe, welche dießmal aus
                              									einem eisernen Reif besteht, der mit einem feinen Drahtgewebe überspannt und an den
                              									einen Arm eines um a drehbaren Hebels befestigt ist. b, d ist der um c drehbare
                              									horizontale Contacthebel, dessen Ende d durch den Druck
                              									der Feder m beständig das Bestreben erhält, mit dem Ende
                              										n des Leitungsdrahtes sich zu vereinigen und die
                              									Kette zu schließen. Um einen Versuch anzustellen, bringt man das Ende b des Contacthebels unter das Ende des verticalen Hebels
                              									in die Fig.
                                 										23 dargestellte Lage, wodurch das Ende d mit
                              									seiner Schraube ein wenig von n entfernt und die Kette
                              									geöffnet wird. Sobald nun die Kugel das Drahtgewebe des Reifes A durchdringt, bewegt sich der letztere in Folge der
                              									dadurch erhaltenen momentanen Erschütterung zurück, das untere Ende b seines Hebels löst den horizontalen Hebel aus, dessen
                              									anderes Ende sofort mit n in Contact kommt und die Kette
                              									schließt. B ist eine feststehende eiserne Scheibe zur
                              									Auffangung der durch das Drahtgewebe gegangenen Kugeln. Der Reif A hat einen Durchmesser von 7 3/4 Par. Zoll und wiegt 1
                              									Pfund 10 1/2 Loth; sein Mittelpunkt ist 4,7 Zoll von der Drehungsachse entfernt und
                              									muß sich, bis die Auslösung des Contacthebels erfolgt, um 0,6 Linien zurückbewegen.
                              									Demnach ist bei dieser Anordnung der Zeitintervall zwischen dem Momente der
                              									Durchdringung des Drahtgewebes und demjenigen der Herstellung des galvanischen
                              									Contactes aus zwei Elementen zusammengesetzt, nämlich aus der Zeit, welche der
                              									Mittelpunkt des Reifes
                              									braucht, um in Folge des Impulses der Kugel die Strecke von 0,6 Par. Linien
                              									zurückzulegen, nebst dem kleinen Zeittheilchen, welches die Bewerkstelligung des
                              									Contactes zwischen den Punkten d und n erfordert. Daß die ballistischen Versuche mit
                              									Benutzung dieses zweiten Fangapparates einen ähnlichen ungünstigen Erfolg hatten,
                              									wie die mit dem ersten, erkennt man aus der folgenden Versuchsreihe.
                           Distanz = 42 Fuß 2 Zoll 5 Linien.
                           
                              
                                 Nr.
                                       
                                    											Zeit.
                                     Geschwindigkeit.
                                 
                              
                                  1
                                 0,106 Secund.
                                 398 Fuß per Secunde
                                 
                              
                                  2
                                 0,232     „
                                 182  
                                    											„        
                                    											„
                                 
                              
                                  3
                                 0,148     „
                                 285  
                                    											„        
                                    											„
                                 
                              
                                  4
                                 0,255     „
                                 165  
                                    											„        
                                    											„
                                 
                              
                                  5
                                 0,351     „
                                 120  
                                    											„        
                                    											„
                                 
                              
                           Diese unbefriedigenden und schwankenden Resultate finden in der vorangegangenen
                              									Untersuchung ihre Erklärung.
                           III. Vorschlag eines verbesserten Fangapparates. Die im
                              									Vorhergehenden dargelegten Verhältnisse führen zu dem Schluß, daß bei ballistischen
                              									Geschwindigkeitsversuchen mit dem Chronoskop das Trägheitsmoment der Fangplatte und
                              									die ungleiche Wirkung der Stoßkraft es hauptsächlich sind, auf deren Verminderung
                              									und Beseitigung ein besonderes Augenmerk zu richten ist, wenn die Geschwindigkeit
                              									des Geschosses ohne weiteres aus der beobachteten Zeit und der gemessenen Distanz
                              									abgeleitet werden soll. Diesem Zweck dürfte wohl folgende Einrichtung des
                              									Fangapparates, welche Fig. 24 in einer
                              									Seitenskizze dargestellt ist, am vollständigsten entsprechen. Fig. 25 ist die vordere
                              									Ansicht der Fangscheibe oder Fangplatte A. Dieselbe ist
                              									bei a und b an den Enden
                              									zweier an einer Achse d, d befestigter Arme a, d und b, d aufgehängt.
                              									Die Achse d, d enthält noch einen dritten Arm d, f, welcher im Verein mit den Armen b, d und a, d einen
                              									zweiarmigen Hebel bildet. An einem dritten Punkte bei c
                              									ist die Scheibe mit einem um k drehbaren Hebel m, n (Fig. 24) verbunden. Die
                              									Hebelarme k, m und d, f sind
                              									einander gleich, und da sie an ihren Enden durch eine Stange m, f mit einander verbunden sind, so müssen sie sich gemeinschaftlich und
                              									parallel zu einander bewegen. Da nun aber auch die Hebelarme ck und da (Fig. 24)
                              									einander gleich sind, so haben die drei Aufhängungspunkte a,
                                 										b, c der Scheibe stets die gleiche Geschwindigkeit. Die Scheibe wird sich daher durch den
                              									Impuls der Kugel parallel mit sich selbst in unveränderlich senkrechter Lage
                              									zurückbewegen. Diese Anordnung bietet zugleich die aus den Gesetzen der Statik
                              									leicht nachzuweisende wichtige Eigenschaft dar, daß die Wirkung des Stoßes gegen die
                              									Scheibe, auf den Punkt c des Hebels m, n reducirt, sich gleich bleibt, an welcher Stelle
                              									auch die Scheibe von der Kugel getroffen werden möge, daß also jeder Stoß mit
                              									einerlei Stärke auf die Drehung des Hebels mn
                              									wirkt, gleichgültig, ob er gegen eine höhere oder tiefere Stelle, ob er gegen das
                              									Centrum oder den Rand der Scheibe gerichtet ist. Es ist somit durch diese Methode
                              									der Aufhängung die Ursache jener Verschiedenheit der Resultate unter sich in Folge
                              									der veränderlichen Lage des Stoßpunktes beseitigt. Die Auslösung des Hebels n, o zur Herstellung des galvanischen Contactes bei o kann auf ähnliche Weise, wie bei der Einrichtung Fig. 23
                              									bewerkstelligt werden, wobei man noch darauf bedacht seyn mag, durch eine geeignete
                              									Hebellänge kn eine möglichst momentane Auslösung
                              									bei n zu erzielen. Will man die Kugel ganz durch die
                              									Scheibe A auffangen lassen, so ist es nicht zu
                              									vermeiden, der letzteren ein im Verhältniß zur Kugel bedeutendes Gewicht zu geben.
                              									Von der Größe der Bewegung des Hebels k, n bei n, welche erforderlich ist, um den Hebel n, o auszulösen, von dem Spielraum bei o, so wie von dem Hebelverhältniß kc: kn wird es
                              									alsdann abhängen, ob die Herstellung des Contactes momentan genug erfolgt, um ohne
                              									weitere Correction als mit dem Stoß der Kugel gegen die Scheibe coincidirend
                              									betrachtet werden zu können. Der größeren Zuverlässigkeit wegen ist es jedoch
                              									rathsam, die Fangplatte so leicht wie möglich zu construiren, etwa nur aus einem
                              									leichten Reif oder Rahmen, welcher mit einem ganz dünnen Brett bedeckt oder mit
                              									einem feinen Drahtgewebe überspannt ist, und die Kugel durch eine dahinter
                              									befestigte eiserne Platte auffangen zu lassen. Ist der Apparat empfindlich genug
                              									construirt, so genügt die leichte Erschütterung beim Durchgang der Kugel durch das
                              									dünne Brett oder das Drahtgewebe zur momentanen Auslösung des Contacthebels. Es
                              									versteht sich von selbst, daß der eigentliche Mechanismus gegen Beschädigungen durch
                              									die Kugel geschützt seyn muß.
                           
                        
                     
                  
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