| Titel: | Ueber die Zersetzung des schwefelsauren und des phosphorsauren Kalks durch Salzsäure; von Hrn. Cari-Mantrand. | 
| Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. CII., S. 373 | 
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                        CII.
                        Ueber die Zersetzung des schwefelsauren und des
                           								phosphorsauren Kalks durch Salzsäure; von Hrn. Cari-Mantrand.Professor Dumas hat diese Untersuchung des Verfassers,
                                 										eines jungen Chemikers, der (französischen) Akademie der Wissenschaften
                                 										eingereicht.
                           							
                        Aus den Comptes rendus, Mai 1854, Nr.
                              								20.
                        Ueber die Zersetzung des schwefelsauren und des phosphorsauren
                           								Kalks durch Salzsäure.
                        
                     
                        
                           Das gewöhnliche Verfahren den Phosphor mittelst sauren phosphorsauren Kalks zu
                              									bereiten, ist complicirt, langwierig und überdieß liefert es nur eine geringe
                              									Ausbeute. Es ist auffallend, daß seit Scheele und Gahn kein Chemiker sich bemühte eine Reaction zu
                              									ermitteln, welche gestattet den Phosphor aus dem phosphorsauren Kalk der Knochen
                              									direct und vollständig zu gewinnen. Beim Nachdenken über eine solche Reaction
                              									verfiel ich zuerst auf die folgende, welche direct allen Phosphor der Knochen geben
                              									müßte:
                           PhO⁵, 3 CaO + 8 C + 3 ClH = 8 CO + 3 CaCl + 3 H + Ph.
                           Es fragte sich nun, ob das Experiment diese Theorie bestätigen würde. Ich brachte
                              									daher in ein Porzellanrohr ein inniges Gemenge von fein gepulverter Holzkohle und
                              									Knochenasche, zu gleichen Theilen. Dieses Rohr wurde auf einem langen Ofen
                              									angebracht, sein eines Ende mit einem Apparat zur Entwickelung trocknen
                              									Chlorwasserstoffgases verbunden und an seinem anderen Ende ein unter rechtem Winkel
                              									gekrümmter Vorstoß angefügt, welcher in eine zur Hälfte mit Wasser gefüllte Flasche
                              									ausmündete, die als Vorlage diente. Ich erhitzte das Rohr allmählich bis zum
                              									lebhaften Rothglühen und ließ dann das Chlorwasserstoffgas über das glühende Gemenge
                              									streichen. Es dauerte nur kurze Zeit, so verdichteten sich reichliche Dämpfe von
                              									Phosphor, welche von dem rasch entwickelten Kohlenoxydgas mitgerissen worden waren,
                              									in den kalten Theilen des Vorstoßes. Das Chlor der Chlorwasserstoffsäure bemächtigte
                              									sich also (unter dem Einfluß der großen Verwandtschaft des Kohlenstoffs zum
                              									Sauerstoff) des Calciums, um Chlorcalcium zu bilden, und die frei gewordene
                              									Phosphorsäure wurde durch die Kohle reducirt und gab ihren Phosphor vollständig ab.
                              									Ich setzte den Versuch fort, so lange der Entwickelung von Chlorwasserstoffsäure
                              									eine Entbindung von Kohlenoxyd entsprach.
                           
                           Nach Verlauf einer Stunde beendigte ich die Operation, da ich sah, daß die
                              									Sublimation des Phosphors keinen Fortschritt mehr machte. Nachdem das Rohr erkaltet
                              									war, fand ich darin bloß noch Chlorcalcium als Kügelchen in der überschüssig
                              									angewandten Kohle vertheilt. Ich konnte keine Spur von phosphorsaurem Kalk in dem
                              									kohligen Rückstand auffinden. Der im Vorstoß enthaltene Phosphor besaß alle
                              									physischen und chemischen Eigenschaften dieses Körpers.
                           Es fragte sich nun, ob der Wasserstoff der Chlorwasserstoffsäure bei dieser Reaction
                              									eine Rolle spielt, ob man ihm die Desoxydation des Kalks zuschreiben, mit andern
                              									Worten die Zersetzung des phosphorsauren Kalks durch folgende Gleichung erklären
                              									muß:
                           PhO⁵, 3 CaO + 5 C + 3 ClH = 5 CO + 3 HO + 3 CaCl + Ph.
                           Um darüber ins Reine zu kommen, ersetzte ich bei dem vorhergehenden Versuch das
                              									Chlorwasserstoffgas durch trockenes Chlor. Als letzteres Gas über das Gemenge von
                              									Knochenasche und Kohle bei der früher angewandten Temperatur geleitet wurde,
                              									verwandelte sich dasselbe noch schneller, als im vorhergehenden Fall, in Phosphor,
                              									Chlorcalcium und Kohlenoxyd. Wenn bei diesem Versuch der Chlorstrom gehörig regulirt
                              									wird, so geht keine Blase von Chlorgas über, sondern dasselbe wird gänzlich
                              									absorbirt und in Chlorcalcium verwandelt. Da bei der angewandten Temperatur ein
                              									Phosphorchlorid nicht bestehen kann, so geht aller Phosphor bei der Destillation
                              									über. Dieser zweite Versuch scheint zu beweisen, daß bei der Zersetzung des
                              									phosphorsauren Kalks durch das Chlorwasserstoffgas, bei Gegenwart von Kohle, der
                              									Wasserstoff sich rein passiv verhält; doch habe ich gefunden, daß wenn die
                              									Temperatur nicht hoch genug ist, dieses Gas eine kleine Menge Phosphor in
                              									Phosphorwasserstoff verwandelt.
                           Wenn dieses Verfahren bei der Anwendung im Großen nicht mit ernstlichen
                              									Schwierigkeiten verbunden ist, so wäre es viel vortheilhafter als das jetzt
                              									gebräuchliche; es würde nämlich die Handarbeit sehr vereinfacht und aller in den
                              									Knochen enthaltene Phosphor gewonnen werden, wobei man für die Schwefelsäure und das
                              									Kochsalz, welche zur Entwickelung der Chlorwasserstoffsäure dienten, Glaubersalz
                              									erhielte.
                           Ich wollte dieselbe Zersetzungsmethode auch auf den natürlichen schwefelsauren Kalk (Gyps) anwenden; in dieser Hinsicht machte ich
                              									folgende Beobachtungen:
                           Wenn man den schwefelsauren Kalk innig mit so viel Kohlenpulver vermengt, daß
                              									dasselbe sowohl dem Kalk als der Schwefelsäure allen Sauerstoff in Form von
                              									Kohlenoxyd entziehen kann, und über dieses Gemenge bei der Rothglühhitze
                              									Chlorwasserstoffgas leitet, so zersetzt es sich sehr leicht; die Producte sind
                              									Chlorcalcium, Kohlenoxyd, Schwefeldampf und ein wenig Schwefelwasserstoff.
                           Aus diesem Versuch ergibt sich keine neue Thatsache, denn man wußte bereits, daß der
                              									schwefelsaure Kalk beim Glühen mit Kohle Schwefelcalcium bildet, und daß das
                              									Schwefelcalcium, mit flüssiger Salzsäure behandelt, sich in Schwefel,
                              									Schwefelwasserstoff und Chlorcalcium zersetzt. Der ganze Unterschieb besteht in der
                              									Verfahrungsweise. Ich ging aber weiter: ich fand, daß wenn man über den
                              									schwefelsauren Kalk (ohne Zusatz von Kohle) bei der Rothglühhitze
                              									Chlorwasserstoffgas leitet, er sich in Chlorcalcium verwandelt; die abgeschiedene
                              									Schwefelsäure destillirt zum Theil als solche über, der Rest zersetzt sich durch die
                              									Hitze in schweflige Säure und Sauerstoff.
                           Ich hoffte daß diese Reaction eine technische Anwendung finden könnte; Hr. Kuhlmann, welcher den Versuch in sehr großem Maaßstab
                              									wiederholte, glaubt jedoch, daß die große Menge Salzsäure, welche zur Zersetzung des
                              									schwefelsauren Kalks erforderlich ist, und die Nothwendigkeit das salzsaure Gas
                              									auszutrocknen, zu ernstliche Hindernisse bei der Schwefelsäurefabrication nach
                              									dieser Methode wären.
                           Wenn man über den schwefelsauren Kalk bei der Rothglühhitze trocknes Chlorgas leitet,
                              									so verwandelt er sich ebenfalls in Chlorcalcium; ein kleiner Theil der frei
                              									gewordenen wasserfreien Schwefelsaure geht als solche über, der Rest entbindet sich
                              									in Form von schwefliger Säure und Wasserstoff.
                           Leitet man über das schwefelsaure Kali und Natron, welche schmelzbarer sind und
                              									deßwegen leichter angegriffen werden als der schwefelsaure Kalk, bei der
                              									Rothglühhitze trocknes Chlorgas, so geben sie eine beträchtliche Menge wasserfreier
                              									Schwefelsäure. In den Zersetzungsproducten dieser beiden Salze fand ich auch eine
                              									sehr geringe Menge einer braunen, klebrigen, an der Luft rauchenden Flüssigkeit; mit
                              									ein wenig Wasser versetzt, brachte dieselbe ein Zischen hervor, wornach sich unter
                              									lebhaftem Aufbrausen Chlorwasserstoffgas entwickelte und die Flüssigkeit gewöhnliche
                              									Schwefelsäure enthielt. Auf der Haut veranlaßte diese Flüssigkeit ein starkes
                              									Brennen; wahrscheinlich ist dieser Körper eine Verbindung von Chlor mit wasserfreier
                              									Schwefelsäure.
                           Schließlich versuchte ich die Phosphorsäure aus dem phosphorsauren Kalk der Knochen
                              									mittelst desselben Verfahrens auszuziehen, aber ohne allen Erfolg. Als ich hingegen
                              									dem phosphorsauren Kalk nur so viel Kohle zusetzte, als gerade hinreichte um bloß
                              									dem Kalk den Sauerstoff zu entziehen, gelang es mir mittelst des trocknen Chlors eine
                              									ziemlich große Menge wasserfreier Phosphorsäure zu erhalten, welche mit ein wenig
                              									Phosphor (in Folge theilweiser Reduction dieser Säure), und mit ein wenig
                              									Chloralumium (von dem angegriffenen Porzellanrohr) gemengt war.