| Titel: | Ueber die Farbstoffe der Blumen; von den HHrn. E. Frémy und Cloëz. | 
| Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. CIV., S. 377 | 
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                        CIV.
                        Ueber die Farbstoffe der Blumen; von den HHrn.
                           									E. Frémy und
                           									Cloëz.
                        Aus dem Journal de Pharmacie, April 1854, S.
                              								249.
                        Frémy, über die Farbstoffe der Blumen.
                        
                     
                        
                           Unsere chemischen Kenntnisse über die Farbstoffe der Blumen sind noch sehr
                              									unvollständig. Auch hat das Studium derselben große Schwierigkeiten, weil sie nicht
                              									krystallisirbar sind und sich durch die zu ihrer Abscheidung angewandten Agentien
                              									sehr oft verändern, ferner weil selbst solche Blumen, welche eine sehr lebhafte
                              									Farbe besitzen, ihre Färbung oft sehr geringen Mengen von Farbstoff verdanken.
                           Ueber die Natur der Farbstoffe der Blumen wurden verschiedene Meinungen aufgestellt.
                              									Mehrere Chemiker nahmen an, daß die Blumen ihre Farbe nur zwei Farbstoffen
                              									verdanken, einem blauen, Anthokyan (Blumenblau, bleu cyanique), und einem gelben, Anthoxanthin (Blumengelb, jaune xanthique)
                              									genannt. Andere wollten eine Beziehung zwischen dem grünen Farbstoff der Blätter,
                              									Chlorophyll, und den Farbstoffen der Blumen erkennen, und gründeten ihre Ansicht im
                              									Allgemeinen auf Betrachtungen, welche sie aus der Elementar-Analyse dieser
                              									näheren Bestandtheile schöpften; nun ist aber bekanntlich das Chlorophyll in reinem
                              									Zustande noch nicht dargestellt worden, es enthält wahrscheinlich wandelbare Mengen von fetten und
                              									eiweißartigen Substanzen, überdieß kannte man die Farbstoffe der Blumen selbst nur
                              									ungenügend.
                           Eine Zeit lang wollte man die blaue Farbe der Blumen der Gegenwart von Indigo
                              									zuschreiben; allein Chevreul wies mit Bestimmtheit nach,
                              									daß die blaue Substanz der Blumen von den Säuren stets geröthet wird und ganz
                              									verschieden vom Indigo ist, welcher bekanntlich bei Behandlung mit den stärksten
                              									Säuren seine blaue Farbe behält.
                           Das Studium der Farbstoffe der Blumen war sonach bisher nur ein oberflächliches und
                              									mußte ganz von vorn begonnen werden. Diese Stoffe sind für den Chemiker von
                              									Interesse, weil sie in den Laboratorien als Reagens auf Alkalien dienen, und eine
                              									nähere Kenntniß derselben würde es vielleicht dem Gärtner ermöglichen bei den
                              									Blumen, die er zieht, die gewünschten Farben hervorzubringen.
                           Wir wollten vorerst die Verfahrungsweisen zur Darstellung der Farbstoffe aus den
                              									Blumen sorgfältig erforschen, und untersuchen ob diese Substanzen als besondere
                              									nähere Bestandtheile zu betrachten sind, oder ob sie von einem und demselben Körper
                              									herrühren, welcher von den Säften der Gewächse auf verschiedene Weise modificirt
                              									würde.
                           
                        
                           Blauer Farbstoff der Blumen (Cyanin).
                           Die blaue Substanz der Blumen nennen wir Cyanin. Um sie zu
                              									erhalten, behandeln wir die Blumenblätter der Veilchen, der blauen Kornblumen oder
                              									der Schwertlilien zuerst mit kochendem Alkohol; die Blume entfärbt sich und die
                              									Flüssigkeit nimmt sogleich eine schöne blaue Farbe an.
                           Läßt man den Farbstoff einige Zeit mit dem Alkohol in Berührung, so verschwindet
                              									allmählich die blaue Farbe der Flüssigkeit und wird bald durch eine braungelbe
                              									ersetzt; der Farbstoff erlitt in diesem Fall durch die längere Einwirkung des
                              									Alkohols eine wirkliche Reduction, er kann aber, wenn man den Alkohol in Berührung
                              									mit der Luft abdampft, seine anfängliche Farbe wieder annehmen; man darf aber den
                              									Alkohol nicht zu lang mit dem Farbstoff in Berührung lassen, weil sonst der
                              									alkoholische Auszug seine blaue Färbung durch die Einwirkung des Sauerstoffs nicht
                              									mehr bekäme.
                           Der nach Abdampfung des Alkohols bleibende Rückstand wird mit Wasser behandelt,
                              									welches eine fette und harzige Substanz absondert; die wässerige Lösung, welche nun
                              									den Farbstoff enthält, wird mit neutralem essigsaurem Blei gefällt; dieser
                              									Niederschlag, welcher eine schöne grüne Farbe besitzt, kann mit viel Wasser ausgewaschen und
                              									dann mit Schwefelwasserstoff zersetzt werden; der Farbstoff bleibt dann in Wasser
                              									aufgelöst. Diese Flüssigkeit wird im Wasserbad vorsichtig abgedampft, der Rückstand
                              									mit absolutem Alkohol behandelt und endlich die alkoholische Lösung mit Aether
                              									gefällt, welcher das Cyanin in bläulichen Flocken abscheidet.
                           Das Cyanin ist unkrystallisirbar, in Wasser und Alkohol löslich, in Aether unlöslich;
                              									von Säuren und sauren Salzen wird es augenblicklich roth gefärbt; Alkalien färben es
                              									bekanntlich grün. Es scheint die Rolle einer Säure zu spielen, wenigstens bildet es
                              									mit Kalk, Baryt, Strontian, Bleioxyd u.s.w. in Wasser unlösliche, grüne
                              									Verbindungen.
                           Die den Sauerstoff begierig anziehenden Körper, wie schweflige Säure, phosphorige
                              									Säure, Alkohol, wirken entfärbend auf dasselbe; in Berührung mit Sauerstoff nimmt es
                              									seine Farbe wieder an.
                           
                        
                           Rosenrother Farbstoff.
                           Zum Ausziehen der Substanz welche mehrere Dahlienarten, die Rose, die Pfingstrose
                              									etc. rosenroth färbt, wandten wir den Alkohol an, indem wir genau dasselbe Verfahren
                              									befolgten wie zur Darstellung des Cyanins; die rosenrothe Substanz wurde mit
                              									neutralem essigsaurem Blei gefällt, dann mittelst absoluten Alkohols und Aethers
                              									gereinigt.
                           Bei Vergleichung der Eigenschaften dieses Farbstoffs mit jenen des Cyanins, erkannten
                              									wir daß der rosenrothe Farbstoff derselbe ist, wie der blaue, oder doch nur eine
                              									Modification desselben; er entsteht, wenn die Pflanzensäfte, womit der blaue
                              									Farbstoff in Berührung kommt, sauer reagiren. Wir haben diese saure Reaction bei den
                              									Säften mit rother oder rosenrother Färbung stets beobachtet, während der Saft von
                              									blauen Blumen immer neutral reagirte.
                           Wir behandelten die meisten von den rosenroth und roth gefärbten Blumen, welche im
                              									Museum zu Paris gezogen werden, mit Alkalien, wobei sie sich anfangs blau und
                              									hernach schön grün färbten.
                           Nicht selten sieht man rosenrothe Blumen, wie Malven und namentlich den Hibiscus syriacus, beim Abwelken eine blaue und hernach
                              									eine grüne Farbe annehmen; diese Veränderung rührt, wie wir fanden, von der
                              									Zersetzung einer stickstoffhaltigen organischen Substanz her, welche in den
                              									Blumenblättern in reichlicher Menge enthalten ist. Dieser Körper erzeugt bei seiner
                              									Zerstörung Ammoniak, welches den Blumen beim Welken die blaue oder grüne Farbe gibt;
                              									eine schwache Säure ertheilt übrigens den Blumenblättern ihre rosenrothe Farbe
                              									wieder.
                           
                           Bei mehreren rosenrothen Blumen beobachtet man auch eine Farbenveränderung, wenn die
                              									Blumenblätter (z.B. im luftleeren Raum) schnell austrocknen; es läßt sich hier nicht
                              									wohl annehmen, daß eine stickstoffhaltige organische Substanz sich soweit zersetzte,
                              									daß sie Ammoniak lieferte; in diesem Fall bemerkt man aber, daß die
                              									Farbenveränderungen ins Violette stechen und nie bis in Grün übergehen, ferner daß
                              									sie stets mit Kohlensäure-Entwickelung verbunden sind, wovon wir uns durch
                              									einen directen Versuch überzeugten. Die anfangs rosenrothen Blumenblätter, welche
                              									durch Trocknen violett werden, entwickeln also Kohlensäure; man kann daher annehmen,
                              									daß diese Kohlensäure die rosenrothe Farbe in der Blume erhielt und daß sie bei
                              									deren Entweichen die blaue Farbe annehmen, welche diejenigen Blumen charakterisirt,
                              									deren Saft neutral ist.
                           Wir glauben sonach mit Gewißheit behaupten zu können, daß die rosenrothen, violetten
                              									und blauen Blumen ihre Farbe derselben Substanz verdanken, welche nur von dem Saft
                              									dieser Blumen verschieden modificirt wurde.
                           Die scharlachrothen Blumen enthalten ebenfalls das durch eine Säure geröthete Cyanin,
                              									welches aber mit den sogleich zu beschreibenden gelben Farbstoffen gemengt ist.
                           
                        
                           Gelbe Farbstoffe.
                           Die einfachsten Versuche beweisen, daß nicht die geringste Analogie zwischen der die
                              									Blumen gelbfärbenden Substanz und der oben besprochenen besteht; die Reagentien
                              									können niemals den aus den Blumen gezogenen gelben Stoffen die blauen, rosenrothen
                              									oder grünen Farben ertheilen, welche sich mit dem Cyanin so leicht hervorbringen
                              									lassen.
                           Bei unserer Untersuchung der verschiedenen gelb gefärbten Blumen fanden wir, daß sie
                              									ihre Farbe Stoffen verdanken, deren Eigenschaften sehr von einander abweichen und
                              									welche nicht von demselben näheren Bestandtheil abgeleitet werden können; der eine
                              									dieser Stoffe ist in Wasser ganz unauflöslich und wir nennen ihn Xanthin. Den andern, sehr auflöslichen gelben Farbstoff
                              									nennen wir Xantheïn.
                           
                        
                           In Wasser unlöslicher gelber Farbstoff (Xanthin).
                           Wir haben diesen Farbstoff aus mehreren gelben Blumen, vorzüglich aber aus der
                              									Sonnenblume (Helianthus annuus) gezogen.
                           Um ihn zu erhalten, behandeln wir die Blumen mit kochendem absolutem Alkohol, welcher
                              									den Farbstoff auflöst, ihn aber beim Erkalten fast vollständig wieder fallen läßt. Der so erhaltene
                              									gelbe Niederschlag ist nicht das reine Xanthin, sondern enthält eine beträchtliche
                              									Menge Oel; um diesen Fettkörper abzusondern, kochen wir den gelben Niederschlag mit
                              									einer kleinen Menge Alkali, damit das dem Xanthin beigemengte Oel, welches diesen
                              									Farbstoff sogar aufgelöst erhält, verseift werde; da aber das Xanthin in
                              									seifehaltigem Wasser auflöslich ist, so verdünnen wir die Masse nicht mit Wasser,
                              									sondern zersetzen sie durch eine Säure, welche die bei der Verseifung entstandenen
                              									Fettsäuren und das Xanthin abscheidet; diesen Niederschlag behandeln wir mit kaltem
                              									Alkohol, welcher die Fettsäuren auflöst und das Xanthin zurückläßt. Letzteres ist
                              									eine schöngelbe Substanz, welche in Wasser unlöslich, in Alkohol und Aether aber
                              									auflöslich ist und dieselben goldgelb färbt.
                           Sie scheint unkrystallisirbar zu seyn und besitzt die allgemeinen Eigenschaften der
                              									Harze.
                           Das Xanthin, in veränderlichen Mengen dem, durch die Pflanzensäfte verschiedentlich
                              									modificirten Cyanin beigemengt, ertheilt den Blumen orangegelbe, rothe und
                              									scharlachrothe Farben.
                           
                        
                           In Wasser löslicher gelber Farbstoff (Xantheïn).
                           Wenn man die Substanz auszieht, welche gewisse Dahlienarten gelb färbt, so erkennt
                              									man leicht, daß sie mit dem Xanthin keine Aehnlichkeit hat. Das Xanthin ist
                              									bekanntlich in Wasser unauflöslich, hingegen das Xantheïn (der neue
                              									Farbstoff) in Wasser sehr leicht löslich.
                           Um letzteres zu erhalten, behandeln wir die gelben Dahlienblätter mit Alkohol,
                              									welcher den gelben Farbstoff rasch auflöst, nebst den fetten und harzigen Stoffen;
                              									die Flüssigkeit wird zur Trockne abgedampft und der Rückstand in Wasser aufgenommen,
                              									welches die Harze und Fettsubstanzen fällt; diese Flüssigkeit wird neuerdings zur
                              									Trockne abgedampft und der Rückstand mit absolutem Alkohol behandelt; diese
                              									Auflösung wird mit Wasser verdünnt und mit neutralem essigsaurem Blei versetzt,
                              									welches den Farbstoff niederschlägt; das Bleisalz wird hernach mit Schwefelsäure
                              									zersetzt; das Xantheïn bleibt im Wasser aufgelöst; man reinigt es endlich mit
                              									Alkohol.
                           Das Xantheïn ist in Wasser, Alkohol und Aether löslich, krystallisirt aber aus
                              									keinem dieser Lösungsmittel. Die Alkalien ertheilen ihm eine sehr satte braune
                              									Färbung; sein Färbevermögen ist beträchtlich; es liefert auf den verschiedenen
                              									Geweben gelbe Farben, denen es nicht an Lebhaftigkeit fehlt.
                           
                           Die Säuren machen die durch Alkalien hervorgebrachte braune Färbung verschwinden. Das
                              									Xantheïn verbindet sich mit den meisten Metalloxyden und bildet mit denselben
                              									unlösliche gelbe oder braune Lacke.
                           Dieses sind die Eigenschaften der Farbstoffe, welche wir aus den Blumen gezogen
                              									haben. Unsere bisherigen Versuche beweisen, daß die gelben Farbstoffe von denjenigen
                              									Pigmenten welche die Blumen blau und rosa färben, ganz verschieden sind, was auch
                              									mit allen bisher hierüber angestellten Beobachtungen übereinstimmt; denn bekanntlich
                              									können die blauen Blumen roth werden und sogar weiß, wenn sich die Farbe ganz
                              									zersetzt; niemals aber werden sie gelb, sowie umgekehrt die gelbe Blume niemals blau
                              									wird. Nicht selten wird eine orangegelbe Blume roth; alsdann hat sich das Xanthin
                              									zersetzt und das Cyanin, durch die Pflanzensäfte geröthet, ist vorherrschend
                              									geworden.
                           Wir haben somit das Vorkommen dreier Farbstoffe in den Blumen nachgewiesen; sie sind:
                              									das Cyanin seine blaue oder rosenrothe Substanz), das Xanthin (eine in Wasser
                              									unlösliche gelbe Substanz) und das Xantheïn (eine in Wasser lösliche gelbe
                              									Substanz).
                           Diese drei Stoffe können im reinen Zustand und durch ihre Vermischung die Farben der
                              									meisten Blumen hervorbringen; doch getrauen wir uns zur Zeit noch nicht zu
                              									behaupten, daß diese von uns isolirt dargestellten Stoffe die einzigen sind, welche
                              									alle Blumen färben.
                           Wir werden nun die Elementar-Zusammensetzung dieser drei Stoffe bestimmen.