| Titel: | Ueber die Gewinnung des Branntweins aus den Zuckerrüben; von Professor Siemens in Hohenheim. | 
| Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. CXXII., S. 443 | 
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                        CXXII.
                        Ueber die Gewinnung des Branntweins aus den
                           								Zuckerrüben; von Professor Siemens in Hohenheim.
                        Aus dem Wochenblatt für Land- und
                                 								Forstwirthschaft, 1854, Nr. 22.
                        Siemens, über die Gewinnung des Branntweins aus den
                           								Zuckerrüben.
                        
                     
                        
                           Die Verwendung der Zuckerrüben zur Gewinnung von Spiritus oder Branntwein verspricht
                              									bei Fortdauer der Kartoffelkrankheit und den höheren Getreide- und
                              									Spirituspreisen einen lohnenden Gewinn. Den Zuckergehalt der Rübe nur zu 10 bis 12
                              									Procent angenommen, läßt sich von 100 Pfd. Rüben eine Ausbeute von 5–6 Pfd.
                              									Alkohol oder 3–4 Maaß (5–6 Berl. Quart) Branntwein zu 50 Procent nach
                              									Tralles erwarten, was gegenwärtig eine weit höhere Verwerthung der Rüben möglich
                              									machen würde, als sie bei der hohen Besteuerung zur Zuckerfabrication gewähren. Auch
                              									bei einer Vergleichung der auf einem Morgen Ackerfläche zu gewinnenden Menge an
                              									Zucker oder Stärkemehl, als den einzigen und gleich nutzbaren Materialien zur
                              									Alkoholbereitung, steht keine andere Frucht den besten Kartoffelernten so nahe, als
                              									die Rüben, und dürften diese in Gegenden mit schwerem Boden jene nahezu erreichen.1 MorgenRübenlieferte15–48 Ctr.Zucker.„      
                                             														„Kartoffeln    „20–24  
                                             														„Stärke.„      
                                             														„Mais    „12–15  
                                             														„    „„      
                                             														„Weizen    „  6–8    
                                             														„    „„      
                                             														„Dinkel    „  6–7    
                                             														„    „„      
                                             														„Gerste    „  7–8    
                                             														„    „„      
                                             														„Haber    „  6–7    
                                             														„    „ Endlich gewähren die Rüben bei ihrer Verwendung zu Branntwein ein nicht
                              									minder gutes Viehfutter, da der Verlust an Zucker, den sie allein dabei erleiden,
                              									durch den nöthigen Hefenzusatz zum Theil ersetzt wird, durch den Gährungsproceß und
                              									durchs Kochen aber ihr Faserstoff an Verdaulichkeit nur gewinnen kann.
                           Wir finden deßhalb bereits verschiedene Mittheilungen über das Rübenbrennen, die bald
                              									die glänzendsten, bald unbefriedigende Resultate verkünden. Zeitungsnachrichten aus
                              										Frankreich ließen vermuthen, daß dort der richtige
                              									Weg zur Erlangung eines befriedigenden Resultats bereits gefunden sey, indem eine
                              									größere Anzahl französischer Zuckerfabriken in Rübenbrennereien verändert seyn
                              									sollen. Die genaueren Mittheilungen, welche wir darüber in jüngster Zeit den
                              									Bemühungen des Vereins der Rübenzuckerfabrikanten im Zollverein zu verdanken
                              										haben,Dieser Verein sandte den als Brennerei-Schriftsteller rühmlichst
                                    											bekannten Dr. Gall
                                    											nach Frankreich, um den Zustand der Rüben-Spiritus-Industrie
                                    											in Frankreich und Belgien kennen zu lernen. Den von Gall darüber erstatteten Bericht enthält die 28ste Lieferung der
                                    											Zeitschrift jenes Vereins. zeigen jedoch, daß die neue Industrie auch dort noch zu keiner großen
                              									Vollkommenheit gediehen ist. Aus diesem Grunde wird die Mittheilung der Versuche,
                              									welche mit der Verwendung der Rüben in der Brennerei der technischen Werkstatt zu
                              										Hohenheim bereits seit dem Herbst 1852 von mir
                              									angestellt wurden, nicht ohne Interesse seyn.
                           Die schon vor mehreren Jahren nach der Angabe von Richter
                              									hier angestellten Versuche, den durch Pressen gewonnenen Saft bloß durch einen
                              									Zusatz von Schwefelsäure in Gährung zu bringen, hatten
                              									kein günstiges Resultat erlangen lassen. Auch die im Herbst 1852 wiederholten
                              									Proben, den Preßsaft mit Hefe in Gährung zu bringen, lieferten sowohl nut als ohne
                              									Zusatz von Schwefelsäure kaum eine bessere Ausbeute, namentlich zeigte schon damals
                              									eine gleiche Behandlung oft sehr verschiedene Resultate.
                              									Der Zusatz von Schwefelsäure schien aber unter allen Umständen nöthig, um nicht noch
                              									größere Differenzen im Ertrage zu erhalten. Die
                              									Verwendung von reiner Bierhefe oder die der sogenannten Kunsthefe, sowohl von reinem
                              									Malz als mit einem Zusatze von Roggen, ließen in ihrer Wirkung keinen Unterschied
                              									bemerken. Die zu
                              									erlangende Vergährung wechselte zwischen 1 und 6 Procent am Saccharometer, wonach
                              									sich die Verwendung des auf diese Weise gewonnenen Safts, abgesehen von seiner
                              									theuren Gewinnungsart, durch die großen Schwankungen in der Ausbeute nicht für
                              									geeignet zeigte. Dabei wurde es noch nöthig, um nicht eine erhebliche Menge Zucker
                              									mit den Rückständen zu verlieren und um das Reiben zu erleichtern, circa 20 Procent (vom Rübengewicht) Wasser auf die Reibe
                              									zu leiten, was den Gehalt um fast 2 Procent verdünnte und dadurch die Ausbeute an
                              									Branntwein aus einem bestimmten Gährraume noch verminderte – ein Nachtheil,
                              									der bei der Besteuerung des Branntweins nach diesem Raume nicht außer Acht zu lassen
                              									ist.
                           Versuche, zur Ersparung der theuren Pressen, der vielen Arbeit und des großen
                              									Verbrauchs an Preßtüchern, bei der Gewinnung des Safts
                              									die geriebenen Rüben direct zur Gährung zu bringen, scheiterten zunächst an der
                              									schwierigen gleichmäßigen Erwärmung des mit Wasser nicht vermischten Breies, und
                              									selbst die Vermischung mit siedendem Wasser ließ eine gleichmäßige Vertheilung der
                              									Wärme nicht erlangen, weil der Brei das heiße Wasser sehr schnell aufsog, ohne
                              									dadurch dünnflüssiger zu werden. Ein weiterer Uebelstand, der sich dabei einstellte,
                              									war das starke Uebergähren dieser breiigen Masse, was sich auf keine Weise vermeiden
                              									ließ, wenn man die Gährung innerhalb der durch das Steuergesetz vorgeschriebenen
                              									Zeit beendigt haben wollte. Die Vermehrung des Volumens bei dem erwärmten Brei erlaubte es nicht, die Gefäße weiter als
                              									zu 2/3 damit zu füllen, wodurch derselbe in Betreff des versteuerten Maischraums ein
                              									noch ungünstigeres Resultat lieferte, als der mit Wasser verdünnte Preßsaft. Bei
                              									einigen Proben erhielt man von diesem bei niedriger
                              									Temperatur mit Hefe vermischten Breie nach 8–14 Tagen wohl eine mehr
                              									befriedigende Ausbeute von 3 Maaß Branntwein aus 100 Pfund Rüben, die meisten Proben
                              									gingen aber sehr schnell in eine saure und faulige Gährung über.
                           Zweckmäßiger zeigte sich dagegen das einfachere Verfahren, die Rüben wie die
                              									Kartoffeln nach dem Waschen zu dämpfen und nun erst zu reiben oder auf eine oder die
                              									andere Weise zu zerkleinern. Es ist hierzu viel Kraft nöthig und wiederholte
                              									Versuche haben auch gezeigt, daß die feinere Zerkleinerung der Rüben durch Reiben
                              									keine bessere Ausbeute gewinnen läßt, als eine weit unvollständigere Zerkleinerung
                              									mittelst der gebräuchlichen Kartoffel-Quetschwalzen. Wenn dabei die
                              									gedämpften Rüben vor der Zerkleinerung abgekühlt wurden, wozu man sie Abends zuvor
                              									dämpfen und am andern Morgen zerdrücken konnte, so ließ sich durch eine kältere
                              									Anstellung auch der Gährraum besser benutzen, die zeitige Beendigung der Gährung
                              									aber durch einen
                              									späteren Zusatz von heißem Wasser dennoch herbeiführen. Diesen Erfahrungen nach
                              									mußte die einfachere Zubereitung der Rüben, ähnlich wie sie bei der Verwendung der
                              									Kartoffeln allgemein üblich und bekannt ist, als die zweckmäßigere bezeichnet
                              									werden, und wurde deßhalb auch in einer Anleitung zum BranntweinbrennenAnleitung zum Branntweinbrennen mit besonderer Berücksichtigung des kleineren
                                    											Brennereibetriebs und der Besteuerung dieses Gewerbes in Württemberg.
                                    											Stuttgart. Ebner und Seubert. 1853. von mir empfohlen.
                           Die an sich mögliche und erwünschte Ausbeute an Branntwein war dadurch jedoch noch
                              									nicht gewonnen, namentlich wurde in Betreff des benützten Maischraums kaum der
                              									vierte Theil von dem erlangt, was bei den Kartoffeln erreicht wird.
                           Ein günstigeres Resultat lieferte zwar die Verarbeitung der Rüben mit Kartoffeln
                              									vermischt, indem hierdurch eine Ausbeute von 3 Maaß oder nahezu 5 Quart Branntwein
                              									oder 250 Quartprocente aus 100 Pfund Rüben sicher zu gewinnen sind. Der gänzliche
                              									Mangel an Kartoffeln oder deren enormer Preis macht jedoch eine solche Mischung
                              									nicht immer ausführbar und lohnend.
                           Da die in Frankreich zuerst in Anwendung gebrachte Maceration eine billigere Gewinnung des Safts als das
                              									Preßverfahren gewährt, so wurden im Laufe des verflossenen Winters die Versuche mit
                              									dieser Gewinnungsart des Rübensafts behufs des Branntweinbrennens in der hiesigen
                              									technischen Werkstatt fortgesetzt, was durch den vorhandenen
                              									Macerations-Apparat von Dombasle erleichtert
                              									war.
                           Dieser Apparat besteht bekanntlich aus einer Anzahl (7 Stück) einfacher Gefäße,
                              									welche in einem Halbkreis aufgestellt sind, in dessen Mitte ein Krahnen steht, womit
                              									die in dünne Scheiben geschnittenen Rüben, die von der Schneidmaschine in ein Netz
                              									fallen, von einem Gefäße ins andere zu heben sind, während jedes dieser Gefäße eine
                              									dem Rübengewichte gleiche Menge Wasser enthält.
                           Die in einzelnen Portionen geschnittenen Rüben müssen, bevor sie auszulaugen sind,
                              									durch eine höhere Temperatur aufgeschlossen oder die Lebensthätigkeit ihrer Zellen
                              									zerstört werden, um ihren Zuckergehalt durchs Auslaugen mit kaltem Wasser zu
                              									verlieren. Bei dem Eintauchen der ersten Portion Schnitte in Nr. I der Gefäße
                              									vertheilt sich dann der darin enthaltene Zucker in dem Wasser so, daß dieses nach
                              									fleißigem Umrühren etwa die Hälfte des Zuckergehalts der Rüben am Saccharometer
                              									anzeigt.
                           Wenn nun die Rübenschnitte mit dem Netze aus Nr. I in das Gefäß Nr. II gebracht
                              									werden, wird in dem Wasser des ersteren etwa die Hälfte des Zuckergehalts
                              									zurückbleiben und die Rüben mit der Hälfte ihres früheren Zuckergehalts nach II
                              									kommen. Wird die zweite Portion Schnitte abermals in die Flüssigkeit von I gebracht,
                              									so findet hier wiederum eine Auslaugung oder eine weitere Vertheilung des
                              									Zuckergehalts statt. Dieser wird nach Entfernung der zweiten Portion etwa die Hälfte
                              									der Summe der früheren und der Saccharometergrade der zweiten Portion entsprechen.
                              									Zeigt der Saft in den Rüben, wie das hier in der Regel der Fall war, 14 Procent am
                              									Saccharometer, so besitzt die Flüssigkeit in I nach dem Eintauchen der ersten
                              									Portion 7 Procent, nach dem Eintauchen der zweiten Portion aber (7 + 14)/2 = 10,5
                              									Procent. Bevor die zweite Portion aus I zu entfernen ist, muß die erste Portion aus
                              									II in III gebracht werden. Die Flüssigkeit in II zeigt dann wiederum nur die Hälfte
                              									des Zuckergehalts der eingetauchten ersten Portion, also 7/2 = 3,5 Procent, mit
                              									welchem Gehalte die erste Portion denn auch in das Gefäß Nr. III gelangt. Nach dem
                              									Eintauchen einer dritten Portion Schnitte wird die Flüssigkeit in Nr. I (10,5 +
                              									14)/2 = 12,25 Procent und nach einer vierten Portion (12,25 + 14)/2 = 13,12 Procent
                              									am Saccharometer zeigen, also nahezu so viel Zucker enthalten, als der reine
                              									Rübensaft. Eine weitere Concentration erscheint dann nicht mehr zweckmäßig und man
                              									bringt deßhalb die fünfte Portion Schnitte von der Schneidmaschine, nach dem
                              									Aufschließen, in Nr. II, worin die Flüssigkeit durch das Eintauchen der früheren
                              									Schnitte bereits eine solche Concentration erlangt hat, daß hier nur noch die
                              									sechste Portion einzutauchen ist, um diese Flüssigkeit als hinreichend gesättigt
                              									entfernen zu können. Nach dem Einbringen der siebenten Portion in Nr. III wird die
                              									gleiche Concentration auch hier nahezu erreicht seyn; alle weiteren Portionen sind
                              									dann stets in das nächstfolgende Gefäß zu bringen und die Flüssigkeit nach
                              									einmaligem Eintauchen neuer Schnitte zu entfernen.
                           Aus der nachfolgenden auf der nächsten Seite sich befindenden Tabelle ersieht man
                              									sowohl die hier angegebene Reihenfolge des Eintauchens, als auch die Zunahme der
                              									Concentration. Letztere gibt hier zwar nur das Resultat der Rechnung, was jedoch bei
                              									völliger Auslaugung mit dem Zuerlangenden nahezu übereinstimmt. Wie die Tabelle
                              									zeigt, bedürfen die ersten Portionen zur Extraction kein so häufiges Eintauchen in
                              									andere Gesäße, als die späteren Schnitte, da die ersteren in weniger zuckerhaltige
                              									Flüssigkeit kommen, als die letzteren, die ihren Zucker aber dennoch nahezu
                              									vollständig verlieren, weil bei nur sieben Gefäßen dennoch eine eilfmalige
                              									Wechselung möglich wird.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 132, S. 447
                              Zeit; Portionen Schnitte; Procente
                                 										des gewonnenen Saftes; Gefäße; Procente; Portion; Uhr
                              
                           
                           Bei den hier zuerst angestellten Versuchen wurden die Rüben schon vor dem Schneiden
                              									gedämpft, um das Geschäft des Auslaugens zu beschleunigen. Zu jeder Einmeischung
                              									verwandte man 33 Centner Rüben und erhielt davon 900 Maaß zuckerige Flüssigkeit.
                              									Jede Portion Schnitte bestand aus 3 Centnern Rüben, in jedes Gefäß kommen zum
                              									Auslaugen aber nur 250 Pfund etwa 6 Gölten kaltes Wasser, was bei 11 Portionen
                              									Schnitte dennoch 3600 Pfund Saft oder 900 Maaß gewinnen ließ, da zur Vermeidung
                              									eines größeren Zuckerverlustes der Inhalt von 4–5 weiteren Gefäßen, worin
                              									keine frischen Schnitten eingetaucht, zuzusetzen waren. Der Zuckergehalt der
                              									Gesammtflüssigkeit verminderte sich dadurch in gleichem Grade und betrug bei der
                              									Verarbeitung der gedämpften Rüben 9 bis 10 Procent am Saccharometer.
                           Eine nähere Prüfung zeigte, daß diese geringe Concentration zum Theil durch eine
                              									unvollständige Auslaugung der zuvor gedämpften Rüben
                              									verursacht wurde, indem nur die bis auf einen gewissen Grad erhitzten Rüben ihren
                              									Zucker verloren, während sowohl die zu stark als die zu schwach erhitzten nicht
                              									völlig ausgelaugt wurden. Eine ganz gleichmäßige Erhitzung ließ sich aber bei dem
                              										Dämpfen der Rüben nicht erreichen, denn da, wo die
                              									Dämpfe in das Faß treten, müssen die Rüben früher erweichen, als an entfernteren
                              									Theilen. Das Dämpfen vor dem Schneiden mußte deßhalb
                              									aufgegeben werden. Die Rüben wurden bei den weiteren Versuchen roh geschnitten und
                              									die Schnitte in einer größeren Pfanne mit Wasser bis auf 70° R. erhitzt. Um
                              									diese Erhitzung recht gleichmäßig zu erlangen, wandte man
                              									die doppelte Menge Wasser vom Gewicht der Rüben dazu an, und da die sorgfältig zu
                              									vermeidende höhere Temperatur oder ein Kochen der Schnitte das Erweichen derselben
                              									verzögerte, so wurden jedesmal zwei Portionen oder 6 Centner Rüben in 12 Centner
                              									Wasser mit einander auf die angegebene Weise zur Auslaugung vorbereitet. Zum
                              									schnellen und vollständigen Herausbringen der Schnitte aus dem Wasser diente hier
                              									gleichfalls ein Netz, welches durch ein oberhalb des Kessels angebrachtes
                              									Rollenpaar, eine Art Flaschenzug, leicht gehoben werden konnte. Durch das
                              									Aufschließen von vier solcher doppelten Portionen Rüben erhielt die dabei in
                              									Anwendung gebrachte größere Menge Wasser nahezu auch die früher angegebene
                              									Concentration. Zum Aufschließen der folgenden oder weiteren Portionen diente die
                              									Flüssigkeit aus den vier ersten Auslauggefäßen, die bereits den meisten Zucker
                              									gelöst enthielt. Später wurden jedoch die sämmtlichen Portionen Rüben in ein und
                              									derselben Flüssigkeit aufgeschlossen und dadurch weniger heiße Flüssigkeit gewonnen, was eine Abkühlung derselben ersparte. Die zum
                              									Aufschließen der sämmtlichen Rüben benutzte Flüssigkeit erlangte dabei durch die stattfindende
                              									Verdunstung zuletzt eine größere Concentration als der
                              									Saft in der Rübe zeigte.
                           Die nicht bis zum Sieden erhitzten aber so weit erweichten
                              									Schnitte, daß sie mit dem Finger, wenn auch schwer, zu durchdrücken waren, ließen
                              									eine völlige Auslaugung auf der angegebenen Weise erreichen, und es wurde dadurch so
                              									viel Zucker mehr gewonnen, daß aus einem gleichen Quantum dieselbe Menge Saft (900
                              									Maaß) um 2 Procent am Saccharometer mehr zeigte, als früher aus den gedämpften Rüben
                              									durchschnittlich erlangt worden war. Wegen der täglich eintretenden Unterbrechung,
                              									die eine völlige Erschöpfung der letzten Portionen nicht zuläßt, beträgt der
                              									Zuckerverlust etwa noch 10 Procent des ganzen Gehalts der Rüben, welcher Verlust
                              									aber mit dem Futter eine Verwerthung findet.
                           Obgleich die angegebene Saftgewinnung keinen sehr kostbaren Apparat erfordert, so
                              									bleibt doch für den kleineren Brennereibetrieb eine noch einfachere Einrichtung
                              									wünschenswerth. Der hier benutzte Kessel ist zwar leicht durch eine Heizung mittelst
                              									directen Dampfs zu ersetzen, und statt der Netze lassen sich auch Körbe aus Weiden
                              									geflochten anwenden, der Krahnen und die Aufstellung der Gefäße erfordert aber ein
                              									dazu geeignetes Local, was wir bei den kleineren Brennereien selten finden. Versuche
                              									mit einer einfacheren Extraction durch das Einfüllen der Schnitte in Gefäße, die mit
                              									einem Siebboden versehen waren, durch welchen die Flüssigkeit von einem Gefäße aufs andere geleitet wurde, ließen keine so schnelle und vollständige Gewinnung des Zuckers
                              									erreichen. Dagegen lieferte die Anwendung des neuen Auswaschapparates von Schützenbach ein günstigeres Resultat, namentlich eine
                              									erhebliche Beschleunigung des ganzen Processes, und durch die geringeren Quantitäten
                              									der einzelnen Portionen, die hier zulässig sind, vermindert sich auch der
                              									Zuckerverlust bei der Unterbrechung des Processes, so daß dieser Apparat wohl vor
                              									Allem dazu empfohlen werden kann. Eine nähere Beschreibung desselben kann ich hier
                              									jedoch nicht mittheilen, da sie von Schützenbach bis
                              									jetzt nicht veröffentlicht wurde.
                           Wenn nun auch die angestellten Versuche zur Gewinnung des
                              									Safts ein ganz befriedigendes Resultat lieferten, so stand dieß in Betreff der
                              									Gährung des Safts nicht sobald zu erreichen. Jedoch erhielt ich nach vielen
                              									Versuchen auch hier ein günstigeres Resultat, und es zeigten sich dabei manche
                              									Erscheinungen, deren Mittheilung nicht ohne Interesse seyn dürfte.
                           Um den versteuerten Maischraum möglichst zu benutzen, wurde der Anfangs durch die
                              									Auslaugung der gedämpften Rüben erhaltene Saft durch einen Zusatz von Melasse auf 15 Procent oder
                              									8–9° Baumé concentrirt. Die Gährbütten der hiesigen Brennerei
                              									halten durchschnittlich 1000 Württemberger Maaß oder 1600 Berliner Quart und wurden
                              									mit etwa 900 Maaß gefüllt. Diese gewann man, wie wir gesehen haben, durch das
                              									Auslaugen von 33 Centnern der zuvor gedämpften Rüben und einem Zusatze von
                              									3–400 Pfund Melasse, um die oben angegebene Concentration zu erhalten. Die
                              									Anstellung des Safts erfolgte, sobald die ersten Portionen gewonnen waren; das
                              									Gährungsmittel bestand in der Regel aus reiner Unterhefe, die in reichlicher Menge,
                              									auf 100 Maaß Saft 1 Maaß, anzuwenden war, da sie zum Theil in der hiesigen
                              									Bierbrauerei selbst gewonnen wird und auch aus anderen Brauereien im Winter billig
                              									zu beziehen ist.
                           Wenn bei den gedämpften Rüben mit dem Auslaugen Morgens 5 Uhr angefangen wurde, so
                              									konnte bis 8 Uhr früh die erste Portion Saft zur Anstellung gebracht werden. Man
                              									benutzte dazu ein kleineres Gefäß und gab verläufig einen Zusatz von 5–6 Maaß
                              									jener Hefe. Eine Stunde später wurde die zweite Portion Saft in demselben Gefäße mit
                              									der ersten vermischt, die drei folgenden Portionen aber zum Verdünnen des Syrups
                              									benutzt. Dieser diente später, nach dem Ansäuren und Kochen, zum Erwärmen der
                              									letzten kälteren Portionen des gewonnenen Safts. Die frühzeitige Anstellung des
                              									ersten Safts bezweckte den schnelleren Eintritt einer lebhaften Gährung bei
                              									möglichst niedriger Temperatur, um der leicht
                              									eintretenden Zersetzung des Zuckers in Milchsäure möglichst vorzubeugen. Die
                              									Vermischung des nach und nach gewonnenen Safts mit dem bereits in Gährung
                              									begriffenen störte diese nicht, da man auch die letzten kälteren Portionen durch die
                              									heiße Lösung des Syrups beliebig erwärmen konnte. Auf die Weise erhielt man bei
                              									einer Temperatur von 14–15° R. eine lebhafte Gährung, die nach dreimal
                              									24 Stunden beendigt war. Die Anfangs mit einem leichten hohen Schaume bedeckte
                              									Maische oder Flüssigkeit verlor diesen in der Regel schon nach 24 Stunden, nach
                              									welcher Zeit noch ein weiterer Hefenzusatz, der mit etwas frischer süßer Flüssigkeit
                              									vorgestellt war, gegeben wurde. Auch verlor die Maische in den ersten 24 Stunden den
                              									größeren Theil ihres specifischen Gewichts, indem eine Verminderung der
                              									Saccharometeranzeige von 15 auf 5–6 Procent erfolgte. Selten gelang es, die
                              									Vergährung auf 3 Procent zu erreichen, meist zeigte der Saccharometer noch 4
                              									Procent, was durch die Salze der Rüben nicht wohl allein verursacht werden konnte.
                              									Weder Erwärmung noch ein größerer Hefenzusatz machte eine weitere Vergährung
                              									möglich. Nur ohne den Zusatz von Melasse wurde bei dem reinen Rübensafte eine
                              									weitere Vergährung möglich.
                           
                           Es entsprach aber auch die erhaltene Ausbeute an Branntwein nicht der erlangten
                              									Vergährung, denn man erhielt im günstigsten Falle statt 165 Pfund Alkohol, wie es
                              									die Vergährung von 15 auf 4 Procent berechnen läßt, nur 135–140 Pfund Alkohol
                              									oder 90 Maaß Branntwein zu 50 Procent nach Tralles. Hiernach betrug die Ausbeute aus
                              									einem Centner oder 100 Pfund Rüben, nach Abzug von 20 Pfund Alkohol für 100 Pfund
                              									der zugesetzten Melasse, nicht zwei Maaß Branntwein, also noch weniger als bei der
                              									früheren einfacheren Verarbeitung der Rüben. Dagegen war durch den Zusatz der
                              									Melasse an dem versteuerten Maischraum gespart, indem aus 100 Maaß dieses Raums
                              									jetzt 9 statt früher höchstens 6 Maaß Branntwein gewonnen wurden.
                           Nachdem die unvollständige Auslaugung der zuvor gedämpften Rüben es nöthig machte,
                              									diese roh zu schneiden und nach dem Aufschließen durch Erhitzung mit kaltem Wasser
                              									auszulaugen, zeigte der auf diese Weise gewonnene Saft bei der Gährung ein ganz
                              									anderes Verhalten. Während der frühere Saft eine rasche Gährung durchmachte, war
                              									diese bei dem Safte der nicht gedämpften Rüben nach 6–8 Tagen nicht zu
                              									beendigen. Bei den ersten Bütten hatte der Saft durch den Zusatz von 300 Pfund
                              									Melasse eine Concentration von mehr als 18 Procent erreicht, die Verzögerung der
                              									Gährung wurde deßhalb dieser größeren Concentration zugeschrieben, nachdem auch eine
                              									höhere Gährungstemperatur und ein stärkerer Hefenzusatz versucht worden war. Aber
                              									auch der nur auf 12 Procent concentrirte Saft lieferte kein besseres Resultat; es
                              									mußte demnach der Fehler in der Gewinnungsart des Safts liegen. Die Gährung begann
                              									sehr bald mit der Bildung eines zähen Schaums, der fast unverändert blieb, wobei
                              									eine Entwickelung von Kohlensäure kaum zu bemerken war. Der auf 15 bis 18 Procent
                              									concentrirte Saft zeigte nach 6–8 Tagen an 10–12 Procent am
                              									Saccharometer. Der Anfangs unbedeutend säuerliche Geschmack bekam immer mehr
                              									Schärfe, ohne jedoch die Bildung von Essigsäure erkennen zu lassen. Eine
                              									Neutralisation mit Soda blieb ohne Wirkung, dagegen zeigte sich ein größerer Zusatz
                              									von Schwefelsäure, 3–4 Pfund auf 900 Maaß Maische, schon wirksamer, die zähe
                              									schleimige Beschaffenheit des Schaums wurde merklich vermindert und die Vergährung
                              									um etwa zwei Grab weiter erreicht.
                           Um die zur Einmaischung declarirten Bütten leer zu bekommen, mußte ein Theil der
                              									Maische, obgleich sie noch 12 Procent zeigte, zur Destillation gebracht werden, von
                              									der man ein an Qualität und Quantität gleich schlechtes Product erhielt. Da die
                              									Schlempe nach der Destillation noch 10 Procent am Saccharometer hielt, so wurde sie
                              									nach der Abkühlung
                              									nochmals in Gährung gebracht. Diese trat dabei sehr bald ein, entwickelte viel
                              									Kohlensäure und zeigte nach 24 Stunden eine Vergährung bis auf 4 Procent. Eine
                              									weitere Verminderung des specifischen Gewichts fand aber nicht statt, die zweite
                              									Destillation lieferte nach dreimal 24 Stunden noch einen gleichen Ertrag an
                              									Branntwein wie die erstere.
                           Diese Erfahrung gab Veranlassung, die Schlempe bei der Maceration der frischen
                              									Schnitten anzuwenden, wodurch denn auch eine regelmäßigere Gährung und eine bessere
                              									Ausbeute erreicht wurde, indem man aus 30 Centner Rüben und 200 Pfund Melasse 100
                              									Maaß Branntwein zu 50 Procent erhielt.
                           Die weiteren Versuche zeigten, daß man die Schlempe am geeignetsten nur zum
                              									Aufschließen der Schnitte und nur, wie bei der Getreidebrennerei, die abgeklärte
                              									Schlempe dazu verwende. Dabei wurden die sämmtlichen Rübenschnitte in einer und
                              									derselben Flüssigkeit aufgeschlossen, wodurch man weniger heiße Flüssigkeit und
                              									diese concentrirter erhielt.
                           Es wurden dazu 300 Maaß der abgeklärten Schlempe in den Kessel gebracht und die 30
                              									Centner Schnitte in 5 Portionen darin aufgeschlossen. Die Auslaugung erfolgte dann
                              									in 10 Portionen, wovon die 6 ersten immer zunächst in Nr. I, die 4 folgenden aber
                              									der Reihe nach in II, III, IV und V gebracht wurden, um für die vollständige
                              									Auslaugung der Schnitte die nöthigen Gefäße leer zu erhalten. Aus dem Kessel erhielt
                              									man circa 350 Maaß Flüssigkeit mit 14 Procent, und aus
                              									dem Auslauggefäße 550 Maaß mit durchschnittlich 8 Procent Zuckergehalt.
                           Die erstere Flüssigkeit diente zugleich zur Auflösung der Melasse, die damit bis zum
                              									Sieden erhitzt wurde. Der Gesammtgehalt erreichte dadurch eine Concentration von 15
                              									Procent am Saccharometer.
                           Bei dem Aufschließen der Rüben in der Schlempe wurde die auffallende Erscheinung
                              									beobachtet, daß die saure Reaction oder der Säuregehalt der Schlempe sich etwa um
                              									die Hälfte verminderte, während der Rübensaft selbst sauer reagirte.
                           Außer der Erlangung einer regelmäßigeren Gährung durch die Verwendung der Schlempe
                              									ließ diese einen günstigen Einfluß auf den Geschmack oder auf die Reinheit des
                              									Branntweins bemerken. Derselbe verlor dadurch auffallend von seinem unangenehmen
                              									Rübengeschmacke, eine ähnliche Erfahrung, wie ich sie in der Getreidebrennerei bei
                              									der Verwendung der Schlempe behufs der Hefenfabrication schon früher gemacht habe
                              									und noch jüngst in den Brennereien von Schidam bestätigt
                              									fand.
                           Zur vollständigeren Reinigung des Rübenbranntweins wurde auf 100 Maaß 1 Loth
                              									Chlorkalk in Wasser gelöst damit vermischt und nach 3–4 Tagen 4–5
                              									Pfund pulverisirte Holzkohle zugesetzt. Zu der wiederholten Destillation, die man nach
                              									3–4 Tagen vornahm, wurde der hiesige Rectificationsapparat benutzt, dessen
                              										DephlegmatorVon diesem (im Wochenblatt für Land- und Forstwirthschaft, 1850, Nr.
                                    											39 beschriebenen) Apparate, dessen Construction in jüngster Zeit eine
                                    											weitere Vereinfachung erhielt, wurden seit Einführung des neuen
                                    											Branntwein-Steuergesetzes in Württemberg bereits 9 Stück für
                                    											verschiedene Brennereien des Landes angefertigt. Durch den Kupferschmied Wagner in Eßlingen
                                    											wird ein solcher Apparat auch zur Ausstellung nach München geliefert werden. eine genaue Regulirung der Stärkegrade des Products zuläßt, was es möglich
                              									machte, das erste reinere Destillat als Trinkbranntwein, das übrige aber als
                              									Spiritus zu technischen Zwecken zu gewinnen.
                           Genauere Versuche zur Bestimmung des Futterwerths der Abfälle des Rübenbrennens sind
                              									bis jetzt hier nicht gemacht, jedoch zeigte die Fütterung der ausgelaugten
                              									Schnitten, daß die Annahme: die Rüben würden etwa die Hälfte ihres Futterwerths
                              									verlieren, nahezu richtig sey. Es wurde nämlich dem Milchviehe die Hälfte des
                              									Gewichts an frischem Rübenfutter entzogen, was die technische Werkstätte denselben
                              									von jenen Rückständen lieferte, wobei eher eine Zunahme als Abnahme an der Milch
                              									sich ergab. Von 33 Ctrn. der gedämpften Rüben erhielt man circa 22 Ctr. ausgelaugte Schnitten, bei der Behandlung mit Schlempe
                              									konnten aber von 30 Centnern frischen Rüben bis 24 Centner jener Schnitten in den
                              									Stall geliefert werden, letztere wurden von dem Viehe sichtbar lieber gefressen als
                              									die weicheren gedämpften Schnitten. Auch die Aufbewahrung dieser Abfälle hat man bis
                              									jetzt hier nicht versucht, sie steht aber kaum zu bezweifeln, namentlich wenn die
                              									Schnitten in wasserdichten Gruben oder Standen mit Salzwasser bedeckt werden. Hätte
                              									auch die abgetriebene Maische oder die Schlempe in der hiesigen Wirthschaft eine
                              									geeignete Verwendung zum Anbrühen des Futters gefunden, so würde sich gewiß der
                              									Futterwerth der Abfälle noch günstiger gezeigt haben. Die Schlempe enthält zwar von
                              									den Rüben und von der zugesetzten Melasse viel Salze, die bei ungeeigneter
                              									Fütterung, wenn sie namentlich in größerer Menge und dem Mastvieh gereicht, nur
                              									nachtheilig wirken können; dagegen enthält sie einen Theil der nahrhaftesten Stoffe
                              									der Rüben, das Eiweiß und andere schleimige Bestandtheile, deren Nahrhaftigkeit
                              									durch die in reichlicher Menge angewandte Hefe vermehrt wird. Als Dünger benutzt,
                              									zeigt sie gegenwärtig eine auffallende Wirkung auf Grasland.
                           Nach den Berichten, die über das Brennen der Rüben aus Frankreich vorliegen, wird
                              									dort die Verminderung ihres Futterwerthes nur zu 1/10 angegeben, da der Verlust
                              									ihres Zuckergehalts das Verhältniß der stickstoffhaltigen zu den stickstofffreien Nährstoffen des
                              									Futters für die Verdauung günstiger mache, wie dieß ja auch bei der Verwendung der
                              									Kartoffeln zum Brannweinbrennen der Fall ist, namentlich da, wo diese die größere
                              									Menge des Futters ausmachen.
                           Die zuletzt erhaltene Ausbeute von 10 Maaß Branntwein aus 100 Maaß Maischraum gewährt
                              									zwar bei einer höheren Besteuerung, wie in Preußen, wo dieser Raum gegenwärtig mit 1
                              									fl. 10 kr. besteuert ist, keinen lohnenden Gewinn, da man dort bei der Verwendung
                              									von Kartoffeln aus demselben Raume einen bedeutend größeren Ertrag zieht; es steht
                              									jedoch nicht zu bezweifeln, daß durch fortgesetzte Versuche noch eine bessere
                              									Ausbeute erhalten werden wird, wozu hier, nach Ueberwindung der erwähnten
                              									Schwierigkeiten, das weiter nöthige Material fehlte.