| Titel: | Ueber Weingeist-Fabrication mittelst der Runkelrüben-Melasse. | 
| Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. CXXIII., S. 455 | 
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                        CXXIII.
                        Ueber Weingeist-Fabrication mittelst der
                           								Runkelrüben-Melasse.
                        Aus Dr. Sheridan Muspratt's Chemistry, 1854, Vol. I p.
                              								109.
                        Ueber Weingeist-Fabrication mittelst der
                           								Runkelrüben-Melasse.
                        
                     
                        
                           In Frankreich wird sehr viel Weingeist mittelst der Melasse der Rübenzuckerfabriken
                              									bereitet. Wenn die Melassen in der Brennerei ankommen, entleert man sie in große
                              									Cisternen, welche sich in einem ganz trockenen Local befinden (denn ein feuchtes
                              									würde ihre Gährung veranlassen), und darin bleiben sie bis man ihrer bedarf. Die
                              									Gährung der Melassen bietet einige Schwierigkeiten dar; sie müssen nämlich gehörig
                              									mit Wasser verdünnt werden, in solchem Verhältniß daß die erhaltene Flüssigkeit
                              									nicht über 8° an Baumé's Aräometer zeigt, bei einer Temperatur von
                              									20° C. (16° R.), welches stets die Wärme der Mischung seyn sollte.
                              									Wenn zu wenig Wasser angewandt wird, stellt sich die Gährung zu rasch ein, die
                              									Temperatur wird höher und es tritt bald die saure Gährung ein; wenn hingegen zu viel
                              									Wasser angewandt wird, so geht die Gährung nur langsam vor sich; wegen der niedrigen
                              									Temperatur ist eine längere Zeit zu deren Beendigung erforderlich, und man erhält
                              									meistens schlechte Resultate. Diese Uebelstände werden vermieden, wenn man sich an
                              									die gegebene Vorschrift hält.
                           Bisweilen hört die Gährung der zuckerigen Lösung plötzlich auf, und kann durch
                              									Erhöhung der Temperatur oder Zusatz einer stärkeren Melasselösung nicht wieder in Gang gebracht
                              									werden. Diese Erscheinung wird durch die Gegenwart von Kalk und Kali veranlaßt,
                              									welche fast in allen Rübenzucker-Melassen enthalten sind; wegen der
                              									alkalischen Reaction welche diese Substanzen der Flüssigkeit ertheilen, wird die
                              									Umwandlung des Zuckers in Alkohol unterbrochen. In diesem Falle kann man sich aber
                              									leicht helfen, denn man braucht nur eine gewisse Menge Schwefelsäure zuzusetzen um
                              									diese alkalischen Körper zu neutralisiren und in schwefelsaure Salze zu verwandeln,
                              									wo sie dann keinen Einfluß mehr ausüben. Man kann von der Säure auch einen schwachen
                              									Ueberschuß anwenden, ohne Nachtheil für den gehörigen Attenuations-Grad (d.h.
                              									die Verminderung des spec. Gewichts der zuckerigen Flüssigkeit durch die Gährung)
                              									oder den Geschmack des Products; denn die Melassen enthalten stets Salze von
                              									organischen Säuren mit Kali etc., welche die Schwefelsäure zersetzt, so daß die
                              									organischen Säuren frei werden. Die Schwefelsäure setzt man zu, nachdem das Wasser
                              									mit der Melasse gemischt worden ist; man nimmt von ihr wenigstens ein halbes Procent
                              									vom Gewicht der Melasse, und höchstens anderthalb Procent desselben. Nachdem die
                              									Melassen mit dem Wasser und der Säure gemischt worden sind, so daß die Lösung
                              									8° Baumé zeigt, setzt man beiläufig zwei Procent vom Gewicht der
                              									Melasse gepreßter frischer Bierhefe zu, welche vorher mit Wasser angerührt worden
                              									ist; man rührt hierauf die Flüssigkeit stark um, und läßt sie gähren. Die Gährung
                              									wird in einer Anzahl von Bottichen vorgenommen, deren Größe sich nach derjenigen des
                              									Destillirapparates richtet, damit man, wenn die Gährung in einem Bottich beendigt
                              									ist, den Inhalt direct destilliren kann.
                           Die gegohrene Flüssigkeit muß nach spätestens vierundzwanzig Stunden destillirt
                              									werden. Man muß daher mit so vielen Gährbottichen versehen seyn, daß täglich der
                              									Inhalt von einem Bottich zur Destillation bereit ist, und auch jeden Tag ein Bottich
                              									mit frischer Melasselösung gefüllt werden kann, während die anderen Bottiche in der
                              									Gährung schon weiter vorgeschritten sind und der Reihe nach zur Destillation kommen.
                              									Alle Bottiche müssen gut zugedeckt werden, um den Zutritt der Luft abzuhalten, damit
                              									nicht die saure Gährung eintritt.
                           Wenn man die Melassen bloß zur Gewinnung von Weingeist gähren läßt und destillirt, so
                              									sind die vorhergehenden Vorschriften bezüglich der Verdünnungen und Dichtigkeit am
                              									Aräometer die zweckmäßigsten; einige Brennereien wollen jedoch außer dem Alkohol
                              									auch die alkalischen Salze, insbesondere die Kalisalze,
                              									gewinnen, und in diesem Falle würde die angegebene Stärke von 8° Baumé
                              									den Nachtheil haben, daß sehr viel Brennmaterial zum Abdampfen der in der
                              									Destillirblase zurückbleibenden Flüssigkeit erforderlich wäre. Um diesen Aufwand an
                              									Brennmaterial zu vermeiden, hat man auf Mittel gedacht, die zuckerige Flüssigkeit
                              									bei einer größern Dichtigkeit als 8° B. gähren lassen zu können, und diesen
                              									Zweck auch erreicht. Man stellt nämlich die Melasselösung auf 14°
                              									Baumé, und damit sie gähren kann, ohne in die saure Gährung überzugehen,
                              									verfährt man auf folgende Weise: – Wenn eine zuckerige Flüssigkeit von
                              									14° B. in Gährung versetzt wird, so steigt ihre Temperatur in vierundzwanzig
                              									Stunden auf 30° C. (24° R.), bei welchem Grad der Alkohol sich leicht
                              									in Essigsäure umwandelt. Um die Bildung von Essigsäure in Folge dieser hohen
                              									Temperatur zu verhindern, ist es nothwendig, sobald die Flüssigkeit 27° C.
                              									(22° R.) zeigt, sie in zwei gleiche Portionen zu theilen und jeder Hälfte
                              									soviel Melasselösung von 14° Baumé zuzusetzen, als sie schon enthält;
                              									die Melasselösung muß mit zwei Procent ihres Gewichts Bierhefe gut umgerührt werden,
                              									ehe man sie der gährenden Flüssigkeit zusetzt. Man läßt nun die Gährung
                              									fortschreiten und hat nicht mehr zu befürchten, daß die Temperatur hoch genug
                              									steigt, um die saure Gährung der Flüssigkeit zu begünstigen.
                           Die gährenden Melassen sind so klebrig, wenn ihre Lösung bloß auf 8°
                              									Baumé verdünnt worden ist, daß die Mischung zeitweise hoch genug aufschwellt
                              									um über die Gährbottiche zu laufen, obgleich diese sehr weit sind. Um dieses zu
                              									vermeiden, setzt man ein wenig weiche Seife zu, welche durch den in der Flüssigkeit
                              									enthaltenen geringen Säureüberschuß theilweise zersetzt wird, worauf der ölige Theil
                              									eine Schicht bildet welche den Zusammenhang des Schaums unterbricht, worauf die
                              									Kohlensäureblasen bersten und abziehen ohne daß die Flüssigkeit sehr steigt. Die
                              									Gährung ist bekanntlich beendigt, wenn die Gasentwickelung, nachdem sie regelmäßig
                              									zugenommen hat, plötzlich aufhört und die Temperatur sinkt; ein anderes Zeichen,
                              									wodurch sich eine gute Gährung auszeichnet, ist das Einsinken der Decke und die
                              									Verminderung des specifischen Gewichts von 8° auf 1° Baumé.
                           Wenn die Flüssigkeit nach dem Vergähren nicht sogleich destillirt wird, so ist es
                              									nothwendig sie rasch abzukühlen, damit sie sich nicht in Essigsäure umwandelt. Dieß
                              									geschieht entweder auf die Art, daß man kaltes Wasser durch ein im Gährbottich
                              									angebrachtes Schlangenrohr leitet, oder das Ganze in geschwefelte Fässer ausleert,
                              									welche jede weitere Gährung verhindern. Von diesen zwei Mitteln ist das
                              									Schlangenrohr vorzuziehen, weil es auch eine langsame Gährung wieder zu beleben
                              									gestattet, indem man heißes Wasser durch dieses Rohr leitet; steigt aber die
                              									Temperatur, in Folge einer zu raschen Gährung, höher als es seyn sollte, so läßt sie sich
                              									herabstimmen, indem man kaltes Wasser durch das Schlangenrohr gießt. Laugier's Apparat, welcher auf dem Princip von Derosne's Blase beruht, aber einfacher construirt ist,
                              									eignet sich am besten zum Destilliren vergohrener Melasselösungen.
                           Wenn man eine Melasselösung von 14° Baumé vergähren läßt, so erhält man
                              									zwar eine geringere Quantität Spiritus, als wenn man dasselbe Quantum von Melasse
                              									auf nur 8° Baumé verdünnt hat; man hat dagegen den Vortheil, daß viel
                              									weniger Flüssigkeit zur Gewinnung der Alkalisalze abgedampft werden muß und folglich
                              									weniger Brennmaterial verbraucht wird.
                           In der letzten Zeit hat Hr. Dubrunfaut eine Methode
                              									eingeführt, wobei die Melasselösung bloß auf 8° Baumé verdünnt wird
                              									und die Alkalisalze dennoch ohne bedeutenden Nebenaufwand für Brennmaterial gewonnen
                              									werden. Man benutzt nämlich die nach der Destillation in der Blase zurückbleibende
                              									Flüssigkeit, um eine zweite Portion von Melassen auf 8° Baumé zu
                              									verdünnen; jene Flüssigkeit hat keinen nachtheiligen Einfluß auf die Gährung und
                              									gewährt den Vortheil, daß man das doppelte Quantum von Salzen in demselben Volum von
                              									Flüssigkeit hat. Man bringt diese Flüssigkeit nach dem Vergähren in einen
                              									Dampfkessel anstatt Wasser, um Dampf zu erzeugen, womit man den Destillirapparat
                              									heizt. Die im Dampfkessel concentrirte Flüssigkeit wird vollends in drei Pfannen
                              									abgedampft, welche theilweise durch die abziehende Wärme eines Flammofens erhitzt
                              									werden, worin man die Salzmasse röstet. 1000 Kil. Melasse liefern 100 bis 140
                              									Kilogr. Salzmasse von 50° bis 55° am Alkalimeter.Ueber die Verarbeitung dieser Salzmasse auf gereinigte Potasche und Soda,
                                    											sehe man die Abhandlung von Prof. Payen im
                                    											polytechn. Journal Bd. CXXIII S.
                                       											143. A. d. Red.