| Titel: | Ueber die neue elektromagnetische Maschine des Hrn. Marié-Davy; Bericht von Hrn. Becquerel. | 
| Fundstelle: | Band 133, Jahrgang 1854, Nr. XLIV., S. 175 | 
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                        XLIV.
                        Ueber die neue elektromagnetische Maschine des
                           Hrn. Marié-Davy; Bericht von Hrn. Becquerel.
                        Aus den Comptes rendus, Mai 1854, Nr.
                              20.
                        Ueber Marié-Davy's elektromagnetische
                           Maschine.
                        
                     
                        
                           Seit zwanzig Jahren hat man viele Versuche gemacht, um Maschinen herzustellen, bei
                              denen der Magnetismus, welchen ein in Entfernung wirkender elektrischer Strom im
                              weichen Eisen entwickelt, als Triebkraft angewandt wird; bis jetzt halten aber diese
                              Elektromotoren in ökonomischer Hinsicht keinen Vergleich mit den Dampfmaschinen
                              aus.
                           Jede elektromagnetische Maschine besteht im Wesentlichen aus einer Reihe
                              Elektromagnete von weichem Eisen, aus deren Armaturen von weichem Eisen, dann
                              verschiedenem Zugehör zum Uebertragen der Elektricität welche eine galvanische
                              Batterie oder eine magnetelektrische Maschine liefert, endlich einem Commutator oder
                              Stromunterbrecher, um eine continuirliche kreisförmige oder auch hin- und
                              hergehende Bewegung zu erhalten.
                           Diese verschiedenen Theile vereinigen bei den bisher construirten Maschinen nicht
                              alle Bedingungen, welche erforderlich sind um die ganze wirkende Kraft zu benutzen;
                              wir haben noch keine constante Elektricitätsquelle, welche kräftig und dabei
                              wohlfeil ist; da das weiche Eisen niemals rein und auch nicht vollkommen hämmerbar
                              ist, so behält es mehr oder weniger lange Zeit, bei jeder Unterbrechung, einen Theil
                              der vorübergehenden Magnetisirung welche der Strom ihm mitgetheilt hat; der
                              ursprüngliche Strom und der Extra-Strom bringen entgegengesetzte Wirkungen
                              hervor, welche sich wechselseitig schaden; die Commutatoren oder Unterbrecher zeigen
                              häufig Veränderungen, wenn man die Kette schließt.
                           
                           Andererseits kam Hr. Jacobi, welcher über die
                              Anwendbarkeit der elektromagnetischen Maschinen in der Industrie gründliche
                              Untersuchungen anstellte, zu dem Schluß, daß der mechanische Effect oder die Arbeit
                              dieser Maschinen, bei den Kosten welche ihre Unterhaltung veranlaßt, viel geringer
                              als diejenige der gebräuchlichen Motoren ist; in dieser Hinsicht hat aber die
                              Wissenschaft noch nicht ihr letztes Wort gesprochen, denn wenn es ihr gelänge,
                              wohlfeilere und kräftigere Elektricitätsquellen zu entdecken als die jetzt
                              gebräuchlichen, und die erwähnten Nachtheile großentheils zu vermeiden, so könnten
                              die Elektricität und der Magnetismus ebenso gut wie die Wärme als Triebkräfte
                              angewendet werden.
                           Alle Untersuchungen, welche zum Zweck haben, einige der Schwierigkeiten zu heben, auf
                              welche man bisher bei Anwendung der Elektricität als Triebkraft stieß, müssen daher
                              willkommen seyn. Dahin gehört die Abhandlung, worüber ich in Verbindung mit den
                              HHrn. Regnault und de
                                 Senarmont der Akademie der Wissenschaften Bericht zu erstatten beauftragt
                              wurde; denn diese Abhandlung enthält neue, beachtenswerthe Ansichten.
                           Hr. Marié glaubte, und mit Recht, daß, um mit den
                              elektromagnetischen Maschinen den möglich größten Effect zu erhalten, es nothwendig
                              ist, daß die Elektromagnete und Armaturen ihre Wirkung bis zum Contact ausüben, weil
                              die elektromagnetische Kraft, wie er durch Berechnung und Versuche gefunden hat, mit
                              der Entfernung so schnell abnimmt, daß, wenn man zwei Elektromagnete aus unendlicher
                              Entfernung einander bis zum Contact nähert, dieselben in dem letzten Millimeter fünf
                              Sechstel der ihnen inne wohnenden Arbeit und in dem vorletzten die Hälfte der noch
                              übrigen Arbeit verrichten; ersetzt man den zweiten Elektromagnet durch eine Armatur
                              von weichem Eisen, so werden drei Viertel der Arbeit beim Durchlaufen des letzten
                              Millimeters der Armatur, und mehr als die Hälfte des Restes im vorletzten Millimeter
                              abgegeben.
                           Bei den meisten rotirenden elektromagnetischen Maschinen, welche bis jetzt construirt
                              worden sind, gehen die beweglichen Armaturen schnell vor den festen Elektromagneten
                              rechtwinkelig zur Achse vorbei, ohne bis zur Berührung zu gelangen; man benutzt
                              daher nicht die sämmtliche Arbeit, welche man erlangen könnte. Hierbei müssen wir
                              jedoch erinnern, daß Hr. Froment, welcher sich viel mit
                              den elektromagnetischen Motoren beschäftigt hat, eine Maschine construirte, bei
                              welcher ein inneres Rad, mit Armaturen von weichem Eisen versehen, auf den
                              Endflächen fester Elektromagnete so rotirt, daß die magnetische Anziehungskraft bis
                              zum Berührungspunkte der magnetisirten Oberflächen benutzt wird; doch geht hieraus, wenn die
                              Maschine im Betriebe ist, nur eine Folge von Stößen oder Erschütterungen hervor,
                              welche die Ausführung einer stärkeren Maschine nach diesem Modelle unmöglich
                              machen.
                           Hr. Marié läßt die beweglichen Elektromagnete oder
                              die Armaturen so rotiren, daß sie sich den festen Elektromagneten in der Richtung
                              der Achse und bis zur Berührung ohne Stoß nähern. Dieß ist das Princip, welches der
                              Construction seiner beiden Elektromotoren zur Grundlage diente, von denen der eine
                              eine continuirlich rotirende, der andere eine oscillirende Bewegung hat. Ich werde
                              mich auf die Beschreibung des ersteren Apparats beschränken, welcher als Modell vor
                              der Commission der Akademie in Betrieb war.
                           Die continuirlich rotirende Maschine besteht aus 63 Elektromagneten, welche in
                              gleichen Entfernungen von einander auf einer kreisförmigen Holzfläche angebracht
                              sind, die im Innern mit einem Kupferreif versehen ist; alle diese Elektromagnete
                              sind mit ihrer Achse gegen den Mittelpunkt des Rades gerichtet, und ihre Endfläche
                              fällt mit der concaven Fläche des Kupferreifens zusammen.
                           Im Innern dieses großen Rades befinden sich zwei andere, deren Halbmesser nur ein
                              Drittel vom Halbmesser des großen Rades betragen, und welche ebenfalls mit einem
                              Kupferreif versehen sind; jedes von diesen Rädern trägt 21 gleich weit von einander
                              abstehende Elektromagnete, deren Achsen gegen ihren entsprechenden Mittelpunkt
                              gerichtet sind, und deren Polflächen mit der concaven Fläche des Kupferreifens
                              zusammenfallen; die kleinen Räder können also ohne Reibung im Innern des großen
                              rotiren, und ihre Bewegung der Welle der Maschine, welche mit der Achse des großen
                              Rades zusammenfällt, mittheilen. Die beweglichen Elektromagnete setzen sich nach und
                              nach mit den festen in Berührung. Die großen und kleinen Räder sind mit einer
                              Verzahnung versehen, welche dazu dient, die einmal getroffene Regulirung in Ordnung
                              zu erhalten.
                           Die Maschine ist außerdem mit verschiedenen Theilen versehen, welche nach und nach
                              jeden der Elektromagnete mit der Batterie in Verbindung setzen und den beiden
                              zusammenwirkenden Elektromagneten einen verschiedenen Grad der Magnetisirung
                              ertheilen.
                           Hr. Marié hat noch eine Abänderung angegeben,
                              welche vortheilhaft zu seyn scheint; er hat die inneren Räder durch andere ersetzt,
                              welche, anstatt Elektromagnete zu tragen, mit einem Reif von weichem Eisen, der eine
                              Armatur bildet, umgeben sind; dadurch wird der bewegliche Theil leichter, und die
                              Verzahnungen werden unnöthig. In dieser Abänderung wurde die Maschine der Commission
                              vorgelegt.
                           
                           Die spulenförmigen Elektromagnete des Hrn. Nickles,Beschrieben im polytechn. Journal Bd. CXXIX
                                       S. 413. welche von den Physikern günstig aufgenommen wurden, würden hier eine
                              interessante Anwendung finden; Hr. Marié will,
                              nach dem Rathe der Commission, Versuche mit denselben anstellen und wird die
                              Leistung dadurch erhöhen können, ohne die Kosten zu vergrößern.
                           Da die vorgelegte Maschine in ihrer Ausführung manches zu wünschen übrig ließ, so
                              brauchte sie, um eine Leistung von 1/23 Pferdekraft hervorzubringen, eine Batterie
                              von 24 Bunsen'schen Elementen. Nach der Berechnung des
                              Erfinders wäre aber keine größere, vielleicht noch eine geringere Intensität
                              erforderlich, um mit einer Maschine von großen Dimensionen die 300fache Leistung zu
                              erreichen; denn die Reibung wächst nicht mit dem Effect der Maschine, da die Theile
                              (Rollen) welche die elektrische Communication bewirken, sich nicht ändern, und die
                              durch die Anziehung der Magnete hervorgebrachte Kraft in hohem Maaße gesteigert
                              werden kann, wenn man große Cylinder von weichem Eisen als Elektromagnete benutzt;
                              der Commission standen nicht alle erforderlichen Elemente zu Gebote, um die
                              Resultate welche Marié's Rechnung ergab, durch den
                              Versuch zu bestätigen.
                           Das Modell ist in der Absicht ausgeführt worden, das Verhältniß zwischen der Arbeit
                              welche die Berechnung (nach der im Elektromagnet entwickelten magnetischen Kraft)
                              ergibt und der durch den Versuch wirklich erhaltenen Leistung zu bestimmen; dieses
                              Verhältniß war 4: 3; es ist aber schon eine große Annäherung, drei Viertel der
                              theoretischen Leistung zu erreichen, wenn man die mannichfachen Unvollkommenheiten
                              als Folge einer sehr schlechten Ausführung der Maschine berücksichtigt.
                           Da sich ein definitives Urtheil über den industriellen Werth der Maschine nicht
                              abgeben läßt, wenn dieselbe nicht mindestens eine Leistung von 1 Pferdekraft
                              verrichtet, so beantragt die Commission dem Erfinder die Summe von 2000 Francs zur
                              Ausführung einer solchen zuzustellen.