| Titel: | Neues griechisches Feuer und seine Anwendungen. | 
| Fundstelle: | Band 133, Jahrgang 1854, Nr. LXIV., S. 281 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXIV.
                        Neues griechisches Feuer und seine
                           Anwendungen.
                        Aus dem Cosmos, Revue encyclopédique, Juni 1854, S.
                              738.
                        Neues griechisches Feuer und seine Anwendungen.
                        
                     
                        
                           Im J. 1755 entdeckte der Goldschmied Dupré zu Paris
                              eine auf dem Wasser mit Flamme brennende Flüssigkeit. Ludwig XV. gestattete ihm einige Versuche auf dem Canal von Versailles,
                              dann im Hof des Arsenals zu Paris, endlich in verschiedenen Seehäfen anzustellen, um
                              zu erproben, ob mittelst dieser Flüssigkeit Schiffe in Brand gesteckt werden können.
                              Die Wirkungen dieser zündenden Flüssigkeit sollen so fürchterlich gewesen seyn, daß
                              selbst die Seeleute darüber erschracken. Der König glaubte jedoch auf die Vortheile,
                              welche ihm diese Erfindung versprach, verzichten zu müssen; er verbot Dupré seine Entdeckung bekannt zu machen, und um
                              sich seines Stillschweigens zu versichern, verlieh er ihm eine Pension und den Orden
                              des h. Michael. Dupré nahm sein Geheimniß mit ins
                              Grab.
                           Im April 1854 stellte Niepce von St. Victor viele Versuche
                              mit dem Benzin an, welches einen Bestandtheil des von ihm erfundenen Firnisses für
                              den photographischen Stahlstich bildet. Er fand dabei, daß das Benzin – eine
                              aus gleichen Atomen Kohlenstoff und Wasserstoff bestehende Flüssigkeit, welche sich
                              selbst bei niedriger Temperatur an freier Luft durch die bloße Berührung einer
                              kleinen Flamme leicht entzündet, in Wasser unauflöslich ist und eine Dichtigkeit von
                              0,85 hat – in hohem Grade die Eigenschaft besitzt auf dem Wasser zu brennen.
                              Ferner fand er, daß wenn man dem Benzin einige Stücke von Kalium oder
                              Phosphorcalcium (welche sich bekanntlich im Benzin sehr gut aufbewahren lassen)
                              beigibt, letztere Körper, nachdem sie sich von selbst in Berührung mit Wasser
                              entzündet haben, das Feuer sehr rasch dem Benzin mittheilen.
                           Am 30. April ließ man ein Glasgefäß welches 300 Gramme Benzin und einen halben Gramm
                              Kalium enthielt, auf der Seine, unter der Brücke von Grenelle, schwimmen und zerschlug es dabei, so
                              daß sich das Benzin auf einer großen Fläche verbreitete; das Kalium, welches nun mit
                              dem Wasser in Berührung kam, erzeugte eine ungeheure Flamme, welche zwar sehr rußig
                              aber doch sehr heftig war und ungeachtet eines starken Windes eine Minute andauerte;
                              dieser Versuch wurde am 2. Mai auf dem Bassin des Gartens vom Palais-Royal
                              wiederholt, wobei die Flamme ungeachtet eines starken Regens ebenfalls eine Minute
                              andauerte.
                           Mittelst des Benzins können wir also das alte flüssige griechische Feuer sehr leicht
                              darstellen.
                           Hr. Niepce, welchem man diese Entdeckung verdankt,
                              beschäftigte sich auch auf Veranlassung des VerfassersDie Redaction unserer Quelle bedauert den Namen desselben nicht mittheilen zu
                                    dürfen. dieser Notiz mit der Ermittelung von Flüssigkeiten, welche im Innern der
                              Hohlgeschosse brennen können. In Verbindung mit Hrn. Fontaine (Fabrikant chemischer Producte zu Paris), gelang es ihm sehr
                              bald, dieses Problem zu lösen. Wenn man ein Gemisch von 3/4 Benzin und 1/4
                              Schwefelkohlenstoff in eine Handgranate bringt, die man vorher auf eine Temperatur
                              unter dem Siedepunkt des Wassers erwärmt hat, so entwickeln sich Dämpfe, welche in
                              Berührung mit einer kleinen Flamme Feuer fangen, und man erhält so eine schöne
                              Flamme, welche viel weniger rußig ist als diejenige von reinem Benzin und bis zur
                              Verzehrung des Gemisches fortdauert. Um das Hohlgeschoß zu erwärmen, kann man es
                              einige Zeit in kochendes Wasser tauchen, oder auch glühende Kohlen dazu
                              benutzen.
                           Niepce und Fontaine fanden,
                              daß ein Gemisch von Benzin und Schwefelkohlenstoff in dem oben angegebenen
                              Verhältniß noch auf dem Wasser schwimmt, und daß seine Flamme eine merkwürdige
                              Heftigkeit und Hitze erlangt, wenn im Schwefelkohlenstoff Phosphor aufgelöst worden
                              ist; ein solches Gemisch wäre also vorzuziehen, wenn man Holz in Brand stecken
                              will.
                           Ich habe später gefunden, daß das Steinöl und auch das Schieferöl, wenn sie gut
                              rectificirt sind, ebenfalls die Eigenschaft besitzen auf dem Wasser zu brennen und
                              sich selbst bei niedriger Temperatur leicht zu entzünden. Ihre Flammen sind weniger
                              rußig als diejenige des Benzins; ich habe aber Grund anzunehmen, daß sie auch
                              weniger heftig sind und weniger Wärme entwickeln. Ueberdieß scheint das Schieferöl,
                              auf eine große Wasserfläche gegossen, darauf eine weniger dicke Schicht zu bilden,
                              wo dann seine Flamme auch nicht so lange andauern kann.
                           
                           Nach den von mir eingezogenen Erkundigungen, liefern die chemischen Fabriken bei der
                              Abnahme im Großen (z.B. für die Verarbeitung von Kautschuk und Gutta-percha)
                              das Kilogramm Benzin und Schieferöl, in rectificirtem Zustande, zu Preisen zwischen
                              1 Fr. 25 Cent, und 1 Fr. 50 Cent., den Schwefelkohlenstoff zu 1 Fr. 75 Cent. Vom
                              Kalium kostet der Gramm 60 Cent., und vom Phosphor kostet er 5 Cent, oder 10 Fr. das
                              Kilogramm. Das rectificirte Steinöl kostet (in Frankreich) wenigstens dreimal so
                              viel als das Schieferöl und das Benzin. Sowohl hinsichtlich der Wirksamkeit als des
                              Preises ist folglich zur Darstellung des griechischen Feuers das Benzin oder sein
                              Gemisch mit Schwefelkohlenstoff dem Schieferöl vorzuziehen, und noch mehr dem
                              Steinöl, welches wahrscheinlich den einzigen oder doch wesentlichen Bestandtheil des
                              alten griechischen Feuers bildete, da im Orient reichliche Quellen von Steinöl
                              vorkommen.
                           Da das Benzin, der Schwefelkohlenstoff, das Steinöl und Schieferöl in der Industrie
                              schon vielfache Anwendung finden, so ist es nicht wohl möglich über ihre
                              entzündenden Eigenschaften das Geheimniß zu bewahren, denn dieselben würden in allen
                              Ländern, wo man diese Substanzen anwendet, sehr schnell erkannt werden. Es ist daher
                              zweckmäßiger, ihre Eigenschaften bekannt zu machen, damit man einerseits Mittel
                              sucht sich gegen ihre Wirkungen zu sichern, und andererseits aus denselben Nutzen zu
                              ziehen vermag, insbesondere bei der Vertheidigung fester Plätze und in verschiedenen
                              Industriezweigen.
                           Ich will nun mehrere Anwendungen des neuen griechischen Feuers bezüglich der
                              Vertheidigung angeben:
                           1) Man kann eine Quantität von diesen Flüssigkeiten, welche auf dem Wasser wie auf
                              dem Holze und dem Erdboden brennen, mittelst Pumpen gegen einen Sappenkopf
                              schleudern, ferner in einen Laufgraben, von welchem ein absteigender Gang, oder ein
                              Minengang oder ein Gegenminen-Suchloch ausgeht; deßgleichen in eine
                              Breschebatterie oder eine Contrebatterie; auf den Uebergang eines trockenen oder mit
                              Wasser gefüllten Grabens; an den Fuß einer Scarpe, wo der Belagernde den Minirer
                              sich eingraben ließ; auf eine Brescherampe zur Zeit eines Angriffs; auf den
                              Waffenplatz einer gekrönten Bresche. Gleichzeitig könnte man auf diese laufenden
                              Flüssigkeiten sogenannte Kometenkugeln abschießen oder schleudern, deßgleichen
                              Granaten, welche mit einem Zünder versehen sind oder mit diesen Flüssigkeiten
                              gefüllt und mit einer angezündeten Lunte, einem Stück Zündlicht, cylindrischen
                              Stücken geschmolzenen Zeugs etc. versehen sind.
                           Man wird so trotz des Windes und des Regens eine sehr große und rußige Flamme
                              hervorbringen, welche die mit Faschinen gefüllten Schanzkörbe, die Faschinen, die
                              gewöhnlichen nicht mit Erde gefüllten Schanzkörbe in Brand stecken wird; welche die
                              kleinen Pulvermagazine der Batterien, die Geschützpatronen, die Pulversäcke der
                              Minirer in die Luft sprengen, die Arbeiter, die Kanoniere und die Angriffscolonnen
                              einhüllen, betäuben und verbrennen wird. Diese Flamme wird sich sogar auf denjenigen
                              Stellen des Terrains entwickeln, wo das Benzin und die analogen Flüssigkeiten vom
                              Boden absorbirt wurden. Dieses so leicht und schnell anwendbare Vertheidigungsmittel
                              würde gewiß einen großen Schrecken verursachen und wäre eines der wirksamsten, um
                              die Fortschritte des Belagernden aufzuhalten.
                           2) Dieselben Flüssigkeiten, in kleine Tiegel von feuerstem Thon oder Metall gebracht,
                              worin sie ohne Docht mit einem dem Wind und Regen widerstehenden großen
                              Flammenstrahl verbrennen, liefern ein intensives Beleuchtungsmittel, welches bei der
                              Vertheidigung fester Plätze in denjenigen Fällen sehr nützlich wäre, wo die
                              Nothwendigkeit zu sehen, den aus der Beleuchtung einiger
                              Theile der Befestigung entspringenden Nachtheil aufwiegt. Unter den Boden
                              eingegraben, wären diese Tiegel gegen directe und Prellschüsse gesichert; man könnte
                              darin das Feuer nach Belieben durch einen Zusatz von solchen Flüssigkeiten
                              unterhalten, oder durch einen aufgelegten Deckel auslöschen. Dieses
                              Beleuchtungsmittel wäre vortheilhaft in den Gräben, wo man eine Ueberraschung
                              befürchtet; an der Kehle der Außenwerke, in Wallgängen bedeckter Wege, um bei Nacht
                              die Bewegungen der Vertheidiger zu leiten, oder um die gute Richtung des
                              Geschützfeuers der zurückliegenden Werke zu sichern; auf Batterien, Sappeköpfen der
                              Krone des Glacis und bisweilen selbst auf eine Brustwehr, um die Rückkehr von einem
                              Ausfall zwischen zweien dieser Feuer zu leiten, welche man so lange andauern läßt
                              als es nothwendig ist.
                           3) In dem Falle, wo man ein Boot mit dem Winde in die Nähe eines feindlichen Schiffes
                              absenden könnte, würde man auf dieses Boot einen offenen Behälter bringen, der mit
                              Benzin gefüllt ist, auf welchem Kaliumstücke schwimmen. Der Seemann, welcher das
                              Boot führt, würde in dem Augenblick, wo er das Spundloch des Behälters geöffnet hat,
                              um dessen Inhalt gegen das Schiff auslaufen zu lassen, in das Meer springen, um das
                              Ufer oder ein entferntes Fahrzeug zu gewinnen. Alsdann würde sich das Benzin auf der
                              Wasserfläche verbreiten und die in Berührung mit dem Wasser sich entzündenden
                              Kaliumstücke würden die ganze Schicht dieser auf dem Wasser brennenden Flüssigkeit
                              in Flammen setzen. Wenn diese ungeheure Flamme das getheerte Holz des feindlichen
                              Schiffes berührt, und wenn man im Augenblicke der Abfahrt Benzin, oder ein Gemisch
                              von Benzin mit Schwefelkohlenstoff in welchem Phosphor aufgelöst ist, gegen die Wand jenes Schiffes
                              schleudern konnte, so muß es der Brand rasch ergreifen.
                           Ein leichtes und rasches Fahrzeug, welches mit dem Wind eines feindlichen Schiffes
                              segelt, und sich während der Nacht an dasselbe anlegt, könnte Behälter von dünnem
                              Glas, welche Benzin und einige Kaliumstücke enthalten, in das Meer werfen; der Wind
                              würde dieselben gegen jenes Schiff treiben, wo sie zerbrechen müßten, worauf
                              sogleich eine sehr intensive Flamme seine Wand überzöge.
                           4) Ein langer Balken, in Form einer abgestumpften Pyramide behauen, die bezüglich
                              seiner Achse eine regelmäßige ist, bei welchem z.B. die große Grundfläche wenigstens
                              das Doppelte der kleinen Grundfläche beträgt, verfolgt auf dem Wasser sehr genau die
                              Richtung welche ihm im Sinne der Achse ertheilt wurde, wenn er am kleinen Ende
                              gestoßen wird.
                           Angenommen, man befestigt auf einem Einschnitt (in der Achse) des Balkens eine Art
                              Rakete, zündet dieselbe an, und ertheilt dem Balken einen Anstoß, um seine Trägheit
                              zu überwinden, so wird dieser Balken auf dem Wasser in derselben Richtung gleiten,
                              mit einer Geschwindigkeit, welche von der Kraft und Brennzeit der Rakete
                              abhängt.
                           So könnte man starke Balken herstellen, welche gegen die Wand eines Schiffes in
                              dessen Auswässerungslinie kräftig stoßen; ihr großes schwimmendes Ende trüge einen
                              Behälter mit Benzin, worin sich einige Stücke von Kalium oder Phosphorcalcium
                              befinden; dieses Benzin, welches sich im Augenblick seiner Berührung mit Wasser
                              entzündet, würde eine ungeheure Flamme hervorbringen, die das getheerte Holz des vom
                              Balken erreichten Schiffes überziehen, und daher einen heftigen Brand veranlassen
                              würde. Dieses wäre eine fürchterliche Waffe gegen Schiffe, welche sich in einen
                              Hafen geflüchtet haben, wenn sie sich in der Richtung eines Fahrwassers befänden, in
                              welches sich die Balken ziehen könnten; deßgleichen gegen eine Schiffbrücke etc.
                           Ich glaube erwähnen zu müssen, daß die Aufbewahrung der auf dem Wasser brennenden
                              Flüssigkeiten in den Festungen und an Bord der Schiffe mit keiner größeren Gefahr
                              verbunden ist, als diejenige des Alkohols, Terpenthinöls, Pulvers, der
                              Schießbaumwolle etc.
                           Die bereits erlangten Resultate dürften die Chemiker und Kunstfeuerwerker
                              veranlassen, das Studium der auf dem Wasser brennenden Flüssigkeiten fortzusetzen,
                              nicht bloß aus den eben erwähnten Gesichtspunkten, sondern auch, um verpuffende
                              Flüssigkeiten zu ermitteln, welche bei Sprengminen angewendet werden können.