| Titel: | Chemisches Verfahren zur quantitativen Bestimmung des Zuckers; von Hrn. E. Maumené. | 
| Fundstelle: | Band 133, Jahrgang 1854, Nr. XCI., S. 376 | 
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                        XCI.
                        Chemisches Verfahren zur quantitativen Bestimmung
                           des Zuckers; von Hrn. E.
                              Maumené.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1854, Nr.
                              1888.
                        Maumené's chemisches Verfahren zur quantitativen Bestimmung
                           des Zuckers.
                        
                     
                        
                           Es ist mir nach zahlreichen Versuchen gelungen, eine Behandlungsweise des Zuckers mit
                              Zinnchlorid (SnCl₂, 5 HO) zu ermitteln, welche die quantitative Bestimmung des Zuckers mittelst
                              dieses Reagens gestattet. Man braucht nämlich nur einen großen Ueberschuß des
                              Zinnchlorids anzuwenden, z.B. 15 bis 30 Gr. davon auf 1 Gr. Zucker; wenn man dieses
                              Gemisch zuerst abdampft und dann erhitzt, indem man es einige Minuten lang der
                              Temperatur von 120 bis 130° C. aussetzt, so schwärzt es sich, und der Zucker
                              verwandelt sich gänzlich in eine schwarzbraune Substanz, welche vollkommen
                              unauflöslich ist. Die Zusammensetzung dieser Substanz entspricht der Formel C₁₂H₄O₄; sie ist folglich Zucker
                              minus Wasser: C₁₂H₁₁O₁₁ – 7 HO = C₁₂H₄O₄.
                           Man erhält diese Substanz mit dem Traubenzucker, der Cellulose, dem Dextrin etc.,
                              überhaupt mit allen Substanzen von der Familie der Kohlenhydrate.
                           Die Wirkung des Zinnchlorids auf den Zucker und die analogen Substanzen besteht also
                              darin, daß es ihnen den Wasserstoff und Sauerstoff, welche sie im Verhältniß der
                              Wasserbildung enthalten, bei erhöhter Temperatur entzieht.
                           Die Bildungsweise der Substanz C₁₂H₄O₄ veranlaßt
                              mich für sie die Benennung Caramelin vorzuschlagen.
                           Hiernach ist einleuchtend, welchen Gang man einzuschlagen hat, um eine zuckerhaltige
                              Flüssigkeit zu analysiren.
                           Ich setze zuerst voraus, daß diese Flüssigkeit bloß einerlei Zuckerart enthält, und
                              keine andere Substanz von der Familie der Kohlenhydrate.
                           
                           Man beginnt damit, annähernd die Menge des Zuckers mittelst Zusatzes einiger Gramme
                              Zinnchlorid zu bestimmen; man dampft bei mäßiger Wärme zur Trockne ab und setzt den
                              erhaltenen Rückstand zehn Minuten lang der Temperatur von 120 bis 130° C.
                              aus, um den Zucker in Caramelin zu verwandeln. Man nimmt dann die Masse in Wasser
                              auf, wobei man sogleich erkennt ob die Einwirkung des Chlorids eine vollständige
                              war; wenn dieses nicht der Fall ist, färbt sich nämlich das Wasser braun. Man fetzt
                              dann neuerdings Zinnchlorid zu, dampft wie vorher ab und erhitzt den Rückstand auf
                              120 bis 130° C. In der Regel wird das Product, wenn man es jetzt in
                              destillirtem Wasser aufnimmt, dieses gar nicht mehr oder nur sehr wenig färben. Der
                              Zucker ist alsdann vollständig in Caramelin verwandelt, welches nicht nur in Wasser,
                              sondern auch in den Säuren und Alkalien ganz unauflöslich ist.Die Salpetersäure und das Königswasser greifen das Caramelin in der Kälte nur
                                    dann an, wenn sie sehr concentrirt sind. Wenn man folglich den Rückstand mit kochendem Wasser auswäscht, welches
                              stark mit Schwefelsäure oder Salzsäure angesäuert wurde, so kann man die anderen
                              Substanzen ausziehen und das Caramelin rein oder doch beinahe rein erhalten. Man
                              sammelt es auf einem tarirten Filter und bestimmt sein Gewicht P.
                           
                              
                                 Die Proportion
                                 C₁₂H₄O₄  :
                                 C₁₂H₁₁O₁₁ = P
                                    : x
                                 
                              
                                 
                                    1350
                                    2187,5
                                 
                              
                           ergibt für x die gesuchte
                              Zuckermenge.
                           Das zweite Glied dieser Proportion wird durch
                              C₁₂H₁₂O₁₂ (2300), oder durch
                              C₁₂H₁₀O₁₀ (2025) ersetzt, wenn man
                              Traubenzucker oder Dextrin bestimmt.
                           Bisweilen reicht schon das beschriebene Verfahren aus, um genau das Verhältniß des
                              Zuckers zu bestimmen, meistens ist es aber nothwendig, um eine größere Genauigkeit
                              zu erhalten, die Probe folgendermaßen zu wiederholen:
                           Man nimmt dasselbe Volum von Flüssigkeit, deren Zuckergehalt man nun annähernd kennt,
                              und versetzt sie auf jeden Gramm Zucker mit 15 bis 30 Grammen Zinnchlorid. Man
                              dampft ab etc. Das unter diesen Umständen erhaltene Caramelin ist rein und sehr
                              zertheilt; es gestattet ein genaues Auswaschen, während es niemals möglich ist das
                              Innere der Klümpchen auszuwaschen, welche man bei Einwirkung eines zu schwachen
                              Verhältnisses von Zinnchlorid erhielt. Das Gewicht des bei dieser Probe erhaltenen Caramelins ergibt
                              folglich sehr genau das Verhältniß des Zuckers.
                           Ich habe das beschriebene Verfahren angewendet um den Zuckergehalt von
                              Runkelrübensaft und Champagnerwein zu bestimmen; die Resultate stimmten mit
                              denjenigen überein, welche die Analyse mittelst des Saccharimeters lieferte.
                           Leider läßt sich dieses Verfahren nicht anwenden um die verschiedenen Zuckerarten von
                              einander zu trennen, und wenn eine Flüssigkeit zugleich Rohrzucker und Traubenzucker
                              enthält, so kann man nur deren Summe bestimmen. Noch mehr läßt dieses Verfahren zu
                              wünschen übrig, wenn die beiden Zuckerarten von Dextrin begleitet sind. Das Gummi
                              bildet kein ernstliches Hinderniß, weil man es absondern kann.
                           Ich schließe mit einer kurzen Bemerkung über die Anwendung des
                                 Caramelins als Farbe. Die Wirkung des Zinnchlorids auf den Zucker und die
                              Substanzen von der Familie der Kohlenhydrate, liefert ein vortreffliches Mittel um
                              ein Product ähnlich der Sepie, Casselererde etc. zu bereiten. Das Caramelin besitzt
                              eine sehr schöne schwarzbraune Nüance, und da man es ohne Wiederholung des
                              Verfahrens in einem sehr zertheilten Zustande erhalten kann, besonders wenn man das
                              angegebene Verhältniß von Zinnchlorid noch vergrößert, so glaube ich daß dieses
                              Product sich vortheilhaft in der Malerei wird verwenden lassen.