| Titel: | Ueber künstliches Ausbrüten der Eier; von Hrn. August de Frarière. | 
| Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. L., S. 223 | 
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                        L.
                        Ueber künstliches Ausbrüten der Eier; von Hrn.
                           								August de Frarière.
                        Aus dem Agriculteur-praticien, Juni 1854, S. 330.
                        Frarière's, über künstliches Ausbrüten der Eier.
                        
                     
                        
                           Daß die Aegyptier schon in den ältesten Zeiten die Hühner in einer Art Oefen mit
                              									gleichbleibender Temperatur zum Auskriechen zu bringen vermochten, ist bekannt. Doch
                              									sind es, wie neuere Reisende berichten, nur wenige privilegirte Familien, in welchen
                              									sich das Geheimniß jetzt noch vom Vater auf den Sohn forterbt. Dem Volke ist nur
                              									Einzelnes von dem Verfahren bekannt, z.B. daß die Eier in Körbe gelegt werden, welche man mit einem
                              									dicken Tuch oder einem Schaffell zudeckt; daß die Wärme mittelst eines, durch
                              									Verbrennung getrockneten Kuhmists erzeugten, sehr gelinden Feuers immer gleichmäßig
                              									erhalten wird etc.
                           Großes Aufsehen machte Reaumur (Ende des vorigen
                              									Jahrhunderts), als ihm der Versuch gelang, Hühner zum Auskriechen zu bringen; dieß
                              									gelang ihm jedoch nur mit solchen Eiern, welche schon eine anfangende natürliche
                              									Bebrütung erfahren hatten.
                           In den letzten Jahren der Restauration wurde ein Brütapparat erfunden, wobei durch
                              									die stets auf gleicher Höhe erhaltene Flamme einer Lampe jene gleichmäßige Wärme
                              									erzielt wurde, welche durch die bisherigen Verfahrungsweisen so schwer herzustellen
                              									war. Diese Erfindung machte großen Lärm, denn es war bei öffentlich damit
                              									angestellten Versuchen wirklich gelungen, die Hühnchen aus ihren Schalen schlüpfen
                              									zu sehen. Doch schien der Erfolg sich praktisch nicht zu bewähren, denn die
                              									zahlreich verbreiteten neuen Brütvorrichtungen wurden wieder als unnütze Geräthe
                              									beseitigt. Nach einigen Jahren wurde das Verfahren mit der einzigen Abänderung
                              									wieder aufgenommen, daß man durch die mit Oel oder Weingeist gespeiste Lampe die
                              									Wärme einem mit Wasser gefüllten Recipienten mittheilte. Der Erfolg war natürlich
                              									kein besserer, denn es ist nicht der Mangel an Wärme oder ihre ungleiche
                              									Vertheilung, was bisher dem Gelingen entgegen stand, wie man gleich sehen wird.
                           Besitzer von Brütapparaten haben mir mitgetheilt und bewiesen, daß man sich des
                              									besten Erfolgs, jedoch nur dann versichert halten kann, wenn
                                 										die Eier vorher ein paar Tage natürlich, d.h. von der Mutter, bebrütet
                                 										wurden. Zwar erreicht der Keim auch außerdem seine volle Entwickelung und
                              									das Hühnchen bildet sich vollkommen aus; nachdem es aber auf dem Punkt angelangt
                              									ist, wo es seine Schale durchbrechen soll, stirbt es, ohne daß es dieses vermochte.
                              									Umsonst kommt man ihm zu dieser Zeit zu Hülse, damit es die Schale zerbrechen kann;
                              									denn beim Zerreißen der Hülle, durch welche große, bluterfüllte Adern circuliren,
                              									läuft deren Blut aus, und bald darauf stirbt in Folge davon das Hühnchen.
                           Im Naturzustande ist der Hergang folgender: das Hühnchen klopft, durch das Bedürfniß
                              									zu athmen gedrängt, gegen einen Punkt der Wände seines Gefängnisses. Gewöhnlich gibt
                              									das biegsame Häutchen hierbei nach und das Hühnchen beginnt dann die Luft
                              									aufzunehmen, welche dieser leere Theil der Schale enthält, wo sein Schnabel
                              									beständig durchzudringen strebt. Zu dieser Zeit läßt es auch die ersten Töne hören,
                              									auf welche die Henne antwortet. Durch die Absorption dieser Luft gestärkt, beginnt
                              									das Hühnchen neuerdings zu klopfen, worauf bald die Schale sich öffnet und mehr Luft eindringen läßt.
                              									Nun entleeren sich die Adern der Membran und das Blut gibt dem Hühnchen neue Kraft.
                              									Das zum Theil noch außerhalb seines Körpers befindliche Gelbe des Eies, welches man
                              									durch die Placenta hindurch deutlich wahrnimmt, zieht sich in das Innere des Leibs.
                              									Nach einiger Ruhe endlich beginnt das Hühnchen neuerdings seine Bemühungen die
                              									Schale ringsherum zu zerbrechen, mit vieler Anstrengung befreit es sich von
                              									derselben gänzlich und kommt in Schweiß gebadet aus derselben heraus.
                           Vergleicht man damit den Hergang, wenn die Eier nicht natürlich bebrütet wurden, so
                              									findet man, daß jene Feuchtigkeit welche das Anhaften der so feinen Härchen und der
                              									so zarten Haut an der innern Membran verhindert, völlig mangelt. Das Küchlein kann
                              									sich mithin in seiner Schale nicht umdrehen; es kann weder seine Hülle durchstoßen,
                              									noch seine Schale zerbrechen. Diese Thatsache gab die Veranlassung zu den neuen
                              									Verfahrungsweisen „mit feuchter
                                    										Wärme;“ aber auch dabei entsprach der Erfolg den Erwartungen
                              									nicht.
                           Worin besteht nun das Geheimniß? – Noch kürzlich wurde im Bulletin de la Société d'acclimation
                              									bemerkt, daß die Rebhühnereier änger für die Bebrütung tauglich bleiben, wenn man
                              									sie im Neste der Mutter läßt, wo sie doch allen Witterungsveränderungen ausgesetzt
                              									sind, als wenn man sie anderswohin dagegen in Sicherheit bringt. Diese sehr richtige
                              									Bemerkung stimmt ganz mit den Beobachtungen überein, welche mich bei meinen
                              									Untersuchungen leiteten und mir ein so lange verborgenes Geheimniß entdecken
                              									halfen.
                           Ich hatte längst bemerkt, daß das mittelst künstlicher Wärme gereifte Hühnchen weder
                              									die Hülle, worin es gleichsam eingewindelt ist, noch seine Schale durchbrechen und
                              									sich nur mit vieler Mühe umdrehen kann, weil ihm jene fettige Flüssigkeit abgeht,
                              									die es dem Vögelchen ermöglicht, sich in seinem engen Gefängniß zu bewegen. Ich
                              									schloß daraus, daß von dieser Flüssigkeit noch zu viel verloren geht, oder daß das
                              									Hühnchen, aus einem unbekannten Grunde, sich dieselbe nicht verschaffen konnte.
                           Um in dieser Hinsicht ins Reine zu kommen, nahm ich Eierschalen unter einer Henne
                              									weg, deren Küchlein eben ausgekrochen waren, und wieder andere, die ich von den
                              									Leichnamen einiger Hühnchen loslöste, welche in einer Brütvorrichtung ihre Reife
                              									erlangt hatten.
                           Ich fand bei dieser Vergleichung, daß die ersteren Schalen mit einem fetten Firniß
                              									überzogen schienen, was von deren Berührung mit den Federn und dem Körper der Mutter
                              									herrührte, wogegen dieser Firniß den andern gänzlich mangelte. Auch überzeugte ich
                              									mich durch die chemische Analyse, daß jene Schalen von einem
                                 										fetten Körper ganz durchdrungen waren, der ihnen das glasirte Ansehen ertheilte, welches den
                                 										andern fehlte.
                           Dieß ist der Grund, weßhalb Eier, welche eine anfangende natürliche Bebrütung
                              									erfahren haben, in einer Brütvorrichtung zum Auskriechen kommen; sie brauchen
                              									nämlich nur genug Fettsubstanz verschluckt zu haben, um den Verlust der
                              									obenerwähnten Feuchtigkeit zu verhüten. Je länger diese Eier unter dem Flügel der
                              									Mutter verweilten, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eines guten Erfolgs.
                           Die Henne theilt also den Eiern nicht nur ihre Wärme mit, sondern setzt sie auch in
                              									eine Bewegung, was die Form der Eier sehr begünstigt; sie bringt dieselben nämlich
                              									von der Peripherie in den Mittelpunkt, wobei sie ihre Stellung sehr oft verändern,
                              									wodurch zwischen den Fasern, welche den Keim suspendirt halten, ein Gleichgewicht
                              									erhalten wird, ohne welches die verschiedenen Theile des kleinen Vögelchens nur eine
                              									unvollkommene Ausbildung erlangen würden. Ueberdieß theilt die Bruthenne der
                              									Eierschale, wie gesagt, ein thierisches Oel mit, welches diese bald durchdringt; daß
                              									die Eierschalen Fette sehr leicht absorbiren, ist bekannt. Jedenfalls ist dieser
                              									Vorgang von großem Einfluß auf das Leben des Küchleins.
                           Ich habe in diesem Sinne bisher einen einzigen Versuch angestellt, welcher aber
                              									entscheidend ausfiel. Ich hatte das Vergnügen Eier auskriechen zu sehen, welche von
                              									der Mutter nicht bebrütet worden waren.