| Titel: | Ueber eine neue Anwendung des Wasserdampfes bei Maschinen; von Hrn. Séguin sen. | 
| Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. LXVIII., S. 325 | 
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                        LXVIII.
                        Ueber eine neue Anwendung des Wasserdampfes bei
                           								Maschinen; von Hrn. Séguin
                           								sen.
                        Aus dem Cosmos, 1855,
                              							    t. VI p. 4, durch das polytechn. Centralblatt, Lief. 5.
                        Séguin, über eine neue Anwendung des Wasserdampfes bei
                           								Maschinen.
                        
                     
                        
                           Im Jahre 1845 veröffentlichte Regnault die Resultate
                              									seiner Versuche über die latente Wärme des gesättigten Wasserdampfes bei
                              									verschiedenen Spannungen, und zeigte, wie sich schon aus Despretz's Versuchen schließen ließ, daß „die Wärmemenge, welche
                                 										1 Kilogr. gesättigter Wasserdampf bei verschiedenen Spannungen ausgibt, wenn er
                                 										tropfbar flüssig wird, um so größer wird, je größer die Spannung des Dampfes
                                 										ist, und um so kleiner, je kleiner diese ist.“ Hieraus geht
                              									unmittelbar hervor, daß der Dampf, welcher vermittelst seiner Expansion den Kolben
                              									einer Dampfmaschine gehoben hat, eine gewisse Wärmemenge verliert, und es liegt kein
                              									Grund vor, daß man diesem Wärmeverluste nicht die hervorgebrachte mechanische
                              									Wirkung zuschreiben sollte. Man kann daher in einer Maschine immer den nämlichen
                              									Dampf so wirken lassen, daß man ihm nach jeder Expansion oder nach jedem Kolbenhube
                              									die Wärme, welche er während der Expansion verlor und welche die mechanische Wirkung
                              									hervorbrachte, dadurch ersetzt, daß man ihn in einen Generator leitet und daselbst
                              									lange genug zurückhält. Mit Beziehung hierauf läßt der Verf. gegenwärtig die im
                              									Nachfolgenden beschriebene Maschine construiren, nachdem er durch Vorversuche
                              									nachgewiesen hat, daß das Eisen ein hinreichend festes Material für die Generatoren
                              									ist, die bedeutenden Temperaturdifferenzen ausgesetzt sind, und daß es möglich ist,
                              									die Temperatur einer Dampfmenge in einer hinreichend kurzen Zeit um die
                              									entsprechende Anzahl Grade zu erhöhen.
                           Die Maschine besteht aus zwei in einer Achse vor einander liegenden Cylindern von 1
                              									Meter Länge und 0,5 Meter Weite, deren Kolbenbewegung vermittelst einer
                              									gemeinschaftlichen Kolbenstange in einer der gewöhnlichen Weisen auf die
                              									Schwungradwelle übertragen wird. Jeder Cylinder communicirt mit einem cylindrischen
                              									Generator von 2 Meter Länge und 20 Centimeter Durchmesser. Dieser Generator ist
                              									durch eine horizontale Scheidewand, welche jedoch an der dem Cylinder
                              									entgegenliegenden Seite einen Durchgang gewährt, in eine obere und eine untere
                              									Abtheilung getheilt. Der Dampf, welcher zum Betriebe der Maschine dient, ist in zwei
                              									gesonderte Massen getheilt; beide gehen abwechselnd in die beiden Generatoren ihrer entsprechenden
                              									Cylinder, indem sie durch die obere Abtheilung ein- und durch die untere
                              									austreten. Wenn der Dampf den Raum des ersten Cylinders und seines Generators
                              									vollständig füllt, so ist er im Zustande der Sättigung und seine Spannung ist
                              									dieselbe, wie die der äußeren Luft. In diesem Augenblicke treibt der Kolben dieses
                              									ersten Cylinders, durch den Kolben des zweiten zurückgestoßen, diesen Dampf in den
                              									Generator zurück, indem er seine Spannung, welche anfänglich Null ist, am Ende des
                              									Kolbenhubes bis zu 2 Atmosphären steigert, wozu noch die Spannung kommt, die aus den
                              									Temperaturerhöhungen durch die Compression des zurückgetriebenen Dampfes und durch
                              									den Aufenthalt im Generator hervorgeht. Diese erste Bewegung nennt der Verf. den negativen Hub. Die Rechnung, welche der Verf. zur
                              									Ermittelung des mittleren Druckes gegen den Kolben angestellt hat, ergibt denselben
                              									zu etwa 2,2 Atmosphären. Jetzt unterbricht die Bewegung eines Schiebers die
                              									Communication zwischen dem Cylinder und dem Generator und schließt den Dampf während
                              									eines vollständigen Kolbenhubes, ungefähr 2 Secunden lang, im Generator ein. Er
                              									befindet sich hierbei mit Flächen in Berührung, deren Temperatur
                              									700–800° C. erreicht; die Zeit der Berührung reicht nach dem
                              									Dafürhalten des Verf. hin, um seine Temperatur so weit zu erhöhen, daß er sein Volum
                              									verdoppelt; dieß findet statt, wenn die Temperatur auf 400° gebracht oder um
                              									267° vermehrt wird; seine Spannung beträgt dann 8 Atmosphären. Eine zweite
                              									Schieberbewegung gestattet dem Dampfe, in den Cylinder zu treten. Von den 8
                              									Atmosphären nimmt die Spannung in dem Maaße ab, als der Kolben fortgeschoben wird,
                              									bis er das Ende seines Weges erreicht. Eine oberflächliche Rechnung zeigt, daß die
                              									Wärmemenge, welche während dieser Ausübung der Kraft absorbirt wird, kleiner als
                              									diejenige ist, welche angewendet wurde, und daß daher der Dampf am Ende dieses
                              									Kolbenweges immer noch eine größere Spannung hat, als die äußere Luft. Diese zweite
                              									Bewegung nennt der Verf. den positiven Hub. Der mittlere
                              									Druck, welchen hierbei der Dampf auf den Kolben ausübt, beläuft sich auf 3,8
                              									Atmosphären.
                           Die Leistung der Maschine ist proportional der Differenz zwischen den Spannungen,
                              									welche beim positiven und negativen Hube abwechselnd auf die beiden an dieselbe
                              									Stange angeschlossenen Kolben wirken; diese Differenz beträgt 3,8 – 2,2 = 1,6
                              									Atmosphären oder ungefähr 1,6 Kilogr. auf 1 Quadratcentimeter. Die Leistung, welche
                              									man hierbei erhält, ist nahezu doppelt so groß, als bei den Watt'schen Niederdruckmaschinen. Bei der im Bau begriffenen
                              									Versuchsmaschine mit 0,5 Meter weiten Cylindern beträgt sie 20 Pferdekräfte.
                           
                           Da es ein wesentliches Erforderniß ist, daß der Dampf am Ende des positiven Hubes im
                              									Zustande der Sättigung sey und die Spannung der äußeren Luft habe, damit der Kolben
                              									beim negativen Hube möglichst wenig Widerstand zu überwinden habe, führt man in
                              									diesem Augenblicke in den Cylinder einige Tropfen Wasser ein, durch welche der Dampf
                              									gesättigt und seine Temperatur so weit herabgezogen wird, daß seine Spannung der der
                              									äußeren Luft gleich ist. Dieser Dampf ersetzt die Verluste während des Ganges der
                              									Maschine. Jedenfalls muß ein kleiner Ausweg, welchen sich der Kolben beim Ende
                              									seines Hubes eröffnet und welcher nach der äußeren Luft ausmündet, dem
                              									überschüssigen Dampfe den Austritt gestatten und den im Cylinder zurückbleibenden
                              									auf seine ursprüngliche Spannung und Temperatur zurückführen. Das Spiel der Maschine
                              									beginnt dann von neuem.