| Titel: | Ueber eine neue Form der bei Löthrohrversuchen angewandten Platinpincetten und Platindrähte; nach A. Vogel jun. und C. Reischauer. | 
| Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. XIII., S. 45 | 
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                        XIII.
                        Ueber eine neue Form der bei Löthrohrversuchen
                           								angewandten Platinpincetten und Platindrähte; nach A. Vogel
                           								jun. und C. Reischauer.
                        Mit Abbildungen.
                        Vogel, über neue Form der bei Löthrohrversuchen angewandten
                           								Platinpincetten und Platindrähte.
                        
                     
                        
                           I.
                           Von den Werkzeugen, die dem beobachtenden Naturforscher stets zur Hand seyn müssen,
                              									ist die Pincette ein, wohl durch alle Branchen der Forschung, gleich
                              									unentbehrliches. Je nachdem man durch dieses Instrument das momentane oder längere
                              									Festhalten eines Objectes beabsichtigt, construirt man dasselbe in zwei wesentlich
                              									von einander verschiedenen Gestalten. Aus dem Bedürfniß des ersteren Falles
                              									entstanden jene Formen, die in ihrem normalen Zustande geöffnet erscheinen und bei
                              									welchen erst der Fingerdruck des Beobachters, die Federkraft der elastischen
                              									Blättchen überwindend, die Spitzen nähert und zum Eingreifen des Objectes nöthigt.
                              									Wird bei dieser Form des Instrumentes ein mehr andauerndes Festhalten des
                              									Gegenstandes verlangt, so ist auch ein fortwährender Druck der Finger erforderlich,
                              									wobei dann die baldige Ermüdung eine Unsicherheit mit sich führt. Ohne diese
                              									Pression der Finger ist aber das Werkzeug absolut unthätig.
                           Diese Nachtheile in den Fällen, wo es auf ein länger anhaltendes Beobachten des
                              									Objectes in der Pincette ankömmt, bedingten die Construction der zweiten Form, indem
                              									ein von den Handwerkern schon lange gebrauchtes unausgebildetes Werkzeug einem neuen
                              									Wirkungskreis angepaßt und vervollkommnet, in die wissenschaftliche Praxis überging,
                              									wo es in einzelnen Zweigen im Laufe der Zeit unentbehrlich wurde. Bei dieser zweiten
                              									Gestalt berühren sich die Spitzen im normalen Zustande und sind mit einem sanften,
                              									durch die federnden Blättchen vermittelten Druck gegeneinander gehalten, indem erst
                              									der Fingerdruck des Beobachters das Oeffnen des Werkzeuges bewirkt. Die zwischen die
                              									federnden Spitzen gebrachten Objecte werden von diesen mit leichter und
                              									gleichmäßiger Pression festgehalten, wenn der Fingerdruck des Beobachters nachläßt.
                              									In dieser letzteren Form wirkt also die Pincette, durch den Beobachter angeregt,
                              									selbstständig fort, so daß man sie im Gegensatz zur ersteren die lebendige nennen
                              									könnte.
                           Den Botanikern steht wohl das Verdienst zu, dieser zweiten Gestalt zuerst ein
                              									weiteres Gebiet der Anwendung verschafft zu haben. Aber eben so unentbehrlich erwies
                              									sich bald bei der Entwickelung der chemischen Mineralogie das nun abermals in einer
                              									durch die Ansprüche bedingten complicirten Construction auftretende Instrument,
                              									welches namentlich noch in jüngster Zeit durch v. Kobell's große Verdienste ein weites Feld der Anwendung in der
                              									bestimmenden Mineralogie erhielt.
                           Man bedient sich desselben bei Löthrohrversuchen, um kleine Splitter eines Minerals
                              									auf ihre Schmelzbarkeit in der Löthrohrflamme zu untersuchen, oder die Färbung
                              									derselben mit und ohne Anwendung besonderer Reagentien, wie ihr sonstiges Verhalten
                              									in der Flamme zu erforschen.
                           
                           In der von den Botanikern gebrauchten Form, nur mit angesetzten Platinspitzen
                              									versehen, dient bisher die in „Berzelius'
                                 										Löthrohr“ und a. a. O. ausführlich beschriebene Construction, die wir
                              									in der beigefügten Skizze als „alte Form“ bezeichnet, des
                              									Vergleiches wegen neben die neuere stellten. Der bequemen und sichern Anwendung
                              									dieser gebräuchlichen Form widersetzen sich nun namentlich zwei Umstände, die wir
                              									durch eine geänderte Construction heben zu können glaubten:
                           1) Das Oeffnen der Pincette bisheriger Construction wird durch den Druck auf die
                              									beiden gestielten Knöpfe (a' und a') vermittelt, indem dabei der auf den Knopf applicirte Druck sich durch
                              									den Stiel auf den gegenüberliegenden Schenkel der Pincette fortpflanzt. Der Umstand,
                              									daß man mit den Fingerspitzen diese kleinen Knöpfchen aufsuchen muß, erfordert beim
                              									jedesmaligen Gebrauche des Instrumentes ein zeitraubendes Adjustiren desselben in
                              									der Hand.
                           2) Der Natur des Instrumentes nach können die Stiele der beiden Knöpfe nicht in einer
                              									geraden Linie liegen und daher eben so wenig die auf dieselben wirkenden Pressionen.
                              									Indem diese Parallelkräfte nun beim Gebrauche ein Drehungsbestreben in dem Apparate
                              									verursachen, so bekömmt die Manipulation des Instrumentes eine für den
                              									Experimentator äußerst störende Unsicherheit. Manche von nicht Sachverständigen
                              									herstammende Exemplare, bei welchen die beiden Knöpfe um eine bedeutendere Distanz
                              									von einander entfernt sind, werden dadurch nahezu unbrauchbar, wenigstens für einen
                              									Experimentator, der nicht in einzelnen Fällen, sondern in größerer Ausdehnung mit
                              									der Platinpincette zu arbeiten hat.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 138, S. 47
                              
                           Beiden Uebelständen begegnen wir in der neuen Construction, indem, wie aus der Skizze
                              									leicht verständlich, jene Knöpfe durch ein zweites stark elastisches Blättchen
                              									ersetzt werden, die mit denen in der ursprünglichen Pincette in der Mitte des
                              									Instrumentes zugleich vernietet sind. In diese Blättchen sind nun am anderen Ende
                              									die den Knopfstielchen der alten Construction entsprechenden Stifte (a und a) eingeschraubt. Da dieselben auf
                              									solche Weise mit dem ganzen Instrumente schon in einer festen Verbindung stehen, so
                              									wird es natürlich überflüssig, dieselben auch in dem gegenüberliegenden, von ihnen
                              									beim Gebrauche bewegten Schenkel zu fixiren. Ergreift man das Instrument, so hat man
                              									es im ersten Griff zur Benützung handgerecht, indem es nahezu gleichgültig ist, ob
                              									der Druck mit den Fingerspitzen am Ende oder Anfang der zwei elastischen Blättchen
                              									applicirt wird, wodurch man des lästigen gehörigen Zurechtlegens des Instrumentes in
                              									der Hand vor dem jedesmaligen Ergreifen einer Probe überhoben ist. Die durch die
                              									Blättchen dem drückenden Finger dargebotenen größeren Berührungsflächen möchten
                              									namentlich dem längere Zeit mit diesem Instrumente Arbeitenden außerdem im höchsten
                              									Grade willkommen seyn, und einen nicht unbedeutenden Vorzug gegen die alte
                              									Construction gewähren.
                           Wie es bei Werkzeugen aller Art der Fall ist, so wird auch bei diesem der specifische
                              									Vortheil gegenüber der altern Form erst dann recht auffällig, wenn man beim
                              									Gebrauche selbst beide Arten vergleicht. Wir haben daher den höchsten Autoritäten
                              									dieses Gebietes Exemplare zugestellt und dürfen wohl den verhältnißmäßig nur um ein
                              									Geringes höheren Preis der neuen Construction nicht als ein Hinderniß allgemeiner
                              									Einführung betrachten.
                           
                        
                           II.
                           Ein in der bestimmenden Mineralogie und analytischen Chemie täglich gebrauchtes
                              									Instrument ist der öhr- oder hakenförmig umgebogene Platindraht, dessen man
                              									sich, wenn nicht die Kohle besonders verlangt wird, stets als Unterlage für
                              									Glasflüsse, mit denen man eine Probe in der Löthrohrflamme behandeln will, bedient.
                              									Ein einfach hakenförmig umgebogener Draht, wie ihn Berzelius und Plattner
                              									Plattner's Probirkunst S. 24. in ihren trefflichen Werken beschreiben, war lange Zeit die ausschließlich
                              									angewandte Form dieser Drähte. In solchen einfachen Haken nimmt aber die Probe stets
                              									eine Kugelgestalt an, wodurch bei tiefer gefärbten Perlen leicht eine Schwierigkeit
                              									in der Beurtheilung der Farbe ohne Zerschlagen des Glases entstehen kann. Diesem
                              									Nachtheile suchte man entgegenzutreten, indem man das Ende nicht mehr haken-
                              									oder uförmig, sondern zu einem Oehr (oförmig) umbog, welche beiden Formen neben der alten
                              									Form der Platinpincette im Holzschnitte dargestellt sind. Diese letztere Art der
                              									Umbiegung entspricht
                              									allerdings ihrem Zweck schon sehr vollkommen, indem der Glasfluß nun nicht mehr zu
                              									einem Tropfen zusammenfließt (man müßte denn eine zu große Menge zum Schmelzen
                              									bringen), sondern eine mehr oder weniger flache Linsengestalt annimmt, wodurch die
                              									gehörige Erkennung der Farbe sehr erleichtert wird. Dennoch führen diese so
                              									hergerichteten Oehre einen natürlichen Mangel an Festigkeit mit sich, so daß, wenn
                              									man die aufgeweichte Probe herauszuheben sucht, sie äußerst leicht ihre ringförmige
                              									Gestalt einbüßen.
                           Wir stellen daher die Platindrähte in der Weise her, daß das ganze oförmige Oehr (wie die Zeichnung angibt) nicht mehr
                              									geöffnet ist, sondern einen continuirlichen Ring bildet, wodurch der kleine Apparat
                              									seine höchstmögliche Festigkeit gewinnt, ohne daß sein Preis unverhältnißmäßig sich
                              									erhöhte. Die Herstellung solcher Oehre an Platindrähten, von der Stärke wie sie eben
                              									für Löthrohrversuche geeignet ist, wird auf eine höchst einfache Weise
                              									bewerkstelligt, indem man vor einer einfachen Weingeistlampe, auf die Sauerstoffgas
                              									durch eine Löthrohrspitze geblasen wird, an den in passenden Längen zugeschnittenen
                              									Platindrähten die Enden zu einem am Drahte hängenbleibenden Tropfen vom drei-
                              									bis fünffachem Durchmesser des Drahtes zusammenschmelzen läßt. Mit einer geringen
                              									Uebung gelangt man leicht dahin, das Ende der Drähte auf solche Weise zu einer
                              									nahezu vollkommenen Kugel zu verdicken. Diese liefert nun die Substanz für die
                              									anzufertigenden Ringe. Der Draht hat bei dieser Metamorphose fünf bis sechs
                              									verschiedene Stadien zu durchlaufen, die, wenn sie mit freier Hand ausgeführt werden
                              									sollen, freilich einige Geschicklichkeit des Arbeiters voraussetzen. Durch eine Art
                              									von Maschine, unter dem Namen Platinotrepan für diesen
                              									Zweck von uns construirt – deren speciellere Beschreibung, wie des Verfahrens
                              									selbst wir uns für eine andere Gelegenheit vorbehalten – werden alle
                              									besonderen Mechanischen Fertigkeiten bei der Herstellung der Platindrähte fast
                              									entbehrlich gemacht.
                           Unter den mechanischen Ausarbeitungen des, wie oben beschrieben, vorbereiteten
                              									Drahtes bildet die Umwandlung der Kugel zu einer flachen Scheibe in einem Gesenke
                              									mittelst Hammerschlags die erste Stufe. Durch ein den in Maschinen-Fabriken
                              									allgemein angewandten Lochmaschinen ganz ähnliches kleines Instrument wird sodann
                              									das möglichst concentrische Lochen der Scheibe mit einer Stanze von 0,3 Millimeter
                              									Durchmesser, welches den ganzen unbedeutenden Substanzverlust bei der Operation
                              									bedingt, vorgenommen. Die auf solche Weise mit einem Loche versehene Scheibe ist in
                              									den folgenden Operationen nur noch durch einen Dorn aufzutreiben, wobei sich die
                              									Oeffnung derselben also vergrößert und der vorher breite massive Ring verschmälert wird.
                              									Um aber bei diesem Auftreiben des Ringes ein Zerreißen zu vermeiden, ist ein
                              									mehrmaliges Ausglühen nicht zu umgehen. Bei fünfmaligem Ausglühen ist man indessen
                              									bei der jetzt so vollkommenen Malleabilität des im Handel vorkommenden Platins vor
                              									dieser Gefahr vollkommen gesichert.
                           Die Zeichnung ergibt auf den ersten Blick den Vorzug dieser neuen Form gegen die,
                              									wobei das Oehr einen nicht zusammenhängenden Ring bildet, indem diese Vorrichtung
                              									mit der Möglichkeit die Farbe selbst tief gefärbter Flüsse genau zu beurtheilen, die
                              									möglichste Festigkeit und, man darf wohl sagen, eine gewisse Eleganz verbindet.
                           Hr. Prof. H. Rose in Berlin hat die Güte gehabt, diese
                              									neue Form von Platindrähten mannichfach zu Versuchen zu verwenden, und sich über
                              									deren Zweckmäßigkeit in sehr anerkennender Weise auszusprechen.Derselbe schrieb den Verfassern: „Ihre nene Form von Platindrähten
                                       												erscheint in der That für Löthrohruntersuchungen sehr zweckmäßig.
                                       												Dadurch, daß der Fluß auch beim Erkalten den ganzen inneren Kreis des
                                       												ringförmigen Drahtes überzieht und sich nicht zu einer Kugel von
                                       												dichterem Durchmesser zusammenballt, ist man sehr gut im Stande bei
                                       												intensiven Färbungen die Farbe des Flusses richtig beurtheilen zu
                                       												können. Ich habe mich durch mannichfaltige Versuche davon
                                       												überzeugt.“
                                    										 (Gelehrte Anzeigen der k. bayer. Akademie der Wissenschaften, 1855, Nr.
                                 									15.)