| Titel: | Ueber zwei photographische Verfahrungsarten des Hrn. Dr. Taupenot; Bericht von Prof. Chevreul. | 
| Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. XXX., S. 109 | 
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                        XXX.
                        Ueber zwei photographische Verfahrungsarten des Hrn. Dr. Taupenot; Bericht von Prof. Chevreul.
                        Aus den Comptes rendus, Juni 1855, Nr.
                              								10.
                        Chevreul, über Taupenot's photographische
                           								Verfahrungsarten.
                        
                     
                        
                           Die von Hrn. Taupenot der (französischen) Akademie der
                              									Wissenschaften am 20. April d. J. übergebene Abhandlung enthält zwei
                              									Verfahrungsarten.
                           Das erste Verfahren besteht in einem Mittel, dem negativen Lichtbild auf mit
                              									Collodium überzogenem Glase eine Dauerhaftigkeit zu ertheilen, welche ihm sonst nur
                              									mittelst eines Firnisses gegeben werden könnte, der aber stets seine Uebelstände
                              									hat, daher seine Ersetzung wünschenswerth ist.
                           Das zweite Verfahren betrifft die Darstellung eines Lichtbildes
                                 										auf trockenem eiweißhaltigem Collodium. Da dieses Bild in trocknem Zustand
                              									seine Empfindlichkeit mehrere Tage lang behält, so ist dieses Verfahren bei
                              									Entdeckungsreisen und in allen Fällen wo man die flüchtigsten Bilder aufnehmen will,
                              									willkommen.
                           
                           Hr. Taupenot beschreibt seine Verfahrungsarten
                              									folgendermaßen:
                           Erstes Verfahren. – Die negativen Bilder auf
                              									Collodium müssen gefirnißt werden, damit man sie zur Darstellung vieler positiver
                              									Bilder benutzen kann. Die verschiedenen Firnisse welche man bisher hierzu benutzte,
                              									sind mehr oder weniger kostspielig, ihre Anwendung erfordert eine gewisse
                              									Geschicklichkeit und Vorsicht, auch benachtheiligen sie die Bilder welche man mit
                              									ihnen überzieht. Hr. Taupenot ersetzt sie durch eine
                              									Substanz von sehr geringem Werth, welche leicht anwendbar, überall zu haben ist, und
                              									die den Bildern eine große Dauerhaftigkeit verleiht, ohne deren Durchsichtigkeit
                              									oder die Reinheit der Linien im geringsten zu beeinträchtigen. Diese Substanz ist
                              									das Eiweiß.
                           Man kann dasselbe frisch anwenden, oder gegohren mit ein wenig Honig. In letzterm
                              									Falle conservirt es sich fast unbegränzte Zeit und filtrirt so leicht wie Wasser, so
                              									daß man es bei beabsichtigter Verwendung stets vollkommen frei von Staub haben kann.
                              									Das Eiweiß mag frisch oder alt seyn, so wendet man es auf folgende Weise an. Auf das
                              									fertige und gewaschene Collodiumbild gießt man eine kleine Menge Eiweiß welches 1
                              									Procent Jodkalium enthält; man läßt abtropfen und trocknen, indem man die Glasplatte
                              									schief gegen eine Stütze stellt. Hernach taucht man diese Platte in das gewöhnliche
                              									Bad von essig-salpetersaurem Silber, wascht sie dann sogleich und taucht sie
                              									in das Bad von unterschwefligsaurem Natron welches zum Fixiren der negativen Bilder
                              									dient. Man wascht sie ein letztesmal, und die Operation ist beendigt.
                           Man könnte reines Eiweiß (ohne Jodkalium) anwenden und es einfach durch Essigsäure
                              									gerinnen machen, alsdann ist aber die Adhärenz geringer; es können sich auch
                              									Blattern bilden und die Operation ist überdieß nicht einfacher als die vorher
                              									beschriebene.
                           So gefirnißte Lichtbilder, welche bei der Darstellung positiver Copien Flecke
                              									bekommen hatten, konnten durch längeres Verweilen in einem Bad von concentrirtem
                              									unterschwefligsauren Natron vollkommen wieder hergestellt werden; letzteres löste
                              									die Flecken auf, ohne das negative Bild, welches auf seiner Oberfläche durch das
                              									dünne Eiweißhäutchen geschützt war, anzugreifen.
                           Zweites Verfahren. – Der beschriebene Firniß
                              									leitete Hrn. Taupenot auf ein neues Verfahren Lichtbilder
                              									auf trockenem eiweißhaltigen Collodium darzustellen, welches einen großen Vorzug vor
                              									allen bekannten Methoden hat; es gibt nämlich Glasplatten welche ihre
                              									Empfindlichkeit einen Tag lang und darüber behalten, so daß man sie am Abend für den
                              									folgenden Tag präpariren und Operationen an entfernten Orten vornehmen kann, ohne ein
                              									Zelt, Schalen, Flaschen etc. mitzunehmen.
                           Die Manipulationen sind bei diesem Verfahren überdieß nicht complicirt; die Platten
                              									lassen sich viel schneller und leichter präpariren als diejenigen mit bloßem Eiweiß
                              									und als die trocknen Papiere.
                           Man verfährt auf folgende Weise:
                           Auf die mit Collodium überzogene, durch das Silberbad genommene und mit destillirtem
                              									Wasser gewaschene Glasplatte gießt man ein wenig Eiweiß, welches 1 Procent Jodkalium
                              									enthält; dann läßt man sie in der Dunkelheit abtropfen und trocknen. Auf diese Weise
                              									präparirt man nach einander so viele Platten als man will. Sie conserviren sich
                              									wenigstens vier bis fünf Tage gut. Um sie anzuwenden, nimmt man sie durch das
                              									gewöhnliche Bad von essig-salpetersaurem Silber, welches 10 Procent
                              									Essigsäure und 10 Procent salpetersaures Silber enthält. Man läßt sie in diesem Bad
                              									10 bis 20 Secunden, wascht sie mit destillirtem Wasser und verwendet sie, entweder
                              									unmittelbar feucht, oder trocken, an dem Tage wo man sie präparirte, oder selbst am
                              									folgenden; ihre Empfindlichkeit bleibt sich gleich.Bei allen seinen Versuchen fand Hr. Taupenot diese
                                    											Empfindlichkeit stets gleich derjenigen des Collodium welches zum Präpariren
                                    											der Platte gedient hatte, wenn er es für sich allein auf gewöhnliche Weise
                                    											anwendete; dieß war selbst bei Platten der Fall welche am Abend zuvor
                                    											präparirt worden waren. Nachdem sie den Lichteindruck empfangen haben, kann man einen Tag warten,
                              									wenn dieß nothwendig ist, ehe man das Bild zum Vorschein bringt. Hierzu benutzt man
                              									entweder Gallussäure oder Pyrogallussäure; erstereGesättigt und mit einem oder zwei Tropfen frischem
                                    											essig-salpetersaurem Silber versetzt. entwickelt das Bild langsam und macht nicht so leicht Flecken. Die
                              									Pyrogallussäure kann in verschiedenen Quantitäten angewandt werden, mit 3 Procent
                              									salpetersaurem Silber versetzt, oder nicht; wenn man sie mit salpetersaurem Silber
                              									gemischt anwendet, reichen einige Minuten hin, um das Bild zu entwickeln; man hat
                              									dann aber Flecken zu befürchten, und man muß besorgt gewesen seyn das Bad von
                              									essig-salpetersaurem Silber, welches den Platten ihre letzte Empfindlichkeit
                              									gibt, kurz vor seiner Benutzung zu filtriren.
                           Folgerungen. – 1) Das Eiweiß kann sehr
                              									vortheilhaft anstatt der Firnisse angewendet werden um den Lichtbildern auf
                              									Collodium die erforderliche Dauerhaftigkeit für die Darstellung positiver Copien zu
                              									ertheilen.
                           
                           2) Wenn man irgend ein Collodium mit Eiweiß überzieht, so behält es seine
                              									Empfindlichkeit einen Tag lang und darüber, was auf ein neues Verfahren führte,
                              									Lichtbilder auf trockenem eiweißhaltigen Collodium darzustellen, welches große
                              									Dienste bei Entdeckungsreisen leisten wird, wo man stets Platten bereit haben kann,
                              									um sogleich eine Gegend, eine Pflanze, eine Person etc. aufzunehmen. Da man sich
                              									leicht eine beliebige Anzahl solcher empfindlichen Platten darstellen und mit diesen
                              									nöthigenfalls fünfzig Lichtbilder in einer Stunde aufnehmen kann, so ist man in
                              									Stand gesetzt alle Entwickelungen eines großen militärischen Manövers, sogar einer
                              									Schlacht abzubilden, was eine merkwürdige Anwendung der Photographie wäre; solche
                              									Bilder, welche man nach den bisher bekannten Verfahrungsarten nicht herzustellen
                              									vermag, würden schätzbare historische Documente liefern.
                           Hr. Chevreul beantragte, daß dem Erfinder für seine
                              									Mittheilung der Dank der Akademie erstattet wird, und legte den Mitgliedern eine
                              									Anzahl von demselben eingesandter Lichtbilder zur Beurtheilung vor.