| Titel: | Ueber den industriellen Werth des Bombyx Cyntia; von Hrn. Hardy. | 
| Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. XLI., S. 150 | 
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                        XLI.
                        Ueber den industriellen Werth des Bombyx Cyntia; von Hrn. Hardy.
                        Aus den Comptes rendus, Juli 1855, Nr.
                              								1.
                        Hardy, über den industriellen Werth des Bombyx Cyntia.
                        
                     
                        
                           Am 16. August 1854 erhielt ich eine Sendung Eier des Bombyx
                                 										Cyntia vom Hrn. Grafen Guiche, (französischen)
                              									Gesandten zu Turin, der sie auf ausdrückliches Verlangen des Kriegsministers von
                              									Hrn. Baruffi bekommen hatte. Diese Eier waren auf dem
                              									Transport schon ausgekrochen, und ich konnte nur 76 lebende Würmer zusammenbringen,
                              									von welchen ich 68 wohlbeschaffene Cocons erhielt.
                           Am 13. Oct. erhielt ich eine neue Sendung Eier desselben Insects von Hrn. Professor
                              										Milne Edwards.
                           Am 3. Nov. endlich bekam ich eine dritte Sendung von Hrn. Prof. Is. Geoffroy Saint-Hilaire.
                           Diese verschiedenen Sendungen gestatteten die Zucht fortzusetzen, welche sich immer
                              									besser machte, so daß die dritte, vom Februar bis Mitte März, mit 9 Unzen Eiern
                              									gemacht werden konnte; dieselbe lieferte mir über 60 Unzen Eier, von denen ich an
                              									mehrere Personen abgeben konnte, die solche wünschten, während noch eine vierte
                              									Zucht ermöglicht war, die gegenwärtig fortdauert.
                           Bei der vorletzten Zucht wurden 599 6/10 Kilogr. Wunderbaum- (Ricinus-)
                              									Blätter consumirt und 53 Kilogr. Cocons im frischen Zustande erhalten. Nach dem
                              									Ausschlüpfen der Schmetterlinge wogen diese 53 Kilogr. Cocons nur noch 9 7/10
                              									Kilogr., was 18,3 Proc. des Gewichts im frischen Zustande der Cocons entspricht. Der
                              									Ueberschuß von 7,08 Proc., welcher sich nach Abzug des wirklichen Gewichts der
                              									Seidensubstanz herausstellte, rührt von der Schale der Puppen der todten
                              									Schmetterlinge etc. her, welche in den Cocons zurückblieben.
                           Es fragt sich nun, wie sich die Kosten dieser Zucht stellen. Dazu muß der Werth des
                              									Wunderbaumblatts ermittelt werden. Wenn die Cultur des Wunderbaums rationell
                              									betrieben wird, so darf sein Blatt dem Landwirth nichts kosten, und nur unter dieser
                              									Bedingung kann die Zucht des Bombyx Cynthia industriell
                              									mit Vortheil betrieben werden, da sein Cocon als nicht abhaspelbar betrachtet und
                              									als Galletseide liefernd classificirt wird. Der Wunderbaumkern enthält sehr viel Oel, nämlich 58
                              									Procent seines Gewichts. Eine Hektare Wunderbäume in vollem Ertrage (diese Pflanze
                              									hält bei uns 7 bis 8 Jahre aus) liefert jährlich 3230 Kilogr. Samen. Dieser Same,
                              									wovon der metrische Centner 45 Francs gilt, würde sonach per Hektare eine Summe von 1440 Francs abwerfen. Durch den Samen werden
                              									also die Culturkosten hinreichend gedeckt, selbst wenn das Product durch das
                              									Abfallen der Blätter des Baumes etwas vermindert werden sollte.
                           Ueber die Quantität von Wunderbaumblättern, welche eine Hektare liefern kann, habe
                              									ich noch keine ausreichende Erfahrung; ich glaube mich aber von der Wahrheit nicht
                              									zu entfernen, wenn ich das Gewicht derselben, welches erhalten werden kann, ohne den
                              									Baum so zu entblößen, daß seine Fruchtbildung darunter leidet, auf jährlich 10000
                              									Kilogr. anschlage. Uebrigens werde ich auf der Pflanzung von 1/2 Hektare, welche ich
                              									angelegt habe, über diesen Punkt bald ins Reine kommen.
                           Da 599 6/10 Kilogr. Wunderbaumblätter, von den Würmern des Bombyx Cynthia verzehrt, 53 Kilogr. frische Cocons lieferten, und 9 7/10
                              									Kilogr. nach dem Ausschlüpfen des Schmetterlings, so geben 10000 Kil. dieser
                              									Blätter, das Product einer Hektare, 984 9/10 Kilogr. frische Cocons und 166 7/10
                              									Seidengehäuse, deren Schmetterling ausgeschlüpft ist.
                           Die andern Kosten der Zucht bestehen im Arbeitslohn und in der Heizung.
                           Eine Person war 32 Tage nach einander damit beschäftigt; dieselbe hätte aber zu einer
                              									Zucht von doppeltem Belang recht gut hingereicht. Ich setze daher den Arbeitslohn
                              									mit 32 Francs an und die zum Heizen verwendete Steinkohle zu 8 Francs, zusammen also
                              									40 Francs.
                           Den Werth der 9 7/10 Kilogr. Cocons, dieselben als Galletseide betrachtet, schlage
                              									ich provisorisch gleich dem der gewöhnlichen löcherigen Cocons an, nämlich zu 3
                              									Francs das Kilogr.; wornach er 29,10 Francs betrüge. Dieses Product würde die Kosten nicht decken, da bei einer industriellen
                              									Unternehmung auch noch die Miethe des Geräthes und des Locals in Anschlag gebracht
                              									werden muß. Es ist möglich, daß in größerm Maaßstabe die Gestehungskosten sich viel
                              									besser stellen, oder daß in der Praxis einfachere und wohlfeilere Verfahrungsweisen
                              									anwendbar wären; außerdem müßte man auf die Zucht des Bombyx
                                 										Cynthia verzichten.