| Titel: | Chemisch-technische Notizen; von Dr. Alexander Müller in Chemnitz. | 
| Autor: | Alexander Müller | 
| Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. LXXVI., S. 301 | 
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                        LXXVI.
                        Chemisch-technische Notizen; von Dr.
                           									Alexander Müller in
                           								Chemnitz.
                        Müller's chemisch-technische Notizen.
                        
                     
                        
                           A. Sogenanntes salpetersaures
                                 										Eisenoxyd als Färberbeize.
                           Von einem hiesigen Färber wurden mir drei Sorten Eisenbeize zur Untersuchung
                              									übergeben, mit dem Bemerken, daß die eine (Nr. I aus Chemnitz) Baumwollengarn stark
                              									angegriffen habe, die andere (Nr. III aus Charlottenburg) von vorzüglicher
                              									Beschaffenheit sey und die dritte (Nr. II aus Chemnitz) zwischen den ersten beiden
                              									stehe, der zweiten aber näher komme. Eine von dem Gewerbschüler Hrn. Hesse ausgeführte Analyse gab folgende Resultate.
                           
                              
                                                       Es
                                    											enthielt:
                                             I.
                                           
                                    											II.
                                           III.
                                 
                              
                                 schwefelsaures Eisenoxyd
                                    											(Fe²O³, 3 SO³)
                                         57,06
                                         53,77
                                         46,39
                                 
                              
                                 salpetersaures Eisenoxyd
                                    											(Fe²O³, 3 NO⁵)
                                           2,52
                                           2,97
                                           3,85
                                 
                              
                                 Eisenchlorid (Fe²Cl³)
                                         10,28
                                           9,30
                                         15,46
                                 
                              
                                 Eisenoxyd (Fe²O³)
                                           0,78
                                             –
                                           1,99
                                 
                              
                                 Eisenchlorür (FeCl)
                                             –
                                           0,40
                                           2,23
                                 
                              
                                 [Eisen (Fe) in Summa]
                                       
                                    											[20,03]
                                       
                                    											[18,75]
                                       
                                    											[21,03]
                                 
                              
                                 freie Salzsäure
                                             –
                                           0,23
                                             –
                                 
                              
                                 freies Chlor
                                           0,17
                                             –
                                             –
                                 
                              
                                 Kupferoxyd
                                         
                                    											Spur
                                         
                                    											Spur
                                             –
                                 
                              
                                 Kalk
                                         
                                    											Spur
                                         
                                    											Spur
                                           Spur
                                 
                              
                                 Talkerde
                                             –
                                             –
                                           Spur
                                 
                              
                                 Thonerde
                                         
                                    											Spur
                                         
                                    											Spur
                                           Spur
                                 
                              
                                 Phosphorsäure
                                         
                                    											Spur
                                             –
                                             –
                                 
                              
                                 Wasser 
                                         29,19
                                         33,33
                                         30,08
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                                                                         Summa
                                       100,00
                                       100,00
                                       100,00
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Verhältniß zwischen Eisen und
                                    											Schwefelsäure      nach
                                    											Aequivalenten      Fe = 28;
                                    											SO³ = 40.
                                 Fe/SO³ = 1/1,196
                                 Fe/SO³ = 1/1,204
                                 Fe/SO³ = 1,079/1
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 das specifische Gewicht betrug
                                           1,536
                                           1,511
                                         1,514
                                 
                              
                           
                           So unwahrscheinlich es nach ermittelter Zusammensetzung war, daß die Beize Nr. I das
                              									Vermorschen des damit behandelten Baumwollengarnes bedingen sollte, so lehrten auch
                              									directe Festigkeitsproben, welche mit gebeiztem Garn angestellt wurden, die
                              									Unhaltbarkeit der erhobenen Beschuldigung, indem die Festigkeit des Fadens nach
                              									Anwendung der Beize I (sowohl in concentrirtestem als verdünnterem Zustand, in der
                              									Wärme und Kälte, mit warmer und kalter Trocknung des gespülten und ungespülten
                              									Fadens) ziemlich unverändert blieb. Indeß stand die Beize I den beiden anderen doch
                              									insofern nach, als diese die Festigkeit des damit gebeizten Fadens nahe um ein
                              									Fünftel erhöhten. Das vom Färber beobachtete Vermorschen hatte also jedenfalls einen
                              									andern Grund und zwar wie sich später herausstellte, in dem Umstand, daß das Garn
                              									vor dem Färben längere Zeit an einem feuchten, moderigen Platz gelegen hatte.
                           Mit mehr Recht kann den Beizen I und II der Vorwurf gemacht werden, daß ihre
                              									Anwendung eine andere Nüance bei nachfolgendem Ausfärben bedinge; denn bei ziemlich
                              									gleichem Eisengehalt besitzt die Beize III anderthalbmal soviel Eisenchlorid und
                              									salpetersaures Eisenoxyd, als die Beizen I und II, und dagegen weniger
                              									schwefelsaures Eisenoxyd. Wenn man das Atomverhältniß zwischen Schwefelsäure und
                              									Eisen berechnet, so wird man zu der Annahme geführt, daß alle drei Beizen zwar aus
                              									Eisenvitriol durch Oxydation mit Königswasser dargestellt worden seyen, daß man aber
                              									zu I und II, sey es in Form von englischer Schwefelsäure oder als Verunreinigung des
                              									Königswassers, noch ein Fünftel soviel Schwefelsäure, als der Eisenvitriol enthält,
                              									hinzugebracht hat, während man die Beize Nr. III durch etwas überschüssig
                              									hinzugebrachtes Eisenoxyd von der freien Säure befreit zu haben scheint.
                           Es ist übrigens interessant, wie derartige Beizen immer noch unter dem Namen: salpetersaures Eisen cursiren, obgleich sie eine kaum
                              									nennenswerthe Menge von diesem kostbaren Präparate enthalten.
                           
                        
                           B. Analyse des Bleiessigs, welcher
                                 										bei der optischen Zuckerprobe zur Fällung des Runkelrübensaftes
                                 									dient.
                           Dem Mitscherlich'schen Saccharometer wird von Luhme in Berlin ein Fläschchen voll Bleiessig beigegeben,
                              									von welchem Reagens dem zu prüfenden Runkelrübensaft eine bestimmte Menge zuzusetzen
                              									ist, bevor die lichtablenkende Kraft des Saftes im Polarisationsapparat geprüft
                              									wird. Um eine derartige Lösung von basisch-essigsaurem Bleioxyd nach
                              									Verbrauch der ersten selbst wieder darstellen zu können, wurde die Luhme'sche Flüssigkeit von dem Gewerbschüler Hrn. Hesse auf volumetrischem Weg untersucht; indem man je 10 Kubikcentimeter
                              									Bleiessig mit soviel Kubikcentimetern einer titrirten Schwefelsäure versetzte, daß
                              									nach Ausfällung des Bleioxyds ein geringer Ueberschuß von Schwefelsäure in Lösung
                              									blieb, und indem man von den erhaltenen sauren Flüssigkeiten die eine unmittelbar
                              									durch titrirte Natronlauge, die andere aber nach völliger Verkochung der Essigsäure
                              									neutralisirte, wurde gefunden:
                           
                              1) die Menge der an das Bleioxyd gebundenen Essigsäure plus der überschüssigen Schwefelsäure;
                              2) die Menge der überschüssigen Schwefelsäure;
                              3) aus der Differenz von 1 und 2 die Menge der vorhandenen
                                 										Essigsäure;
                              4) aus der Differenz der angewendeten Schwefelsäure gegen 2, die
                                 										Menge der mit dem Bleioxyd niederfallenden Schwefelsäure und somit die Menge des
                                 										vorhandenen Bleioxyds selbst.
                              
                           Es berechnete sich hieraus die Zusammensetzung des fraglichen Bleiessigs in 100
                              									Theilen zu
                           
                              
                                 
                                     2,69 Theilen
                                 Essigsäure (C⁴H³O³),
                                 
                              
                                 
                                   11,54      „
                                 Bleioxyd (PbO)
                                 
                              
                                 und
                                   85,77      „
                                 Wasser
                                 
                              
                                 ––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                  in
                                 100,00 Theilen.
                                 
                                 
                              
                           Das atomistische Verhältniß von Essigsäure zu Bleioxyd ist wie
                              									2,69/C⁴H³O³ : 11,54/PbO = 2,69/51 : 11,54/111,7 = 0,527 : 1,033
                              									= 1 : 1,96, d. i. das Verhältniß, wie es im zweibasisch essigsauren Bleioxyd
                              									statthat.
                           Zur Darstellung eines ähnlichen Bleiessigs löse man 100 Gramme krystallisirten
                              									Bleizucker in etwa 900 Kubikcentimetern destillirtem (oder Regen-) Wasser,
                              									bringe zu der erwärmten Flüssigkeit allmählich 70 Gram. feinst gepulverte, frisch
                              									ausgeglühte Bleiglätte und digerire in einem wohl bedeckten Gefäß (leichtverkorkten
                              									Glaskolben), bis keine weitere Lösung des Bleioxyds erfolgt. Im Fall die Bleiglätte
                              									kupferhaltig war und die Flüssigkeit grünlich erscheint, schüttle man sie mit
                              									Bleispänen bis zur Entfärbung; man verdünne nun auf 1 Liter und filtrire in eine gut
                              									verschließbare Flasche.
                           
                        
                           C. Darstellung des Lithion aus
                                 										Lepidolith.
                           Vor einigen Jahren beschrieb Hugo Müller eine Methode der
                              									Gewinnung des Lithions aus Triphylin – da indeß dieses Mineral an manchen
                              									Orten nur um ziemlichen Preis zu erlangen ist, während der Lithionglimmer in größeren
                              									Quantitäten vorkömmt, so gebe ich im Folgenden das Verfahren, nach welchem im
                              									hiesigen Laboratorium größere Mengen des Lithionglimmers aus den Zinnbergwerken von
                              									Zinnwald und Altenberg im sächsischen Erzgebirge auf Lithion von Hrn. Nowotny verarbeitet worden sind.
                           Die Operation beginnt mit der Schmelzung des gröblich zerdrückten Minerals; sie
                              									erfolgt mit Leichtigkeit in einem gutziehenden Windofen, schneller natürlich im
                              									Gebläseofen. Sobald die Masse eine teigige Consistenz erlangt hat, zieht man sie
                              									mittelst einer eisernen Spatel aus dem Tiegel heraus und beschickt diesen sogleich
                              									mit frischem Glimmer. Die gewonnene glasartige Schlacke wird möglichst fein
                              									gepulvert, was bei ihrer Sprödigkeit und geringen Härte schnell von Statten geht,
                              									dann mit concentrirter Schwefelsäure zu einem dicken Brei angerührt und in
                              									Charmottetiegeln möglichst heftig und einige Zeit lang geglüht, bis keine
                              									Schwefelsäuredämpfe mehr bemerkbar sind. Die Tiegel können mehrmals zu derselben
                              									Operation benutzt werden, selbst wenn sie zerrissen seyn sollten, da ja die
                              									breiartige Beschickung allmählich in eine zusammenhangende gefrittete Masse
                              									übergeht. Das Glühproduct wird gröblich gepulvert und mit Wasser ausgelaugt. Das
                              									Schmelzen des Glimmers hat den doppelten Zweck, sowohl das Mineral pulverisirbar zu
                              									machen als auch direct durch Umlagerung der Atomgruppen die Zersetzbarkeit durch
                              									Säuren zu erleichtern. Durch das nachfolgende Erhitzen mit Schwefelsäure findet
                              									anfänglich eine oberflächliche Einwirkung auf alle basischen Bestandtheile des
                              									Glimmers statt; es bilden sich schwefelsaure Alkalien, schwefelsaures Eisenoxyd und
                              									Aluminiumoxyd; steigert man die Temperatur, so verlieren die letztgenannten Sulphate
                              									allmählich ihre Säure und diese wirkt jetzt unter den günstigsten Bedingungen auf
                              									die noch unzersetzten Alkalisilicate; so daß man dann durch Behandlung mit Wasser
                              									die geringsten Mengen von Eisen und Thonerde, die Alkalien und darunter das Lithion
                              									aber fast vollständig in Lösung erhält. Ob ein nochmaliges Glühen der ausgelaugten
                              									Masse vortheilhaft ist, hängt von dem Preis des Glimmers und der Schwefelsäure
                              									ab.
                           Die decantirte Lösung wird durch Kochen mit Kalkmilch, welche man bis zur
                              									starkbasischen Reaction zusetzt, von Eisenoxyd, Thonerde, Mangan und Magnesia
                              									befreit, filtrirt und zur Krystallisation verdampft; es scheidet sich nach und nach
                              									Gyps und schwefelsaures Kali aus. Sobald die Krystalle der letzteren nach dem
                              									Abspülen mit Wasser eine deutliche Lithionreaction zeigen, wird die verbliebene
                              									Lösung mit überschüssigem kohlensaurem Natron fast bis zur Krystallhaut verkocht und
                              									dann von dem ausgeschiedenen kohlensauren Lithion abfiltrirt, welches letztere noch
                              									mit kaltem Wasser gewaschen wird. Da der früher gelöste Aetzkalk während der langsamen Krystallisationen
                              									sich fast vollständig als Carbonat abscheidet, so enthält das ausgefällte Lithion
                              									nur noch die geringe Menge Kalk, welche als Gyps gelöst geblieben ist; eine Trennung
                              									von diesem hat bei weiterer Verarbeitung des Lithions keine Schwierigkeit. Die
                              									Lithion haltenden Mutterlaugen können, wenn sie sich in bedeutenderen Quantitäten
                              									angesammelt haben, durch phosphorsaures Natron zu Gute gemacht werden; im Kleinen
                              									lohnt es die Mühe nicht, weil ja nur wenig Lithioncarbonat gelöst bleibt.
                           Vorstehende Methode hat mir entschieden günstigere Resultate geliefert, als die
                              									Glühung des Glimmers mit Kalk oder mit Eisenvitriol etc.; sie eignet sich zudem
                              									recht wohl zur Gewinnung des Lithions im Großen, da die Glühoperationen im
                              									Flammenofen vorgenommen werden können (nur über die Nichtverflüchtigung des Lithions
                              									aus dem Fluor haltenden Glimmer im Flammenofen möge man sich durch einen Versuch
                              									Gewißheit verschaffen!), und es könnten die Auslaugerückstände hier und da noch als
                              									Farben ein verkäufliches Nebenproduct abgeben, indem man je nach der angewendeten
                              									Temperatur und der mehr oder weniger vollständigen Schmelzung durch Abschlämmen
                              									verschiedene Nüancen in Roth – Gelbroth, Ponceau, bis Violettroth mit oder
                              									ohne eingemengte schillernde Glimmerblättchen – gewinnen kann.
                           
                        
                           D. Darstellung von Seifen
                                 										betreffend.
                           
                              a. Verwendung des
                                    											Rapsölelaidins.
                              Wie bekannt, liefert Rapsöl für sich mit Alkalien versotten, eine schlechte,
                                 										schaumige und krümlige Seife; diese üblen Eigenschaften fallen weg, wenn die
                                 										vorhandenen Oelsäuren (nach Websky und Städeler vielleicht identisch mit den Senfölsäuren)
                                 										in die entsprechenden Elaidinsäuren übergeführt werden, was am einfachsten auf
                                 										folgende Weise geschieht:
                              In einen hölzernen Bottich gießt man zu je einem Centner Rapsöl 1 Pfund
                                 										Scheidewasser, welches mit 3 bis 4 Schoppen Wasser verdünnt wird, wirft einige
                                 										eiserne Nägel dazu und rührt Oel und die saure Flüssigkeit mit einem hölzernen
                                 										Instrument wiederholt so durch einander, daß möglichst viel Luft in das Oel
                                 										gebracht wird. Indem sich hierbei das Oel mit salpetriger Säure sättigt,
                                 										erstarrt es allmählich zu einem gelben Schmalz, welches nach 14 Tagen bis 3
                                 										Wochen, wenn die Consistenz nicht mehr zunimmt, in einer hölzernen Wanne mit
                                 										Wasser durch Dampf umgeschmolzen oder direct mit Sodalauge verseift werden
                                 										kann.
                              
                              Vorstehendes Verfahren wird vortheilhaft seyn, wenn die Oelpreise um vieles
                                 										niedriger als die Talgpreise sind; es ließe sich vielleicht auch mit Nutzen auf
                                 										die Darstellung von Talglichten ausdehnen, welche, aus mit salpetriger Säure
                                 										behandeltem Talg verfertigt, jedenfalls härter als die gewöhnlichen ausfallen
                                 										müssen.
                              
                           
                              b. Wasserglasseifen.
                              Nach den Versuchen des Hrn. Seeber kann eine
                                 										Vermischung der harten Talg- und Olivenölseifen mit Wasserglas nur in
                                 										geringem Grade stattfinden, da bei größern Mengen ein Aussalzen eintritt; etwas
                                 										anderes ist es bei Schmierseifen und dem Cocosnußöl. Den ersteren kann ohne
                                 										auffallende Erscheinungen ein bedeutendes Quantum kieselsaures Kali beigemischt
                                 										werden, und die Seife des Cocosnußöls zeigt bei 24 Procent kieselsaurem Natron
                                 										und 50 Procent Wasser noch eine merkwürdige Härte.
                              
                           
                              c. Ricinusölseife.
                              Zur Gewinnung des sogenannten Caprylalkohols stellte Hr. Seeber die Natronseife des Ricinusöles dar und beobachtete, daß sich
                                 										dieses Oel dem Cocosnußöl sehr ähnlich verhält. Es läßt sich leicht durch
                                 										Zusammenrühren mit concentrirter Natronlauge verseifen; das Product zeichnet
                                 										sich aus durch schöne weiße Farbe, durch seine Amorphie und Durchscheinenheit,
                                 										und besitzt bei 70 Procent Wasser eine ziemliche Härte. Wenn die Ricinusstaude,
                                 										wie in Frankreich die Aussichten dazu vorhanden sind, eine ausgedehntere Cultur
                                 										wird erfahren haben, dürfte das Ricinusöl einige Wichtigkeit für die
                                 										Seifenfabrication erlangen.