| Titel: | Verfahren zur mineralischen Gerbung der Häute; für A. E. Bellford in London am 12. Januar 1855 als Mittheilung patentirt. | 
| Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. LXXVIII., S. 311 | 
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                        LXXVIII.
                        Verfahren zur mineralischen Gerbung der Häute;
                           								für A. E. Bellford in London am 12. Januar 1855 als
                           								Mittheilung patentirt.
                        Aus dem Repertory of Patent-Inventions, Novbr.
                              									1855, S. 441.
                        Bellford's Verfahren zur mineralischen Gerbung der
                           								Häute.
                        
                     
                        
                           Es wurden schon verschiedene mineralische Substanzen zum Gerben der Häute in
                              									Vorschlag gebracht, dieselben konnten aber nicht mit Erfolg anstatt der Lohe und
                              									übrigen vegetabilischen Gerbematerialien in Gebrauch kommen, weil das nach diesen
                              									Verfahrungsarten erzeugte Leder nicht die erforderliche Biegsamkeit und Zähigkeit
                              									besaß; auch verlor solches Leder mit der Zeit an Festigkeit, weil ziemlich viel
                              									Säure in demselben zurückblieb, welche nach und nach die thierischen Fasern
                              									angriff.
                           Das Princip des mir patentirten Verfahrens besteht in der Anwendung des (rothen)
                              									Eisenoxyds, welches unter gewissen Umständen mit der Gallerte (dem thierischen Leim)
                              									eine beständige Verbindung bildet.
                           Ehe ich auf die Anwendungsart dieses Princips übergehe, will ich einige theoretische
                              									Bemerkungen über die Wirkung der Eisenoxydsalze auf gallerthaltige Substanzen
                              									mittheilen. Wenn man die Häute in die Auflösung eines Eisenoxydsalzes legt, so
                              									entsteht bekanntlich eine Verbindung ihrer Gallerte mit dem Eisenoxydsalz. Man hat
                              									diese Verbindung zum Gerben anzuwenden gesucht, aber bisher kein genügendes Resultat
                              									erzielt. Wenn man jedoch die Häute eine gewisse Zeit lang in der Lösung des
                              									Eisenoxydsalzes läßt und dabei ein Metalloxyd zugibt, welches das Eisenoxydsalz
                              									nicht zersetzt, so absorbirt die Gallerte der Haut immer mehr Eisenoxydsalz und
                              									gleichzeitig nimmt die Menge der Säure in den Häuten immer mehr ab, welche dadurch
                              									in Leder verwandelt oder gegerbt werden. Daraus ersieht man, daß die Verbindung der
                              									Gallerte mit dem Eisenoxydsalz eine unbeständige ist, weil die Säure des Salzes nach
                              									und nach frei wird; ferner daß eine beständige Verbindung von bloßem Eisenoxyd mit
                              									Gallerte entsteht, wenn mit dem Eisenoxydsalz zugleich ein (letzteres nicht
                              									zersetzendes) Oxyd angewandt wird, welches die Säure, in dem Maaße als sie frei
                              									wird, absorbiren kann, so daß die Gerbeflüssigkeit in neutralem Zustande bleibt. Als
                              									Eisenoxydsalz kann man schwefelsaures, essigsaures etc. anwenden; als absorbirendes
                              									Oxyd läßt sich Eisenoxyd, Thonerde, Zinkoxyd etc. benutzen.Prof. F. Knapp bemerkt in seinem Lehrbuch der
                                    											chemischen Technologie Bd. II S. 592 über die Eisenoxydleder Folgendes:
                                    												„Das Gerben mit Eisenoxydsalzen ist schon vor längerer Zeit
                                       												von Darcet empfohlen worden und später hat
                                       													Bordier ein Patent darauf genommen. Die
                                       												Sache hat jedoch bis jetzt wenig oder keinen Eingang gefunden, scheint
                                       												aber in den neuerdings öfter angepriesenen und patentisirten
                                       												Rothgerbmethoden ohne Lohe wieder aufgetaucht zu seyn. – Mittelst
                                       												der Eisenoxydsalze können zweierlei Leder erzeugt werden: die wässerigen
                                       												Lösungen der neutralen Eisenoxydsalze geben ein helles, gelbrothes;
                                       												weingeistige Lösungen ein rothgelbes; ätherische Lösungen (von
                                       												Eisenchlorid) ein rein gelbes Leder. Versetzt man die Eisenoxydsalze
                                       												vorher mit soviel Soda oder Potasche, daß die Lösung dunkelroth wird,
                                       												aber noch kein bleibender Niederschlag entsteht, so erhält man dunklere,
                                       												rothbraune Leder. In beiden Fällen geht die Gerbung leicht und rasch von
                                       												statten und ist sehr satt; beide Arten von Leder haben jedoch den
                                       												Fehler, daß sie beim Trocknen stark einschrumpfen, stellenweise hart,
                                       												dunkelfarbig und dann gern narbenbrüchig werden, und überhaupt wenig
                                       												Festigkeit besitzen. Daß diese Fehler übrigens keine wesentlichen und nothwendigen Begleiter der Eisengerbung
                                       												sind, geht daraus hervor, daß sie sich merklich bessern, wenn die
                                       												Lösungen überschüssiges Oxyd enthalten, und
                                       												daß sie so gut wie ganz verschwinden, wenn man weingeistige oder
                                       												ätherische Lösungen (von Eisenchlorid) anwendet. – Diese
                                       												Eisenoxydleder sind schwerlich zu einer ernstlichen Concurrenz mit den
                                       												lohgahren Ledern geeignet, denen sie nur in der Farbe gleichen. Nach
                                       												ihren wesentlichen Eigenschaften sind sie am füglichsten neben die
                                       												alaungahren Leder zu stellen, unterscheiden sich aber durch eine
                                       												solidere Gerbung, welche durch Auswaschen mit Wasser nicht geändert
                                       												wird.“
                                    										A. d. Red.
                              								
                           Ich gehe nun zur praktischen Ausführung des Verfahrens über.
                           Man wendet als Eisensalz das schwefelsaure Eisenoxyd und als absorbirendes Oxyd das
                              									Eisenoxyd selbst an. Um beide Substanzen gleichzeitig zu bereiten, behandelt man
                              									eine Auflösung von schwefelsaurem Eisenoxydul (Eisenvitriol) mit Mangansuperoxyd
                              									(Braunstein) und Schwefelsäure, in den stöchiometrischen Verhältnissen wie auf der rechten
                              									Seite der chemischen Gleichung. Dabei bleibt ein Theil des Eisenoxyds als
                              									Niederschlag in der aus schwefelsaurem Eisenoxyd bestehenden Lösung zurück, wie auf
                              									der linken Seite der Gleichung ersichtlich ist, und die entstandene (trübe)
                              									Flüssigkeit genügt daher als Gerbematerial.
                           3 SO³, Fe² O³ + 2 (SO³, Mn O) +
                              									Fe²O³ = 4 (SO³, Fe O) + 2 Mn O² + SO³.
                           Dieser Flüssigkeit setzt man eine Quantität holzsaures Eisenoxyd zu, welches als
                              									Gerbematerial wie das schwefelsaure Eisenoxyd wirkt, überdieß dem Leder eine braune
                              									Farbe ertheilt, deren Stärke von der Menge des angewandten holzsauren Eisens
                              									abhängt. Nachdem die rohen Häute in gewöhnlicher Weise gewaschen worden sind, kommen
                              									sie in die Gerbebottiche, welche obige Gerbeflüssigkeit enthalten. Dieser Theil des
                              									Processes ist derselbe wie bei dem gewöhnlichen Gerben mit Lohe; man muß daher
                              									zuerst schwache Flüssigkeit anwenden und deren Stärke gegen das Ende der Behandlung
                              									auf 10 bis 13º Baumé steigern. Nachdem die Häute in die Gerbebottiche
                              									gebracht sind, setzt man gegohrenes Gerstenschrot zu; und wenn die Flüssigkeit nach
                              									und nach säuerlich geworden ist, setzt man ihr Eisenoxydhydrat zu, um sie zu
                              									neutralisiren. Nachdem die Häute auf diese Weise etwa drei bis vier Wochen lang in
                              									den Bottichen eingeweicht waren, legt man sie ebenso lange Zeit in die Gruben, worin
                              									sie durch Latten, dünne Bretter, Stroh etc. von einander getrennt erhalten werden
                              									müssen, damit die Gerbeflüssigkeit zwischen ihnen circuliren kann. Nachdem die Häute
                              									so in die Gruben eingelegt worden sind, füllt man letztere vollständig mit
                              									Gerbeflüssigkeit, deren Stärke von 14º Baumé angefangen allmählich und
                              									stufenweise erhöht wird, bis zur Marimalstärke in welcher die Flüssigkeit
                              									dargestellt werden kann. Während der Zeit wo die Häute in den Gruben liegen, müssen
                              									sie einem Druck ausgesetzt werden, welcher zeitweise aufgehoben wird, und der je
                              									nach der Concentration der Lösung mehr oder weniger stark ist. Diesen Druck erhält
                              									man mittelst einer Platte, auf welche Keile oder eine Schraube etc. wirken; sein
                              									Zweck ist, ein außerordentliches Schwellen der Häute zu verhüten, zugleich aber die
                              									Wirkung der Gerbeflüssigkeit zu beschleunigen, indem er dieselbe veranlaßt die Haut
                              									ganz zu durchdringen. Im Gegensatz mit dem Verfahren beim gewöhnlichen Gerben müssen
                              									die aus den Versetzgruben genommenen Häute vollständig ausgewaschen werden, z.B.
                              									mittelst eines Walkapparats, oder indem man sie einige Tage in den Fluß hängt. Das
                              									Waschen der Häute muß fortgesetzt werden, bis das ablaufende Wasser weder Säure noch
                              									Eisensalz enthält. Für gewisse Ledersorten, welche nicht stark mit Fett bestrichen
                              									werden, kann man die Häute nach dem Waschen noch mit Seifenwasser, oder mit einer
                              									Auflösung von Glycerin, Soda etc. behandeln.
                           Mit dem Waschproceß ist das Gerben beendigt; dasselbe dauert sechs Wochen bis zwei
                              									Monate, je nach der Dicke der Haut oder der Concentration der angewandten
                              									Gerbeflüssigkeit. Nach dem Waschen werden die Häute getrocknet und dann nach den
                              									gewöhnlichen Methoden zugerichtet.
                           Das mittelst des beschriebenen Gerbeprocesses erhaltene Leder gleicht im Ansehen und
                              									der Qualität dem mit Lohe gegerbten; es besitzt überdieß eine größere absolute
                              									Festigkeit, da es durch Zug bedeutend weniger ausgedehnt wird. Die beschriebenen
                              									Verfahrungsarten sind auch zum Gerben solcher Häute anwendbar, welche als Rauchwaare
                              									benutzt werden sollen.Diese in England als Mittheilung patentirte mineralische Gerbung ist höchst
                                    											wahrscheinlich das Verfahren Kerkado's, über
                                    											welches in Nr. 43 der Zeitschrift „der Fortschritt,“
                                    											herausgegeben von dem deutschen Nationalvereine für Handel, Gewerbe und
                                    											Landwirthschaft in Leipzig, Folgendes gesagt ist: „Es werden nach
                                       												diesem Verfahren alle Sorten Häute in zwei Monaten von Anfang bis zu
                                       												Ende gegerbt; das Gewicht des fertigen Leders ist das gleiche wie beim
                                       												alten Verfahren, die verschiedenen Qualitäten sind als vollkommen gut
                                       												und dauerhaft erwiesen. Der angewendete mineralische Gerbestoff ist
                                       												überall und besonders in Deutschland in Ueberfluß vorhanden. Es hat sich
                                       												in Straßburg eine Gesellschaft unter der Firma J. D. Friedel und Comp. gebildet, um mehrere
                                       												Fabriken in Frankreich zu bilden. Der Director derselben, Hr. Friedel, bemerkt daß die schwersten Häute in
                                       												60 Tagen gegerbt werden und daß der mineralische Gerbstoff für den
                                       												Centner rohe Haut höchstens 1 1/2 Gulden beträgt, daß das Leder
                                       												wenigstens ebenso viel wie Lohleder wiegt, aber bei weitem zäher und dem
                                       												Wasser undurchdringlicher ist etc.“
                                    										A. d. Red.