| Titel: | Ueber Treibriemen für nicht parallele Wellen; vom Maschinenmeister Welkner in Göttingen. | 
| Fundstelle: | Band 138, Jahrgang 1855, Nr. CI., S. 404 | 
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                        CI.
                        Ueber Treibriemen für nicht parallele Wellen; vom
                           								Maschinenmeister Welkner in
                           								Göttingen.
                        Aus der Zeitschrift des hannoverschen Architekten- und
                                 										Ingenieur-Vereins, 1855, S. 377.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									VI.
                        Welkner, über Treibriemen für nicht parallele Wellen.
                        
                     
                        
                           Die Anwendung von Treibriemen zur Uebertragung von Bewegungen hat mehr und mehr
                              									Eingang gefunden, und man hat die Vortheile nicht verkannt, welche dieselben, im
                              									Gegensatze zu der Anwendung verzahnter Räder, für manche industrielle Etablissements
                              									haben; es tritt aber häufig der Fall ein, daß die Bewegung auf nicht parallele
                              									Achsen zu übertragen ist, wo dann der Mechaniker oder Mühlenbauer conische Räder
                              									häufig für das einzige Auskunftsmittel hält. Es mögen nur die Fälle erwähnt werden,
                              									wo von einer horizontalen Wasserrad- oder Dampfmaschinenwelle aus, verticale
                              									Mühlspindeln, oder von einer verticalen Turbinenwelle aus, horizontale Wellen für
                              									Sägegatter zu betreiben sind. Die Principien, nach welchen in solchen Fällen Riemen
                              									anzuordnen sind, sollen im Nachfolgenden näher bezeichnet werden.
                           Ein gewöhnlicher, offener Riemen, welcher auf Rollen zweier parallelen Achsen läuft,
                              									hat durchaus keine Tendenz abzulaufen, wenn die beiden Rollen oder Riemscheiben
                              									cylindrisch abgedreht sind. Ist aber die eine derselben nur etwas conisch, so läuft
                              									der Riemen nach der Seite des größeren Durchmessers. Es ist deßhalb Gebrauch, die
                              									Riemscheiben etwas gerundet abzudrehen, wodurch die Gefahr des Ablaufens auch dann
                              									verschwindet, wenn die Wellen nicht mathematisch genau parallell aufgestellt seyn
                              									sollten; der Riemen läuft dann nach der Stelle des größten Durchmessers, hält sich
                              									also sicher auf der Mitte.
                           Ferner kann es bei der Betrachtung eines solchen Riemens nicht entgehen, daß derselbe
                              									durch ein leichtes Schieben und geringe seitwärtige Ablenkung an dem Riemenende,
                              									welches auf die Rolle läuft, sofort von dieser – vielleicht auf
                              									eine benachbarte lose Rolle – gebracht werden kann; während eine bedeutend
                              									größere Kraftanstrengung und seitwärtige Ablenkung an der von der Rolle weg-
                              									oder ablaufenden Seite nicht im Stande ist, den Riemen
                              									von der Rolle zu entfernen. Ausrücker müssen deßhalb stets an der vorwärts laufenden
                              									Seite des Riemens angebracht werden.
                           Vornehmlich aus diesen Bemerkungen folgt, daß ein über zwei Rollen laufender Riemen
                              									in seiner Lage bleiben muß, wenn die Seite des Riemens, welche nach der zu treibenden Rolle läuft, in einer Linie läuft, welche eine
                              									rechtwinkelige Tangente auf die mittleren Breiten beider Riemscheiben bildet. Die
                              									andere von der getriebenen Rolle ablaufende Seite des
                              									Riemens mag sich alsdann in einer schiefen Richtung davon entfernen, es wird für die
                              									Haltung des Riemens auf der Rolle von keinem Einfluß seyn.
                           Es sey nun Fig.
                                 										19 Grund- und Aufriß von der treibenden verticalen Welle A und der getriebenen horizontalen Welle B mit ihren gleichnamigen Riemscheiben; es ist die Lage
                              									der beiden Riemscheiben zu bestimmen, damit der Treibriemen sich auf denselben
                              									hält.
                           Zieht man zu dem Ende von der Achse A ein Perpendikel
                              									nach der Achse B und denkt sich auf diese Weise eine
                              									Linie mn, welche ein gemeinschaftliches
                              									Perpendikel für beide Achsen ist, so muß eine zu construirende, gemeinschaftliche
                              									Tangente für die Umfänge der Rollen, nämlich ab,
                              										parallel zu dieser Linie mn seyn, denn die Rotationsebenen der beiden Riemscheiben stehen ebenfalls
                              									rechtwinkelig auf den Achsen und schneiden sich in der gemeinschaftlichen Tangente
                              										ab.
                           Die Stellen für die Befestigung der Riemscheiben finden sich daher sehr leicht und
                              									zwar muß das Mittel der Riemscheibe der Welle B um den
                              									Halbmesser der Riemscheibe A seitwärts von dem Punkte
                              										n, und das Mittel der Riemscheibe auf A um den Halbmesser der Riemscheibe auf B seitwärts von dem Punkte m
                              									verschoben werden.
                           Die Anordnung des Ganzen wird alsdann, wie sie Fig. 20 im Grundriß
                              									zeigt, wo indeß die Bewegung als in entgegengesetzter Richtung stattfindend
                              									angenommen ist, und folgeweise auch die Verschiebung der Rolle B sowohl als der Rolle A
                              									nach der entgegengesetzten Seite von mn zu denken
                              									ist. Sollte die Welle B in ihrer Bewegung reversirt
                              									werden, so würde erforderlich seyn, daß auf beiden Seiten des Perpendikels mn Riemscheiben angebracht und durch Riemen
                              									verbunden würden. Eine der beiden Riemscheiben auf B
                              									wird dann eingerückt, während die andere lose auf der Welle läuft.
                           
                           Es ist im Vorstehenden angenommen worden, daß die Wellen A und B rechtwinkelig gegen einander gerichtet
                              									sind; es folgt aber von selbst, daß sie unter irgend einem Winkel zwischen 0°
                              									und 90° gegen einander geneigt seyn können, und daß ihre Verbindung durch
                              									Riemen gleich möglich ist, sofern sich nur ein gemeinschaftliches Perpendikel
                              									zwischen den beiden Wellen errichten läßt; man kann sich dann die beiden Wellen, in
                              									zwei verschiedenen Ebenen liegend, um dieß imaginäre Perpendikel aus der parallelen
                              									Lage verdreht denken, und hat die Riemscheiben einfach so viel auf ihren respectiven
                              									Wellen gegen dieß Perpendikel zu verschieben, daß die gemeinschaftliche Tangente auf
                              									die Umfänge der Riemscheiben dem Perpendikel parallel wird. – Da eine
                              									Verdrehung um mehr als 90° nicht möglich ist, so ist der oben beschriebene
                              									Fall in der That der ungünstigste.
                           In solchen Fällen, wo sich zwei Achsen nicht durch ein gemeinschaftliches Perpendikel
                              									verbinden lassen, ist ihre Verbindung durch Treibriemen nur mit Hülfe von
                              									Führungsrollen möglich.
                           Bei einer mathematisch genauen Ausführung der Construction ist freilich kein Grund
                              									vorhanden, daß der beschriebene Riemen für nicht parallele Achsen leichter ablaufen
                              									sollte, als ein gewöhnlicher, offener Riemen, für die Praxis dürfte sich indeß ein
                              									stärkeres Abrunden des Umfangs der Riemscheiben empfehlen, um den Riemen mehr auf
                              									der Mitte zu halten, wo die gemeinschaftliche Tangente der Rotationsebenen beider
                              									Riemscheiben liegt. – Ferner wird sich empfehlen, die Entfernung der beiden
                              									Wellen hinreichend groß, mindestens gleich dem vierfachen größten
                              									Riemscheibendurchmesser zu nehmen, theils um den Winkel der rücklaufenden Seite des
                              									Riemens nicht zu groß zu bekommen, theils auch damit die Verdrehung des Riemens auf
                              									seine Haltbarkeit keinen schädlichen Einfluß ausüben kann. Nur in dem Falle, wenn
                              									eine Anordnung so getroffen ist, daß ein sehr langer Riemen durch sein Gewicht eine
                              									zu große Tendenz bekommt von der Riemscheibe abzufallen, wird es nöthig seyn, den
                              									Riemen durch eine Führungsrolle zu unterstützen. Im Uebrigen wird ein solcher Riemen
                              									bei richtiger Anordnung hinsichtlich seiner Sicherheit und Haltbarkeit einem
                              									gewöhnlichen offenen oder gekreuzten Riemen für parallele Achsen nicht
                              									nachstehen.
                           
                        
                     
                  
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