| Titel: | Ueber den praktischen und commerciellen Werth einiger Kunstdünger und über Düngerverfälschung; von Dr. August Völcker, Prof. der Chemie an dem Royal Agricultural College, Cirencester, Gloucestershire. | 
| Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. XVIII., S. 66 | 
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                        XVIII.
                        Ueber den praktischen und commerciellen Werth
                           								einiger Kunstdünger und über Düngerverfälschung; von Dr. August Völcker, Prof. der Chemie an dem Royal
                           								Agricultural College, Cirencester, Gloucestershire.
                        Aus dem hannoverschen Journal für Landwirthschaft,
                           								1855, S. 389.Landwirthschaftliches Centralblatt für das Königreich Hannover; herausgegeben vom
                                 										Centralausschusse der königl. Landwirthschaftsgesellschaft zu Celle, unter der
                                 										Redaction von Dr. W. Henneberg.
                           							
                        Völcker, über den praktischen und commerciellen Werth einiger
                           								Kunstdünger.
                        
                     
                        
                           Der ausgezeichnete Erfolg, womit in England seit einer Reihe von Jahren Guano,
                              									aufgelöste Knochen (superphosphate of lime), Wollabfälle
                              									und einige andere Düngermaterialien angewendet werden, hat den Landwirthen
                              									allgemeines Vertrauen zu künstlichem Dünger eingeflößt. Es ist in der That die
                              									Fabrication von Kunstdünger in England ein Bedürfniß geworden, wie dieß denn auch
                              									die stets im Zunehmen begriffenen Düngerfabriken deutlich zeigen. Solche Fabriken
                              									finden sich fast in jeder Grafschaft, ja in vielen Gegenden in fast jeder Stadt von
                              									einiger Bedeutung. So z.B. befinden sich in der Grafschaft Gloucester wenigstens
                              									zwanzig solcher Fabriken. In Cirencester, einer kleinen Stadt mit 5000 Einwohnern,
                              									und dessen nächster Umgebung trifft man nicht weniger als fünf Knochenmühlen (alle
                              									Mühlen mit gezackten Walzen, meist Doppelwalzwerke), die theilweise allein
                              									Knochenmehl, theilweise auch superphosphate of lime
                              									produciren. Außerdem wohnen hier sechs Commissionäre die mit verschiedenen
                              									Kunstdüngern handeln, und wird diese kleine Stadt an Markttagen von noch 3 oder 4
                              									Düngerfabrikanten aus einiger Entfernung regelmäßig im Frühjahr besucht, zu welcher
                              									Zeit die englischen Landwirthe vorzugsweise Düngereinkäufe veranstalten.
                           Nächst dem Guano, der leider von Jahr zu Jahr spärlicher und theurer wird, findet
                              									besonders mit Schwefelsäure aufgeschlossenes Knochenmehl eine höchst bedeutende
                              									Anwendung in der englischen Landwirthschaft. – Einige Landwirthe bereiten
                              									diesen werthvollen Dünger selbst, aber die meisten beziehen ihn aus Fabriken. Das
                              									käufliche Superphosphat besitzt häufig eine sehr abweichende Zusammensetzung und,
                              									wie sich leicht denken läßt, eine sehr verschiedene Wirksamkeit und verschiedenen
                              									Geldwerth. Gegenwärtig kostet die englische Tonne (20 engl. Centner) eines guten
                              									Superphosphates 7 bis 8 Pfd. Sterl.2 Thlr. 3 Ggr. bis 2 Thlr. 11 Ggr. per 100
                                    											Pfd. und ein minder gutes Präparat 5 bis 6 Pfd. Sterl.1 Thlr. 13 Ggr. bis 1 Thlr. 20 Ggr. per 100
                                    											Pfd. die Tonne. Es ist leicht einzusehen, daß dieser Dünger zu sehr verschiedenen
                              									Preisen geliefert werden kann, denn wünscht ein Abnehmer einen Dünger dieser Art zu
                              									einem Preise von 5 Pfd. Sterl. die Tonne anstatt 7 Pfund Sterl., so braucht der
                              									Fabrikant nur den mit Schwefelsäure aufgelösten Knochen eine dem niedereren Preise
                              									entsprechende Menge Gyps oder Steinkohlenasche zuzusetzen.
                           Gewöhnlich ist jedoch das theuerste Superphosphat dasjenige, was mit der größten
                              									Oekonomie gebraucht wird. Es ist indessen unmöglich, die Güte dieses Düngers aus
                              									dessen Aussehen oder anderen physikalischen Merkmalen zu bestimmen, und daher kommt
                              									es denn auch, daß vorzüglich dieser in ganz England allgemein verbreitete
                              									Kunstdünger vielfältigen Verfälschungen ausgesetzt ist.
                           Aber auch andere Dünger werden häufig doppelt oder dreimal so hoch verkauft als sie
                              									wirklich werth sind, und nicht selten ist es der Fall, daß ganz werthlose
                              									Substanzen, die jedoch mit allen möglichen Lobeserhebungen und Zeugnissen in den
                              									öffentlichen Blättern angekündigt werden, zu hohen Preisen Abnehmer finden. In
                              									letzterer Zeit hauptsächlich hat dieser Betrug in England sehr um sich gegriffen,
                              									und ist es in der That Jedem der den englischen Düngermarkt kennt, sehr wohl
                              									bekannt, daß gerade auf englischem Boden Schwindlern und frechen Betrügern die beste
                              									Gelegenheit dargeboten ist, sich auf Unkosten des in einigen Sachen zu
                              									leichtgläubigen Farmers zu bereichern. – Die vielfältigen Schwindeleien, die
                              									in den letzten Jahren in England mit Düngermitteln getrieben wurden, haben
                              									einerseits dazu beigetragen, dem praktischen Landwirthe Widerwillen gegen Chemie,
                              									die er ungerechter Weise als die Ursache aller schlechten chemischen Dünger ansieht,
                              									einzuflößen, aber andererseits hat man doch auch bemerkt, daß namentlich die
                              									intelligenteren englischen Landwirthe die praktische Bedeutung der chemischen
                              									Analyse erkennen. Wohl einsehend, daß die Wirksamkeit und der Handelswerth eines
                              									Kunstdüngers hauptsächlich von dessen Zusammensetzung abhängt, verlangen jetzt die
                              									besseren englischen Landwirthe von dem Verkäufer eines Kunstdüngers eine Analyse des
                              									zum Verkaufe angebotenen Artikels, und machen darauf ihre Berechnungen und
                              									Bestellungen. Bei der Ablieferung des künstlichen Düngers wird alsdann eine Probe,
                              									die so viel als möglich der ganzen Masse des bestellten Düngers gleicht, an einen
                              									Chemiker zur Analyse eingeschickt und der Landwirth durch die Vergleichung der
                              									eingeschickten analytischen Resultate mit der von dem Verkäufer gelieferten Analyse
                              									in den Stand gesetzt zu
                              									erforschen, ob er wirklich einen Dünger von derselben Güte, als den bestellten, von
                              									dem Fabrikanten erhalten. – Diese Analysen sind natürlich mit Unkosten
                              									verknüpft, allein sie können kaum in Betracht kommen bei Bestellungen, die sich oft
                              									auf 60 bis 100 Pfd. St. belaufen. Ueberdieß bieten mehrere landwirthschaftliche
                              									Vereine Englands die Vortheile einer Versicherungsanstalt gegen Betrügereien der Art
                              									dar, indem die Mitglieder dieser Vereine das Recht haben, gegen eine geringe
                              									Entschädigung ihren Guano, Superphosphat etc. von einem von dem Verein ernannten und
                              									besoldeten Chemiker analysiren zu lassen. So besitzt z.B. die königliche
                              									Landwirthschaftsgesellschaft in Prof. Way einen
                              									ausgezeichneten Chemiker, dessen Pflicht es theilweise ist, für Landwirthe Analysen
                              									zu niedrigen Preisen auszuführen. In ähnlicher Weise ist der nicht minder
                              									ausgezeichnete Prof. Anderson für die Highland Society of Scotland und Hodges für die irländische Agriculturgesellschaft thätig.
                           In meiner Stellung als Prof. der Chemie an der landwirthschaftlichen Akademie zu
                              									Cirencester und Chemiker der „Bath or West of
                                    											England Agricultural Society,“ habe ich während der
                              									vergangenen Jahre Gelegenheit gehabt, mit einigen Fällen grober Betrügereien bekannt
                              									zu werden, deren Mittheilung auch für Deutschland nicht ganz ohne Interesse seyn
                              									wird. – Zu gleicher Zeit, glaube ich, ist die Veröffentlichung verschiedener
                              									Analysen künstlicher Dünger geeignet, dem deutschen Landwirthe ein Bild der
                              									englischen Kunstdüngerindustrie zu geben, einer Industrie, der auch in Deutschland
                              									eine erfolgreiche Zukunft bevorsteht.
                           Ehe wir Einzelnheiten anführen, sey es uns erlaubt, einige allgemeine Bemerkungen
                              									über die praktische Wirksamkeit und den commerciellen Werth verschiedener Dünger
                              									anzuführen. Es ist klar, daß die Wirksamkeit, die ein Dünger im Stande ist auf die
                              									Vegetation auszuüben, hauptsächlich von dessen Bestandtheilen abhängt; und da die
                              									Zusammensetzung der verschiedenen Düngemittel, die gewöhnlich angewandt werden, um
                              									die Ertragsfähigkeit des Landes zu erhöhen, sehr verschieden ist, so muß auch deren
                              									Effect auf die Vegetation nothwendigerweise sehr verschieden seyn. In gut
                              									zubereitetem Stalldünger sind alle Elemente enthalten, die für das gesunde, üppige
                              									Wachsthum nothwendig sind. Praktische Erfahrung hat nun gelehrt, daß der Ertrag all
                              									der verschiedenen Arten vegetabilischer Producte, die gewöhnlich angebaut werden,
                              									durch Stalldünger bedeutend erhöht werden kann, er wird deßhalb mit Recht als ein
                              									Universaldünger von allen Landwirthen betrachtet. Allein dieß ist nicht der Fall mit
                              									vielen Kunstdüngern, da dieselben oft eine überwiegende Menge eines oder zweier Düngerbestandtheile und
                              									einen Mangel an anderen zeigen; sie üben deßhalb keine besondere Wirkung auf einige
                              									Früchte aus, während ihre Anwendung auf andere mit ausgezeichnetem Erfolg gekrönt
                              									wird. Die meisten Kunstdünger haben in der That eine specifische Wirkung: einige
                              									befördern besonders die Ausbildung der Wurzelgewächse, andere erhöhen den Ertrag der
                              									Cerealien oder sind besonders Wiesen günstig, deßhalb heißt man sie specielle
                              									Dünger. Als Beispiel führen wir an, daß während überphosphorsaurer Kalk
                              									ausgezeichnete Resultate producirt, wenn damit Rüben (Turnips) und Wurzelgewächse im
                              									Allgemeinen gedüngt werden, dessen Wirksamkeit bei Weizen, Gerste oder Hafer weniger
                              									augenscheinlich ist; oder während stickstoffhaltige und ammoniakalische Dünger, als:
                              									Guano, Kohlenruß, salpetersaures Natron, thierische Abfälle u.s.w., die
                              									Ertragsfähigkeit von Weizen, Gerste oder Hafer in außerordentlicher Weise
                              									begünstigen, befördern sie nicht in einem gleichen Grade, wie die
                              									phosphorsäurehaltigen Dünger, die Ausbildung der Knollengewächse: Rüben oder
                              									Mangoldwurzeln (Runkelrüben). Eine gründliche Kenntniß der Zusammensetzung
                              									specieller Kunstdünger und der Bedingungen, unter denen sie die größte Wirksamkeit
                              									äußern, ist deßhalb für den Landwirth von großem Werth; indem dieses ihm die Mittel
                              									an die Hand gibt, solche specielle Düngemittel mit dem größten Vortheil zu
                              									gebrauchen. Es gibt jedoch andere, die ungeachtet des Mangels einiger Bestandtheile,
                              									mit Erfolg für verschiedene Früchte angewendet werden können. In der That ist der
                              									Mangel einiger Bestandtheile in diesen Düngern eher ein Vortheil als ein Nachtheil;
                              									denn verschiedene Bestandtheile, die in dem Stalldünger vorherrschen, sind in den
                              									meisten Bodenarten in hinreichender Menge zugegen; sie brauchen deßhalb nicht in der
                              									Form von Dünger auf das Feld gefahren zu werden, oder sollten sie in dem Boden
                              									fehlen, so können sie fast überall leicht und billig zugeführt werden. Wenn deßhalb
                              									diese billigen und mehr allgemein verbreiteten Substanzen in einem Kunstdünger
                              									weggelassen und dagegen andere, die im Boden nur in geringer Menge vorkommen,
                              									vorzugsweise gewählt werden, so erzielt man damit einen sehr werthvollen und
                              									wirksamen Dünger, der den großen Vortheil darbietet, in geringem Volumen die
                              									werthvollsten Düngerbestandtheile einer großen Masse Stalldüngers zu enthalten.
                           In einer Beziehung sind all die verschiedenen Düngerbestandtheile gleich werthvoll,
                              									denn sie sind alle erforderlich für das gesunde Gedeihen unserer Feldfrüchte, und
                              									daher ist auch der Mangel eines einzigen Bestandtheiles mit nachtheiligen Folgen
                              									verknüpft, ungeachtet alle anderen in reichlicher Menge vorhanden sind. So z.B. kann
                              									der Mangel an Kalk in einem Boden mit eben so vielem Nachtheil verknüpft seyn, als
                              										der Mangel an
                              									Phosphorsäure; Kalk in diesem Sinne ist eben so werthvoll als Phosphorsäure.
                           Allein da Kalk im Allgemeinen in den meisten Bodenarten in reichlicher Menge
                              									vorhanden ist, oder sollte er fehlen, leicht und billig als gelöschter Kalk oder
                              									Mergel dem Lande zugeführt werden kann, so ist dessen Gegenwart in einem Kunstdünger
                              									keineswegs wünschenswerth.
                           Die Wirksamkeit des Düngers hängt deßhalb nicht allein von seiner Zusammensetzung ab,
                              									sondern auch von der des Bodens, so wie von den Bedürfnissen der Frucht, die man
                              									anzubauen gedenkt.
                           Auch muß man wohl bedenken, daß gerade die Substanzen, die gewöhnlich in dem Boden in
                              									geringer Menge vorhanden sind, diejenigen sind, die die Pflanzen in reichlicherer
                              									Menge bedürfen als die, welche in dem Boden vorherrschen.
                           Die Wirksamkeit des Düngers hängt daher hauptsächlich von der Menge der selteneren
                              									und werthvolleren Bestandtheile ab. Bei der Beurtheilung der Wirksamkeit eines
                              									Düngers ist es höchst wichtig, richtige Ansichten über den comparativen Werth der
                              									Düngerbestandtheile zu haben.
                           Praktische Erfahrung hat gezeigt, daß Stickstoff in seiner Verbindung als Ammoniak
                              									oder Salpetersäure, ferner Phosphorsäure und Kali die wirksamsten und werthvollsten
                              									Bestandtheile aller Dünger sind.
                           1) Stickstoff. In seiner Verbindung als Ammoniak,
                              									Salpetersäure oder thierische und vegetabilische Substanzen ist der Stickstoff
                              									zweifellos der werthvollste aller Düngerbestandtheile. Jeder gute Kunstdünger, der
                              									zu denselben Zwecken wie Stalldünger gebraucht werden soll, muß daher Stickstoff
                              									enthalten.
                           Ammoniak, Salpetersäure oder in Zersetzung begriffene organische Substanzen,
                              									verhalten sich ähnlich in ihrer Wirkung. Sie haben alle eine treibende Wirkung,
                              									insbesondere wenn sie den Pflanzen in ihrer ersten Entwickelungsperiode dargereicht
                              									werden. Weit weniger ist ihre Wirksamkeit augenfällig, wenn die Pflanzen bereits im
                              									Wachsthum vorgerückt sind. Aus diesem Grunde ist es rathsam, stickstoffhaltige
                              									Dünger, wie Guano oder Steinkohlenruß, für Weizen entweder im Spätjahre oder im
                              									Frühlinge, bald nachdem der junge Halm die Erde durchbrochen, über das Feld zu
                              									streuen.
                           Die Wirksamkeit von Ammoniak ist so vielfältig durch zahlreiche Versuche bestätigt,
                              									in welchen es mit Ausschließung aller anderen Substanzen angewandt wurde, daß es
                              									keinem Zweifel unterliegt, daß die schnelltreibende Wirkung des Guano,
                              									Steinkohlenrußes, schwefelsauren Ammoniaks, des ammoniakhaltigen Wassers der
                              									Gasfabriken u.s.w. hauptsächlich durch das darin enthaltene Ammoniak bedingt ist.
                              									Diese Düngemittel sowohl,
                              									als salpetersaures Natron und salpetersaure Salze im Allgemeinen, befördern die
                              									üppige Entwickelung der Blattorgane; sie können daher blatterzeugende Dünger genannt
                              									werden. Auf Wiesenland, Weizen und andere Kornfrüchte äußern sie eine besonders
                              									günstige Wirkung, allein in Betracht ihrer besonderen Wirkung müssen sie bei
                              									Kornfrüchten mit Vorsicht angewandt werden, und zwar immer in geringerer Menge auf
                              									leichtem, als auf schwerem Boden, widrigenfalls tragen sie zur Erzeugung von
                              									kräftigem langen Stroh und kleinem leichten Korn bei.
                           Thierische und vegetabilische stickstoffhaltige organische Substanzen besitzen in
                              									frischem Zustande kaum eine düngende Wirkung, und erst, wenn der Stickstoff, den sie
                              									enthalten, durch Gährung in Ammoniak oder Salpetersäure umgewandelt worden ist,
                              									erscheinen sie als kraftvolle Düngemittel. Da der Werth eines Düngers in einem
                              									gewissen Grade von der Schnelligkeit seiner Wirkung abhängt, so ist der Stickstoff
                              									in frischen thierischen oder vegetabilischen Ueberresten nicht ganz so werthvoll als
                              									in seinen Verbindungen als Ammoniak oder Salpetersäure. Stickstoffhaltige Dünger
                              									scheinen auch die Assimilation verschiedener mineralischer Stoffe, die in
                              									Pflanzenaschen vorkommen, zu vermitteln. Da unsere Felder gewöhnlich einen Mangel an
                              									Ammoniak oder Salpetersäure zeigen, so ist deren Gegenwart in einem Kunstdünger von
                              									großer Wichtigkeit. Ueberdieß ist Stickstoff in einer der angegebenen Verbindungen
                              									sehr theuer, und er muß deßhalb zweifellos als der werthvollste Bestandtheil eines
                              									Kunstdüngers angesehen werden.
                           2) Phosphorsäure. Nach dem Stickstoff ist die
                              									Phosphorsäure der werthvollste Düngerbestandtheil. Im Kunstdünger findet man die
                              									Phosphorsäure gewöhnlich als Knochenerde oder phosphorsauren Kalk. In dem Boden
                              									kommt gewöhnlich nuruur sehr wenig Phosphorsäure vor, und da sie nicht allein für Korn und
                              									Wurzelgewächse, sondern für alle vegetabilischen Producte die zur Nahrung von
                              									Menschen und Vieh cultivirt werden, in reichlicher Menge erforderlich ist, so
                              									bewirkt die Anwendung phosphorsäurehaltiger Dünger fast bei allen Früchten sehr
                              									günstige Erfolge. Wir bemerken jedoch, daß während Phosphorsäure mehr oder weniger
                              									allen unseren Feldfrüchten nützt, sie besonders die Entwickelung der
                              									Knollengewächse, wie Turnips, gelbe Rüben, Zuckerrüben etc. etc. in erfreulicher
                              									Weise befördert.
                           3) Kali. Kali ist ebenfalls ein sehr wichtiger
                              									Düngerbestandtheil, weil alle unsere angebauten Gewächse bedeutende Quantitäten
                              									bedürfen und häufig in dem Boden Mangel daran ist. Wurzelgewächse und krautartige
                              									Gewächse im Allgemeinen scheinen viel Kali zu bedürfen. Aus diesem Grunde gedeihen
                              									Turnips, gelbe Rüben und Brachfrüchte im Allgemeinen sehr gut, wenn sie mit
                              									Holzasche, gebranntem Thon oder Jauche gedüngt werden. Diese Dünger nämlich
                              									enthalten alle beträchtliche Quantitäten von Kali; Klee und Kartoffeln insbesondere
                              									erfordern eine reichliche Menge von Kali.
                           Weit weniger werthvolle Düngerbestandtheile sind Natron, Kochsalz, schwefelsaures
                              									Natron, Kalk, Gyps, Eisenoxyd, Manganoxyd und Kieselsäure.
                           Wir sehen also, daß Stickstoff in dem gehörigen Verbindungszustande, dann
                              									Phosphorsäure und Kali hauptsächlich die Wirksamkeit eines Düngers bestimmen. Wir
                              									haben jedoch bereits bemerkt, daß die Zusammensetzung des Bodens, auf welchem ein
                              									Dünger gebraucht wird, und die Erfordernisse der Frucht, die man anzubauen gedenkt,
                              									im hohen Grade die Wirksamkeit eines Kunstdüngers modificiren. Außerdem üben andere
                              									Verhältnisse, als ein trockenes oder nasses Jahr, die Zeit, zu welcher, und die Art
                              									und Weise, in welcher der Dünger angewendet wird, einen entschiedenen Einfluß auf
                              									dessen Wirksamkeit aus. Es hat deßhalb der rationelle Landwirth in Erwägung zu
                              									ziehen, ob die effective Wirksamkeit eines künstlichen Düngers die Auslage einer
                              									gewissen Summe Geldes rechtfertigt oder nicht. Ein anderer Umstand, der zu häufig
                              									von dem praktischen Landwirthe übersehen wird, verdient noch Berücksichtigung. Viele
                              									künstliche Dünger äußern eine erstaunliche Wirksamkeit, und der Käufer solcher
                              									Dünger ist deßhalb gewöhnlich mit dem Resultat zufrieden und bekümmert sich wenig
                              									darum, sich die Frage zu stellen: zu welchem Preise kann ich die verschiedenen
                              									Bestandtheile des Düngers für sich allein erhalten, oder in anderen Worten: was ist
                              									sein Handelswerth?
                           Es läßt sich deßhalb erklären, daß häufig künstliche Dünger doppelt oder dreimal so
                              									hoch verkauft werden, als sie eigentlich werth sind. Einige Beispiele mögen
                              									erläutern, daß die augenscheinliche Wirksamkeit eines Düngers keineswegs dessen
                              									Geldwerth bestimmt. Kein verständiger Mann wird denselben Preis für Kalk bezahlen
                              									als für Guano, und doch besitzen wir Erfahrungen, die zeigen, daß die parallele
                              									Wirksamkeit, die mit Kalk erzielt wurde, größer war als die des Guano. Es folgt
                              									hieraus jedoch nicht, daß Kalk, der unter besonders günstigen Umständen sich
                              									wirksamer zeigte, einen größern Geldwerth als Guano besitzt.
                           In einigen Bodenarten hat sich Knochenmehl aus dem ganz einfachen Grunde ganz
                              									unwirksam ergeben, weil diese Bodenarten schon eine hinreichende Menge
                              									phosphorsauren Kalks enthielten, um allen Bedürfnissen der Pflanzen zu genügen, oder
                              									weil die Schwere des Bodens die Zersetzung des Knochenmehls verhinderte. Allein ein
                              									solches Fehlschlagen beweist doch nicht, daß Knochenmehl keinen Werth hat.
                           
                           Vor einigen Jahren wurde mir ein Kunstdünger zur Analyse übergeben, der zu 8 Pfd. St.
                              									die Tonne verkauft wurde. Mehrere Zeugnisse praktischer Landwirthe sprachen sich
                              									sehr günstig für die Wirksamkeit desselben aus. Die Analyse jedoch ergab, daß darin
                              									nur Spuren von Ammoniak und Phosphorsäure und nicht weniger als 88 Proc.
                              									kohlensaurer Kalk enthalten waren, außerdem fand ich darin eine geringe Quantität
                              									verkohlte ausgelaugte Gerberlohe und Sand. Dieser Dünger bestand in der That aus
                              									weiter nichts als Chausseestaub, dem etwas verkohlte Gerberlohe beigemischt war, und
                              									war kaum die Fracht von London bis Gloucester werth. Ungeachtet des geringen
                              									Geldwerthes zeigte sich dieser Dünger auf Bodenarten, in denen Kalk mangelte, sehr
                              									wirksam. Allein es ist klar, daß der günstige Erfolg, der damit unter gewissen
                              									günstigen Umständen erzielt wurde, keineswegs dem Fabrikanten ein Recht gab, einen
                              									enormen Preis dafür zu verlangen.
                           Oder angenommen, der Geldwerth von peruvianischem oder Saldanhabay-Guano ließe
                              									sich aus der Wirksamkeit bei Turnips festsetzen, so würde in diesem Falle der
                              									Saldanhabay-Guano, der bei weitem reicher an Phosphorsäure ist als
                              									peruvianischer Guano, eine reichlichere Ernte hervorbringen, und wir würden zu dem
                              									unsinnigen Schlusse gelangen, daß Saldanhabay-Guano mehr Geld werth sey als
                              									peruvianischer. Beide Guanosorten geben beim Weizen das entgegengesetzte Resultat,
                              									denn Weizen wird mehr durch Ammoniak als durch Phosphorsäure begünstigt; und da
                              									peruvianischer Guano 16 Proc. Ammoniak enthält und Saldanhabay-Guano nur 4
                              									bis 5 Proc., so läßt sich leicht die größere Wirksamkeit des ersteren beim Weizen
                              									erklären. Zeigt dieß nicht deutlich daß der Geldwerth der verschiedenen Guanosorten
                              									keineswegs von dem Effect, den sie bei gewissen Früchten hervorbringen, abhängt? In
                              									der That ist der billigere Saldanhabay-Guano für Turnips werthvoller, als der
                              									theure peruvianische.
                           Der folgende Fall beweist ebenfalls die Nothwendigkeit, einen Unterschied zu machen
                              									zwischen der praktischen Wirksamkeit eines Düngers und dessen Geldwerth. Vor einiger
                              									Zeit wurde mir ein Guano zur Analyse zugesandt, für welchen der volle Preis des
                              									besten peruvianischen bezahlt worden. Anstatt 16 Proc. Ammoniak fand ich nur 11
                              									Proc. und 14 1/2 Proc. Sand. Obgleich es nun deutlich war, daß der Geldwerth dieses
                              									Guano durch die Beimischung des Sandes allein bedeutend erniedrigt war, so sagte mir
                              									doch der Käufer, daß er mit diesem Guano eine bessere Weizenernte erreicht habe, als
                              									mit irgend einer anderen Sorte Guano, die er in früheren Jahren gebrauchte, daß er
                              									deßhalb den Guano für eine vorzügliche Qualität hielt.
                           
                           Diese Beispiele werden hinreichenden Beweis liefern, daß der praktische Effect eines
                              									Düngers nicht nothwendigerweise den Geldwerth desselben bestimmt.
                           Die Frage jedoch, wieviel Geld ist ein künstlicher Dünger werth, ist für den
                              									praktischen Landwirth von großer Bedeutung. Sie ist eine der wenigen Fragen, die die
                              									Chemie mit Leichtigkeit und Bestimmtheit beantworten kann. Jeder gute Analytiker
                              									kann die Zusammensetzung des Düngers bestimmen, und wenn er den Handelswerth der
                              									einzelnen Bestandtheile kennt, so kann er mit ziemlicher Genauigkeit den Geldwerth
                              									des ganzen Düngers bestimmen. Die chemische Analyse bietet daher dem Landwirthe ein
                              									sicheres Mittel dar zu untersuchen, ehe er einen Ankauf macht, ob der Preis des
                              									Düngers raisonnabel oder ein übertriebener ist. Vielleicht mag es von Nutzen seyn,
                              									die folgende Tabelle bei der Werthbestimmung von Kunstdünger anzuführen. Die Preise,
                              									die in derselben für die einzelnen Düngerbestandtheile angeführt, haben jedoch
                              									natürlicherweise keinen bleibenden Werth.
                           Tabelle zur Bestimmung des Geldwerthes künstlicher
                                 									Dünger.
                           
                              
                                   1)
                                 Stickstoff als Ammoniak kostet à Pfd.
                                 8 Pence 
                                 =
                                 6 Sgr. 8 Pfg.
                                 
                              
                                   2)
                                 Stickstoff in thierischen und vegetabilischen
                                    											Substanzen à Pfd.
                                 6      „
                                 =
                                 5  
                                    											„    –  
                                    											„
                                 
                              
                                   3)
                                 Salpetersaures Natron à Pfd.
                                 2      „
                                 =
                                 1  
                                    											„     8  „
                                 
                              
                                   4)
                                 Phosphorsaurer Kalk
                                 1      „
                                 =
                                 –   „  
                                    											10  „
                                 
                              
                                 
                                 Phosphorsäure allein
                                 2      „
                                 =
                                 1  
                                    											„     8  „
                                 
                              
                                   5) 
                                 Auflöslicher phosphorsaurer Kalk oder
                                    											saurer   phosphorsaurer Kalk
                                 4 1/2 „
                                 =
                                 3  
                                    											„     9  „
                                 
                              
                                   6)
                                 Kalisalze
                                 1 1/4 „
                                 =
                                 1  
                                    											„     1  „
                                 
                              
                                 
                                 Kali allein
                                 2      „
                                 =
                                 1  
                                    											„     8  „
                                 
                              
                                   7)
                                 Gyps für 10 Pfd.
                                 1      „
                                 =
                                 –   „  
                                    											10  „
                                 
                              
                                   8)
                                 Kalk für 12 Pfd.
                                 1      „
                                 =
                                 –   „  
                                    											10  „
                                 
                              
                                   9)
                                 Kohlensaurer Kalk für 25 Pfd.
                                 1      „
                                 =
                                 –   „  
                                    											10  „
                                 
                              
                                 10)
                                 Magnesia für 10 Pfd.
                                 1      „
                                 =
                                 –   „  
                                    											10  „
                                 
                              
                                 11)
                                 Organische Substanzen (Humus) für 20 Pfd.
                                 1      „
                                 =
                                 –   „  
                                    											10  „
                                 
                              
                                 12) 
                                 Kochsalz für 10 Pfd. 
                                 1      „
                                 =
                                 –   „  
                                    											10  „
                                 
                              
                           Für alle praktischen Zwecke kann die Werthbestimmung aller übrigen
                              									Düngerbestandtheile, als Eisenoxyd, Thonerde, Kieselsäure, ganz unberücksichtigt
                              									gelassen werden.
                           Es ist erstaunenswerth, daß viele Landwirthe, während sie in der chemischen Analyse
                              									ein sicheres Mittel besitzen, den Geldwerth eines künstlichen Düngers genau zu bestimmen,
                              									gedruckten Zeugnissen größeres Vertrauen schenken. Diese Zeugnisse sind häufig
                              									erdichtet, und selbst wenn sie wahr sind, so kann man sich nicht darauf verlassen,
                              									den Werth des Düngers danach zu beurtheilen. Unter günstigen Umständen bewirkt
                              									zuweilen ein ganz werthloser Dünger ein gutes Resultat; und da der Verkäufer oder
                              									Fabrikant natürlicherweise nur die Zeugnisse publicirt, die sich günstig für den
                              									Dünger aussprechen, und andere, die ungünstig lauten für sich behält, so ist es
                              									klar, daß man sich auf gedruckte Zeugnisse nicht verlassen kann.
                           Es ist nun unsere Aufgabe, die in dem Obigen gemachten Behauptungen mit einigen
                              									Beispielen, die wir kürzlich zu beobachten Gelegenheit hatten, zu belegen.
                           
                               (Der Schluß folgt im nächsten Heft.)