| Titel: | Ueber A. Poitevin's neues Gravirverfahren, Helioplastik genannt, und dessen Lichtbilder auf Stein etc., welche mit fetter Schwärze abgedruckt werden können; Bericht von Hrn. Seguier. | 
| Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. XLVII., S. 199 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XLVII.
                        Ueber A. Poitevin's neues Gravirverfahren, Helioplastik genannt, und dessen Lichtbilder auf Stein etc.,
                           								welche mit fetter Schwärze abgedruckt werden können; Bericht von Hrn. Seguier.
                        Aus den Comptes rendus, Januar 1856, Nr.
                              								1.
                        Ueber Poitevin's neues Gravirverfahren.
                        
                     
                        
                           Die reducirende Wirkung des Lichts auf die chromsauren Salze (insbesondere das
                              									zweifach-chromsaure Kali) bei Gegenwart organischer Substanzen, wurde schon
                              									längst von Ponton zur Darstellung positiver Bilder auf
                              									Papier und von Edm. Becquerel zu Untersuchungen über die
                              									chemische Wirkung des Lichts benutzt; später hat sie Talbot zum chemischen Stich der Stahlplatten angewandt und Testud de Beauregard, um Bilder von verschiedenen Farben
                              									auf Papier zu erhalten. Bei diesen Anwendungen bildet entweder die durch das Licht
                              									reducirte Chromsäure den färbenden Körper welcher die Zeichnung hervorbringen muß;
                              									oder die Chromsäure verwandelt eine organische Substanz in einen Firniß welcher von
                              									der Säure nicht durchdrungen wird, womit man die Stahlfläche an den vom Licht nicht
                              									getroffenen Theilen ätzt.
                           Von dieser Wirkung des Lichts auf die Gemische von chromsauren Salzen und
                              									(gallertartigen oder gummigen) organischen Substanzen hat Poitevin zwei neue Anwendungen gemacht, nämlich 1) um unmittelbar erhabene
                              									oder vertiefte Stiche zu erhalten, 2) um mittelst Belichtens jener Gemische die
                              									fette Schwärze auf den vom Licht nicht getroffenen Theilen der Steinfläche etc.
                              									haftend zu machen.
                           Sein Gravirverfahren, welches er Helioplastik nennt,
                              									beruht darauf, daß die trockne und mit einem neutralen oder sauren chromsauren Salz getränkte Gallerte,
                              									durch Einwirkung des Lichts, die Eigenschaft verliert sich im Wasser aufzublähen,
                              									während die so präparirte Gallerte welche dem Licht nicht ausgesetzt war, im Wasser
                              									beiläufig zu ihrem sechsfachen Volum aufschwillt.
                           Man überzieht eine ebene Fläche, z.B. von Glas, mit einer mehr oder weniger dicken
                              									Schicht von Gallerte-Auflösung, läßt sie trocknen und taucht sie hernach in
                              									die Auflösung eines zweifach-chromsauren Salzes, dessen Basis nicht direct
                              									auf die Gallerte wirkt; man läßt neuerdings trocknen, und dann auf die Fläche
                              									entweder durch ein positives Lichtbild oder durch eine positive Zeichnung hindurch,
                              									oder selbst im Focus der camera obscura, das Licht
                              									einwirken. Nach hinreichendem Belichten taucht man die Gallerteschicht in Wasser;
                              									alle diejenigen Theile auf welche das Licht nicht wirkte, schwellen dann auf und
                              									bilden Reliefs, während die vom Licht getroffenen Theile das Wasser nicht annehmen
                              									und vertieft zurückbleiben. Man verwandelt hernach diese gravirte Gallertefläche in
                              									Metallplatten, indem man davon einen Gypsabguß macht, welcher mittelst der bekannten
                              									Verfahrungsarten Metallplatten liefert, oder man formt sie direct auf
                              									galvanoplastischem Wege ab, nachdem man sie vorher metallisirt hat.
                           Nach diesem Verfahren liefern die negativen Zeichnungen Metallplatten in Relief,
                              									welche in der Buchdruckerpresse abgedruckt worden können; die positiven Zeichnungen
                              									hingegen vertiefte Platten für die Kupferdruckerpresse.
                           Bei dem zweiten Verfahren benutzt Poitevin die Wirkung des
                              									Lichts auf ein Gemisch von chromsaurem Salz mit gummiger organischer Substanz, um
                              									dann die Papier-, Stein- oder Metallfläche mit fetter Farbe überfahren
                              									zu können; er bringt nämlich von jenem Gemisch auf der Fläche eine oder mehrere
                              									Schichten an, und nach dem Austrocknen derselben belegt er sie mit einer negativen
                              									Copie des hervorzubringenden Bildes, um durch diese hindurch das Licht einwirken zu
                              									lassen. Trägt man dann mittelst eines Tupfballens oder einer Walze fette Schwärze
                              									auf, so bleibt dieselbe nur an den vom Licht getroffenen Theilen haftend. Nach
                              									diesem Princip kann man auf den verschiedenen Flächen alle Farben, sowohl
                              									pulverförmige als flüssige, anbringen.
                           
                        
                           Nachtrag.
                           Wir lassen die im Cosmos vom 4. Jan. d. J. erschienene
                              									ausführliche Beschreibung beider Verfahrungsarten von Poitevin selbst nachfolgen; dieselben wurden ihm am 26. August 1855 für
                              									Frankreich patentirt:
                           
                              
                              Verfahren, um auf photographischem Wege unmittelbar
                                    											erhabene oder vertiefte Stiche zu erhalten.
                              Ich gieße auf irgend eine ebene Fläche, z.B. eine Glastafel, eine gleichförmige
                                 										Schicht einer Auflösung von Gallerte (Leim); die Dicke der Schicht muß der
                                 										beabsichtigten Höhe der Reliefs oder der gewünschten Tiefe der vertieften
                                 										Stellen angemessen seyn; ich lasse diese Schicht an der Luft trocknen oder
                                 										beschleunige das Austrocknen in einem geheizten Raum; wenn die Schicht trocken
                                 										ist, tauche ich sie in eine concentrirte Auflösung von
                                 										zweifach-chromsaurem Kali (es eignet sich aber jedes chromsaure Salz,
                                 										welches mit der Gallerte keine in Wasser unauflösliche Verbindung gibt). Nachdem
                                 										die Schicht einige Minuten in diese Flüssigkeit getaucht war, wasche ich die
                                 										Platte rasch in Wasser und lasse sie neuerdings an einem dunklen Ort trocknen.
                                 										Man kann dieselbe Schicht noch auf zweierlei Art präpariren: entweder, indem man
                                 										die mit Gallerte überzogene Platte in die Auflösung des zweifach chromsauren
                                 										Kalis vor dem Austrocknen der Gallerte taucht, sobald letztere durch das
                                 										Erkalten consistent genug geworden ist; oder, falls die Schicht nur eine geringe
                                 										Dicke erhalten soll, indem man vorher die zwei Auflösungen von Gallerte und
                                 										zweifach-chromsaurem Kali vermischt, und hernach das Gemisch auf die
                                 										Oberfläche der Platte gießt.
                              Nachdem die durch eine dieser drei Manipulationen erhaltene Schicht
                                 										chromsäurehaltiger Gallerte getrocknet ist, läßt man auf sie das Licht durch das
                                 										zu copirende transparente positive oder negative Bild hindurch einwirken, oder
                                 										man bringt sie in den Focus der camera obscura, wenn
                                 										Bilder nach der Natur aufgenommen werden sollen. Die erforderliche
                                 										Belichtungszeit hängt von der Dicke der Gallerteschicht und von der Intensität
                                 										des Lichts ab.
                              Nach der Belichtung tauche ich die Platte in Wasser; alle Theile, auf welche das
                                 										Licht nicht gewirkt hat, saugen Wasser ein, schwellen auf und werden also auf
                                 										der Oberfläche der Platte erhaben; die vom Licht getroffenen Theile befeuchten
                                 										sich hingegen kaum, schwellen nicht auf, und bilden bezüglich jener die
                                 										vertieften Stellen. Die erhabenen Theile entsprechen daher den Schatten der
                                 										Zeichnung und die vertieften den Lichtern.
                              Von dieser Gravirung welche die Gallerteschicht bildet, mache ich nun einen Abguß
                                 										mit Gyps oder einer sonstigen plastischen Substanz; oder ich mache eine Copie
                                 										davon auf galvanoplastischem Wege, nachdem ich sie vorher mit einer leitenden
                                 										Substanz überzogen habe.
                              Angenommen, es soll ein Gypsabguß gemacht werden, so warte ich den Zeitpunkt ab,
                                 										wo die vom Licht nicht getroffenen Theile im Wasser durch Aufschwellen
                                 										hinreichend erhaben geworden sind, und gieße dann sogleich auf die Oberfläche
                                 										der Gallerte eine Eisenvitriol-Auflösung; ich wasche, um das
                                 										überschüssige Eisensalz zu entfernen, versehe die Zeichnung mit einem erhabenen
                                 										Rand und bedecke sie mit dickem Gypsbrei. Man kann so von demselben Modell eine
                                 										große Anzahl guter Formen erhalten, wenn man besorgt ist, nach jedem Abformen
                                 										die Gallertefläche mit einem weichen Pinsel und Wasser zu reinigen, sie abermals
                                 										mit der Eisenvitriol-Auflösung zu behandeln, und sie mit viel Wasser zu
                                 										waschen. Es ist nicht unumgänglich nothwendig, Eisenvitriol-Auflösung
                                 										anzuwenden, sie gewährt aber den großen Vortheil, dem Gyps Consistenz zu
                                 										ertheilen, dessen zarte Fäden sonst beim Trennen der Form vom Modell zerbrechen
                                 										könnten.
                              Ich verwandle hernach die Gypsformen in Metallplatten, entweder mittelst des
                                 										gewöhnlichen Verfahrens zum Abklatschen, oder auf galvanoplastischem Wege.
                              Nach der beschriebenen Methode liefert ein directes oder positives Bild auf
                                 										Gallerte einen Stich, dessen Reliefs den Schatten der Zeichnung entsprechen, und
                                 										eine Gypsform oder Kupferplatte, deren Schatten durch die vertieften Theile
                                 										gebildet werden; diese Platte gibt also in der Kupferdruckerpresse der Zeichnung
                                 										entsprechende Bilder.
                              Dagegen liefert eine verkehrte oder negative Zeichnung auf Gallerte einen Stich,
                                 										dessen Reliefs den Schatten des negativen Bildes und folglich den Lichtern des
                                 										positiven oder des Gegenstandes entsprechen; die Gypsform oder Kupferplatte wird
                                 										daher die Schatten des Reliefs darstellen, so daß man mit dieser Platte in der
                                 										gewöhnlichen Buchdruckerpresse Abdrücke erhält, welche getreue Bilder des
                                 										Gegenstandes sind.
                              
                           
                              Verfahren, um durch Photographie ein Bild auf Stein, Glas,
                                    											Holz etc. so zu copiren, daß es mit fetter Schwärze oder verschiedenen
                                    											Farben abgedruckt werden kann.
                              Zu diesem Zweck trage ich auf der Fläche (Papier, lithographischem Stein, Glas,
                                 										Metall, Holz etc.) welche die Zeichnung oder photographische Copie aufnehmen
                                 										soll, eine oder mehrere Schichten von einem Gemisch aus, welches aus gleichen
                                 										Raumtheilen einer concentrirten Eiweiß-Auflösung und einer concentrirten
                                 										Auflösung von zweifach-chromsaurem Kali besteht. (Statt des Eiweißes kann
                                 										man auch arabisches Gummi, Gallerte etc. anwenden, und statt des chromsauren
                                 										Kalis jedes chromsaure Salz dessen Basis die organische Substanz der ersteren
                                 										Auflösung nicht niederschlägt.) Nachdem diese Schicht ausgetrocknet ist, lasse ich auf
                                 										dieselbe das Licht einwirken, indem ich sie hinter dem negativen Bild oder im
                                 										Focus der camera obscura anbringe; die erforderliche
                                 										Belichtungszeit hängt von der Intensität des Lichts ab. Nach der Belichtung
                                 										trage ich auf die Fläche mittelst des Tupfballens oder der Walze eine Schicht
                                 										fetter Schwärze oder sonstiger Farbe auf; dann wasche ich sie in viel Wasser
                                 										oder mit dem Schwamm, oder ich passire eine Walze über die geschwärzte Fläche,
                                 										nachdem sie mit Wasser befeuchtet worden ist. Die fette Schwärze löst sich von
                                 										allen Theilen ab, auf welche das Licht nicht einwirkte. Wenn das Bild durch
                                 										welches hindurch das Licht auf die empfindliche Fläche gewirkt hat, ein
                                 										negatives war, so erhält man eine positive Copie; und wenn die angewandte Fläche
                                 										ein lithographischer Stein war, so kann man, indem man ihn einschwärzt,
                                 										unmittelbar Abdrücke machen, wie wenn man die Zeichnung mit fetter Kreide oder
                                 										der in fette Tinte getauchten Feder auf demselben ausgeführt hätte. War hingegen
                                 										das aufgelegte Bild, durch welches hindurch das Licht einwirkte, ein positives,
                                 										so ist die auf dem Stein erhaltene Zeichnung eine verkehrte oder negative.
                              Um photographisch die verschiedenen Farben, sowohl flüssige als feste,
                                 										anzubringen, mache ich ein inniges Gemisch der Farbe mit einer concentrirten
                                 										Auflösung derselben organischen Substanzen (Eiweiß, Gallerte, arabischem Gummi
                                 										etc.), versetzt mit dem gleichen Volum einer concentrirten Auflösung von
                                 										zweifach-chromsaurem Kali; die Fläche des Papiers oder sonstigen Körpers
                                 										(Zeuge, Töpferwaare, Glas), welcher die Färbung empfangen soll, überziehe ich
                                 										mit einer gleichförmigen Schicht dieses Gemisches. Nach dem Austrocknen dieser
                                 										Schicht lasse ich auf dieselbe das directe oder zerstreute Licht durch ein
                                 										Negativ der zu erhaltenden Zeichnung hindurch einwirken; dann wasche ich mit
                                 										Wasser und mit dem Schwamm; die Farbe bleibt nur an den vom Licht getroffenen
                                 										Theilen haftend, in einer jedesmal der Lichtstärke entsprechenden Menge. Man
                                 										kann so gleichzeitig oder nacheinander mehrere Farben anbringen.