| Titel: | Verbesserungen der Elektroskope zur Beobachtung der atmosphärischen Elektricität; von Dr. E. Romershausen. | 
| Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. LXIV., S. 258 | 
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                        LXIV.
                        Verbesserungen der Elektroskope zur Beobachtung
                           								der atmosphärischen Elektricität; von Dr. E. Romershausen.
                        Mit Abbildungen.
                        Romershausen's Verbesserungen der Elektroskope zur Beobachtung der
                           								atmosphärischen Elektricität.
                        
                     
                        
                           Die folgenden, aus längerer Erfahrung hervorgegangenen Verbesserungen des von mir zur
                              									Beobachtung der atmosphärischen Elektricität angegebenen ApparatesPoggendorff's Annalen
                                    											der Physik und Chemie. Bd. LXIX S. 71 und Bd. LXXXVIII S. 571.Müller's Bericht über
                                    											die neuesten Fortschritte der Physik. Bd. I S. 27–32.Polytechn. Journal Bd. CXXX S.
                                       											193. scheinen mir um so mehr der Mittheilung werth zu seyn, da diese wichtigen
                              									Beobachtungen nachgerade einen allgemeinern Eingang finden.Die ausgezeichnete mechanische Werkstätte des Hrn. Oechsle zu Pforzheim liefert jetzt, nach
                                    											seiner neuesten Anzeige, diese Apparate für 24 fl.
                              								
                           Auch ist im Interesse der Meteorologie nichts Wünschenswerther, als daß die
                              									Elektricität, dieser Hauptfactor in den Witterungsverhältnissen, eine gleiche
                              									Beachtung findet, wie die damit in innigster Verbindung und Wechselwirkung stehenden
                              									Erscheinungen des Luftdrucks, der Wärme und Feuchtigkeit etc. Namentlich würde uns
                              									eine umfassendere Beobachtung der im verflossenen Jahr vorwaltenden
                              									atmosphärisch-elektrischen Processe über die anomale Witterung desselben und
                              									ihrer Einflüsse auf das gesammte vegetative und animalische Leben wesentliche
                              									Aufschlüsse ertheilt haben. – Vereinzelte Beobachtungen dieser wechselnden
                              									elektrischen Zustände können aber nur von localem Interesse seyn – sie müssen
                              									nothwendig, wie die Barometer-, Thermometer- und
                              									Hygrometer-Anzeigen etc., aus einem umfassendem Kreise mitgetheilt werden,
                              									wenn sie von wissenschaftlichem Werth und Erfolg seyn sollen.
                           Die angegebene Einrichtung der Auffangstange mit seinen PlatinspitzenMüller's Fortschritte
                                    											der Physik, Bd. I S. 31. Fig. 16, 17, 18 u. 19. hat sich fortdauernd als die zweckmäßigste bewährt. Sie muß über dem
                              									höchsten Theil der Bedachung des Hauses, am besten über einer Giebelspitze
                              									angebracht werden. Die sorgfältig isolirte Zuleitung wird zum Schutz gegen
                              									Witterungseinflüsse im Innern des Gebäudes durch die Decken längs einer Seitenwand
                              									in das Beobachtungszimmer herabgeführt und daselbst mit den Elektroskopen in
                              									leitende Verbindung gesetzt.
                           
                           Eine wesentliche Verbesserung der Elektroskope ist nun folgende:
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 139, S. 259
                              
                           Die mit der Zuleitung verbundenen Kupferlamellen erhalten mehr Masse, und die Form
                              									welche Fig. 1 in wirklicher Größe des
                              									Querdurchschnitts darstellt. n ist die blanke, der Nadel
                              									zugekehrte Seite. Die concave Rückseite K nebst den
                              									abgerundeten Seiten wird mit einem guten Schellackfirniß stark überzogen.
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 139, S. 259
                              
                           Die Zuleitung erfolgt von beiden Seiten, wie dieses die verkleinerte Fig. 2 anschaulich macht.
                           a bezeichnet die Vorderseite des die Nadel schützenden
                              									Glasgehäuses. Bei b und c
                              									ist dasselbe zur Aufnahme der Lamellen Fig. 1
                              									durchbohrt und beide sind durch einen die Rückseite umfassenden, mit denselben bei
                              										b und c verlötheten, mit
                              									Seide umsponnenen und gut gefirnißten Kupferdraht b, d,
                                 										c metallisch verbunden. Bei d ist eine kleine
                              									aufrechtstehende Hülse angebracht, welche den herablaufenden Leitdraht aufnimmt und
                              									die eintretende Elektricität durch b und c den Lamellen auf beiden Seiten gleichzeitig zuführt.
                              									Die dem Beobachter zugekehrte Vorderseite des cylindrischen Glasgehäuses ist von b aus auf dem Glas in 180° getheilt – und
                              									das ganze Gehäuse, außer diesem Gradbogen, mit hellem Schellackfirniß überzogen.
                           Diese Einrichtung gründet sich auf die sichere Erfahrung:
                           1) daß sich die höchst elastischen Elemente der Elektricität, gewissermaßen den
                              									Schallwellen ähnlich, in den Leitern fortpflanzen und durch den Impuls der
                              									atmosphärischen Elektricität die in dem Leiter nach Verhältniß seiner Capacität
                              									latente Elektricität in eine nach Außen hin auftretende Schwingung versetzen,
                              									und
                           2) daß diese Erschütterung der ruhenden elektrischen Elemente nicht allein in einer
                              									größern isolirten Masse kräftiger auftritt, sondern daß auch bei gleicher
                              									Leitungsfähigkeit die elektrische Ziehkraft mit der Quantität der Masse
                              									verhältnißmäßig wächst, wie dieses schon elektrische Entladungen im Großen vielfach
                              									nachweisen.
                           
                           Die Empfindlichkeit des Elektroskops wird daher durch die Massenvergrößerung der
                              									früher feinen, im Verhältniß zu dem Leitdraht zu schwachen Lamelle, bedeutend
                              									erhöht. Jeder vergleichende Versuch macht dieses anschaulich.
                           Die aus feinem Silberdraht gefertigte geradlinige Nadel n,
                                 										n, Fig. 2, ist bei dem ersten Apparat an
                              									einem wenigstens 1 Fuß langen feinen Glas- oder Coconfaden so aufgehängt, daß
                              									sie, bei möglichst geringer Torsion des Fadens, sich zu beiden Seiten parallel an
                              									die Lamellen anlegt. Sie darf aber dieselben nicht unmittelbar berühren, und um
                              									dieses zu verhindern, ist an jedes Ende derselben ein kleines Siegellackkügelchen in
                              									der Größe eines Stecknadelknopfs angeschmolzen. Eben so wird, um sie sicherer zu
                              									equilibriren und bei ihren Schwingungen in horizontaler Richtung zu erhalten, auch
                              									unter dem Aufhängepunkt e so viel Siegellack
                              									angeschmolzen, daß der Schwerpunkt unter denselben fällt.
                           Bei dem zweiten, a. a. O. aufgeführten controlirenden Elektroskop, wurde die Nadel
                              									durch die Richtkraft eines kleinen Magnets in der
                              									Ruhelage zwischen den Lamellen erhalten. Fig. 3 zeigt
                              									die verbesserte Einrichtung.
                           
                              
                              Fig. 3., Bd. 139, S. 260
                              
                           a, b, ein feiner Silberdraht, erhält die bei c angegebene Biegung. In dem Innern derselben ist eine
                              									feine Stahlspitze angelöthet, welche in dem Achathütchen des Trägers d höchst beweglich ruhet. Bei dieser Einrichtung ist es
                              									leicht, den Schwerpunkt der Nadel unter den Stützpunkt derselben zu bringen.
                           Seitwärts von c ist unter dem Arm c, b ein Stückchen feiner gehärteter Stahldraht n angelöthet, dessen Länge etwa 4 Millimet. beträgt, und welches durch
                              									Berührung mit dem Südpol eines Magnets bei n einen
                              									Nordpol erhält. Diese geringe Polarität ist vollkommen zureichend, die Nadel sicher
                              									in der magnetischen Meridianrichtung zu erhalten. Da nur der Arm a auf der dem Beobachter zugekehrten Vorderseite die
                              									Abweichung am Theilkreis anzeigt, so wird die Nadel durch Verkürzung des rückwärts
                              									liegenden Armes b vollkommen equilibrirt.
                           Dieser kleine einarmige Magnet n gewährt eine weit
                              									sicherere Richtkraft, als eine zweiarmige Magnetnadel. Bereits im Jahre 1845 habe
                              										ich diese einarmige Magnetnadel anstatt der gewöhnlichen
                              									zweiarmigen empfohlenDer dynamische Antagonismus von E. Romershausen.
                                    											Halle bei Heynemann. §. 21. Fig.
                                       											2. und will hier nochmals darauf aufmerksam machen. Da nämlich die dirigirende
                              									Spannungsrichtung der dem Erdkörper und seiner Atmosphäre inhärirenden magnetischen
                              									Elemente, wie ihr mehrfach nachgewiesener Angriffspunkt bezeugtPolytechn. Journal Bd. CXVII S.
                                       											321., von Süd nach Nord gerichtet ist, so kann man dieselbe mit der Strömung
                              									eines Flusses vergleichen, und es ist einleuchtend, daß ein an einem Ende darin
                              									aufgehängtes horizontales Pendel der Stromrichtung sicherer und mit weniger
                              									Schwankungen folgt, als ein zweiarmiges, dessen Drehpunkt in der Mitte liegt. Bei
                              									dem Compaß – der Boussole etc., wo sich diese einarmige Nadel auf das
                              									trefflichste bewährt hat – besteht der Arm n, b
                              									aus einer feinen Stahlnabel, welche anstatt des Armes c,
                                 										a durch ein kleines, nahe bei e angeschraubtes
                              									Gegengewicht für jede Inclinationsrichtung equilibrirt werden kann.
                           Das Elektroskop Fig. 3 wird mit denselben Lamellen
                              										Fig. 1 und doppelter Zuleitung wie Fig. 2 versehen und in einer flachen Büchse mit
                              									Glasdecke angebracht. Der Theilkreis ist auf einem Ring von Kartenpappe
                              									aufgetragen.
                           Die stetigere und völlig concentrische Bewegung dieser Nadel gewährt eine bequemere
                              									und sicherere Beobachtung als Fig. 2, und gibt dieser
                              									an Empfindlichkeit nichts nach. Man kann aber auch diese Nadel Fig. 3 an einem Glas- oder Coconfaden
                              									aufhängen, wobei man durch entgegengesetzte Torsion des Fadens die magnetische
                              									Richtkraft auf ein beliebiges Minimum reduciren kann.
                           Bei beiden Apparaten muß die Anbringung von metallenen Fassungen und Gradringen
                              									– wie überhaupt aller naheliegenden Metallmassen – vermieden werden,
                              									da dadurch sowohl die Empfindlichkeit der Nadeln, als auch die Richtigkeit ihrer
                              									Anzeigen bedeutend beeinträchtigt wird. Jeder vergleichende Versuch wird dieses
                              									sofort nachweisen.
                           Der Grund dieser Störungen liegt sowohl in der, selbst bei Anwendung chemischer
                              									Mittel, stets mehr oder minder vorhandenen Luftfeuchtigkeit, welche die Ziehkraft
                              									der im elektrischen Wirkungskreis der isolirt überladenen und vertheilenden Lamellen
                              									befindlichen Metalle unterstützt, als auch in der, in Folge dessen durch den
                              									elektromagnetischen Antagonismus veranlaßten Aufregung der in denselben latenten
                              									Elektricität. Man vergl. polytechn. Journal Bd.
                                 										CXXIV S. 416.
                           
                           Alle zur Abhaltung störender Einflüsse von Außen erforderlichen Vorrichtungen müssen
                              									daher aus Gutta-percha oder wohlgefirnißter Pappmasse gefertigt werden.
                              									Dieser Schutz ist nothwendig, indem die stets auf der Glasfläche lagernde
                              									elektrische Atmosphäre durch die geringste Einwirkung von Außen erregt und in
                              									Thätigkeit versetzt wird. Die elektrische Ziehkraft dieser Atmosphäre sammelt
                              									nämlich fortwährend die feinsten Dunstpartikeln auf den Glasflächen, so daß
                              									dieselben nie völlig trocken sind. Schon durch die Körperwärme und Ausdünstung des
                              									Beobachtenden erfolgt ohne diesen Schutz eine elektrische Aufregung und die Anzeigen
                              									der Nadel werden mehr oder weniger verfälscht.
                           Alle dergleichen Elektroskope sind daher nicht wirklich mathematisch genaue
                              									Meßwerkzeuge. Die feinsten mikrometrischen Bestimmungen derselben werden stets mehr
                              									oder minder durch eingreifende Factoren verfälscht, welche weder sicher erkannt,
                              									noch in Rechnung gestellt werden können. Sie sind daher auch, streng genommen, zu
                              									einer mathematischen Behandlung nicht geeignet.Polytechn. Journal Bd. CXXXVII S.
                                       											87.
                              								
                           Zur Beobachtung der wechselnden atmosphärischen Elektricität sind aber einstweilen
                              									diese Apparate vollkommen zureichend und erledigen, wenn sie verallgemeinert werden,
                              									ein Hauptbedürfniß der Meteorologie.Ein auffallendes Beispiel der Empfindlichkeit dieser Apparate, und wie weit
                                    											sich, unter begünstigenden Umständen, selbst momentane elektrische
                                    											Erregungen im Raum erstrecken, zeigte sich mir zufällig im Januar d. J. Ich
                                    											beobachtete, wie gewöhnlich Abends 10 Uhr, das neben einem südlich gelegenen
                                    											Fenster meines Wohnzimmers angebrachte Elektroskop – es zeigte in
                                    											vollkommener Ruhelage 0 E. Gleichzeitig fiel
                                    											aber mein Auge auf das hoch im Mittag zwischen einigen lichten Wolken
                                    											glänzende Sternbild des Orion, und in demselben Moment erschien in derselben
                                    											scheinbaren Höhe etwas östlicher eine große funkelnde Sternschnuppe, welche
                                    											in westöstlicher Richtung herabfiel und einen etwas gekrümmten Schweif mit
                                    											sich führte. In demselben Augenblick wurde die Nadel des Elektroskops mit
                                    											großer Heftigkeit aus ihrer Ruhelage durch den ganzen Halbkreis
                                    											herumgeschleudert – ging aber nach 5 Minuten wieder auf 0 E zurück. Ich wage nicht zu bestimmen, ob diese
                                    											Erscheinung die Folge eines elektrischen Processes des vielleicht nicht
                                    											allzufernen Meteors, oder der schnellen Bewegung desselben im Luftraum war.
                                    											– Man vergl. polytechn. Journal Bd.
                                       												CXXX S. 198. Zur Beobachtung der feinsten Nüancen werden sie mit einem Condensator
                              									verbunden.
                           Marburg, im December 1855.