| Titel: | Die Untersuchungen des Hrn. Leon Péan über das Eisenoxydhydrat und das essigsaure Eisenoxyd; Bericht von Prof. Thenard. | 
| Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. LXIX., S. 280 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXIX.
                        Die Untersuchungen des Hrn. Leon Péan über das
                           								Eisenoxydhydrat und das essigsaure Eisenoxyd; Bericht von Prof. Thenard.
                        Aus den Comptes rendus, Januar 1856, Nr.
                              								2
                        Péan's Untersuchungen über das Eisenoxydhydrat und das
                           								essigsaure Eisenoxyd.
                        
                     
                        
                           Hr. Walter Crum hat in einer im
                              									J. 1854 veröffentlichten Abhandlung (polytechn. Journal Bd. CXXXIII S. 121) Versuche über ein
                              									Thonerdehydrat mitgetheilt, welches ihm in Wasser auflöslich zu seyn schien und das
                              									er aus der essigsauren Thonerde erhielt, indem er dieselbe während mehrerer Tage
                              									einer 100° C. nahe kommenden Temperatur aussetzte.
                           Da das Eisenoxyd sich in vielen Beziehungen der Thonerde analog verhält, so wollte
                              									Hr. Leon Péan von
                              									Saint-Gilles ermitteln, ob dasselbe ebenfalls ein lösliches Hydrat bilden
                              									kann. Bei dieser Untersuchung, deren Ergebnisse er in einer der Akademie der
                              									Wissenschaften eingereichten Abhandlung zusammengestellt hat, gelangte er zu ganz
                              									neuen Resultaten.
                           Drei Reihen von Versuchen, die wir nach einander durchgehen wollen, betreffen den
                              									ganzen Umfang der zu lösenden Frage.
                           
                           1. Wenn man eine Auflösung von essigsaurem Eisenoxyd zehn bis zwölf Stunden lang in
                              									ein bis zum Siedepunkt erhitztes Wasserbad stellt, so nimmt die Flüssigkeit eine
                              									ziegelrothe Farbe an; im durchfallenden Lichte betrachtet, erscheint sie
                              									durchsichtig, hingegen im reflectirten Lichte undurchsichtig; sie verliert den
                              									metallischen Geschmack der Eisensalze gänzlich und erhält dafür denjenigen des
                              									Essigs, auch auffallend den Geruch dieser Säure.
                           Diese Eigenschaften sind schon sehr merkwürdig; die folgenden sind es noch viel
                              									mehr.
                           Wenn man Blutlaugensalz in die Auflösung des so modificirten essigsauren Eisenoxyds
                              									gießt, so erhält man kein Berlinerblau, es entsteht nur ein ockerbrauner
                              									Niederschlag; einen Niederschlag von dieser Farbe erzeugt auch der Gerbestoff; sogar
                              									das Schwefelcyankalium zeigt nicht die geringste Menge Eisen an.
                           Spuren von Schwefelsäure, Phosphorsäure und vielen anderen Säuren, sowie Spuren von
                              									Kali-, Natron-, Baryt-, Strontian- oder Kalksalzen
                              									genügen, um alles Eisen aus der Flüssigkeit in Form eines braunrothen Niederschlags
                              									zu fällen, welcher in der Kälte in allen Säuren, selbst den concentrirtesten,
                              									unauflöslich ist. Die Salzsäure und die Salpetersäure erzeugen darin auch einen
                              									rothen und körnigen Niederschlag, welcher aber auf Zusatz von destillirtem Wasser
                              									verschwindet.
                           2. Es fragte sich nun, ob das gewöhnliche Eisenoxydhydrat unter dem Einfluß des
                              									bloßen Wassers und einer Wärme von beiläufig 100° C. sich modificiren kann.
                              									Der Verfasser überzeugte sich, daß dasselbe unter diesen Umständen sich nach und
                              									nach vollständig modificirt und dann in Berührung mit Essigsäure oder (mit Wasser)
                              									verdünnter Salzsäure und Salpetersäure, eine Flüssigkeit gibt, welche im
                              									reflectirten Licht trüb, im durchgehenden aber klar, und stark ziegelroth gefärbt
                              									ist. Er hat ferner gefunden, daß dieses Hydrat zwei charakteristische Eigenschaften
                              									besitzt: erstens enthält es nur 10 Procent Wasser, während das gewöhnliche Hydrat
                              									davon 15 enthält; zweitens zeigt es die Erscheinung des Verglimmens nicht, welches
                              									sich bei dem gewöhnlichen Hydrat plötzlich einstellt, wenn man es bis zum dunklen
                              									Rothglühen erhitzt.
                           3. Es fragte sich endlich noch, ob das modificirte Eisenoxydhydrat mit den Säuren
                              									eine innige Verbindung eingehen kann. Behufs dieser Untersuchung fällte der
                              									Verfasser alles Eisenoxyd aus dem neuen essigsauren Salz durch Zusatz einiger
                              									Tropfen Schwefelsäure; dann sammelte er den Niederschlag auf einem Filter, wusch ihn
                              									mit vielem Wasser aus und analysirte ihn; er fand darin keine Spur von Säure.
                           
                           Da zu befürchten war, daß das Wasser die etwa mit dem Oxyd verbundene Säure mit sich
                              									riß, so machte er folgenden Versuch: nachdem er in eine Auflösung von modificirtem
                              									essigsaurem Eisenoxyd Salzsäure (von hinreichender Concentration, um sie zu trüben)
                              									gegossen und die Flüssigkeit umgerührt hatte, brachte er sie in eine graduirte Röhre
                              									und ließ den Niederschlag absetzen. Dann nahm er den obern Theil der Flüssigkeit,
                              									welcher durchsichtig war, weg, und bestimmte den Chlorgehalt sowohl in diesem als in
                              									dem untern; er fand ihn ziemlich gleich, oder vielmehr im untern Theil etwas
                              									geringer.
                           Welche Folgerungen lassen sich nun aus diesen merkwürdigen Thatsachen ziehen?
                           Daß das modificirte Eisenoxydhydrat ganz andere Eigenschaften hat als das gewöhnliche
                              									Eisenoxydhydrat, dieß ist außer Zweifel gesetzt.
                           Wie kommt es aber, daß das modificirte essigsaure Eisenoxyd mit dem Blutlaugensalz
                              									nicht Berlinerblau liefert, mit dem Gerbestoff nicht einen schwarzen Niederschlag
                              									bildet, und mit dem Schwefelcyankalium nicht eine dunkelrothe Farbe annimmt? Weil
                              									das modificirte Hydrat nicht die Rolle einer Basis spielt wie das gewöhnliche
                              									Hydrat; auch wird es aus seiner essigsauren Auflösung durch Spuren von
                              									Schwefelsäure, Phosphorsäure etc., und durch Spuren eines neutralen Alkalisalzes
                              									gefällt. Das Oxyd ist in dem modificirten essigsauren Salz, so zu sagen, isolirt und
                              									nicht in demselben Zustande wie das Eisenoxyd in den Eisenoxydsalzen.
                           Endlich entsteht noch die Frage, ob das modificirte Eisenoxydhydrat mit der
                              									Essigsäure eine wahrhafte Auflösung bildet? Der Verfasser glaubt es nicht, und ich
                              									theile seine Meinung. Wenn das Wasser wirklich ein Salz in Auflösung hält, so
                              									enthält die Flüssigkeit nach Verlauf langer Zeit im obern Theil gerade so viel
                              									Salztheile wie im untern. Anders ist es aber mit der Auflösung des modificirten
                              									essigsauren Eisenoxyds; es bildet sich darin nach und nach ein sehr merklicher
                              									Niederschlag, und die obere Flüssigkeit bekommt eine viel weniger dunkle Farbe als
                              									die untere.
                           Dieß sind die wesentlichsten Beobachtungen, welche Péan's Abhandlung enthält; der Gegenstand
                              									ist aber damit bei weitem noch nicht erschöpft; so fragt es sich, ob natürliche
                              									Eisenoxyde vorkommen, welche dieselben Eigenschaften zeigen wie das neue Hydrat, und
                              									ob man nicht ähnliche Körper mit einigen anderen Metalloxyden erhalten kann.