| Titel: | Methode zur Entdeckung des Phosphors bei Vergiftungen; von Prof. E. Mitscherlich. | 
| Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. LXXI., S. 286 | 
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                        LXXI.
                        Methode zur Entdeckung des Phosphors bei
                           								Vergiftungen; von Prof. E.
                              									Mitscherlich.
                        Aus dem Journal für praktische Chemie, 1855, Nr.
                              									20.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. IV.
                        Mitscherlich's Methode zur Entdeckung des Phosphors bei
                           								Vergiftungen.
                        
                     
                        
                           Bei Gelegenheit einer zweifelhaften Vergiftung, welche durch Phosphor-Latwerge
                              									herbeigeführt seyn sollte, hat der Verfasser auf Veranlassung des königl. preuß.
                              									Medicinal-Collegiums Versuche zur Entdeckung des Phosphors angestellt, welche
                              									nachstehend folgen.
                           Das empfindlichste Mittel, Phosphor zu entdecken, besteht darin, daß man die
                              									verdächtige Substanz, besonders wenn es Mehl ist, mit etwas Schwefelsäure und der
                              									nöthigen Menge Wasser versetzt und in einem Kolben A,
                              										Fig. 14,
                              									der Destillation unterwirft; mit dem Kolben bringt man ein Entbindungsrohr b in Verbindung, und dieses mit einem gläsernen Kühlrohr
                              										c, c, c, welches durch den Boden des Cylinders B, worin es mit einem Kork a
                              									befestigt ist, hindurch geht und in ein Gefäß C mündet.
                              									Aus dem Gefäß D läßt man durch einen Hahn kaltes Wasser
                              									in den Trichter i, i fließen, dessen unteres offenes
                              									Ende auf dem Boden des Gefäßes B ruht; dadurch findet in
                              									diesem ein aufsteigender Strom von kaltem Wasser statt, wodurch die in das Rohr c einströmenden Wasserdämpfe abgekühlt werden, das
                              									erwärmte Wasser fließt durch das Rohr g in das Gefäß E ab. – Da, wo die Wasserdämpfe oben bei r in den abgekühlten Theil des Kühlrohrs einströmen, bemerkt man im
                              									Dunkeln fortdauernd das deutlichste Leuchten, gewöhnlich einen leuchtenden Ring. Man
                              									kann, wenn man fünf Unzen einer Masse zur Destillation verwendet, die nur 1/40 Gran
                              									Phosphor, also nur 1/1000 Proc. oder 1/100000 Phosphor enthält, über drei Unzen
                              									abdestilliren, welches über eine halbe Stunde dauert, ohne daß das Leuchten aufhört;
                              									es konnte ununterbrochen deutlich wahrgenommen werden. Die Destillation wurde bei
                              									einem für diesen Zweck angestellten Versuch nach einer halben Stunde unterbrochen
                              									und der Kolben offen vierzehn Tage hingestellt, dann die Destillation wiederholt und
                              									das Leuchten eben so vollständig, wie vorher beobachtet. Enthält die Flüssigkeit
                              									Substanzen, welche das Leuchten des Phosphors überhaupt verhindern, wie Aether,
                              									Alkohol oder Terpenthinöl, so findet, so lange diese noch übergehen, kein Leuchten
                              									statt; da Aether und Alkohol jedoch sehr bald abdestillirt sind, so tritt auch das
                              									Leuchten sehr bald ein. Ein Zusatz von Terpenthinöl verhindert das Leuchten. Bei
                              									forensischen Untersuchungen kommt eine solche Beimengung jedoch nicht vor; da die
                              									Flüssigkeit mit Schwefelsäure versetzt wird, ist Ammoniak nicht weiter störend.
                           Am Boden der Flasche, in welche das Destillat abfließt, findet man
                              									Phosphor-Kügelchen. Fünf Unzen einer Masse, welche 1/3 Gran Phosphor
                              									enthielt, gab so viel Phosphor-Kügelchen, daß der zehnte Theil hinreichend
                              									war, um sie als Phosphor zu erkennen; einen Theil desselben kann man mit Alkohol
                              									abwaschen und aufs Filtrum bringen; wenn dieß an einem warmen Ort getrocknet wird,
                              									so schmilzt der Phosphor und entzündet sich unter den ihm eigenthümlichen
                              									Erscheinungen. (Bei forensischen Untersuchungen kann sowohl die Flüssigkeit, welche
                              									das Leuchten bei der Destillation zeigt, als auch das Destillat mit einem Theil der
                              									Phosphor-Kügelchen zur weitern Prüfung eingesandt werden.) – Bei der
                              									Destillation größerer Massen, welche große Mengen Phosphor enthalten, bildet sich
                              									durch Oxydation des übergehenden Phosphors so viel phosphorige Säure, daß sie durch
                              									salpetersaures Silberoxyd und Quecksilberchlorid nachgewiesen und durch
                              									Salpetersäure in Phosphorsäure umgewandelt werden kann. So scheint die phosphorige
                              									Säure und Phosphorsäure, die besonders Schacht bei der
                              									Untersuchung phosphorhaltiger Substanzen nachgewiesen hat, entstanden zu seyn. Aus
                              									diesen Reactionen kann man aber keinen Beweis für Phosphor-Vergiftungen
                              									entnehmen, wenn nicht Phosphor selbst nachgewiesen ist, und dann sind sie von keiner
                              									weitern Wichtigkeit.
                           Für diesen Fall, so wie für die Vergiftungen mit Phosphor im Allgemeinen, war es von
                              									Wichtigkeit, mit Bestimmtheit zu ermitteln, ob die phosphorige Säure und die
                              									Phosphorsäure, wenn ihre wässerigen Lösungen destillirt werden, mit den
                              									Wasserdämpfen sich verflüchtigen lassen; eine solche Destillation darf nicht in
                              									einer Retorte vorgenommen werden, weil beim Kochen kleine Tropfen leicht mechanisch
                              									herübergerissen werden können, die beim Platzen von Blasen, besonders bei
                              									Flüssigkeiten, die organische Substanzen enthalten, sich bilden. Man muß dazu den
                              									vorher erwähnten Apparat anwenden, und an Sicherheit gewinnt man noch, wenn man die
                              									Dämpfe durch eine Zwischenflasche leitet.
                           Zwei Drachmen einer durch Oxydation des Phosphors an der Luft erhaltenen Säure von
                              									1,310 specif. Gewicht, welche Phosphorsäure und 10,8 Procent phosphorige Säure
                              									enthielt, wurden zu wiederholten Malen mit 5 Unzen Wasser versetzt und der
                              									Destillation unterworfen; am Ende jeder Destillation war die Flüssigkeit so
                              									concentrirt, daß sie ungefähr das frühere specifische Gewicht hatte. Das Destillat
                              									röthete nicht bemerkbar das Lackmuspapier, weniger als eine Flüssigkeit die
                              									1/1000000 Phosphorsäure enthielt. Drei Unzen aus der Zwischenflasche und vier Unzen,
                              									die durch das Kühlrohr abgekühlt worden waren, wurden gesondert mit etwas Natron
                              									versetzt und eingedampft; der Rückstand mit einigen Tropfen rauchender Salpetersäure
                              									erhitzt und die Flüssigkeit, die etwa zehn Gran betrug, mit einer
                              									Magnesia-Auflösung und Ammoniak versetzt; es zeigte sich keine Spur einer
                              									Trübung; es war also keine Phosphorsäure oder phosphorige Säure übergegangen.
                           Drei Unzen des Destillats färbten sich mit salpetersaurer Silberoxydlösung schwach
                              									braun und setzten späterhin an einem warmen Orte einige unwägbare braune Flocken ab;
                              									dieselbe Menge mit einer Quecksilberchloridlösung versetzt, trübte sich sehr
                              									unbedeutend, indem eine geringe Menge Quecksilberchlorür sich bildete. Verdünnte
                              									Phosphorsäure mit etwas Staub aus einem unbewohnten der Straße zugekehrten Raum der
                              									Destillation unterworfen, zeigte dieselben Erscheinungen. Die mikroskopische
                              									Untersuchung eines solchen Staubes zeigt, daß er zum Theil aus zerkleinerten
                              									organischen Substanzen, von Pferdemist u.s.w. herrührt, auch wohl Infusionsthiere,
                              									Sporen von Pilzen u.s.w. enthält. Die Reduction des Silberoxyds und die Bildung von
                              									Quecksilberchlorür rührt also von Destillationsproducten des Staubes her, welche mit
                              									den Wasserdämpfen übergehen. Substanzen, die diese Zersetzungen bewirken, können
                              									aber sehr leicht bei der Destillation thierischer Substanzen und Nahrungsmittel,
                              									besonders wenn in diesen schon ein Zersetzungsproceß durch Gährung und Fäulniß
                              									begonnen hat, mit den Wasserdämpfen übergehen. Wasser wurde mit einem kleinen Stück
                              									eines verfaulten Menschenmagens destillirt, das Destillat zeigte dieselbe
                              									Erscheinung. Bei forensischen Untersuchungen ist auf diese Reductionen also gar kein
                              									Werth zu legen.
                           Da phosphorige Säure und Phosphorsäure nicht flüchtig sind, so kann in dem
                              									vorliegenden Fall bei der von den Apothekern S. und K. angestellten Untersuchung nur
                              									durch Herüberspritzen der der Destillation unterworfenen Flüssigkeit, welche
                              									phosphorsaure Salze enthielt, Phosphorsäure in das Destillat hineingekommen seyn.
                              									Die sehr starken Reactionen auf phosphorige Säure, die das salpetersaure Silberoxyd
                              									und Quecksilberchlorid ihnen zeigten, rührten unstreitig von übergegangenen
                              									Substanzen organischen Ursprungs her. Das als pyrophosphorsaures Silberoxyd
                              									beigelegte Product gab übrigens in kochender Salpetersäure gelöst und mit Ammoniak
                              									und Magnesiasalz versetzt, keine Trübung; der Niederschlag rührt also nicht von
                              									Phosphorsäure oder einer Modification derselben her. Das Destillat von einem
                              									Stückchen des eingesandten Magens, welches mit Wasser versetzt und der Destillation
                              									unterworfen wurde, zeigte auf salpetersaures Silberoxyd und Quecksilberchlorid keine
                              									stärkere Reaction, als eine Flüssigkeit, die durch Destillation eines eben so großen
                              									Stücks von einem unverdächtigen verfaulten Magen erhalten worden war.
                           In dem Magen sucht das königl. Medicinal-Collegium Phosphorsäure, von dem etwa
                              									genossenen Phosphor herrührend, nachzuweisen. Ein Stück des Magens, 1 Unze an
                              									Gewicht, wurde zu dieser Untersuchung mit Wasser ausgekocht; die Flüssigkeit, welche
                              									schwach alkalisch reagirte, wurde filtrirt, mit Ammoniak versetzt und wieder
                              									filtrirt, und die Hälfte davon mit einer Lösung von schwefelsaurer Magnesia gefällt,
                              									wodurch ein weißer krystallinischer Niederschlag von 2 Gran erhalten wurde, der aus
                              									phosphorsaurer Ammoniakmagnesia bestand. Dieser auffallende Gehalt an löslichen
                              									phosphorsauren Salzen bewog die wissenschaftliche Deputation, selbst einige Versuche
                              									anzustellen: ein frischer Menschenmagen gab mit Wasser ausgekocht daran kein
                              									lösliches phosphorsaures Salz ab; ein Stückchen des ihr übersandten Magens, der ganz
                              									in Fäulniß übergegangen war, gab dagegen ungefähr 1 Procent pyrophosphorsaure
                              									Magnesia. – Das königl. Medicinal-Collegium nimmt an, daß das Gewicht
                              									des Magens und Zwölffingerdarms in dem Zustand, in welchem das Stückchen, welches es
                              									untersuchte, sich befand, 6 Unzen gleichzusetzen sey; danach würde der ganze Magen
                              									und Zwölffingerdarm 24 Gran phosphorsaurer Ammoniakmagnesia gegeben haben, worin 7
                              									Gran Phosphorsäure und 3 Gran Phosphor nach unserer Berechnung enthalten sind. (Die
                              									phosphorsaure Ammoniakmagnesia enthält 29 Proc. Phosphorsäure.) Von dem Magen und
                              									dem Zwölffingerdarm sollte in der Kruke, wie die wissenschaftliche Deputation sie erhielt, noch ein
                              									Drittel (vergl. Fol. 63 und 196) vorhanden seyn; dieses war aber so weit zersetzt,
                              									daß dessen Gewicht nur noch 320 Gran betrug; in diesem mußte der ganze Gehalt des
                              									Drittels vom Magen und Zwölffingerdarm an Phosphorsäure enthalten seyn, also würde
                              									der ganze Magen und Zwölffingerdarm nach unserer Untersuchung 9,6 Gran phosphorsaure
                              									Magnesia, worin 6,14 Phosphorsäure und 2,7 Gran Phosphor enthalten sind, gegeben
                              									haben. Ein Resultat, welches so nahe, als zu erwarten ist, mit dem der Untersuchung
                              									des königl. Medicinal-Collegiums übereinstimmt.
                           Das Medicinal-Collegium folgert aus der von demselben angestellten
                              									Untersuchung: daß die an das Ammoniak gebundene Phosphorsäure sich aus Phosphor
                              									gebildet habe, deren Entstehen in normalen Zuständen (Nahrungsmittel und
                              									dergleichen) nicht zu suchen ist, und solchergestalt eine stattgehabte Vergiftung
                              									mit Phosphor als höchst wahrscheinlich hinstellt. – Was aber die Angabe
                              									anbetrifft, daß aus den Nahrungsmitteln die Phosphorsäure nicht herrühren könne, so
                              									muß die wissenschaftliche Deputation hierzu bemerken, daß das gewöhnlichste
                              									Nahrungsmittel, Brod, viel phosphorsaure Salze enthält. Die Samen der Cerealien
                              									enthalten ungefähr 1 Procent Phosphorsäure, wovon nur die Hälfte, wenn die
                              									phosphorsauren Salze gelöst werden, mit Kalkerde und Magnesia verbunden, durch
                              									Ammoniak gefällt wird, die andere Hälfte zum größten Theil an Kali gebunden, in der
                              									Lösung gelöst bleibt und durch schwefelsaure Magnesia gefällt werden kann. In vier
                              									Unzen Brod würde daher viel mehr an Phosphorsäure, die an Kali gebunden ist,
                              									enthalten seyn, als das Medicinal-Collegium in dem zersetzten Magen als
                              									vorhanden annimmt. Aber auch im Faserstoff und im Eiweiß sind 1/2 Proc. Phosphor
                              									enthalten, welches 3/4 Proc. Phosphorsäure entspricht, so daß also in 2 Unzen
                              									getrocknetem Faserstoff, aus welchem vorzugsweise der Magen besteht, so viel
                              									Phosphor enthalten ist, als nach den von dem Medicinal-Collegium und von uns
                              									angestellten Versuchen in den untersuchten Gegenständen anzunehmen ist.
                           Die Phosphorsäure, welche das Medicinal-Collegium in dem Magen gefunden hat,
                              									rührt unstreitig von dem ganz in Fäulniß übergegangenen Magen selbst her und nicht
                              									von Phosphor, der sich oxydirt hat. Es müßte sonst fast die ganze Quantität
                              									Phosphor, da der R. nicht mehr als höchstens 3 3/4 Gran Phosphor mit der Latwerge
                              									genossen haben könnte, im Magen sich oxydirt haben und darin zurückgeblieben seyn,
                              									was anzunehmen ganz unmöglich ist, da der R. noch länger als 2 1/2 Tag, nachdem er
                              									den verdächtigen Kaffee genossen, gelebt und in dieser Zeit sehr viel getrunken und gebrochen
                              									hat, und von den Obducenten der Inhalt des Magens herausgenommen und die Wände
                              									desselben gereinigt worden sind, um die Schleimhaut auf ihre Beschaffenheit zu
                              									untersuchen.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
