| Titel: | Ueber das Vorkommen des Kalks in der Seide, und dessen nachtheiligen Einfluß beim Entschälen derselben; von Hrn. Guinon. | 
| Fundstelle: | Band 139, Jahrgang 1856, Nr. LXXXIX., S. 375 | 
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                        LXXXIX.
                        Ueber das Vorkommen des Kalks in der Seide, und
                           								dessen nachtheiligen Einfluß beim Entschälen derselben; von Hrn. Guinon.
                        Aus den Comptes rendus, Februar 1856, Nr.
                              								5.
                        Guinon, über das Vorkommen des Kalks in der Seide.
                        
                     
                        
                           Man hat seit mehreren Jahren bemerkt, daß die Seidenzeuge von hellen und mittleren
                              									Farben, insbesondere die Taffete, bald nach ihrer Fabrication eine große Anzahl von
                              									dunklen Punkten oder Flecken zeigen; dieselben sind anfangs sehr klein und kaum
                              									sichtbar, breiten sich aber aus, wenn man die appretirten Zeuge durch den Kalander
                              									mit geheizter Metallwalze gehen läßt. Die Seidenzeuge verlieren dadurch an Werth,
                              									selbst wenn diese Flecken mittelst Terpenthinöls oder anderer Auflösungsmittel der
                              									Fette beseitigt worden sind.
                           Es war daher wünschenswerth, die Ursache dieses nachtheiligen Umstandes zu entdecken
                              									und ein Mittel zu finden, um ihm vorzubeugen. Es ist mir gelungen dieses Mittel zu
                              									entdecken; hier beschränke ich mich darauf, einige Versuche mitzutheilen deren
                              									Resultate zur Erkennung der Ursache führen dürften.
                           Ich habe beobachtet, daß nach dem Entschälen der Seide, selbst wenn man es im Kleinen
                              									mit destillirtem Wasser und vollkommen reiner Seife bewerkstelligt, immer ein
                              									Niederschlag von Kalkseife zurückbleibt. Dieß brachte mich auf die Vermuthung, daß
                              									die Seide ursprünglich eine gewisse Menge Kalk enthält, welcher ihr beim Entschälen
                              									zum Theil entzogen wird. Eine Reihe analytischer Versuche bestätigte meine Meinung.
                              									Indirect beweist dieß auch folgende von mir gemachte Beobachtung: wenn man eine
                              									vorher mit verdünnter Salzsäure behandelte und hernach gewaschene Seide zum
                              									Entschälen anwendet, so ist dazu beträchtlich weniger Seife erforderlich, als ohne
                              									jene Vorbereitung.
                           Meine Versuche wurden seit 1854 mit mehreren Qualitäten Seide von verschiedenem
                              									Ursprung angestellt; die zum Entschälen benutzten Flüssigkeiten enthielten stets
                              									Kalk, obgleich das angewandte Wasser kalkfrei war.
                           Hinsichtlich des Gehalts der Seide an Kalk lieferten meine Analysen folgende
                              									Resultate:
                           
                           
                              
                                 gelbe Tramseide,
                                    											französische     
                                 0,49 Gramme per
                                    											Kilogr.
                                 
                              
                                 weiße Rohseide, französische
                                 0,44      „            „
                                 
                              
                                 chinesische Seide
                                 0,44      „            „
                                 
                              
                                 andere chinesische Seide
                                 0,44      „            „
                                 
                              
                                 gelbe Seide aus Bengalen
                                 0,44      „            „
                                 
                              
                                 Tussah-Seide
                                 0,44      „            „
                                 
                              
                           Diese Resultate wurden mittelst Salzsäure erhalten, welche stark mit destillirtem
                              									Wasser verdünnt war. Verdünnte Essigsäure liefert analoge Resultate.
                           Der gefundene Kalkgehalt ist beträchtlich; er repräsentirt beiläufig den dritten
                              									Theil des Alkalis, welches die zum Entschälen angewandte Seife enthält (nämlich im
                              									Mittel 25 Procent).
                           In welchem Zustand befindet sich aber der Kalt in der Seide? Als phosphorsaurer Kalk
                              									ist er darin nicht enthalten, weil er in Essigsäure auflöslich ist, und diese
                              									Auflösung beim Verdampfen einen Rückstand liefert, welcher sich durch Glühen in
                              									Aetzkalk verwandelt. Ich vermuthe daß der Kalk zur Constitution der Seidensubstanz
                              									gehört.
                           Aus obigen Versuchen und Beobachtungen geht offenbar hervor, daß beim Entschälen eine
                              									Zersetzung der Seife unter dem Einfluß der Wärme stattfindet; daß sich eine
                              									Kalkseife bildet, welche sich zwischen den Fäden ungleich festsetzt und daher
                              									Flecken hervorbringt, wenn der Zeug nach dem Appretiren cylindrirt wird; manchmal
                              									entstehen die Flecken später, durch die freiwillige Zersetzung der Kalkseife.