| Titel: | Das Verhältniß des goldnen Schnitts im Quadrat und Kubus. | 
| Autor: | A. Zeising | 
| Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. VIII., S. 43 | 
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                        VIII.
                        Das Verhältniß des goldnen Schnitts im Quadrat
                           								und Kubus.
                        Ueber das Verhältniß des goldnen Schnitts im Quadrat und
                           								Kubus.
                        
                     
                        
                           Da sich das die Gliederung der Menschengestalt, die Blattstellung der Pflanzen, die
                              									musikalische Harmonie u.s.w. beherrschende Verhältniß des goldnen Schnitts, über
                              									dessen Bedeutung für bildende Künstler und Techniker ich
                              									bereits in Bd. CXXXVII S. 321 dieses Journals eine Darlegung der Grundzüge meiner
                              										„Neuen Lehre von den Proportionen des menschlichen Körpers“
                              									gegeben habe, nach zwei Artikeln im „Abendblatt zur Neuen Münchener
                                 										Zeitung“ (1856, Nr. 27 und 28) von Hrn. Dr. F. W. Hagen auch als das Normalverhältniß
                              									für das relative Gewicht der Gehirnabtheilungen herausgestellt hat, und da natürlich
                              									hier, wie überall wo es sich um Gewichtsgrößen handelt, welche durch den
                              									körperlichen Inhalt der zu bestimmenden Objecte bestimmt sind, das Verhältniß nicht
                              									in erster Potenz, sondern im Kubus sich darstellt,
                              									möglicherweise aber auch Fälle existiren, in denen das nämliche Verhältniß zwischen
                              									Flächen besteht und mithin im Quadrat erscheinen muß: so
                              									wird es nicht unzweckmäßig seyn, hier auf einen, so viel ich weiß, noch nicht
                              									bekannten mathematischen Satz aufmerksam zu machen, nach welchem sich das Quadrat
                              									und der Kubus der Glieder dieses Verhältnisses unmittelbar aus der demselben
                              									entsprechenden Zahlenreihe finden läßt, ohne daß man nöthig hat die Werthe der
                              									Potenzen auf die gewöhnliche Weise zu berechnen.
                           Das ursprüngliche Verhältniß ist, wenn man den Minor der danach einzutheilenden Größe
                              									als 1 annimmt, – 1 : 1,₆₁₈..., und wenn man den Major als 1 betrachtet = 1 :
                              									0,₆₁₈... Hieraus läßt sich einerseits eine aufsteigende,
                              									andererseits eine absteigende Reihe bilden, in denen zwischen allen nächst
                              									zusammenliegenden zwei Gliedern dasselbe Verhältniß besteht und zwar dergestalt, daß
                              									in der aufsteigenden Reihe jedes Glied die Summe, in der
                              									absteigenden Reihe dagegen die Differenz der beiden
                              									nächst vorangehenden Glieder ist. Diese beiden Reihen sind:
                           
                              
                                 Aufsteigende
                                    											Reihe.    
                                 Absteigende Reihe.
                                 
                              
                                        1,₀₀₀
                                    											...
                                       
                                    											1,₀₀₀ ...
                                 
                              
                                        1,₆₁₈
                                    											...
                                       
                                    											0,₆₁₈ ...
                                 
                              
                                        2,₆₁₈
                                    											...
                                       
                                    											0,₃₈₁ ...
                                 
                              
                                        4,₂₃₆
                                    											...
                                       
                                    											0,₂₃₆ ...
                                 
                              
                                        6,₈₅₄
                                    											...
                                       
                                    											0,₁₄₅ ...
                                 
                              
                                        u.s.w.
                                       
                                    											u.s.w.
                                 
                              
                           Will man nun das Verhältniß 1, ₀₀₀... : 1,
                              									₆₁₈... oder 1,₆₁₈... :
                              									0,₆₁₈... auf das Quadrat erheben, d.h. ein Verhältniß = 1,
                              									₀₀₀² : 1,₆₁₈², oder =
                              									1,₀₀₀² :0,₆₁₈² erhalten, so
                              									bedarf es keiner besondern Rechnung, sondern es ergibt sich unmittelbar aus den
                              									obigen Reihen; es ist nämlich
                           1,₀₀₀² :
                              									1,₆₁₈...² = 1,₀₀₀ :
                              									2,₆₁₈; und
                           1,₀₀₀² :
                              									0,₆₁₈...² = 1,₀₀₀ :
                              									0,₃₈₁....
                           Das ist in Worten ausgedrückt: der Minor
                                 										im Quadrat verhält sich zum Major im Quadrat wie der Minor zur Summe des Minors
                                 										und Majors, oder wie in der obigen Reihe das erste Glied zum dritten, das zweite
                                 										zum vierten, das nte zum (n + 2)ten. Oder umgekehrt: Der Major im Quadrat verhält sich zum Minor
                                 										im Quadrat wie der Major zur Differenz des Minors und Majors, oder wie das nte Glied zum (n
                                 										– 2)ten Gliede. Bezeichnen wir den Minor durch m, und den Major durch M, so
                              									drückt sich das Gesetz durch folgende Gleichungen aus:
                           α)     m ²: M² = m : (m + M),
                           β)     M² : m² = M : (M – m)
                           Ebenso leicht läßt sich das Verhältniß auf den Kubus erheben. Es verhält sich
                              									nämlich:
                           1,₀₀₀³ :
                              									1,₆₁₈...³ = 1,₀₀₀ :
                              									4,₂₃₆ und
                           1,₀₀₀³ :
                              									0,₆₁₈...³ = 1,₀₀₀ :
                              									0,₂₃₆
                           Das heißt in Worten: Der Minor im Kubus verhält sich zum Major
                              									im Kubus, wie der Minor zur Summe des Minors und des doppelten Majors, oder wie in
                              									der obigen Reihe das erste Glied zum vierten, das zweite zum fünften, das nie zum
                              										(n + 3) ten. Oder umgekehrt: Der Major im Kubus
                              									verhält sich zum Minor im Kubus wie der Major zur Differenz des Majors und des
                              									doppelten Minors, oder wie das n te Glied zum (n – 3) ten Gliede. Für das Kubusverhältniß
                              									ergeben sich demnach die Gleichungen:
                           γ)     m³ : M³ = m : (m + 2M);
                           δ)     M³ : m³ = M : (2m – M).
                           Die Beweise für die Richtigkeit dieser Sätze ergeben sich
                              									einfach aus einer algebraischen Auflösung derjenigen Gleichung, welche das
                              									Verhältniß des goldnen Schritts in seiner ursprünglichen Form ausdrückt und welche
                              									lautet: m : M = M : (m + M).
                           Beweis für den Satz (α) : m² : M² = m : (m
                              									+ M).
                           Nach der Voraussetzung ist:
                           m : M = M : (m + M);
                           folglich   m² +
                              										mM = M².                      
                           Multiplicirt man diese Gleichung mit m, so erhält man:
                           m³ + m²M = M²m
                              								
                           oder m² (m + M) M²m.        
                           Hieraus ergibt sich die Proportion, welche bewiesen werden sollte: m² : M² = m : (m + M).
                           Beweis für den Satz (γ): m³ : M³ = m : (m + 2M).
                           Nach dem so eben erhaltenen Resultate ist:
                           m² : M² = m: (m + M);
                           folglich   m³ +
                              										m²M = M²m².                    
                           Multiplicirt man diese Gleichung mit m, so erhält man:
                           m⁴ + m³M = M²m²
                           Addirt man hiezu auf beiden Seiten m³M, so ergibt sich:
                           m⁴ + m³M + m³M = M²m² + m³M
                              								
                           Nun ist aber nach der ursprünglichen Proportion:
                           m : M = M : (m + M),
                           oder m/M
                              									= M/m + M
                              								
                           Multiplicirt man dieß mit M², so erhält man:
                           mM = M³/(m + M)
                           folglich: mM (m + M) = M³.          
                               oder: m²M + mM² = M³.          
                           Dieß ist mit m multiplicirt:
                           m³M +m²M² = M³m.
                           
                           Nach oben aber ist:
                           m³M + m²M² auch =
                              										m⁴ + m³M + m³M;
                           mithin auch: m⁴ + m³M + m³M = M³m.
                              								
                           Folglich: m³ (m + M + M) = M³m.
                           Hieraus aber ergibt sich die Proportion, welche zu beweisen war:
                           m³ : M³ = m : (m + 2M).
                           Will man diese Sätze auch auf höhere Potenzen ausdehnen, so ist es vortheilhaft,
                              									Minor und Major als Glieder der Reihe zu bestimmen, nämlich m = a₀ und M = a₁, mithin in m + M = a₂ Alsdann ist
                           a₀² : a₁² = a₀ : a₂;
                           a₀³ : a₁³ = a₀ : a₃;
                           a₀⁴ : a₁⁴ = a₀ : a₄; oder allgemein
                              									ausgedrückt:
                           an₀ : an₀+1= a₀ : a₀+n:
                           d.h. irgend ein Glied der obigen Reihe in einer bestimmten
                              									Potenz verhält sich zum ersten der folgenden Glieder in derselben Potenz, wie sich
                              									dieß Glied zu demjenigen der folgenden Glieder verhält, dessen Ziffer mit der Ziffer
                              									des Exponenten gleichnamig ist.
                           Diese Sätze sind schon in rein mathematischer Beziehung interessant und werden
                              									wahrscheinlich zu weiteren Folgerungen führen. Bei der vielfältigen Anwendung aber,
                              									welche nach den Belegen in meiner „Neuen Lehre von den Proportionen des
                                 										menschlichen Körpers“ Natur und Kunst von dem Verhältniß des goldnen
                              									Schnitts gemacht haben, dürften sie für alle mit der Mathematik im Zuhammenhange
                              									stehenden Wissenschaften in noch höherem Grade einer besonderen Berücksichtigung
                              									werth erscheinen, zumal da sich, wie ich in Kurzem nachweisen werde, dasselbe
                              									Verhältniß auch in den chemischen Proportionen,
                              									namentlich der organischen Stoffe als Normalverhältniß wieder findet, hiebei aber
                              									ebenfalls, wie bei den Gewichtsportionen des Gehirns im Kubus genommen werden
                              									muß.
                           A.
                                 									Zeising.