| Titel: | Die Producte der trockenen Destillation des Torfes (oldenburger und hannoveraner Stichtorf) und deren Verwendung als Beleuchtungsmaterialien; von Dr. H. Vohl in Bonn. | 
| Autor: | Hermann Vohl | 
| Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. XIV., S. 63 | 
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                        XIV.
                        Die Producte der trockenen Destillation des
                           								Torfes (oldenburger und hannoveraner Stichtorf) und deren Verwendung als
                           								Beleuchtungsmaterialien; von Dr. H.
                              									Vohl in Bonn.
                        Vohl, über die Producte der trockenen Destillation des
                           								Torfes.
                        
                     
                        
                           Schon seit dem Jahre 1847 habe ich eine Untersuchung der verschiedenartigsten
                              									bituminösen Fossilien unternommen, die ein Erzielen ätherischer
                              									Beleuchtungsmaterialien zum Zweck hatte. Die Untersuchung bestand darin, daß ich
                              									diese Stoffe der trockenen Destillation unterwarf und den gewonnenen Theer auf Photogen, Schmieröl, Paraffin, Asphalt und Kreosot verarbeitete.
                           Alle meine Versuche wurden im Großen und mindestens mit 100 Pfd. Rohmaterial
                              									ausgeführt, weßhalb die Ergebnisse derselben bei einem technischen Betrieb
                              									maaßgebend sind. Versuche, welche im Kleinen mit nur einigen Pfunden ausgeführt
                              									wurden, geben leicht zu Täuschungen Anlaß und sind also zur Basirung bei einem
                              									industriellen Unternehmen fast nutzlos, indem sie kaum einen annähernden Haltpunkt
                              									geben. Auch treten beim Verarbeiten großer Mengen andere Erscheinungen auf, und man
                              									stößt dabei auf Schwierigkeiten, die bei kleinen Mengen minder in die Augen
                              									springend sind und deßhalb gewöhnlich übersehen werden.
                           Nachfolgender Aufsatz handelt nur von den durch trockene Destillation des oldenburger
                              									und Hannoveraner Torfes erzeugten nutzbaren Producten, und die Ergebnisse sind als
                              										reine Substanzen, die weiter keiner Behandlung
                                 										bedürfen, aufgeführt, weßhalb sie in quantitativer und qualitativer
                              									Beziehung für den Industriellen maaßgebend sind und für einen Betrieb zur Basis
                              									genommen werden können.
                           Der von mir zur Untersuchung verwandte Torf war ein ziemlich fester Stichtorf, hier
                              									und da von einigen starken Wurzelfasern durchzogen, und in
                              									länglich-viereckige Stücke geformt. Er besaß lufttrocken eine schmutzigbraune
                              									Farbe und sein verhältnißmäßig geringes spec. Gewicht ließ auf einen nicht
                              									bedeutenden Aschengehalt schließen, welche Ansicht später durch die Analyse
                              									bestätigt wurde.
                           Bei der Voruntersuchung ergab der Torf, in einem Probirröhrchen erhitzt, zuerst
                              									Wasser, welches größtentheils mechanisch eingeschlossen war und bei seinem Austreten
                              									von einer geringen Menge leichtflüchtigen, dünnflüssigen Oeles begleitet wurde. Bei
                              									verstärkter Hitze entwickelten sich säuerlich unangenehm riechende mit
                              									hellleuchtender Flamme verbrennende Gase in Begleitung eines braunen, in der Kälte durch
                              									seinen Paraffingehalt erstarrenden Oeles.
                           Zur Untersuchung, resp. trockenen Destillation, wurden 100 Pfund lufttrockener Torf
                              									verwendet, und zwar wurde nicht die ganze Menge auf einmal, sondern dieselbe in fünf
                              									Portionen zu 20 Pfd. der trockenen Destillation unterworfen.
                           Die Destillation nahm ich in einer eisernen Retorte vor. Dieselbe hatte im
                              									Querdurchschnitt die  Form, war 3 Fuß lang, 1 Fuß breit und 10 Zoll hoch.
                           Das Mündungsrohr hatte einen Durchmesser von 4 Zoll. Die Retorte wurde mit einem
                              									eisernen Deckel, der mit Thon bestrichen und vermittelst einer Stellschraube
                              									angedrückt werden konnte, verschlossen.
                           Das Retortenmündungsrohr war mit einem 6 Fuß langen, geneigt liegenden
                              									Schwarzblechrohr, dessen lichter Durchmesser sich von 4 Zoll auf 1 1/2 Zoll
                              									verjüngte, verbunden.
                           Dieses Abzugsrohr war mit grobem Packtuch umgeben und wurde behufs der Abkühlung
                              									durch ausfließendes Wasser naß gehalten. Es stand mit zwei blechernen zweihalsigen,
                              									cylinderförmigen Gefäßen, welche auf dieselbe Art wie das Abzugsrohr gekühlt wurden,
                              									in Verbindung.
                           Das Gas, auf diese Weise von den verdichtbaren Producten möglichst befreit, ließ ich
                              									nun noch ein 20 Fuß langes 3/4zölliges bleiernes Schlangenrohr Passiren, welches in
                              									einer kleinen Tonne durch kaltes Wasser auf einer niedrigen Temperatur erhalten
                              									wurde, und dann entweder zur weitern Untersuchung in Gasometern auffangen oder
                              									direct verbrennen.
                           Nachdem die Retorte mit 20 Pfd. lufttrockenem Torf beschickt war, wurde die
                              									Destillation bei schwachem Feuer begonnen und bei heller Rothgluth beendet.
                           Im Anfang entwickelte sich eine bedeutende Menge Wasserdampf, welcher von einer
                              									geringen Menge empyreumatischem Oel begleitet war; erst nach Entfernung der größten
                              									Menge des mechanisch eingeschlossenen Wassers und nachdem die Temperatur sich bis
                              									zur dunkeln Rothgluth gesteigert hatte, entwickelten sich massenhaft die Oeldämpfe,
                              									welche abgekühlt in einem dünnen Strahl in die Vorlage flossen.
                           Die Gase, welche im Beginn der Destillation auftraten, waren nicht brennbar und
                              									bestanden hauptsächlich aus Kohlensäure; bei gesteigerter Temperatur wurden sie
                              									allmählich entzündbar und brannten mit hellleuchtender nicht rußender Flamme, die
                              									zuletzt jedoch der hellblauen Flamme des Kohlenoxydgases Platz machte.
                           Schwefelwasserstoffgas, welches ich in so enormen Massen bei der Destillation der
                              									Braun- und Blätterkohle erhielt, zeigte sich hier nur in sehr geringer Menge, dagegen war
                              									das Auftreten von Cyanammonium am Ende der Destillation nicht unerheblich.
                           Die Destillation einer Portion von 20 Pfd. lufttrockenem Stichtorf dauert 3 bis 3 1/2
                              									Stunden, und man kann den Gang derselben aus dem Verhalten des sich entwickelten
                              									Gases ermessen.
                           Die flüssigen Destillationsproducte, welche sich in den verschiedenen
                              									Condensationsgefäßen angesammelt hatten, wurden zusammengegossen und behufs der
                              									Trennung erwärmt. Das specifisch leichtere empyreumatische Oel, der Theer, trennte
                              									sich mit der größten Leichtigkeit von der wässerigen Flüssigkeit und letztere wurde
                              									durch einen Scheidetrichter von dem Theer entfernt. Das specifische Gewicht der
                              									Theermasse schwankt zwischen 870 und 895, je nachdem die Erzeugungstemperatur
                              									niedrig oder hoch war.
                           Nach der eben beschriebenen Methode erhielt ich durchschnittlich von 100 Pfd.
                              									oldenburger oder Hannoveraner Stichtorf im lufttrockenen Zustande:
                           
                              
                                 Theer
                                 =
                                     9,0630
                                 
                              
                                 ammoniakalisches Wasser   
                                 =
                                   40,0000
                                 
                              
                                 Kohks
                                 =
                                   35,3120
                                 
                              
                                 Gas und Verlust
                                 =
                                   15,6250
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,0000.
                                 
                              
                           Der Destillationsrückstand hatte die Form des Torfes beibehalten, nur sein Volumen
                              									war um 1/8 geschwunden; derselbe war von dunkelschwarzer Farbe und verbrannte
                              									angezündet wie eine gute Holzkohle, ohne auch nur den mindesten Geruch zu
                              									verbreiten. Er hinterließ eine geringe Menge durch Eisenoxyd nur schwach gelb
                              									gefärbte Asche, die größtentheils aus Kalk, Magnesia, Thonerde, Kieselsäure,
                              									Kohlensäure nebst geringen Mengen von Eisenoxyd, Manganoxyduloxyd, Phosphorsäure und
                              									Schwefelsäure neben Spuren von Jod, Chlor, Kali und Natron bestand.
                           Vor dem Gebläse steht diese Kohle ziemlich gut, und es ist wegen dieser Eigenschaft,
                              									sowie dem nicht zu hohen Gehalt von Asche, welche die oben angegebene
                              									Zusammensetzung hat, die Aussicht gerechtfertigt, daß dieser Rückstand, wahre Kohks,
                              									zu hüttenmännischen, metallurgischen Zwecken mit Vortheil verwendbar ist.
                           Der oldenburger sowohl wie der Hannoveraner Stichtorf ergibt, wie oben angeführt, circa 35 Proc. Kohks, welche 12 Proc. Asche hinterlassen
                              									und enthält demnach 75,318 Proc. brennbare Bestandtheile, resp. wasser- und
                              									stickstoffhaltige Kohle.
                           Nachdem der gewonnene Theer entwässert war, wurde derselbe einer fractionirten
                              									Destillation unterworfen und die Producte derselben, nachdem sie durch Behandeln mit Säuren
                              									und Alkalien gereinigt worden waren, einer neuen Destillation vermittelst
                              									Wasserdämpfen unterworfen. Ich erhielt nach dieser Methode außer dem Paraffin und
                              									Asphalt zwei verschiedene Oele und eine erhebliche Menge Kreosot (neben Karbolsäure
                              									und Picamar).
                           Aus dem wässerigen Destillate der Rohdestillation stellte ich eine bedeutende Menge
                              									Essig-, Butter- und Metacetonsäure sowie Ammoniak dar.
                           Die Essigsäure ist in solcher Menge in diesem Wasser enthalten, daß man sie mit
                              									Nutzen daraus bereiten kann.
                           100 Gewichtstheile Theer liefern folgende Durchschnittsergebnisse:
                           
                              
                                 Reine Producte.
                                 
                                    
                                    
                                 Leichtes Oel (Photogen)Schweres Oel, oder
                                    											Schmier- oder GasölAsphaltParaffin
                                   19,457  19,547
                                    											  17,194    3,316
                                 spec. Gewicht 830spec. Gewicht 870
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Kreosot und Verlust
                                   40,486
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 100,000.
                                 
                                 
                              
                           Demnach werden 100 Pfd. lufttrockener Torf ergeben an:
                           
                              
                                 Leichtem Oel oder Turfol
                                    											(Photogen)    
                                     1,7633
                                 
                              
                                 Gas- oder Schmieröl
                                     1,7715
                                 
                              
                                 Asphalt
                                     1,5582
                                 
                              
                                 Paraffin
                                     0,3005
                                 
                              
                                 Kohks
                                   35,3120
                                 
                              
                                 Wasser
                                   40,0000
                                 
                              
                                 Gas
                                   15,6250
                                 
                              
                                 Kreosot und Verlust
                                     3,6695
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0000.
                                 
                              
                           
                        
                           Beschreibung und Anwendung der erzielten Producte.
                           
                              I. Turfol (Torfphotogen).
                              Das TurfolBenennung gebildet aus turfa und oleum. ist ein wasserhelles, farbloses, sehr liquides Oel von einem nicht
                                 										unangenehmen Geruche. Da es vollkommen kreosotfrei ist, so bräunt es sich nicht
                                 										durch Sauerstoffaufnehmen aus der Luft. Es ist vollkommen flüchtig, so daß die
                                 										durch dasselbe verursachten Flecken sehr bald verschwinden. Das spec. Gewicht
                                 										dieses neuen Beleuchtungsmaterials übersteigt nicht 835 (Wasser = 1000). Es ist
                                 										ein kräftiges Lösungsmittel für Fette, Harze und Kautschuk, welche Substanzen es
                                 										beim Verdunsten unverändert, und ohne einen fremden Beigeruch zu besitzen,
                                 										zurückläßt. Jod wird von demselben mit schön Purpurrother Farbe gelöst) Schwefel
                                 										und Phosphor sind bei Anwendung von Wärme ziemlich löslich in diesem Oel, ein
                                 										großer Theil krystallisirt beim Erkalten wieder heraus.
                              Es ist sauerstofffrei und ein reiner Kohlenwasserstoff, der ein Multiplum des
                                 										Elaylgases ist, also gleichsam flüssiges Leuchtgas (ebenso wie das Paraffin
                                 										festes Leuchtgas vorstellt). Angezündet brennt es ohne Beihülfe eines starken
                                 										Luftzuges mit starkrußender Flamme, welch letzterer Umstand seine Befähigung zu
                                 										leuchten bekundet.
                              Auf jeder Camphin-, Photogen- und Mineralöl-Lampe brennt das
                                 										Turfol mit einem ausgezeichnet schönen weißen Lichteffecte, ohne auch nur den
                                 										mindesten Geruch oder Ruß zu verbreiten. Der Docht wird dabei nur so wenig
                                 										verkohlt, daß ein Abschneiden desselben erst den dritten Tag nothwendig wird.
                                 										(Das Verkohlen des Dochtes bei dem Mineralöl, Photogen und Hydrocarbür beruht
                                 										auf einem starken Kreosotgehalt, demnach schlechter
                                 										Reinigung des Oeles; die Oele müssen wasserhell und
                                    											farblos seyn.)
                              Die Nitroverbindung des Turfols hat einen angenehmen, dem Moschus und
                                 										Bittermandelöl ähnlichen Geruch und eignet sich zum Parfümiren der
                                 										Toilettenseife. (Aehnliche Körper liefert auch das Blätterschiefer- und
                                 										Braunkohlenöl, sowie das Hydrocarbür. Das Nitrobenzöl aus dem Steinkohlentheeröl
                                 										ist schon längst als künstliches Bittermandelöl in Anwendung.)
                              Für sich sowohl wie mit Alkohol gemischt, liefert es ein vorzügliches
                                 										Fleckenwasser.
                              Die Hauptanwendung ist die als Beleuchtungsmaterial.
                              
                           
                              II. Gas- oder
                                    										Schmieröl.
                              Das aus dem Torfe gewonnene Gas- oder Schmieröl ist von hellbrauner
                                 										Bierfarbe, besitzt einen unbedeutenden Geruch und ist minder flüchtig als das
                                 										Turfol. Auf jeder gut construirten Mineralöl-Lampe brennt dasselbe mit
                                 										blendend weißem Lichte, jedoch muß nach einem sechs- bis achtstündigen
                                 										Brennen der Docht gesäubert werden. Es hat eine größere Leuchtkraft wie das
                                 										Turfol, welche durch seinen größern Kohlenstoffgehalt bedingt wird. (Die
                                 										Ansicht, daß die leichten Oele besser leuchten als die schweren, ist ganz
                                 										irrig.) In den Harz- und Oelgasfabriken kann dieses Oel mit Vortheil zu
                                 										Erzeugung eines vorzüglichen Gases benutzt werden.
                              Mit den geeigneten Materialien versetzt, liefert es eine sehr gute Schmiere, die
                                 										weder durch ein Verharzen, noch bei Winterkälte fest wird. Auch kann dieses Oel zum
                                 										Schmieren der Spindeln in den Baumwollenspinnereien benutzt und zum Versetzen
                                 										des Rüböls und des Thrans verwendet werden.
                              Das spec. Gewicht dieses Oeles übersteigt nicht 870 und dasselbe ist wie das
                                 										vorhergehende sauerstofffrei.
                              
                           
                              III. Asphalt.
                              Der aus dem Torfe gewonnene Asphalt ist von schön schwarzer Farbe und findet
                                 										seine Verwendung zu Eisenlack oder zur Rußbereitung.
                              
                           
                              IV. Paraffin.
                              Das Paraffin, welches man durch trockene Destillation des Torfes erhält, ist von
                                 										großer Schönheit, hart, klingend und durchscheinend wie Alabaster.
                              Die aus demselben gefertigten Lichter übertreffen an Leuchtkraft die Wachslichter
                                 										von gleicher Stärke. Die Ausbeute an reinem Paraffin
                                 										(nicht Paraffinmasse) übersteigt die des besten Blätterschiefers um das
                                 										Doppelte, kömmt demnach der Ascherslebener Braunkohle ziemlich gleich. Aus
                                 										diesem Grunde eignet sich der Torf vorzüglich zur Erzielung des Paraffins.
                              Ohne Nachtheil kann das Paraffin zu Lichtermasse mit 10 Procent Stearin versetzt
                                 										werden.
                              
                           
                              V. Kohks.
                              Die Kohks sind ein vorzügliches Brennmaterial, welches seine Verwendung beim
                                 										Betriebe eines solchen Etablissements selbst findet; auch kann es zu
                                 										hüttenmännischen Zwecken verwandt werden.
                              Sie brennen ohne den mindesten Geruch zu verbreiten und liefern eine als
                                 										Düngmittel zu verwendende Asche.
                              
                           
                              VI. Wässeriges Destillat (Ammoniakwasser).
                              Das erzeugte wässerige Destillat ist zur Essigsäure- und
                                 										Ammoniak-Bereitung vortheilhaft zu verwenden, auch kann dasselbe mit dem
                                 										pulverigen Kohlenrückstande gemischt als Dünger seine Verwendung finden.
                              
                           
                              VII. Gas.
                              Das sich bei der trockenen Destillation des Torfes entwickelnde Gas kann mit
                                 										Vortheil zur Heizung der Reinigungsapparate benützt werden; durch Kalkhydrat gereinigt,
                                 										liefert es ein vorzügliches Leuchtgas, welches zur Beleuchtung der Fabrik selbst
                                 										benutzt wird.
                              Vier Retorten liefern so viel Gas, daß eine fünfte durch dieses erzeugte Gas, als
                                 										Brennmaterial verwandt, abdestillirt werden kann. Bei der Benutzung des Gases
                                 										als Brennmaterial sind besondere Vorsichtsmaßregeln zu treffen.
                              Das Gemisch besteht aus ölbildendem, Sumpf-, Wasserstoff-,
                                 										Kohlenoxyd-, Kohlensäure-, Schwefelwasserstoff-,
                                 										Cyanwasserstoff- und Ammoniakgas, geschwängert mit dem Dampf des leichten
                                 										Turfols.
                              
                           
                              VIII. Kreosot.
                              Das erzeugte Kreosot ist von dunkelbrauner Farbe und enthält 80 bis 85 Proc.
                                 										reines Kreosot. (Der verunreinigende Bestandteil ist Karbolsäure, Buttersäure,
                                 										Metacetonsäure und Picamar.)
                              Es ist ein vorzügliches Conservirungsmittel und wird mit Vortheil zum Tränken des
                                 										Schiffbauholzes, der Eisenbahnschwellen etc. verwendet; auch kann er zur
                                 										Rußbereitung benutzt werden.
                              Dieser Körper ist es, der durch seine Anwesenheit dem Mineralöl, dem Hydrocarbür
                                 										und Photogen den unerträglichen festhaftenden Geruch ertheilt und das Verkohlen
                                 										des Dochtes bedingt. Das unter dem Namen doppelt gereinigtes Mineralöl
                                 										(Asphaltöl) verkaufte Oel enthält noch 6 bis 7 Proc. Kreosot. Das Oel aus
                                 										Blatterschiefer, wie es im Handel vorkommt, enthält davon 10 bis 12 Procent. Wie
                                 										bekannt, bräunt sich das Kreosot durch Sauerstoffaufnahme sehr bald, und die
                                 										Gegenwart desselben in den ätherischen Beleuchtungsmaterialien ist die Ursache
                                 										des Nachdunkelns und Bräunens derselben. Es ist auffallend, daß, da die
                                 										Beseitigung dieses Körpers so leicht ist, dieß nicht von den Fabrikanten
                                 										geschieht, um dadurch ihrem Fabricat die Schönheit und den Werth zu geben,
                                 										dessen dasselbe fähig ist.
                              
                           
                        
                           Die Verarbeitung von Theer (von Blätterschiefer, Braunkohle
                                 										und Torf) zur Erzielung der ätherischen Beleuchtungsmaterialien und des
                                 										Paraffins.
                           Seit dem Jahre 1847, wo ich die Fabrication dieser Produkte im Großen vornahm, hat
                              									man in diesem Industriezweig eine große Menge sogenannter Verbesserungen der
                              									Methoden und der dabei anzuwendenden Apparate angepriesen, die uns leider alle nur
                              									mit einem Wust von kostspieligen und complicirten Apparaten und Manipulationen
                              									bereichert haben. Es mag
                              									dieß wohl daher gekommen seyn, daß Leute sich damit beschäftigten, die nicht
                              									befähigt waren die chemische Natur und das Verhalten dieser Körper zu erkennen. Es
                              									ist ja klar, daß von einer Trennung und Reinigung keine Rede seyn kann, wenn man den
                              									Körper den man vor sich hat, nicht genau kennt, und so kam es, daß dieses
                              									Umhertappen im Finstern so überhand nahm. Ich will hier die Methode und Apparate
                              									mittheilen, durch welche ich bis jetzt diese Körper in der größtmöglichen
                              									Vollkommenheit und Schönheit darstelle.
                           Was die Theerdestillation anbetrifft, so verweise ich auf meine Abhandlung in den
                              									Annalen der Chemie und Pharmacie von Wöhler, Liebig und
                              										Kopp Bd. XCVII S. 9 (daraus im polytechn. Journal
                              										Bd. CXXXIX S. 216).
                           Nachdem der Theer entwässert ist, wird er in eiserne Destillirblasen gegeben, die mit
                              									einem sehr niedrigen Hute versehen sind und denen ähnlich, worin man den Kautschuk
                              									destillirt (m. s. die „Chemie und ihre Anwendung auf Künste und
                                 										Gewerbe“ von Dr. Sheridan Muspratt, Bd. I S. 965, Fig. 259). Ein vorheriges Mischen
                              									des Theers mit Eisenvitriol etc. zur Bindung des Schwefelammoniums ist nicht allein
                              									nutzlos, sondern verringert auch die Ausbeute. Auch habe ich gefunden, daß Einleiten
                              									von überhitzten Wasserdämpfen eine Gaserzeugung im letzten Stadium der Destillation
                              									auf Kosten der ätherischen Oele hervorruft. (Kohlensaures Gas wäre eher
                              									vorzuschlagen.)
                           Man erhält bei der anfangs langsamen, allmählich rascheren Destillation zwei Oele,
                              									wovon das erstere flüssig, das zweite beim Erkalten fest ist und alles Paraffin
                              									enthält. Das flüssige Oel wird nun mit caustischer Lauge zuerst behandelt, wodurch
                              									das Kreosot und alle sauren Bestandtheile welche die Einwirkung der Schwefelsäure
                              									beeinträchtigen würden, beseitigt werden. Das Rohöl wird dadurch beinahe farblos und
                              									von dem starken penetranten Gerüche befreit. Nachdem man durch Decantiren die Lauge
                              									von dem Oel getrennt hat, wird dasselbe mit 10 Proc. Schwefelsäure von 66°
                              									Baumé in einem bleiernen Gefäße gut gemischt, wobei das Gemenge sich
                              									bedeutend erwärmt, alsdann von der Säure abgelassen und nun in dem Abblaseständer mit verdünnter Lauge zur Neutralisation
                              									gemischt.
                           Dieser Abblaseständer vertritt nicht nur vollkommen das so kostspielige Vacuum, wie
                              									solches zuerst in England und später auch in Deutschland angewandt wurde, sondern
                              									liefert auch reinere und schönere Producte.
                           In diesem Abblaseständer wird das Oel mit einem verticalen Wasserdampfstrahl von 1
                              									1/2 Atmosphären Druck behandelt, wodurch alles Photogen abgeblasen und durch die
                              									Wasserdämpfe fortgeführt wird. Ein solcher Apparat, welcher täglich 1000 Quart Oel liefert, kostet
                              									mit dem Dampfkessel nur 800 Thlr.
                           Die Oele, welche man so erhält, sind wasserklar, kreosotfrei und haben keinen starken
                              									unangenehmen Geruch. Das im Ständer zurückbleibende Oel ist das sogenannte Schmieröl
                              									und bedarf keiner weitern Behandlung.
                           Da alle leichtflüchtigen Theile abgeblasen sind, so kann es keinen starken Geruch
                              									besitzen.
                           Das Paraffinöl wird gerade so zuerst mit Lauge und mit 10 Proc. Schwefelsäure von
                              									66° B. behandelt und alsdann abgeblasen. Man erhält so aus dieser
                              									Paraffinmasse noch 12 bis 13 Proc. wasserhelles Photogen.
                           Die abgeblasene Paraffinmasse gebe ich nun in einen Nutschapparat, bei welchem ein
                              									Saugen durch luftleere Räume hervorgerufen wird. Ich stelle den luftleeren Raum
                              									einfach so dar, daß ich Gefäße mit Wasser fülle und das am Boden befindliche
                              									Abzugsrohr in einen Brunnen unter das Wasserniveau leite und dadurch eine verticale
                              									Ausflußlänge von 32 Fuß erhalte. Das Paraffin bleibt auf dem Trichter als eine
                              									perlmutterglänzende, trockene Masse zurück, die keinen Geruch besitzt und blendend
                              									weiß ist. Um das in der Masse vertheilte Oel zu beseitigen, schmilzt man das
                              									Paraffin im Wasserbade, setzt auf 100 Pfd. 10 Quart weißes Photogen zu und preßt die
                              									Masse nach dem Erkalten bei 24 bis 26° C. Man erhält so durchsichtige Kuchen,
                              									die man in einem kleinen Abblaseständer mit Dämpfen behandelt, bis kein Oel mehr
                              									entweicht und die Masse geruchfrei ist (es geschieht dieß in circa 5 Stunden). Sollte das Paraffin noch nicht weiß seyn, so schmilzt
                              									man es mit einem neuen Zusatz von Photogen und behandelt es nach dem Pressen
                              									nochmals im Abblaseständer. Vor dem Gießen wird es mit verwittertem Glaubersalz im
                              									Wasserbade zum Entwässern geschmolzen. Es ist eben so schön wie das mit
                              									Schwefelsäure behandelte, und diese Methode ist bedeutend sicherer.
                           Das beim Abgießen erhaltene Oel wird durch Abblasen von dem Paraffin und dem
                              									färbenden Oel befreit und kann so wieder zur Reinigung neuer Massen verwendet
                              									werden.
                           Durch Vermischen der gebrauchten Lauge und Schwefelsäure erhalte ich schwefelsaure
                              									Alkalien und eine Oelschicht, die das eben erwähnte Kreosot ist.
                           
                        
                           Ueber das Anlagecapital und die Rentabilität eines
                                 										Etablissements zur Erzeugung des Turfols, Paraffins etc. aus oldenburger oder
                                 										hannoveraner Torf.
                           Bei einem Minimumsbetriebe, welcher täglich (in 24 Stunden) eine Verarbeitung von
                              									30,000 Pfd. lufttrockenem Torf erheischt, ist ein Anlagecapital (abgesehen von Gebäulichkeiten,
                              									die in bloßen Schuppen bestehen) von nur 8000 Thlrn. erforderlich.
                           Man wird bei einem solchen Betriebe erhalten an:
                           
                              
                                 Turfol
                                     528
                                 Pfd.
                                 circa 255 Quart
                                    												à 10 Sgr.
                                 = 85 Thlr.
                                  –  Sgr.
                                 
                              
                                 Gas- od. Schmieröl
                                     531
                                   „
                                   
                                    											„    250    
                                    											„    à   5   „
                                 = 42   „
                                 15   „
                                 
                              
                                 Asphalt
                                     467
                                   „
                                 Centner à
                                    											20 Sgr.
                                 =   2   „
                                 20   „
                                 
                              
                                 Paraffin
                                       90
                                   „
                                 à 15
                                    											Sgr.
                                 = 45   „
                                  –   
                                    											„
                                 
                              
                                 KohksAmmoniakwasserGas nach Abzug
                                    											der Kohlensäure
                                 1059312000  3120
                                   „  „  „
                                 
                                    
                                    
                                 Verwenrthung in der Fabrication selbst.
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Kreosot
                                   1100
                                   „
                                 Centner à
                                    											10 Sgr.
                                 =   3   „
                                 20   „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 –––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 Werth der Gesammtausbeute
                                 178 Thlr.
                                 25 Sgr.
                                 
                              
                                 Davon gehen ab für Beschaffung des
                                    											Torfes pro Tag   
                                 40 Thlr.
                                 
                              
                                 Tägliche Ausgabe von Arbeitslohn
                                    											etc.
                                 36    „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 Summa
                                 76 Thlr.
                                 
                              
                                 
                                   76   „
                                  –   „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––
                                 
                              
                                 Bleibt demnach ein täglicher
                                    											Reingewinn von
                                 102 Thlr.
                                 25 Sgr.
                                 
                              
                           Obgleich alle Unkosten zu hoch gegriffen sind, so ist dennoch der Reingewinn ein
                              									enormer und gränzt ans Unglaubliche.
                           Bonn, im Februar 1856.