| Titel: | Benutzung des geformten und zusammengepreßten Mörtels; von Hrn. F. Coignet. | 
| Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. XXII., S. 101 | 
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                        XXII.
                        Benutzung des geformten und zusammengepreßten
                           								Mörtels; von Hrn. F.
                              									Coignet.
                        Aus Armengaud's Génie industriel, October
                              									1855, S. 218.
                        Coignet, über Benutzung des geformten und zusammengepreßten
                           								Mörtels.
                        
                     
                        
                           Hr. Franz Coignet hat für die Fabrik seines Hauses,
                              											„Coignet Vater und Comp.“ zu
                              									St. Denis bei Paris, zahlreiche Gebäude aller Art, einige von fast 20 Meter Höhe,
                              									ausführen lassen, welche gänzlich aus Mörtel bestehen, ohne dabei Bruch-,
                              									Quader- oder Ziegelsteine anzuwenden.
                           Im Osten Frankreichs und namentlich im Lyonnais baut man viele Häuser aus
                              									Pisé. Der Hauptfehler dieser Gebäude besteht aber darin, daß sie durch die
                              									atmosphärischen Wasser verändert werden, daß sie gemauerte Fundamente und
                              									Thür- und Fenstergewände aus Holz oder Stein erheischen.
                           Um diesen Nachtheilen abzuhelfen, kam man auf den Einfall das Pisé durch einen
                              									Mörtel zu ersetzen, der aus einem Gemenge von Steinkohlen-Asche und
                              									-Schlacke mit fettem Kalk besteht.
                           Mit diesem Mörtel, der hauptsächlich in der Umgegend von Lyon angewendet wird, hat
                              									Hr. Franz Coignet seine ersten Baue ausgeführt. Das
                              									angewendete Verfahren war folgendes: man vermengt die Steinkohlenasche mit Kalk und
                              									gießt soviel Wasser hinzu, daß ein dicker Teig entsteht, der fast pulverig ist und
                              									nur durch den Druck Zusammenhang erhält.
                           Auf diese Weise zubereitet, wird der Mörtel in die auf den aufzuführenden Mauern
                              									angebrachten Formen geworfen und in dieselben festgestampft.
                           Die auf diese Weise aufgeführten Mauern erreichen in wenigen Monaten die Festigkeit
                              									von Quadersteinbauten; die Keilhaue hat so zu sagen keine Einwirkung darauf.
                           Zu Lyon, wo man diese Art des Baues anwendete, hat man die Gewohnheit beibehalten die
                              									Fundamente von Mauerwerk, die Bogen oder die Thür- und Fenstergewände aber
                              									aus behauenen oder Ziegelsteinen zu machen, wie dieß bei dem Pisébau der Fall
                              									ist.
                           Hr. Coignet hat es aber gewagt bei seinem Mörtelbau gar
                              									keine Steine anzuwenden, und es sind diese Versuche mit vollkommenem Erfolg gekrönt
                              									worden.
                           
                           Da aber Steinkohlen-Asche und Steinkohlen-Schlacken nur an wenigen
                              									Orten und auch da nur in beschränkter Menge zu bekommen sind, und da sich deren
                              									Benutzung immer mehr ausdehnt, so erlangen diese Materialien einen solchen Werth,
                              									daß sie nicht mehr wohlfeiler sind, als Quadersteine.
                           Von diesen Nachtheilen durchdrungen, untersuchte Hr. Coignet, ob es nicht möglich wäre den Mörtel eben so gut aus häufigem und
                              									wohlfeilem Materialien zu bereiten, als mittelst Steinkohlenasche.
                           Er hat zu dem Ende zwei Reihen von Versuchen angestellt, von denen die eine größte
                              									Wohlfeilheit bei hinreichender Festigkeit, die andere große Festigkeit bei
                              									hinlänglich geringen Kosten bezweckte.
                           Er gelangte auf diese Weise zu zweierlei Mörteln, von denen er den einen wohlfeilen, den andern festen
                              									nennt.
                           Der wohlfeile Mörtel hat nachstehende Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Sand, Grus und Gerölle
                                   7 Theile
                                 
                              
                                 gewöhnlicher fetter Thon, nicht
                                    											gebrannt    
                                   3    –
                                 
                              
                                 nicht zerfallener Kalk
                                   1    –
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 11 Theile
                                 
                              
                           Man kann nöthigenfalls gewöhnliche reine Erde verwenden, wenn man sie sorgfältig mit
                              									einem gewissen Verhältniß von fettem oder hydraulischem Kalk zerstoßt.
                           Dieser Mörtel widersteht dem Regen vollkommen; er ist hinreichend fest und hart, um
                              									die Aufführung so hoher Mauern zu gestatten, als sie zum Hausbau erforderlich sind,
                              									ohne daß man dabei künstliche oder natürliche Steine anzuwenden braucht.
                           Die Gestehungskosten des Kubikmeters würden seyn:
                           
                              
                                 für
                                 das
                                 Innere von
                                 Paris
                                 8
                                 Francs
                                 25
                                 Centimes
                                 
                              
                                   „
                                 die
                                 Vorstädte
                                    „
                                 5
                                    „
                                 65
                                     „
                                 
                              
                                 
                                   „
                                 Provinz
                                    „
                                 3
                                    „
                                 10
                                     „
                                 
                              
                           In Paris könnten mit diesem Mörtel ebenso feste Mauern hergestellt werden, als mit
                              									gewöhnlichen Quadersteinen und mit einer Ersparung von 50 Proc.; in der Provinz ist
                              									die Ersparung weit bedeutender.
                           Er widersteht vollkommen den atmosphärischen Einflüssen und eignet sich besonders
                              									vortheilhaft zum Bau landwirthschaftlicher Gebäude, zu Umfassungs- oder
                              									Einfriedungsmauern, Arbeiterwohnungen, Fabrikgebäuden etc.
                           Beim Festungsbau würde er Mauern geben, gegen welche die Geschütze gar keine Wirkung
                              									hätten; weder Vollkugeln noch Hohlgeschosse könnten Breschen hervorbringen, wie es
                              									bei Mauern so häufig der Fall ist.
                           
                           Ungeachtet der mit diesem wohlfeilen Mörtel erlangten sehr genügenden Resultate hat
                              									Hr. Coignet doch noch andere Versuche angestellt. Er
                              									mengte demselben Mörtel ein gewisses Verhältniß von Holzasche bei, um die Bildung
                              									von kieselsaurem und kohlensaurem Kalk zu veranlassen, die ihn endlich in eine Art
                              									künstlichen Steins verwandeln müssen.
                           Uebrigens muß der Werth dieser Versuche, von denen man gute Resultate hofft, erst
                              									durch die Zeit bestätigt werden.
                           Der harte und feste Mörtel kann den Bau mit Bruch-, behauenen und
                              									Ziegelsteinen ersetzen, so wie der wohlfeile Mörtel den Bau mit Pisé und mit
                              									weichen Sandsteinen.
                           Die Zusammensetzung bei welcher Hr. Coignet stehen blieb,
                              									ist folgende:
                           
                              
                                 Sand, Grus und Geschiebe
                                 8
                                 Theile
                                 
                              
                                 gewöhnliche Lehmerde, gebrannt und
                                    											zerpocht    
                                 1
                                     „
                                 
                              
                                 gepochte Steinkohlenasche
                                 1
                                     „
                                 
                              
                                 fetter oder hydraulischer, nicht
                                    											zerfallener Kalk
                                 1 1/2
                                     „
                                 
                              
                           Diese Materialien müssen sehr sorgfältig mit einander zermahlen werden.
                           Ihr Gemenge gibt einen Mörtel, der augenblicklich anzieht und nach wenigen Tagen sehr
                              									fest wird. Diese Festigkeit und Härte würde noch bedeutender seyn, wenn man ein
                              									geringes Verhältniß Cement, z.B. von Pouilly, zusetzt.
                           Die Gestehungskosten eines Kubikmeters sind:
                           
                              
                                 für Paris
                                 10
                                 Fr.
                                 30
                                 Cent.
                                 
                              
                                 mit Cementzusatz
                                 11
                                  „
                                 18
                                    „
                                 
                              
                                 Außerhalb der Thore von Paris,
                                    											gewöhnlicher    
                                   8
                                  „
                                 10
                                    „
                                 
                              
                                       „        
                                    											„      
                                    											„      
                                    											„      
                                    											„     mit Cement
                                   9
                                  „
                                 10
                                    „
                                 
                              
                                 In der Provinz, gewöhnlicher
                                   5
                                  „
                                 30
                                    „
                                 
                              
                                  „    
                                    											„    
                                    											„       mit Cement
                                   6
                                  „
                                 30
                                    „
                                 
                              
                           Die oben für den harten Mörtel angegebenen Verhältnisse lieferten gute Resultate, sie
                              									können aber ins Unendliche verändert werden. Die gleichzeitige Anwendung von
                              									Steinkohlenasche und gebranntem Thon ist nicht durchaus nothwendig, man kann auch
                              									nur das eine oder das andere von beiden Materialien nehmen. Die Wirkung des
                              									gebrannten Thones ist kräftiger. Der hydraulische Kalk gibt einen härtern Mörtel,
                              									und verdient bei gleichem Preise den Vorzug.
                           Der Cementzusatz ist nur bei den Fundamenten, den Gewölben und Bogen von wesentlichem
                              									Nutzen; für alle übrigen Theile ist die Härte des Mörtels groß genug um jeden
                              									Cementzusatz überflüssig zu machen.
                           
                           Dieser Mörtel kann zu allen Zwecken der Architektur verwendet werden; durch einen
                              									geringen Zusatz von Cement und gebranntem Thon könnte man architektonische Ornamente
                              									daraus bilden.
                           Auch kann man diesem Mörtel durch Einmengung von Ockern oder rothen, weißen und
                              									schwarzen gebrannten Thonen verschiedene Farben ertheilen.
                           Die Benutzung des wohlfeilen Mörtels, dessen Basis fetter Thon, ist dieselbe wie
                              									diejenige des harten Mörtels, dessen Basis gebrannte Erde ist.
                           Die Materialien müssen mittelst Maschinen vollkommen vermengt, und so angefeuchtet
                              									werden, daß sie einen zähen Teig bilden.
                           Diese teigartige Masse wird in eine hölzerne Form geworfen, deren innerer Raum die
                              									Gestalt der herzustellenden Mauer hat. Man wirft immer nur eine gewisse Quantität
                              									von dem Mörtel ein und stampft ihn fest. Das Erhärten erfolgt in einigen Stunden und
                              									am nächsten Tage kann man einen neuen Theil der Mauer aufführen. Solche Mauern
                              									bilden einen wahrhaften Monolith.
                           Die zu St. Denis in der erwähnten Fabrik von Hrn. Coignet
                              									mit dieser Construction erlangten Resultate lassen nichts zu wünschen übrig. Die
                              									Gewölbe und Mauern zeigen nicht die geringsten Risse.