| Titel: | Ueber die Anwendung des Schwefelkohlenstoffs zum Ausziehen des Fettes aus den Knochen und zu andern Zwecken; von Hrn. E. Deiss. | 
| Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. XXXI., S. 133 | 
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                        XXXI.
                        Ueber die Anwendung des Schwefelkohlenstoffs zum
                           								Ausziehen des Fettes aus den Knochen und zu andern Zwecken; von Hrn. E. Deiss.
                        Aus den Comptes rendus, Februar 1856, Nr.
                              								5.
                        Ueber die Anwend. des Schwefelkohlenstoffs zum Ausziehen des Fettes
                           								aus den Knochen.
                        
                     
                        
                           Im J. 1840 wurde der Schwefelkohlenstoff bloß noch in den Laboratorien bereitet,
                              									entweder in gebogenen Flintenläufen oder in kleinen Retorten von Steinzeug. Das
                              									Kilogramm wurde damals mit 50 bis 60 Francs bezahlt; ich habe den Preis dieses
                              									Products rasch ermäßigt und schon im J. 1848 das Kilogr. für 8 Francs an die HHrn.
                              										Perroncel und Gerard zum Vulcanisiren des Kautschuks
                              									(mittelst Schwefelkohlenstoff und Chlorschwefel) verkauft. Gegenwärtig stelle ich
                              									mit einem aus drei Retorten bestehenden Apparat in meiner Fabrik zu Pantin das
                              									bedeutende Quantum von 500 Kilogr. Schwefelkohlenstoff in 24 Stunden dar. Derselbe
                              									Ofen, dieselben Retorten mit gleicher Heizung, lieferten vor kaum einem Jahre nur
                              									150 Kilogr. in demselben Zeitraum; und dieses Product, wovon früher das Kilogr. mit
                              									60 Francs bezahlt wurde, kommt mich gegenwärtig auf 50 Centimes das Kilogr. zu
                              									stehen; ich zweifle nicht, daß es in größerem Maaßstabe fabricirt, bald der
                              									Industrie zum Preis von 40 Francs die 100 Kilogr. geliefert werden könnte.
                           Zu diesem außerordentlich niedrigen Preis gesellt sich noch die leichte
                              									Wiedergewinnung des als Auflösungsmittel benutzten Schwefelkohlenstoffs. Dieser
                              									Körper kocht bei 42° C.; wenn man eine mit ihm gefüllte Flasche in lauwarmes
                              									Wasser hält, so kommt er rasch ins Sieden; es wird dabei fast gar keine specifische
                              									Wärme absorbirt. Ebenso leicht als er ins Sieden kommt, verdichten sich auch seine
                              									Dämpfe; er destillirt gänzlich und ohne Rückstand über, wodurch er sich von den
                              									wesentlichen Oelen und den Aetherarten unterscheidet, wovon jene harzige Rückstände,
                              									diese Modificationen des Aethers hinterlassen.
                           Durch meinen ergiebigen Apparat kam ich in Besitz außerordentlich großer Quantitäten
                              									von Schwefelkohlenstoff, welche ganz außer Verhältniß mit dem möglichen Absatz
                              									standen, denn bisher wurde dieses Product nur zum Vulcanisiren des Kautschuks
                              									verwendet; ich mußte daher andere technische Anwendungen desselben ermitteln, und
                              									ich entdeckte eine, welche ich als höchst wichtig betrachte, nämlich die Benutzung
                              									des Schwefelkohlenstoffs zum Ausziehen der Fette.
                           
                           Paris producirt täglich 30000 Kilogr. Knochen, welche aus den Händen der
                              									Lumpensammler in die Fabriken von Knochenkohle oder Leim gelangen. Daselbst werden
                              									die Knochen zuerst sortirt, in solche zur Knochenkohle- und in solche zur
                              									Leimfabrication gesondert, ein kleiner Theil (Schienbein, Schienbeinröhre und
                              									Schenkelknochen) wird auch wieder an die Knopffabriken verkauft; der bei weitem
                              									größte Theil der Knochen dient aber zur Knochenkohle-Fabrication, wozu man
                              									täglich nicht weniger als 25000 Kilogr. verwendet; mit letztern wird vor der
                              									Verkohlung eine Operation vorgenommen, deren Zweck ist, ihnen das Fett zu entziehen.
                              									Hierzu werden die Knochen mit dem Beil zerschlagen, dann beiläufig drei Stunden lang
                              									in großen Kesseln mit Wasser gekocht; das oben schwimmende Fett wird abgeschöpft,
                              									und die so entfetteten Knochen wirft man dann auf einen Haufen, um sie eine Art
                              									Gährung durchmachen zu lassen, wobei die frei werdende Wärme die Knochen so weit
                              									austrocknet, daß sie gebrannt werden können.
                           Bei den erwähnten zwei Operationen erleiden die Knochen eine wesentliche Veränderung;
                              									bei dem andauernden Kochen in Wasser löst sich ein großes Quantum thierischer
                              									Gallerte auf, welche zur Fabrication einer guten Knochenkohle so nothwendig ist; die
                              									Gährung und der Umstand daß man genöthigt ist einige Monate lang die Knochen der
                              									Luft auszusetzen, veranlassen aber hauptsächlich die fast vollständige Zerstörung
                              									der thierischen Substanz, daher man eine Knochenkohle von sehr schlechter Qualität
                              									bekommt; und doch gewinnt man bei diesem Verfahren nur 5 bis 6 Procent Fett.
                           Mittelst Anwendung des Schwefelkohlenstoffs erhalte ich viel vortheilhaftere
                              									Resultate; ich zerstoße meine Knochen fast zu Pulver und behandle sie dann mit
                              									Schwefelkohlenstoff, welcher alles darin enthaltene Fett fast augenblicklich
                              									auflöst, ohne die thierische Substanz im geringsten zu verändern; ich destillire den
                              									Schwefelkohlenstoff ab, und erhalte 10 bis 12 Procent Fett von besserer Qualität als
                              									das beim Kochen gewonnene.
                           Ich habe den Schwefelkohlenstoff auch zum Ausziehen der Oele aus den fetten Sämereien und zum Entschweißen der Wolle angewendet; der nach der neuen Methode
                              									abgeschiedene Schweiß ist eine butterartige Substanz, welche zur Seifenfabrication
                              									verwendet werden kann.