| Titel: | Ueber die Veranlassung der in den Seidengeweben entstehenden Fettflecken; von Louis Roux, Seidenzeug-Fabrikant. | 
| Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. XXXIII., S. 138 | 
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                        XXXIII.
                        Ueber die Veranlassung der in den Seidengeweben
                           								entstehenden Fettflecken; von Louis Roux, Seidenzeug-Fabrikant.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1856, Nr.
                              								205.
                        Roux, über die Veranlassung der in den Seidengeweben entstehenden
                           								Fettflecken.
                        
                     
                        
                           Seit einigen Jahren beklagen sich die Seidenzeugfabrikanten über das Erscheinen
                              									durchsichtiger Fettstecken in gewissen Zeugen, hauptsächlich in den appretirten
                              									(gummirten) Taffeten nach dem Cylindriren derselben (im Kalander mit geheizter
                              									Metallwalze); vielen Fabriken wurden aus diesem Grunde Waaren in beträchtlichem
                              									Werth von ihren Abnehmern zur Verfügung gestellt.
                           Auf das Ersuchen mehrerer Fabrikanten, mich mit dieser Frage zu beschäftigen, stellt
                              									ich zur Ermittelung der Ursache dieser Flecken Untersuchungen und chemische Analysen
                              									an, erkundigte mich auch bei den besten Quellen, um sichere Daten zu erhalten, und
                              									will nun in Kürze meine Resultate mittheilen.
                           Zuerst untersuchte ich die Natur der Flecken, ermittelte den Zeitpunkt ihrer
                              									Entstehung und die letztere begleitenden Umstände.
                           Diese Flecken, meistens von der Größe eines Stecknadelkopfs, sind durchsichtig, und
                              									nach ihrem Aussehen muß man auf einen vorhandenen fetten Körper schließen. Der
                              									Aether löst sie nicht vollständig auf, ein Gemisch von Aether und Alkohol löst sie
                              									besser auf; in Citronenöl, Terpenthinöl etc., und im Benzin lösen sie sich aber vollständig auf;
                              									ich habe jedoch beobachtet, daß selbst nach dem Verschwinden des Fettfleckes, die
                              									Stelle wo er sich befand, durch einen Punkt bezeichnet bleibt, welcher etwas dunkler
                              									ist als der übrige Zeug. Ein Oelfleck, den ich absichtlich auf demselben Gewebe
                              									machte und dann durch dieselben Agentien beseitigte, hinterließ keine Spur. Man
                              									trifft diese Flecken hauptsächlich auf folgenden Farben der Seidenzeuge: Lilas,
                              									Grau, Modefarbe und Grün; sie erscheinen nach dem Cylindriren, also nach der
                              									Einwirkung einer hohen Temperatur in Verbindung mit einem starken Druck.
                           Es ist außer Zweifel, daß diese Flecken durch die Wirkung der Wärme auf die
                              									Fettsäuren, die Margarin- und Oleinsäure, hervorgebracht werden, womit das
                              									Gewebe imprägnirt worden ist. Theilchen derselben Fettsäuren, welche ich absichtlich
                              									einem Seidenzeug einverleibte, lieferten mir beim Bügeln mit einem heißen Eisen
                              									analoge Flecken, welche eben so aussahen und dieselben Eigenschaften zeigten.
                           Die Ursachen, welche diese Flecken hervorbringen, sind nach meinen Untersuchungen
                              									folgende: wenn man eine Seifenauflösung mit Wasser in Ueberschuß versetzt, so
                              									entsteht in der Regel ein perlenmutterartiger Niederschlag von saurem margarinsaurem
                              									Natron oder Kali, und es bleibt Alkali im Wasser aufgelöst zurück; dieser
                              									Niederschlag hängt sich an die Seide an, legt sich zwischen ihre Fasern und ist
                              									durch bloßes Waschen in Quell- oder Flußwasser nur schwer zu entfernen;
                              									sodahaltiges Wasser löst ihn aber sehr gut auf, indem es ihn wieder in neutrales
                              									Salz umwandelt. Daraus geht hervor, daß bei der Darstellung von Nuancen welche
                              									unmittelbar in einem, irgend eine Säure enthaltenden Bade gefärbt werden, diese
                              									Säure das saure margarinsaure Natron zersetzt, sich dessen Basis bemächtigend, und
                              									zwischen den Seidenfasern Margarinsäure hinterläßt. Dieser Fall tritt ein, wenn man
                              									eine Seide durch ein Seifenbad, welches nicht concentrirt genug ist, genommen hat,
                              									und sie dann unmittelbar in einem sauren Bade färbt.
                           Die erwähnten Flecken sind leicht zu vermeiden, indem man die Seide durch sehr heiße
                              									und fette Seifenbäder nimmt, und besorgt ist, sie in viel Wasser zu waschen bevor
                              									man sie färbt und selbst bevor man sie schwefelt. Wenn die Seide vor dem Schwefeln
                              									nicht gespült worden ist, so sollte man sie nach dem Schwefeln durch ein Wasser
                              									passiren, worin eine hinreichende Menge von kohlensaurem Natron (Soda) aufgelöst
                              									worden ist. Man muß es sorgfältig vermeiden, zum Seifen und Weißkochen ein
                              									gypshaltiges Wasser anzuwenden; wenn man kein anderes Wasser zur Verfügung hat, so
                              									muß man zuvor die Kalksalze aus demselben niederschlagen, entweder mit kohlensaurem
                              									Natron, oder mit einer Seifenlösung, und in letzterm Falle den Schaum der entstandenen Kalkseife
                              									abschöpfen.
                           Vor einigen Jahren beklagte man sich viel weniger über Flecken, weil damals die
                              									Seidenzeuge in der Regel nicht cylindrirt in den Handel geliefert wurden; erst
                              									seitdem das Cylindriren fast allgemein in Gebrauch kam, zeigen sich solche Flecken
                              									häufig.
                           Ich habe oben erwähnt, daß diese Flecken auch entstehen, wenn der Zeug einer hohen
                              									Temperatur bei einem starken Druck ausgesetzt wird; die Margarinsäure schmilzt
                              									nämlich bei 60° C., und da sie im gegebenen Falle mit Oleinsäure vermischt
                              									ist, so kann ihr Schmelzpunkt zwischen 40° und 60° C. Fällen.
                           Ich kann der Annahme nicht beistimmen, daß diese Flecken durch ein Kalksalz veranlaßt
                              									werden, welches einen wesentlichen Bestandtheil des sogenannten Gummis der Seide
                              										bildet,Wie Hr. Guinon behauptet, man sehe polytechn.
                                    											Journal Bd. CXXXIX S. 375. denn das Vorhandenseyn dieses Körpers in der Seide ist sehr problematisch.
                              									Ich habe einige qualitative Analysen der Seide gemacht (allerdings mit kleinen
                              									Quantitäten) und konnte durch die gewöhnlichen Mittel kaum Spuren von Kalisalz
                              									auffinden. Ich habe auch die Asche der Seide, durch Behandlung derselben mit
                              									verdünnter Salzsäure und kleesaurem Ammoniak, auf Kalk geprüft, dabei aber nur
                              									unwägbare Spuren von kleesaurem Kalk erhalten; es wurde dazu eine vollkommen reine
                              									italienische Rohseide verwendet.
                           Selbst wenn bewiesen würde, daß das sogenannte Gummi der Seide Kalk als wesentlichen
                              									Bestandtheil enthält, so könnte man dessen Gegenwart nicht als die alleinige und
                              									unvermeidliche Ursache der Entstehung der Flecken betrachten; denn wenn dieselben
                              									durch den vorhandenen Kalk veranlaßt würden, so müßten sie jederzeit erscheinen und
                              									unter gleichen Umständen unvermeidlich entstehen, was glücklicherweise nicht
                              									geschieht.
                           Ich beabsichtige das Vorkommen des Kalks in der Seide einer wiederholten Prüfung mit
                              									Anwendung beträchtlicherer Quantitäten und verschiedener Seidensorten zu
                              									unterziehen. Die Chemiker welche bisher die Seide analysirt haben, erwähnen des
                              									Kalks gar nicht. Wenn gewisse Seidesorten, wie man behauptet, in ihrem Gummi 5
                              									Gramme Kalk per Kilogr. Seide enthalten, was beiläufig 2
                              									Procent der gummigen Substanz entspräche, so müßte, da der Kalk nicht als
                              									Calciumoxyd, sondern als kohlensaurer, phosphorsaurer etc. Kalk vorhanden ist, die
                              									Quantität des mit dem Gummi der Seide verbundenen Kalksalzes beiläufig vier bis fünf Procent betragen;
                              									der ganze Rückstand, welchen man beim Einäschern der Seide erhält, beträgt aber
                              									nicht den zwanzigsten Theil ihres Gewichts.