| Titel: | Ueber das Verhalten des Ultramarins bei verschiedenen chemischen Einwirkungen; von C. Stölzel. | 
| Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. XLVIII., S. 210 | 
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                        XLVIII.
                        Ueber das Verhalten des Ultramarins bei
                           								verschiedenen chemischen Einwirkungen; von C. Stölzel.
                        Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Januar 1856,
                              									S. 47.
                        Stölzel, über das Verhalten des Ultramarins bei verschiedenen
                           								chemischen Einwirkungen.
                        
                     
                        
                           Ich habe das Verhalten des grünen und blauen Ultramarins bei verschiedenen chemischen
                              									Einwirkungen untersucht, indem ich mir namentlich davon Kenntniß verschaffen wollte,
                              									durch welche Einflüsse beide Farben in einander übergeführt werden können. Die von
                              									mir gemachten Beobachtungen beziehen sich zunächst nur auf ein bestimmtes Fabricat
                              									und können um deßwillen nur im Ganzen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit haben,
                              									während in anderer Weise mit anderen Rohmaterialien, oder nach anderer
                              									Fabricationsmethode hergestellte Farben im Einzelnen kleine Abweichungen zeigen
                              									werden. Es ist beispielsweise die Widerstandsfähigkeit der Ultramarine gegen Säuren
                              									je nach ihrer Güte sehr verschieden, und so wie hier müssen sich auch bei anderen
                              									Einwirkungen Verschiedenheiten kund geben.
                           1. Was das Verhalten des blauen Ultramarins in der Hitze bei
                                 										Abschluß von Luft anlangt, so ist zunächst schon aus der Fabricationsweise
                              									desselben, bei welcher die Rohmasse der Rothgluth ausgesetzt wird, ersichtlich, daß
                              									wir es mit einer Farbe von einer gewissen Feuerbeständigkeit zu thun haben; man
                              									würde indessen irren, wenn man dieselbe als immer jeden Hitzgrab aushaltend ansehen
                              									wollte. Blauer Ultramarin in einem gut bedeckten Platintiegel über der Berzelius'schen Lampe zwei Stunden lang in starker
                              									Rothgluth erhalten, wurde blässer und schließlich fast ganz weiß, nachdem der
                              									bedeckte Tiegel in einem Thontiegel eingeschlossen weitere zwei Stunden einem
                              									starken Kohlenfeuer ausgesetzt war. Die so erhaltene Masse entwickelt mit Salzsäure
                              									keine Spur von Schwefelwasserstoff mehr, dagegen in reichlicher Menge schweflige
                              									Säure. – Als ich eine kleine Probe blauen Ultramarins in einem
                              									Platinschiffchen in einer an einem Ende geschlossenen Verbrennungsröhre stark erhitzte, zeigte sich an
                              									den kälteren Theilen der letzteren im Anfang ein Anfing von Schwefel und später
                              									einige Tropfen, die sich als Schwefelsäure zu erkennen gaben. Es kann hier offenbar
                              									die feuerbeständige Kieselsäure bei verstärkter Hitze zersetzend wirken, und zwar um
                              									so energischer, wenn die Farbe einen Ueberschuß derselben in ungebundenem Zustande
                              									enthalten sollte, daher denn auch der Ultramarin in der Porzellanmalerei als
                              									Scharffeuerfarbe nicht leicht jemals Anwendung finden dürfte, noch weniger als
                              									Muffelfarbe, wobei viele als Flußmittel angewandte Materialien ihn stark verändern
                              									würden.
                           Wurde grüner Ultramarin bei bedecktem Tiegel in gleicher
                              									Weise einer starken Rothgluth ausgesetzt, so ging er schließlich in eine dunkelblaue
                              									Farbe mit einem schwachen Stiche in Grün über; diese zeigte aber eine solche
                              									Beständigkeit, daß selbst durch mehrstündiges heftiges Feuer keine Veränderung
                              									wahrnehmbar war. – Salzsäure entwickelte daraus Schwefelwasserstoff.
                           2. Eine raschere Umwandlung erleiden blauer und grüner Ultramarin bei höheren
                              									Hitzgraden unter Mitwirkung von Luft, Sauerstoff oder Oxydationsmitteln überhaupt. Schon bei der Fabrication im
                              									Großen ist es eine bekannte Erfahrung, daß durch zu starkes Feuern ein Verbrennen
                              									der Farbe eintreten kann, welches sich zunächst immer an der Oberfläche derselben
                              									zeigt, also da, wo Luft Zutritt hat.
                           Um das Verhalten des blauen Ultramarins in der Hitze gegen
                              										Sauerstoff kennen zu lernen, wurde eine kleine Menge
                              									davon in einem Platinschiffchen in eine Porzellanröhre gebracht, diese der starken
                              									Rothgluth ausgesetzt und ein langsamer Strom reinen, durch Chlorcalcium getrockneten
                              									Sauerstoffgases durchgeleitet. Die Masse, allmählich heller werdend, wurde
                              									schließlich nach zwei Stunden lang fortgesetzter Operation durchgängig weiß.
                              									– Blauer Ultramarin, mit der Hälfte Salpeter
                              									versetzt und über der Berzelius'schen Lampe erhitzt, nahm
                              									eine lebhaftere Farbe von schönem Glanze an, bei vermehrtem Salpeterzusatze
                              									geschmolzen trat vollständige Entfärbung ein. Die anfänglich erhaltene erhöhte Farbe
                              									war nicht mit einer Erhöhung des inneren Farbenwerthes, d.h. der Deckkraft verknüpft
                              									gewesen, denn nach sorgfältigem Auswaschen und Trocknen der Probe blieb eine dem
                              									ursprünglich angewandten Materiale gleiche Farbe zurück.
                           Es sey hier beiläufig erwähnt, daß wohl wenig Farben durch äußeres Ansehen so
                              									verführen können, wie gerade der Ultramarin; es steht das Deckvermögen desselben mit
                              									der äußeren Nüance keineswegs in unmittelbarem Zusammenhange. Letztere wird
                              									wesentlich durch die mechanische Zertheilung der einzelnen Theilchen bestimmt, feines
                              									Mahlen allein kann die Nüance um mehrere Nummern herabbringen. Daher verschafft sich
                              									der Praktiker vor allem dadurch ein Urtheil über Deckkraft von Ultramarin, daß er
                              									eine kleine Menge des letzteren mit etwa dem acht- bis zehnfachen Gewicht
                              									Bleiweiß oder Lenzin (feinem Thon) zusammenreibt und die Farbe betrachtet, welche
                              									der Ultramarin diesem Gemische zu ertheilen im Stande ist.
                           Unter gleichen Verhältnissen erwartete ich durch chlorsaures
                                 										Kali, welches so reichlich Sauerstoff entwickelt, eine noch raschere
                              									Entfärbung des blauen Ultramarins; indessen zeigte sich bei niederen Temperaturen,
                              									in denen das chlorsaure Kali theilweise in die überchlorsaure Verbindung übergeht,
                              									keine wesentliche Veränderung; erst als eine Probe bei gesteigerter Hitze in einem
                              									Tiegel eingeschlossen so weit erhitzt wurde, daß sie schließlich vollständig
                              									zusammengeschmolzen war, war dieselbe in eine Masse von hübscher hellrosenrother
                              									Farbe verwandelt.
                           Wurde grüner Ultramarin in der Weise, wie eben vom blauen
                              									angeführt, der Wirkung des Sauerstoffgases ausgesetzt, so
                              									ging derselbe zunächst in einen blaugrünen, dann, indem die grüne Farbe mehr und
                              									mehr zurücktrat, nach drei Stunden lang fortgesetzter Operation in einen schön
                              									dunkelblau gefärbten Körper über, der schließlich die oben vom blauen Ultramarin
                              									angegebene Veränderung erlitt, d.h. sich gänzlich entfärbte. – Ebenso führte
                              										chlorsaures Kali, welches bei niederen Hitzgraden den
                              									grünen Ultramarin unverändert ließ, denselben in höheren durch Blau in Weiß über;
                              									mit Salpeter geschmolzen zeigte sich eine rasche
                              									Verwandlung der Farbe durch Gelb in Weiß.
                           3. Sowie den Einfluß von Oxydationsmitteln einerseits, beobachtete ich sodann den reducirender Gase, nämlich von schwefliger Säure und Wasserstoff,
                              									andererseits. Erstere, aus Kupfer und Schwefelsäure entwickelt, durch eine
                              									Waschflasche, dann durch eine Chlorcalciumröhre gehend und danach vollständig frei
                              									von Schwefelsäure befunden, leitete ich über den blauen Ultramarin, welcher mit
                              									einem Platinschiffchen in eine Porzellanröhre eingeschoben und darin in Rothgluth
                              									erhalten wurde. Die Farbe desselben nahm allmählich ab, verschwand aber erst nach
                              									mehrstündiger Operation gänzlich. – Viel rascher und am stärksten unter den
                              									angewandten Gasen wirkte Wasserstoff. Leitet man dasselbe in getrocknetem Zustande
                              									über in einer Kugelröhre befindlichen, schwach erhitzten blauen Ultramarin, so nimmt
                              									die Farbe des letzteren rasch ab, es entweicht Schwefel und Schwefelwasserstoff in
                              									ansehnlicher Menge; bei stärkerer Erhitzung des Ultramarins in einer Porzellanröhre
                              									verwandelt sich derselbe
                              									durch Wasserstoff mit Leichtigkeit in eine thongraue Masse, welche mit Salzsäure
                              									übergossen reichlich Schwefelwasserstoff entwickelt und vor dem Löthrohre in der
                              									Oxydationsflamme wieder sogleich eine schön grüne, dann blaue Farbe annimmt, während
                              									die reine Reductionsflamme sie unverändert läßt.
                           Grüner Ultramarin lieferte mit den beiden genannten Gasen
                              									in gleicher Weise behandelt Endproducte von demselben Ansehen, nur findet auch hier
                              									ein ähnlicher Farbenübergang statt, wie er sich bei Einwirkung von Hitze allein oder
                              									unter Mithülfe von Sauerstoff bemerklich macht; durch schweflige Säure erscheint
                              									allmählich ein schönes Blau als Zwischenfarbe, durch Wasserstoff geht grüner
                              									Ultramarin ohne Entwickelung von Schwefelwasserstoff in eine blaßblaue, dann
                              									thongraue Masse über, welche gegen Salzsäure und vor dem Löthrohre dasselbe
                              									Verhalten zeigt, wie der aus blauem Ultramarin unter gleichen Verhältnissen
                              									dargestellte Körper.
                           4. Am raschesten greifen starke Säuren in die
                              									Zusammensetzung der Ultramarine ein. Schwefelsäure, Salzsäure, Salpetersäure, selbst
                              									Essigsäure, dann Chlor zerstören schnell das beste Fabricat, und es zieht gerade
                              									dieser Umstand der Anwendung desselben in der Technik enge Schranken. Aehnlich
                              									wirken auch starke Basen, z.B. festes Natron oder Kali, wenn sie durch gelinde Wärme
                              									unterstützt werden. Blauer und grüner Ultramarin mit Kali-, Natronlauge oder
                              									Ammoniakflüssigkeit versetzt, zeigen Tage lang damit in Berührung, selbst damit
                              									gekocht, keine Farbenveränderung; bringt man dagegen dieselben in einen kleinen
                              									Tiegel, befeuchtet mit Kali- oder Natronlauge und verdampft das Wasser bei
                              									schwacher Flamme, so findet ein interessanter Farbenwechsel statt. Blauer Ultramarin
                              									verwandelt sich am Rande des Tiegels in eine grüne, dann röthliche, grüner
                              									Ultramarin unmittelbar in eine röthliche Masse, welche Zwischenproducte aber
                              									außerordentlich leicht veränderlich sind und rasch weiß werden, so wie der ganze
                              									Tiegelinhalt überhaupt, wenn man stärker erhitzt. – Einzelne kleine Mengen
                              									rothen Ultramarins von besonders schöner zinnober- und Purpurrother Färbung
                              									darzustellen gelang mir in einer anderen Weise, indem ich mit blauem oder grünem
                              									Ultramarin in einem kleinen Tiegel Stückchen von Kalium oder Natrium zusammenbrachte
                              									und schwach erwärmte. Es trat eine kleine Verpuffung ein. Da wo die Farbe mit Kalium
                              									und Natrium unmittelbar in Berührung gewesen war, hatte sie sich in eine weiße Masse
                              									verwandelt, während die entfernter liegenden Theilchen eine lebhaft rothe, bei
                              									längerem Liegen an der Luft vergängliche Farbe zeigten.
                           
                           Die Veränderungen, welche grüner und blauer Ultramarin unter verschiedenen
                              									Verhältnissen erfuhren, lassen sich schließlich in folgender Weise
                              									zusammenfassen:
                           1) Der blaue Ultramarin zeigte bei Abschluß von Luft eine verschiedene
                              									Feuerbeständigkeit; bei höheren Temperaturen verlor der ursprünglich blaue
                              									Ultramarin seine Farbe, unter Zurücklassung einer mit Salzsäure schweflige Säure
                              									entwickelnden Masse; durch Erhitzen von grünem Ultramarin erhaltener blauer
                              									Ultramarin dagegen blieb unverändert und entwickelte mit Salzsäure noch
                              									Schwefelwasserstoff.
                           2) Luft, Sauerstoff, chlorsaures Kali, Salpeter, schweflige Säure, Wasserstoff (am
                              									leichtesten unter ihnen Salpeter und Wasserstoff) zerstörten die Farbe beider
                              									Ultramarine in höherer Temperatur, festes Kali und Natron bei gelinder Hitze, starke
                              									Säuren und Chlor schon in der Kälte.
                           3) Wasserstoff entwickelte in der Hitze aus blauem Ultramarin Schwefelwasserstoff,
                              									aus grünem dagegen nicht, und hinterließ bei beiden thongraue, in der
                              									Oxydationsflamme des Löthrohrs sich leicht grün und sodann blau färbende Massen.
                           4) Festes Kali und Natron, noch deutlicher Kalium und Natrium, führten beide
                              									Ultramarine bei schwachem Erwärmen theilweise in rothen Ultramarin über.
                           5) Der grüne Ultramarin, sofern nicht energische Reagentien, wie Wasserstoff, starke
                              									Säuren, feste Alkalien auf ihn einwirkten, hatte die Neigung, bei höherer Temperatur
                              									stets in blauen überzugehen.
                           Kaiserslautern im September 1855.