| Titel: | Ueber die Constitution des blauen und grünen Ultramarins; von E. Breunlin aus Weißenau. | 
| Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. XLIX., S. 215 | 
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                        XLIX.
                        Ueber die Constitution des blauen und grünen
                           								Ultramarins; von E.
                              									Breunlin aus Weißenau.
                        Im Auszug aus den Annalen der Chemie und
                                 										Pharmacie, März 1856, S. 295.
                        Breunlin, über die Constitution des blauen und grünen
                           								Ultramarins.
                        
                     
                        
                           Eine der schönsten und technisch-wichtigsten blauen Mineralfarben ist die, die
                              									man als Ultramarin bezeichnet. Obgleich seit langer Zeit bekannt und in jetziger
                              									Zeit künstlich in großen Massen producirt und vielseitig angewandt, ist man bis
                              									jetzt noch nicht im Klaren gewesen, welches die wahre Constitution dieser Farbe
                              									sey.
                           Die darüber bis jetzt aufgestellten Theorien wurden aus den Darstellungsarten und
                              									einigen wenigen Analysen gebildet, keine derselben hat sich aber Geltung zu verschaffen
                              									gewußt; sie sind nicht bestimmt und beweisen mit Zahlen wenig, vielleicht waren auch
                              									die Materialien, die zu den Analysen verwendet wurden, mangelhaft.
                           Bei der steigenden Production des Ultramarins und der Wichtigkeit, die derselbe für
                              									den Handel und die Gewerbe gewinnt, erschien es von Interesse, die Natur der blauen
                              									Verbindung durch die chemische Analyse aufzuklären.
                           Eine der berühmtesten Ultramarinfabriken Deutschlands hatte die Güte, mir ein
                              									ausgezeichnet schönes Sortiment reinen Ultramarin, sowohl blauen als grünen,
                              									zukommen zu lassen, und ich habe die Arbeit, deren Resultate hier folgen, auf die
                              									Veranlassung und unter der gütigen Leitung des Hrn. Professor Will im Laboratorium zu Gießen ausgeführt.
                           Zuvor möge erlaubt seyn, einige historische Notizen über die Bildung des künstlichen
                              									Ultramarins und die Arbeiten, die darüber bekannt sind, anzuführen.
                           Die Beobachtungen von zufälliger Bildung von Ultramarin sind von Tassaërt und Kuhlmann
                              									theils in aus Sandsteinen gebauten Sodaöfen, theils in Oefen, in welchen Glaubersalz
                              									geglüht wurde, gemacht worden. Die Beobachtung Tassaërt's fällt in das Jahr 1814. Schon
                              									im Jahre 1787 machte Goethe bei seinem Aufenthalte in
                              									Palermo die Beobachtung, daß sich in dortigen Kalköfen eine Art Glasfluß von
                              									hellblauer bis dunkelblauer Farbe bilde, der zu Schmuckarbeiten verwandt werde.
                           Vauquelin's AnalyseAnn. d. chim. t. LXXXIX p. 90. zeigte die größte Aehnlichkeit der blauen Verbindung aus den Sodaöfen mit
                              									dem Lasurstein; es war also die Möglichkeit vorhanden, die blaue Farbe des Lapis
                              									lazuli künstlich zu erhalten. Vauquelin, Gmelin und Varrentrapp analysirten den natürlichen Ultramarin, und
                              										Gmelin war es, dem es gelang, aus den gefundenen
                              									Bestandtheilen desselben ein Product von ähnlichen chemischen und physikalischen
                              									Eigenschaften zusammenzusetzen.
                           Er gibt verschiedene Bereitungsarten an, die wohl Jedermann, der über Ultramarin
                              									gelesen, kennt; er studirte die Eigenschaften seines Products und stellte, so weit
                              									es ging, Vermuthungen über seine Constitution auf.
                           Gleichzeitig mit Gmelin gelang es einem französischen
                              									Chemiker Guimet, Ultramarin von vorzüglicher Schönheit
                              									darzustellen, und er beanspruchte das Verdienst der künstlichen Darstellung
                              									desselben. Ueber seine
                              									Bereitungsart hat man nichts Näheres erfahren. Nach Gmelin's Vorgang traten verschiedene Chemiker
                              									auf, die Methoden zur Bereitung des Ultramarins veröffentlichten, wie Tiremon, Robiquet, Winterfeld, Prückner, Hermbstädt, Brunner.Man sehe deren Verfahrungsarten im polytechn. Journal Bd. L S. 298, Bd. LXXXV S. 53, Bd. XCIV S. 388 und 389, Bd. C S. 266. A. d. Red. Alle Methoden sind der Hauptsache nach ziemlich dieselben.
                           Porzellanthon oder ein ähnlich zusammengesetztes künstliches Silicat wird mit Soda
                              									und Schwefel in empirisch gefundenen Mengen bei Luftabschluß erhitzt und in der
                              									Glühhitze einige Zeit erhalten, bis die Masse gesintert ist; sie wird nach dem
                              									Erkalten gemahlen, gewaschen und geschlämmt. Das zurückbleibende Pulver wird
                              									entweder noch mehreremal mit Soda und Schwefel geglüht, oder ohne Weiteres für sich
                              									bei Luftzutritt gelinde erhitzt, die blaue Farbe tritt dann auf.
                           Der blaue Ultramarin zeigt in seinen verschiedenen Sorten verschiedene physikalische,
                              									aber kaum verschiedene chemische Eigenschaften. Vom sanften Himmelblau geht die
                              									Farbe ins feurige rothschillernde Dunkelblau. Die helleren Sorten bilden ein mehr
                              									zusammenhängendes dichteres Pulver, die dunkleren sind locker, sammetartig.
                           Der grüne Ultramarin hat keine feurige Farbe, in seinen Nüancen geht er vom Apfelgrün
                              									ins Blaugrüne über.
                           Von Wasser wird Ultramarin nicht benetzt, wohl aber von Alkohol schon in großer
                              									Verdünnung.
                           Wird Ultramarin, blauer und grüner, mit Wasser ausgewaschen, so löst sich im Wasser
                              									eine geringe Menge schwefelsaurer Kalk; schwefligsaures und unterschwefligsaures
                              									Salz, sowie ein Schwefelmetall waren in der Flüssigkeit nicht zu entdecken.
                           Mit Säuren übergossen, sogar mit verdünnter Essigsäure, entwickelt sich aus allen
                              									Ultramarinen Schwefelwasserstoff; die Farbe verschwindet mehr oder weniger schnell.
                              									Die schönsten Nüancirungen werden am schnellsten zersetzt, sie sind lockerer und
                              									geben der Säure leichter Zutritt.
                           Manche Ultramarine widerstehen der Einwirkung von Säuren viel hartnäckiger als
                              									andere; die grünen zersetzen sich am leichtesten.
                           Uebergießt man Ultramarin mit starker Salzsäure im Ueberschuß, so entwickelt sich ein
                              									zu Thränen reizender Geruch, ähnlich dem, der sich bei der Zersetzung von
                              									Mehrfach-Schwefelcalcium und Schwefelnatrium durch starke überschüssige Säure
                              									bei Darstellung von Mehrfach-Schwefelwasserstoff bemerklich macht.
                           
                           Wird Ultramarin durch Salzsäure zersetzt, so hat man eine weißliche gelatinöse
                              									Flüssigkeit, die beim Filtriren trüb durchs Filter geht. Die Trübung rührt von fein
                              									vertheiltem Schwefel her; sie ist stärker bei der Zersetzung des blauen als des
                              									grünen Ultramarins und weist deutlich auf die Anwesenheit einer beträchtlichen Menge
                              									eines höher geschwefelten Metalls hin, das im Ultramarin vorhanden ist und zur
                              									Bildung der Farbe wesentlich beiträgt. Auf dem Filter bleiben Schwefel, Kieselsäure
                              									und Thon, im Filtrat hat man Chloraluminium, Chloreisen, Chlornatrium und
                              									schwefelsauren Kalk.
                           Bei starkem Glühen an der Luft verlieren blauer und grüner Ultramarin ihre Farbe, sie
                              									wird zuerst schmutzig und verschwindet dann ganz. Glüht man grünen Ultramarin mit
                              									Fünffach-Schwefelnatrium, wascht die Masse aus und erhitzt sie gelinde an der
                              									Luft, so wird sie blau. Der Grund dieser Umwandlung liegt, wie wir später sehen
                              									werden, in der verschiedenen Constitution des blauen und grünen Ultramarins.
                           Erhitzt man nach Clement und Désormes Ultramarin im Wasserstoffstrome, so wird er unter
                              									Entwickelung von Schwefelwasserstoff röthlich.
                           Was die procentische Zusammensetzung des Ultramarins betrifft, so sind bis jetzt
                              									wenige Analysen bekannt; ich führe die mir zu Gesicht gekommenen hier an:
                           
                              
                                 
                                  Varrentrapp.
                                 
                                      Elsner
                                   Brunner.
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                  blauer.
                                 grüner.
                                 
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                      45,604 Proc.
                                 
                                   40,0
                                   39,9
                                   32,544 Proc.
                                 
                              
                                 Thonerde
                                     
                                    											23,304    „
                                 
                                   29,5
                                   30,0
                                   25,255   „
                                 
                              
                                 Eisen
                                       
                                    											1,063    „
                                 
                                     –
                                     –
                                       –      
                                    											„
                                 
                              
                                 Natron
                                     
                                    											21,476    „
                                 
                                   23,0
                                   25,5
                                   16,910   „
                                 
                              
                                 Kali
                                       
                                    											1,752    „
                                 
                                     –
                                     –
                                       –
                                 
                              
                                 Kalk
                                       
                                    											0,021    „
                                 
                                     –
                                     –
                                     2,377  
                                    											„
                                 
                              
                                 Schwefel
                                       
                                    											1,685    „
                                 a.b.
                                     0,5
                                    											    3,5
                                     1,0
                                    											    3,6
                                   11,629   „
                                 
                              
                                 Chlor
                                         
                                    											Spur
                                 
                                     –
                                     –
                                       –
                                 
                              
                                 Schwefelsäure     
                                       
                                    											3,830    „
                                 
                                     3,4
                                     0,4
                                       –
                                 
                              
                                 Eisenoxyd
                                           –      
                                    											„
                                 
                                     1,0
                                     0,9
                                     2,246  
                                    											„
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                           –
                                 
                                     –
                                     –
                                     9,039  
                                    											„
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                      98,735 Proc.
                                 
                                 100,9
                                 101,3
                                 100,000 Proc.
                                 
                              
                           Meine Analysen von fünf Sorten (I bis V) blauen und zwei Sorten (VI und VII) grünen
                              									Ultramarins gaben folgende Resultate:
                           
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                          I.
                                       
                                    											II.
                                         III.
                                       IV.
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 
                                 
                                   37,405 Proc.   
                                 40,909 Proc.   
                                   38,476 Proc.   
                                   36,316 Proc.
                                 
                              
                                 Thonerede
                                 
                                 
                                   29,990   „
                                 24,188   „
                                   28,450   „
                                   25,881   „
                                 
                              
                                 Eisenoxyd
                                 
                                 
                                     1,322  
                                    											„
                                   0,500   „
                                     0,653  
                                    											„
                                     3,062  
                                    											„
                                 
                              
                                 Natron
                                 
                                 
                                   14,897   „
                                 16,275   „
                                   19,229   „
                                   20,967   „
                                 
                              
                                 Natrium
                                 
                                 
                                     2,852  
                                    											„
                                   3,174   „
                                     1,901  
                                    											„
                                     2,115  
                                    											„
                                 
                              
                                 Schwefel
                                 
                                    
                                    
                                 a.b.
                                     1,985  
                                    											„    7,102  
                                    											„
                                   2,204  
                                    											„  8,449   „
                                     1,323  
                                    											„    4,877  
                                    											„
                                     1,437  
                                    											„    5,818  
                                    											„
                                 
                              
                                 Kalk
                                 
                                 
                                     0,469  
                                    											„
                                   0,821   „
                                     9,601  
                                    											„
                                     1,111  
                                    											„
                                 
                              
                                 Schwefelsäure     
                                 
                                 
                                     2,337  
                                    											„
                                   1,307   „
                                     3,071  
                                    											„
                                     2,676  
                                    											„
                                 
                              
                                 Thon
                                 
                                 
                                     2,833  
                                    											„
                                   1,461   „
                                     2,040  
                                    											„
                                     2,344  
                                    											„
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 101,192 Proc. 
                                 99,288 Proc.
                                 100,621 Proc.
                                 101,727 Proc.
                                 
                              
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                         V.
                                       VI.
                                       VII.
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 
                                 
                                 36,585 Proc.   
                                 38,393 Proc.
                                 38,792 Proc.
                                 
                              
                                 Thonerde
                                 
                                 
                                 25,053   „
                                 27,379   „
                                 28,272   „
                                 
                              
                                 Eisenoxyd
                                 
                                 
                                   0,907   „
                                   0,629   „
                                   0,889   „
                                 
                              
                                 Natron
                                 
                                 
                                 17,199   „
                                 16,931   „
                                 13,881   „
                                 
                              
                                 Natrium
                                 
                                 
                                   3,186   „
                                   5,290   „
                                   5,535   „
                                 
                              
                                 Schwefel
                                 
                                    
                                    
                                 a.b.
                                   2,217  
                                    											„  8,680   „
                                   3,682  
                                    											„  3,490   „
                                   3,850  
                                    											„  5,718   „
                                 
                              
                                 Kalk
                                 
                                 
                                   1,018   „
                                   0,829   „
                                   0,903   „
                                 
                              
                                 Schwefelsäure    
                                 
                                 
                                   1,987   „
                                   0,518   „
                                   0,582   „
                                 
                              
                                 Thon
                                 
                                 
                                   2,796   „
                                   1,699   „
                                   0,963   „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 99,821 Proc. 
                                 98,840 Proc.
                                 99,390 Proc.
                                 
                              
                           In Elner's Polytechn. Journal Bd. LXXXIII S
                                       											461. und meinen Analysen bezeichnet Schwefel a. die
                              									Menge Schwefel, die als Schwefelwasserstoff beim Zersetzen des Ultramarins durch
                              									Säure sich entwickelt, Schwefel b. die Menge, die als
                              									Schwefelmilch dabei niederfällt.
                           Bei meinen Analysen wurde eine Portion des Ultramarins durch Salzsäure zersetzt und
                              									in derselben Thonerde, Eisenoxyd, Natron und Kalk (die sich auflösten), sowie Thon
                              									(der ungelöst blieb) und Kieselsäure (die sich theils löste, theils, zusammen mit
                              									Thon und Schwefel, ungelöst blieb) in gewöhnlicher Weise bestimmt. – Eine
                              									andere Portion des Ultramarins wurde mit Soda und Salpeter geschmolzen, die Masse
                              									nachher mit Wasser behandelt und in der Lösung die Schwefelsäure durch Baryt
                              									bestimmt. Bei der so gefundenen Schwefelsäure (m) wurde
                              									diejenige (n) abgezogen, welche schon als solche im
                              									Ultramarin enthalten war, und die in einer dritten Probe desselben durch Zersetzen
                              									mit Salzsäure und Fällung mittelst Baryt bestimmt wurde. Ich überzeugte mich, daß
                              									diese schon in dem Ultramarin enthaltene Schwefelsäure darin an Kalk gebunden ist
                              									und in Form von
                              									schwefelsaurem Kalk aus dem Ultramarin (nachdem derselbe zuvor mit Weingeist
                              									befeuchtet ist, da er sich sonst mit Wasser nicht benetzt) durch Wasser ausgezogen
                              									werden kann. Die Menge m – n Schwefelsäure war also aus dem im Ultramarin enthaltenen Schwefel erst
                              									durch die Oxydation mittelst des Salpeters entstanden und wurde sonach auf Schwefel
                              										(a + b) berechnet. Die
                              									Menge Schwefel (a), welche bei der Zersetzung des
                              									Ultramarins durch Säure als Schwefelwasserstoff sich entwickelte, wurde in einer
                              									vierten Probe des Ultramarins mittelst Zersetzung durch verdünnte Salzsäure,
                              									Vermischen mit etwas Stärkekleister und Zusatz titrirter Jodlösung bis zur
                              									eintretenden Bläuung (nach dem Verfahren von Bunsen)
                              									direct bestimmt. Der so gefundene Schwefel wurde von der Gesammtmenge des Schwefels
                              										(a + b) abgezogen,
                              									worauf der Rest die Schwefelmenge (b) ergab, die bei der
                              									Zersetzung des Ultramarins durch Säure sich als Schwefelmilch abscheidet.
                           Wirft man einen Blick auf die Gewichte der die Ultramarine constituirenden
                              									Bestandtheile, so sieht man, daß der Größe derselben nach Kieselsäure, Thonerde,
                              									Natron und Schwefel die Hauptbestandtheile, Eisenoxyd, Thon, Schwefelsäure und Kalk
                              									dagegen sehr untergeordneter Natur sind. Diese letzteren betrachte ich als
                              									Verunreinigungen und ziehe sie bei Feststellung einer Formel nicht in Betracht.
                           Bei Prüfung der Eigenschaften des Ultramarins, seinem Verhalten gegen
                              									Oxydations- und Desoxydationsmittel, den Producten, die sich bei der
                              									Zersetzung durch Salzsäure bilden, wurde ich qualitativ, bei Betrachtung der
                              									Resultate der verschiedenen Analysen quantitativ darauf hingewiesen, daß, wie schon
                              										Elsner darlegte, im Ultramarin ein
                              									Mehrfach-Schwefelmetall verbunden mit einem Silicat die blaue Verbindung
                              									bilde.
                           Das Schwefelmetall ist im blauen ein höheres, als im grünen.
                           Ich fand nun, daß der blaue Ultramarin Fünffach-Schwefelnatrium, der rein
                              									grüne Zweifach-Schwefelnatrium enthält, und daß das mit ihm verbundene
                              									Silicat stets von constanter Zusammensetzung ist, die mit der eines natürlich
                              									vorkommenden Silicates, dem Nephelin, die größte Aehnlichkeit hat. Es besteht
                              									aus:
                           [(2 NaO) SiO₃] + 2 [Al₂O₃, SiO₃].
                           Die färbende Verbindung im blauen Ultramarin enthält auf
                              									2 Aequiv. des Silicats 1 Aeq.
                                 										Fünffach-Schwefelnatrium, die im grünen
                                 										auf 1 Aequiv. Silicat 1 Aequiv. Zweifach-Schwefelnatrium.
                           Die Wahrscheinlichkeit dieser Zusammensetzung will ich im Folgenden zu entwickeln
                              									versuchen.
                           
                           Schwefelmetall. – In den analysirten Ultramarinen
                              									fand ich für die Menge des Schwefels, der in der Form von Schwefelwasserstoff bei
                              									Zersetzung mit Salzsäure sich entwickelt (Sa), für die Menge Schwefel, der als
                              									Schwefelmilch niederfällt (Sb), folgende Zahlen:
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                    I.
                                    II.
                                   III.
                                   IV.
                                   V.
                                 
                              
                                 Blauer Ultramarin
                                 
                                    
                                    
                                 Sa    
                                    											Sb
                                 1,985   7,102
                                 2,204   8,449
                                 1,323   4,877
                                 1,437  5,818
                                 2,2178,680
                                 
                              
                           welche nahezu im Verhältniß stehen = 1 : 4.
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                   VI.
                                  VII.
                                 
                              
                                 Grüner Ultramarin
                                 
                                    
                                    
                                 Sa    
                                    											Sb
                                 3,682   3,490
                                 3,8505,718.
                                 
                              
                           Nr. VI ist rein grün, Sa : Sb
                              									verhält sich in ihm = 1 : 1, Nr. VII ist blaugrün.
                           Der Schwefel ist nun jedenfalls an Natrium gebunden. Es wurde die dem Sa entsprechende
                              									Menge Na berechnet (das dieser Menge Natrium
                              									entsprechende Gewicht Natron wurde von dem durch die Analyse gefundenen Gewicht
                              									Natron abgezogen).
                           Na + Sa ist Einfach-Schwefelmetall. Na + Sa + Sb ist das Mehrfach-Schwefelmetall, das
                              									im blauen Ultramarin NaS₅, im grünen NaS₂ gibt.
                           Alle Eigenschaften der blauen und grünen Ultramarine, sowie ihre Bildung
                              									rechtfertigen diese Lagerungsweise des Schwefels.
                           Die Schwefelsäure, welche nach der Zersetzung des Ultramarins durch Salzsäure in der
                              									Flüssigkeit gefunden wird, ist, wie oben gezeigt wurde, nicht erst durch Zersetzung
                              									von unterschwefligsauren Salzen entstanden, sie ist an Kalk gebunden und trägt
                              									nichts weniger als zur Bildung der Farbe bei.
                           Der Schwefel kann auch aus dem Grunde nicht in der Form von unterschwefligsaurem Salz
                              									zur Constitution der Farbe beitragen, weil dieses Salz bei der Temperatur, bei
                              									welcher sich Ultramarin bildet, nicht bestehen kann, sondern in Schwefel und
                              									schwefelsaures Salz zerfällt. Endlich ist außer dem Sauerstoff in der Kieselsäure,
                              									Thonerde, dem Eisenoxyd und Natron keiner mehr im Ultramarin enthalten. Die
                              									Uebereinstimmung der Analysen bürgt hiefür. Es ist kein Raum da, bei der Annahme des
                              									Vorhandenseyns von unterschwefliger Säure oder schwefliger Säure für je 16 Schwefel
                              									8 oder 16 Sauerstoff in Rechnung zu bringen.
                           Der Schwefel kann im Ultramarin zur Bildung der blauen oder grünen Farbe nur in der
                              									Form von Mehrfach-Schwefelnatrium beitragen.
                           Beim Zusammenbringen von Salzsäure mit Ultramarin wird ein Hauptbestandtheil
                              									desselben, das Mehrfach-Schwefelnatrium, zersetzt, es entwickelt sich
                              									Schwefelwasserstoff, Schwefel fällt nieder. Bei Zusatz von überschüssiger
                              									concentrirter Säure bildet sich hydrothionige Säure HS₅, die an ihrem Geruch
                              									bemerkbar ist. Die Veränderungen, die der Ultramarin bei Behandlung mit Wasserstoff,
                              									beim Glühen für sich, mit Salpeter und Soda erleidet, weisen deutlich die
                              									Anwesenheit von Mehrfach-Schwefelnatrium nach.
                           Bei letzterem Versuche, sowie der Darstellung des blauen Ultramarins aus dem grünen
                              									ersieht man, daß der erstere ein höheres Schwefelmetall enthält, als der letztere;
                              									denn die geschmolzene Masse wird erst grün, dann farblos.
                           Umgekehrt geht grüner in blauen über, wenn er mit Soda und Schwefel im Verhältnisse,
                              									daß sich Mehrfach-Schwefelnatrium bildet, oder mit Schwefel allein, oder für
                              									sich an der Luft geglüht wird.
                           In allen drei Fällen entsteht aus dem Zweifach-Schwefelnatrium des grünen,
                              									Fünffach-Schwefelnatrium des blauen. In den beiden ersten Fällen ergibt sich
                              									diese Umwandlung durch einfache Aufnahme von Schwefel, im letzteren zieht ein Theil
                              									Kieselsäure des Silicates aus dem Zweifach-Schwefelnatrium Natrium, das sich
                              									an der Luft oxydirt, und Fünffach-Schwefelnatrium entsteht.
                           Silicat. – Dieser zweite Hauptbestandtheil des
                              									Ultramarins besteht aus Kieselsäure, Thonerde und Natron. Beim Betrachten der
                              									Analysen der Ultramarine ist eine auffallende Uebereinstimmung dieser Körper nicht
                              									zu verkennen. Um zu einer Formel zu gelangen, berechnete ich ihr
                              									Sauerstoffverhältniß in den gefundenen Mengen und fand dasselbe in
                           
                              
                                 
                                 für Kieselsäure   
                                 Thonerde   
                                 Natron
                                 
                              
                                    I.
                                       5,154
                                    3,642
                                     1
                                 
                              
                                   II.
                                       5,282
                                    2,950
                                     1
                                 
                              
                                  III.
                                       4,108
                                    2,677
                                     1
                                 
                              
                                  IV.
                                       3,475
                                    2,233
                                     1
                                 
                              
                                   V.
                                       4,376
                                    2,635
                                     1
                                 
                              
                                  VI.
                                       4,655
                                    2,926
                                     1
                                 
                              
                                 VII.     
                                       5,871
                                    3,771
                                     1
                                 
                              
                           indem der Sauerstoffgehalt im Natron, als des in geringster
                              									Menge vorhandenen Bestandtheils, = 1 genommen wurde.
                           Diese Verhältnisse stimmen am besten mit der Zusammensetzung eines natürlich
                              									vorkommenden Silicates, des Nephelins, überein, bei welchem die
                              									Sauerstoffverhältnisse für
                           
                           
                              
                                 Kieselsäure    
                                 Thonerde    
                                 Natron    
                                 folgende sind:
                                 
                              
                                     4,5
                                     3,0
                                     1,
                                 
                                 
                              
                           denn die Formel des Nephelins ist:
                           [(2 NaO) SiO₃ + 2 [Al₂O₃, SiO₃].
                           Um schließlich zu erfahren, in welchem Aequivalentenverhältniß Schwefelnatrium mit
                              									dem Silicat verbunden ist, um somit dann die Formel für chemisch reinen Ultramarin
                              									zu haben, dividirt man in den Sauerstoff des Natrons aus dem Silicat mit dem
                              									Sauerstoff des dem Schwefelnatrium entsprechenden Natrons; man erhält für:
                           
                              
                                 
                                    Sauerstoffd. Natrons
                                    											im     Silicat:
                                     Sauerstoff des
                                    											dem      Schwefelnatriumentsprechenden
                                    											Natrons
                                 Verhältniß derselben
                                 Abgerundetes  Verhältniß
                                 
                              
                                    I.
                                      3,844
                                             0,992
                                   3,875 : 1
                                      4 : 1
                                 
                              
                                   II.
                                      4,200
                                             1,104
                                   3,804 : 1
                                      4 : 1
                                 
                              
                                  III.
                                      4,962
                                             0,661
                                   7,507 : 1
                                      7,5 : 1
                                 
                              
                                  IV.
                                      5,411
                                             0,736
                                   7,352 : 1
                                      7,5 : 1
                                 
                              
                                   V.
                                      4,438
                                             1,108
                                   4,005 : 1
                                      4 : 1
                                 
                              
                                  VI.
                                      4,369
                                             1,841
                                   2,374 : 1
                                      2 : 1
                                 
                              
                                 VII.      
                                      3,582
                                             1,925
                                   1,861 : 1
                                      2 : 1
                                 
                              
                           Nr. III und IV sind Sorten von hellerem mattem Blau, die andern I, II und V dagegen
                              									von den feurigsten Sorten; man kann daher annehmen, daß in dem
                              									chemisch-reinen Blau stets auf 4 Aequiv. Natron im Silicat 1 Aequiv.
                              									Fünffach-Schwefelnatrium und im reinsten Grün auf 2 Aequiv. Natron 1 Aequiv.
                              									Zweifach-Schwefelnatrium kommt, oder daß im Blauen
                           
                              
                                 
                                 2 Aequiv. Nephelin mit
                                 1 NaS₅
                                 
                              
                                 und im Grünen
                                 1      „          „        
                                    											„
                                 1 NaS₂
                                 
                              
                           verbunden sind.
                           Die Formeln für die reinen Verbindungen sind demnach:
                           Blau: 2 ([(2 NaO)SiO₃]
                              									+ 2 [Al₂O₃, SiO₃]) + 1 NaS₅.
                           Grün: 1 ([(2 NaO)SiO₃]
                              									+ 2 [Al₂O₄, SiO₃]) + 1 NaS₂.