| Titel: | Ueber Caseïn-Kitt; von Prof. Dr. R. Wagner. | 
| Autor: | Johannes Rudolph Wagner [GND] | 
| Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. LXVIII., S. 301 | 
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                        LXVIII.
                        Ueber Caseïn-Kitt; von Prof.
                           									Dr. R.
                              								Wagner.
                        Wagner, über Caseïn-Kitt.
                        
                     
                        
                           Löst man aus Milch vermittelst Essigsäure gefälltes Caseïn in
                              									zweifachkohlensaurem Kali oder Natron, so erhält man eine Flüssigkeit, welche in
                              									hohem Grabe klebende Eigenschaften besitzt und schon vor etwa zwanzig Jahren von Braconnot
                              									Braconnot, Annales de Chimie et de Physique
                                       												t. XLIII p. 337; Journal für praktische
                                    											Chemie Bd. VIII S. 293. als Kitt vorgeschlagen worden ist.
                           Indem ich zum Auflösen der ausgewaschenen und abgepreßten Caseïns verschiedene
                              									andere alkalische Lösungsmittel verwendete, erhielt ich Kitte, die werthvolle oder
                              									wenigstens beachtungswerthe Eigenschaften besitzen.
                           Durch Auflösen von Caseïn in kalt gesättigter Boraxlösung erhält man eine klare Flüssigkeit von
                              									dicklicher Consistenz, welche sich durch hohes Klebvermögen auszeichnet und darin
                              									eine Lösung von arabischem Gummi weit übertrifft. Diese Flüssigkeit ertheilt dem
                              									Papier, das man damit
                              									überzieht, einen schwach glänzenden, firnißähnlichen Ueberzug, und man kann sich so
                              									überzogenen Papieres zu Etiquetten und Briefmarken, die bloß angefeuchtet zu werden
                              									brauchen, um dann fest zu kleben, mit vielem Vortheile bedienen. Auch kann sie in
                              									vielen Fällen, namentlich in der Kunstschreinerei und bei den Portefeuillearbeiten,
                              									die Stelle des Leimes vertreten. Versuche Holz damit zu leimen, gaben die
                              									gelungensten Resultate. Man wird die Flüssigkeit ferner benutzen können anstatt des
                              									Albumins in der Zeugdruckerei, zur Fabrication von nachgemachtem Meerschaum, um
                              									Seidenstoffen Lüster und Consistenz zu ertheilen, um englisches Master, künstliche
                              									Blumen herzustellen etc. Woll- und Baumwollstoffe mit der
                              									Caseïn-Boraxlösung getränkt und dann getrocknet, können durch
                              									Gerbsäure oder essigsaure Thonerde gegerbt und dadurch in wasserdichte Zeuge
                              									übergeführt werden.
                           Eine Auflösung von Caseïn in Wasserglas ist als Porzellan- und Glaskitt zu empfehlen. Mit
                              									gebrannter Magnesia zusammengerührt, dürfte vielleicht diese Flüssigkeit sich zur
                              									Darstellung einer künstlichen Meerschaummasse
                              										eignen.Gebrannte Magnesia und Infusorienerde (aus Kieselpanzern bestehend) geben
                                    											beim Behandeln mit Kalilösung eine allmählich erhärtende Masse von
                                    											kieselsaurem Magnesiahydrat.
                              								
                           Durch Auflösen von Caseïn in phosphorsaurem Natron (PO₅, 2NaO, HO) erhält man eine Flüssigkeit, welche auch zum
                              									Kitten und Kleben zu brauchen ist, der Boraxlösung aber weit nachsteht. Sie enthält
                              									nur wenig Caseïn.
                           Eine Lösung von Caseïn in Natronbicarbonat läßt sich vielleicht zum Leimen der Papiermasse anwenden.
                              									Ich war nicht in der Lage, über diesen Punkt Versuche anstellen zu können.